Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Die Kolonien

VOC Der Zauber Ostindiens
Der Kolonialdienst in der VOC.
Seemann Handel, Kaperkrieg und Piraterie
Die Abenteurer eines schwäbischen Bäckers.
x Mit fünf Dukaten um die Welt.
Die Reise des Christoph Carl Fernberger von Egenberg.
Hesse Der Soldatenhandel
Die Legende von den "verkauften Hessen".
Deux-Ponts Das Regiment Royal Deux Ponts
Die ignorierten Söldner des Unabhängigkeitskrieges.
Sklave Der Dreieckshandel
Parallelen zwischen Soldaten- und Sklavenhandel.

Die napoleonischen Kriege

x Wellenbrecher bei Waterloo.
Die King's German Legion verteidigt La Haye Sainte.
Deserteur Ein notorischer Deserteur
Mit und gegen Napoleon.
Regiment Isembourg Glücksritter unter Napoleon
Im Fremdenregiment Isembourg.
Cabrera Cabrera
Die Todesinsel der Gefangenen.
Trafalgar Dem Kalbfell folgen
Die Abenteuer Johann Friedrich Löfflers.
Uniformen Napoleons Söldner
Bunte Uniformen und bittere Fakten.
Wurttemberger Das Kapregiment
Ein merkantilistisches Todesurteil.
Haiti Der große Betrug
Die Polnische Legion auf Haiti.

Die Glücksritter

Korsika Die Söhne des Glücks
Ein Abenteurer macht sich zum König von Korsika.
Indien Sumru der Finstere
Ein Abenteurer als Fürst in Indien.
Begum Sumru Die Begum Sumru
Söldnerführerin in Hindustan.

Europa

Korsar Unter dem Turban
Renegaten und Korsaren.
Kurassier Im wilden Feld
Krieg um Polen und die Ukraine.
Kosaken Vom Mauserei Reiten
Die Kriegen der blutigen Sintflut.
Venedig Der Krieg der Maulwürfe
Venedigs Kampf um Kreta.
Morea Venedig schlägt zurück
Pest und Tod auf der Morea.

Absolutismus – Der Niedergang

Der Dreißigjährige Krieg setzte bis dahin unbekannte Massen von Söldnern in Bewegung. Landsknechte und Reiter mußten nicht mehr in die Ferne schweifen, statt dessen brachen immer neue Wellen fremder Söldner über das Reich herein und verwandelten weite Landstriche in Wüsten. Hunger, Kälte, Seuchen und blutige Schlachten forderten furchtbare Verluste. Fast die Hälfte des kaiserlichen Heeres in Böhmen starb im Winter 1620 an Typhus. Tilly verlor noch weit mehr bei Breitenfeld 1631 und der Sieger Gustav Adolf ein Jahr später im Winterlager vor Nürnberg mehr als zwei Drittel seiner Armee. Grobe Schätzungen gehen von einem Fünftel bis einem Viertel jährlicher Verluste aus. Aber Nachschub gab es genug. Wurden in Schweden die Menschen knapp, kamen Schotten und Franzosen; Spanien schickte Italiener und Wallonen; die Kaiserlichen warben in ihren östlichen Grenzgebieten. Die größten Rekrutierungsgebiete waren aber die verheerten Gebiete des Reiches selbst. Den zahllosen ruinierten Bauern und Städtern blieb oft keine andere Möglichkeit mehr, als Soldat zu werden. Im Lauf der Zeit wurden die Armeen immer mehr zu Auffangbecken für Vertriebene und Gescheiterte.

Grimmelshausen schreibt über diesen Kreislauf zwischen Tätern und Opfern, die ihrerseits wieder zu Tätern wurden: "Fressen und Sauffen, Hunger und Durst, huren und buben, rasslen und spielen, schlemmen und morden und wieder ermordet werden, tod schlagen und wieder zu tod geschlagen werden, tribulieren und wieder getrillt werden, jagen und wieder gejagt werden, ängstigen und wieder geängstigt werden, rauben und wieder beraubt werden, plündern und wieder geplündert werden, sich förchten und wieder geförchtet werden, Jammer anstellen und wieder jämmerlich leiden, schlagen und wieder geschlagen werden; und in Summa nur verderben und beschädigen, und hingegen wieder verderbt und beschädigt werden, war ihr gantzes Tun und Wesen. Woran sie sich weder Winter noch Sommer, weder Schnee noch Eis, weder Hitze noch Kälte, weder Regen noch Wind, weder Berg noch Thal, weder Felder noch Morast, weder Gräben, Pässe, Meer, Mauren, Wasser, Feur, noch Wälle, weder Vater noch Mutter, Brüder und Schwestern, weder Gefahr ihrer eigenen Leiber, Seelen und Gewissen, ja weder Verlust des Lebens, noch des Himmels oder sonst einzig ander Ding, wie das Namen haben mag, verhindern ließen: Sondern sie weberten in ihren Wercken immer emsig fort, bihs sie endlich nach und nach in Schlachten, Belägerungen, Stürmen, Feldzügen, und in den Quartieren selbsten (so doch der Soldaten irdische Paradeis sind, sonderlich wan sie fette Bauren antreffen) umkamen, starben, verdarben und crepierten; bihs auf etliche wenige, die in ihrem Alter, wan sie nicht wacker geschunden und gestohlen hatten, die allerbeste Bettler und Landstreicher abgaben." Man muß allerdings dieser fast vollständigen Aufzählung noch hinzufügen, daß sie sich auch durch den Frieden von ihrem Tun nicht abhalten ließen.

Das Reich war zwar ausgebrannt, aber der Kampf um die Vorherrschaft in Europa verlagerte sich damit lediglich an die Peripherie. Bereits vor dem Ende des Dreißigjährigen Krieges begann in England der Bürgerkrieg, der dann auf Schottland und Irland übergriff, und die Türkei wurde mit dem Überfall auf Kreta wieder an ihrer Westgrenze aktiv. Kurz darauf entbrannte im Wilden Feld ein Kosakenaufstand gegen Polen, in den die Türkei, Ungarn, Siebenbürgen, Dänemark, Schweden und schließlich Rußland verwickelt wurden. Frankreich und Spanien kämpften unentwegt weiter an den Pyrenäen, in Italien und in Flandern. Als Spanien am Ende war, fiel Frankreich über die Niederlande her und brachte damit neue Koalitionen zustande. Diese Ausdehnung schien dem Krieg zu bekommen. Die weiten Gebiete und vielen Menschen gaben ihm reichlich Nahrung. Die Heeresstärken wuchsen und gekämpft wurde fast ununterbrochen. Einzelne Friedensverträge dienten lediglich als Atempausen und der Suche nach neuen Koalitionspartnern. Ein vorläufiges Ende fand dieses blutige Ringen erst mit dem Tod der Hauptunruhestifter Ludwig XIV (1715) und Karl XII (1718).

Das ausgeblutete Reich wurde von diesem über sechzig Jahre dauernden Weltkrieg nur an den Randgebieten gestreift, und so konnte ein guter Teil der überschüssigen Söldner, die Land und Städte unsicher machten ins Ausland abgeschoben werden. Viele dieser Schnapphähne, Merodebrüder und Kriegsgurgeln gingen freiwillig und folgten ihren alten Obristen. Andere wurden beim Vagabundieren oder Stehlen aufgegriffen und wurden von ihren Landesherren gegen Subsidien vermietet oder verkauft.

Wohl selten waren Kriege so sinnlos und verlustreich gewesen wie die, in denen die Veteranen des Dreißigjährigen Krieges verschwanden. Die Geschichte hat sie dann auch bis auf einige Anmerkungen meistens vergessen. Trotzdem sind sich Zeitgefühl und Söldnertum vielleicht nie so nahe gestanden wie im Barock. Die Überlebenschancen waren minimal, trotzdem wurde bei der kleinsten Gelegenheit gepraßt und gefeiert. Eines der beliebtesten Motive war der Totenkopf, der auf Bildern von Ruhm und Reichtum auf deren Vergänglichkeit, auf die Vanitas des menschlichen Strebens hinweist. Der Sensenmann mit dem Stundenglas gehört genauso zum Lebensgefühl des Barock wie das Bedürfnis der Mächtigen sich mit Rüstung und Marschallsstab darstellen zu lassen. Puder und wallende Perücken verdeckten die Narben von Pocken und Syphilis. Pest und Krieg forderten immer wieder Zehntausende von Opfern, dazwischen errichtete man prachtvolle, vor Gold strotzende Bauwerke und feierte rauschende Feste. Selten schien Fortuna so wankelmütig. Das Rad des Schicksals drehte sich unablässig und jeder lebte von geborgter Zeit.

Nur so ist der fatalistische Gleichmut zu verstehen, mit dem die Söldner ihrem Untergang entgegensteuerten. Der Gedanke ans Morgen war noch nie ihre Sache gewesen, aber jetzt wurde das "Carpe Diem" - das Nutze den Tag - zum allgemeinen Lebensgefühl. Fortuna, lange die heimliche Geliebte der Söldner, verdrängte den Heiligen Georg nun endgültig. Im Zeitalter der Massenheere und der Feuerwaffen starben 90% außerhalb der Gefechte, andere an lächerlichen Verletzungen, und gegen Kugeln waren auch Helden nicht gefeit. Allein das Glück wurde zur alles bestimmenden Macht. Aber die Söldner hatten es auch bitter nötig. Mehr denn je waren sie zur Ware, zum verschacherten Schlachtvieh geworden. Trotzdem hatten deutsche Söldner noch nie so zahlreich ihr Glück in der Fremde gesucht. Der Krieg schien für allzuviele die einzige Möglichkeit wenigstens einmal richtig aus dem Vollen zu schöpfen, bevor der Tod jedes Streben zunichte machte.

"Pas d'argent, pas des suisse", kein Geld, keine Schweizer war ein geflügeltes Wort in Frankreich. Als sich aber der französische Gesandte wieder einmal über die Geldgier der Schweizer beklagte und behauptete, daß man mittlerweile die Straße von Paris nach Basel mit Gold pflastern könnte, antwortete ein schweizer Offizier, daß man auch einen Graben neben dieser Straße mit dem Blut der Schweizer füllen könnte, das diese im Dienst Frankreichs vergossen hätten. Doch es waren nicht nur Schweizer, die in Frankreichs Kriegen kämpften und starben. Im 18. Jahrhundert dienten in der französischen Armee ständig um die 50.000 Mann Fremdtruppen, darunter 11 schweizer, 8 irische, 2 italienische und 8 deutsche Regimenter. Dazu kamen noch verschiedene einzelne Bataillone und Kavallerieschwadronen.

Diese Regimenter wurden nicht mehr für einzelne Feldzüge vermietet, sondern ständig im Dienst Frankreichs unterhalten. Einige der bekanntesten deutschen Regimenter wie "Alsace-Infanterie", das 1656 von Wilhelm von Nassau-Saarbrücken aufgestellt worden war, oder "Fürstenberg-Infanterie", das der Landgraf von Fürstenberg 1668 gegründet hatte, blieben bis zur Revolution und damit weit über hundert Jahre in französischen Diensten. Ihren Besitzern und deren Erben sicherten sie damit ein ständiges Einkommen und die sorgten ihrerseits für regelmäßigen Ersatz, den sie in ihren Ländern anwarben und ausrüsteten. Es versteht sich von selbst, daß der Profit dabei nur noch sehr wenigen zugute kam. Selbst den freiheitsliebenden Schweizern erging es nicht anders. Ihre Regimenter waren fest im Besitz einzelner mächtiger Patrizierfamilien, von denen die ehemals wilden Reisläufer zu Linieninfanteristen abgerichtet und meistbietend verkauft wurden.

Aber die langen Kriege Ludwig XIV. und Karl XII. begannen das Reservoir an entwurzelten Menschen, das der Dreißigjährige Krieg hinterlassen hatte, langsam auszutrocknen. Waffentechnische Entwicklungen und Drill hatten die Feuerkraft so sehr gesteigert, daß die Menschenverluste in den Schlachten die Erfolge bei der Truppenversorgung leicht ausglichen. Andererseits gab die wachsende Wirtschaft wieder mehr Menschen Arbeit. So daß sich sogar der französische Gesandte darüber beschwerte, daß die schweizer Jugend lieber hinter den züricher Webstühlen stehen würde, als für Frankreichs Ehre zu kämpfen. Um weiterhin die gewünschten Sollzahlen zu erreichen, griffen die Werber zunehmend zum Zwang. Zuerst versuchte man die Kandidaten mit Wein und guten Worten zur Annahme des Handgelds zu überreden, was treffend als "Kapitulation" bezeichnet wurde. Wenn dies alles nichts fruchtete half man mit Gewalt nach, man begann zu pressen. Das elende Schicksal derer, die "dem Kalbfell hinterherliefen", sprach sich natürlich herum und machte den Dienst nicht gerade attraktiver. Vor allem die Infanterie mußte ihre Rekruten immer mehr unter den Randgruppen und Ausgestoßenen anwerben. Meistens verachtet und manchmal bemitleidet zählten Söldner zum Bodensatz der Gesellschaft, aus dem der Großteil von ihnen rekrutiert wurde. Friedrich der Große brachte diese Einstellung einmal deutlich zum Ausdruck: "Wen nimmt man zum Soldaten? Die Hefe des Volkes. Faulenzer, die lieber müßiggehen als arbeiten, lüderliches Gesindel, das die Ungebundenheit im Soldatenrocke sucht, junge Taugenichtse, die daheim nicht guttun und sich aus Leichtsinn anwerben lassen".

Je mehr die Landesherren ihre Macht im Ancien Régime steigerten, desto mehr wurden die Söldner zum verachteten Pack, zur Kanaille, das je nach politischem Vorteil oder Geldbedarf vermietet wurde. Die Trennung zwischen oben und unten verschärfte sich ständig und war nirgends so stark wie in den Armeen. Doch gerade hier entfaltete der uralte Typus des Glücksritters noch einmal ungeahnte Aktivitäten. Selbstherrlichkeit und Egoismus der Fürsten hatten die Bindungen des niederen Adels zu seinen Herrschern gelöst und so versuchte er ihnen nach besten Kräften nachzueifern. Auf der Suche nach Posten und Karrieren durchstreifte der europäische Adel den Kontinent. Der Kriegsdienst war dabei immer noch das beliebteste Mittel seine "Fortun" zu versuchen. Die meisten mußten sich mit subalternen Stellen zufrieden geben. Andere zogen irgendwann weiter, auf der Suche nach Krieg und Beförderung, auf der Flucht vor Gläubigern oder den Folgen eines Duells. Einige brachten es zu höchsten Ehren, wurden reich und schon zu Lebzeiten Legenden, wie der Savoyarde Eugen, der berühmteste Feldherr Habsburgs; Claude Alexander Graf von Bonneval aus dem vornehmsten französischen Adel, der zuerst in österreichische Dienste wechselte und von dort zu den Türken desertierte, wo er zu deren bedeutendsten General aufstieg, oder Nikolaus Luckner der Bürgersohn aus Passau und spätere Graf und Marschall von Frankreich.

Diese Abenteurer waren so international wie die verkauften Regimenter. Zum größten Erfolg der Fremdtruppen Frankreichs wurde 1745 die Schlacht bei Fontenoy. In ihr bewährten sich die Schweizer Garden und die deutschen Regimenter Löwendahl und Württemberg. Entschieden wurde sie durch einen Gegenangriff der irischen Brigade, die sich mit dem altbekannten Eifer der Emigranten auf die Engländer und deren hannoveraner Söldner warfen. Das Kommando führte Moritz von Sachsen, ein unehelicher Sohn Augusts des Starken. Für ihn den begabten Bastard war der Kriegsdienst die einzige Möglichkeit Karriere zu machen. Als Marschall von Frankreich wurde er der berühmteste Feldherr zwischen Prinz Eugen und Friedrich dem Großen. Wie viele der besonders erfolgreichen Abenteurer träumte auch er von einem eigenen Fürstentum als Krönung seiner Karriere - allerdings vergeblich.

Glücksrittertum und Soldatenhandel gingen im Ancien Régime nebeneinander her und manchmal ineinander über. Als die französische Revolution der Epoche ein Ende setzte, erreichten beide in den napoleonischen Kriegen einen letzten morbiden Höhepunkt, als sich ein Abenteurer zum Kaiser krönte und seinen Anhang mit Königs- und Fürstenkronen versorgte, einfache Soldaten unglaubliche Karrieren machten und ganze Völker verschachert wurden.



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