Das Kapregiment
Ein merkantilistisches Todesurteil.
Wenn vom Soldatenhandel gesprochen wird, denken die meisten an die
"verkauften Hessen",
obwohl es sich bei ihnen zum guten Teil um Freiwillige
handelte, von denen zudem die meisten wieder zurückkehrten oder freiwillig
in den USA blieben. Kaum bekannt ist dagegen der Verkauf des so genannten
Kapregiments durch Herzog Karl Eugen von Württemberg, an dem Geschäft
sich die miesen Geschäftspraktiken wesentlich besser demonstrieren
lassen. Wie die meisten deutschen Staaten hatte auch Württemberg bald
nach dem Dreißigjährigen Krieg mit dem Verkauf von Truppen begonnen.
Bereits 1687 standen vier seiner Regimenter im Dienste Venedigs auf der
Morea. Zwei Jahre später gingen drei an die Niederlande und im spanischen
Erbfolgekrieg noch einmal vier. In der relativ friedlichen Zeit danach
mietete lediglich der Kaiser ein Regiment, bis mit dem Ausbruch des Siebenjährigen
Krieges Frankreich zum Großkunden wurde. Die Württemberger hatten
zu dieser Zeit bereits den Ruf, dass ihre Truppen zum Großteil aus
Gepressten bestanden, die nicht nur schlecht ausgebildet und ausgerüstet
waren, sondern auch häufig desertierten.
Beim Ausbruch des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges hatte Karl
Eugen den Engländern ebenfalls einige Regimenter angeboten, doch diese
hatten nach einer kurzen Inspektion der verkommenen Truppen dankend abgelehnt.
Aber auch andere Länder brauchten Soldaten, und da vor allem die geschäftstüchtigen
Niederländer immer an Billigangeboten interessiert waren, verbrachte
der württembergische Oberst Nicolai seinen "Urlaub" in Holland, um
die Lage für den Herzog zu sondieren. Nach ersten Kontakten einigte
man sich darauf, dass der Herzog der VOC ein Regiment aus zwei Bataillonen
mit insgesamt 2.000 Mann zum Schutz der Kapkolonie überlassen sollte.
Das Geschäft hörte sich gut an. Karl Eugen erhielt 300.000 Gulden
für das ausgerüstete Regiment, 72.000 für den Transport
nach Vlissingen und später 65.000 jährlich für den zu liefernden
Ersatz. Die Kapitulationszeit betrug fünf Jahre und der Sold lag deutlich
über dem europäischen. Er war mit 9 Gulden monatlich schon bei
den Gemeinen über doppelt so hoch wie der Verdienst eines Tagelöhners;
bei den Offizieren stieg er von den 50 Gulden eines Leutnants bis auf 500
für den Regimentskommandeur.
Doch der Teufel steckte wie so oft im Detail, dem berühmten Kleingedruckten.
Der Landgraf von Hessen und die anderen deutschen Fürsten waren für
jeden Toten bezahlt worden und konnten über die Weiterverwendung ihrer
vermieteten Truppen entscheiden; außerdem waren die Engländer
zum freien Rücktransport bei Kriegsende oder am Ende der Kapitulationszeit
verpflichtet. Karl Eugen wurde für die Verluste pauschal bezahlt,
hatte keinen Einfluss auf den weiteren Einsatz seines Regiments und musste
den teuren Rücktransport selbst übernehmen. Dadurch war das fatale
Schicksal der Württemberger bereits vorprogrammiert. Hinzu kam, dass
vereinbart worden war, den Sold in "indischer Währung" auszuzahlen.
Niemand hatte sich genauer darum gekümmert, aber durch den schlechterer
Kurs verminderte sich der Sold um gut 20%; durch weitere Umrechentricks
sparte die VOC weitere 25%, so dass der reale Sold fast nur die Hälfte
des versprochenen ausmachte. Doch auch dieser Punkt wurde erst bekannt,
als es längst zu spät war. Auf jeden Fall hatte sich der Herzog
in seiner Geldgier von den cleveren holländischen Kaufleuten gnadenlos
über den Tisch ziehen lassen.
Aber der Herzog brauchte dringend Geld für seine aufwendige Hofhaltung,
und nachdem soweit alles geregelt war, begann die Aufstellung des Regiments.
Für die Kader fanden sich schnell Freiwillige aus den stehenden Regimentern,
da viele auf eine schnellere Beförderung in Afrika hofften. Die höheren
Offiziersstellen, die meist mit einträglichen Nebengeschäften
verbunden waren, konnten gewinnbringend verkauft werden. Großzügig
"versorgte" der Herzog auf diese Weise sogar sechs seiner illegitimen Söhne.
Zum Kommandeur wurde der in Straßburg geborene Oberst Theobald von
Hügel. Die freiwilligen Gemeinen erhielten je nach Größe
und Tauglichkeit 16 bis 36 Gulden Handgeld. Ansonsten wurde das Geschäft
an professionelle Werber verpachtet, die 36 Gulden pro Kopf erhielten und
zusehen mussten, wie sie die Kandidaten zur Unterschrift überredeten.
In vielen Familien und Gemeinden war es üblich ungeratene Söhne
und lästige Gemeindemitglieder zum Militär zu schicken. Trunkenbolde,
Störenfriede, Väter unehelicher Kinder und nicht allzu auffällige
Dorfdeppen wurden den Werbern übergeben und bereicherten auf diese
Weise den Gemeindehaushalt. Um das Verfahren zu beschleunigen und schnell
an die begehrten holländischen Gulden zu kommen, sah sich der Herzog
genötigt, die Altersgrenze von 18 auf 17 Jahre herabzusetzen. Denn
die Rekruten steigerten seine Finanznot ständig. Überall fehlte
es an Unterkünften, Verpflegung und Ausrüstung. Die Rekruten
hausten meist ohne Decken in feuchten Löchern und bald gab es die
ersten Kranken und Deserteure. Bereits im Anfangsstadium drohte das ganze
Projekt am Geldmangel zu scheitern, und nur durch den Privatkredit eines
Ministers konnte das erste Bataillon aufgestellt und im Februar 1787 losgeschickt
werden.
Auf dem Marsch wurden die Unterschiede zu den braven aber gut versorgten
Hessen immer deutlicher. Die Unterbringung in den herzoglichen Kasernen
hatte den Truppen bereits so zugesetzt, dass von Anfang an viele Kranke
auf Wagen mitgeschleppt werden mußten. Unterwegs häuften sich
die Versorgungsprobleme, es gab die ersten Toten und die Desertionen häuften
sich. Fremde Werber schlichen sich nachts an das Lager heran und versprachen
den Söldnern gutes Handgeld und bessere Konditionen. Das Bataillon
musste ständig von Reitern bewacht und durch neue Werbungen ergänzt
werden. Doch vor allem hatte sich in den letzten Jahren die Stimmung in
der Bevölkerung geändert. Söldner galten allgemein als arme
Teufel, und jeder Deserteur konnte auf Sympathie und Hilfe rechnen. Als
mit dem Erlös für das ersten Bataillons endlich auch das zweite
abgeschickt werden konnte, konnten nur mit Mühe Massendesertionen
verhindert werden. Auf württembergischen Gebiet wurde der Weg noch
von eigenen zuverlässigen Truppen gesichert, aber schon im benachbarten
Baden war dies nicht mehr möglich. Die Bevölkerung hielt den
Deserteuren im wahrsten Sinne des Wortes Tür und Tor offen, wie der
Kommandeur in seinem Rapport feststellte: "Gleich beim heutigen Ausmarsch
ging das Desertieren wieder an, alle Haustüren standen offen, so war
es den Leuten ein Leichtes, in ein Haus zu springen und die Tür zuzuschlagen.
So ging es durch alle Dörfer. In Durlach standen viele Hundert Menschen
auf der Straße. Die Stadttore, Haustüren und Stalltüren
waren offen; und obgleich zu jeder gefährlichen Passage sich Scharfschützen
und Unteroffiziers stellten, so war die Desertion nicht zu hindern. [...]
Zwei Geschlossene wurden von der Menge umgeben - weg waren sie." Als das
Bataillon in Vlissingen ankam, fehlte ungefähr ein Fünftel, und
die VOC behielt 10.000 Gulden ein.
In Holland sank dann auch die Stimmung unter den Offizieren. Viele hatten
Schulden gemacht, um ihre Stellen zu bezahlen und um sich standesgemäß
auszurüsten. Nachdem sie ihren ersten Sold erhalten und bemerkt hatten,
wie gering er nach den Rechenkünsten der VOC ausgefallen war, protestierten
sie lautstark. Doch es nützte wenig; sie wurden vertröstet und
machten weitere Schulden. Wie üblich war es bei den Gemeinen noch
um einiges schlimmer. Ihnen wurde alles zu Wucherpreisen in Rechnung gestellt
und vom zukünftigen Sold abgezogen: Marschverpflegung, Ersatz für
die bereits verschlissenen Monturen, Schiffsverpflegung, Tabak, Schnaps
und all die anderen Marketenderwaren. Bis sie das Kap erreicht hatten waren
sie bereits völlig verschuldet. Aber das war vorerst noch ihr geringstes
Problem. Während der Überfahrt wurden sie auf kleinen Truppentransportern
zusammengepfercht. Da wegen stürmischen Wetters die Luken nur selten
geöffnet werden konnten, herrschte unter Deck ein unerträglicher
Gestank. Schlechte Nahrung und verdorbenes Wasser kamen hinzu, und bald
waren fast alle krank. Wer noch genug Kraft hatte schleppte sich nach Möglichkeit
an Deck. Die anderen vegetierten im Gestank der Geschützdecks zwischen
Kot und Erbrochenem. Als die Schiffe nach einer Fahrt von vier bis sieben
Monaten endlich Kapstadt erreicht hatten, entließen sie eine Schar
menschlicher Wracks. 143 Mann des Regiments hatten den Transport nicht
überlebt.
Nicht alle erholten sich. Die Umstellung auf das fremde Klima forderte
am Anfang weitere hohe Verluste, und als Oberst Hügel seinem Herrn
einen Fehlbestand von 510 Köpfen melden mußte, fürchteten
die Offiziere, beim Herzog in Ungnade zu fallen, da dieser für den
Ersatz aufzukommen hatte. Die Überlebenden gewöhnten sich allerdings
bald an das Leben in der Kolonie. Sie wurden in einer neuen Kaserne untergebracht,
und das Klima war angenehm. Da es zu keinerlei kriegerischen Handlungen
kam, beschränkte sich der Dienst auf ein wenig Exerzieren und Wachestehen.
Nach und nach verbreitete sich das holländische "Pasgangers-System";
d.h. die Söldner erhielten unbezahlten Urlaub und arbeiteten bei den
Kolonisten. Allerdings wirkte sich der Währungsschwindel der VOC am
Kap voll aus. Da alle Ausrüstungsgegenstände, Alkohol und Tabak
als Importwaren wesentlich teurer als in Europa waren, kamen die Gemeinen
von ihren Schulden nicht los, obwohl vom Sold mindestens ein Drittel einbehalten
wurde. Desertieren konnte nur, wer es schaffte sich auf ein fremdes Schiff
zu schleichen. Da aber auch holländische Kapitäne ständig
versuchten ihre dezimierten Mannschaften am Kap zu ergänzen, wurden
diese Schiffe entsprechend überwacht, und es gelang nur wenigen auf
diese Weise zu entkommen. Außerdem erschien eine Existenz als Seemann
nach den bisherigen Erfahrungen nur wenigen als wünschenswerte Alternative.
Also fügten sich die meisten in ihr Schicksal. Nur einmal kam es wegen
des miserablen und knappen Essens zu einer größeren Rebellion,
die jedoch von den Offizieren schnell unterdrückt wurde. Obwohl außer
einigen verprügelten Köchen kein Schaden angerichtet worden war,
wurden die Rädelsführer zum Tod durch Erschießen verurteilt.
Dann allerdings, wie meistens üblich wenn kein Exempel benötigt
wurde, kurz vor der Exekution zu mehrmaligem Spießrutenlaufen begnadigt.
Da die hohe Verschuldung der Mannschaften eines der drückendsten
Probleme war, betätigte sich Oberst Hügel selbst als Heereslieferant.
Obwohl er Ausrüstung und Uniformen billiger als die VOC besorgte,
wurde es für ihn zu einem äußerst profitablen Nebengeschäft.
Im Lauf der Jahre überwies er einige hunderttausend Gulden in die
Heimat und hinterließ ein ansehnliches Vermögen. Trotz aller
Klagen über die Geldgier der VOC hatte er sich also selbst enorm am
Elend seiner Soldaten bereichert. Doch das war zu dieser Zeit allgemein
üblich. Jeder Kommandeur nützte die Gelegenheit die Versorgung
seiner Truppen zu seiner Haupteinnahmequelle zu machen. So hatte zum Beispiel
der hessische General Riedesel aus dem Unabhängigkeitskrieg ein Vermögen
von 15.000 Talern mit nach Hause gebracht.
Aber auch für die anderen Offiziere war das Leben am Kap recht
angenehm. Einige hatten ihre Familien mitgebracht, andere heirateten Töchter
Kapstadter Bürger und nicht wenige kauften sich schwarze Sklavinnen.
Der Kapitänleutnant Kapf gab in einem Brief eine anschauliche Beschreibung
vom Tagesablauf eines Offiziers im Kolonialdienst: "Die Lebensart ist hier
sehr ausgelassen, deswegen diejenigen, welche es bezahlen können,
sich schöne Sclavinnen halten, welche einem getreuer sind, als das
beste Weib, [...] Morgen um 5 Uhr steht hier alles auf, ich gewöhnlich
um 4 Uhr, wo der Kaffe schon da ist. Diesen trinke ich entweder allein
oder mit meinem Mädchen. Um acht Uhr wird der Tisch gedeckt, da ißt
man kalte Braten, Pasteten Hühner etc. und trinkt von dem guten Capwein,
bis 8 Uhr aber studiere ich, dann lasse ich mich frisieren, gehe um 9 Uhr
auf die Parade, nach der Parade steht mein Pferd da, dann reitet man bis
12 Uhr spazieren, oder macht des Morgens Visite, welches ich ungern thue,
weil man allenthalben trinken muß. Um 12 Uhr habe ich 12 warme Speisen.
Des Nachmittags ist es zu heiß, man macht also die Fensterläden
und Alles zu und bleibet zu Haus oder legt sich ins Bett bis 5 Uhr, um
5 Uhr spielen der Oberst, der Major Jett und ich alle Abend Hombre, um
acht Uhr ißt man wieder acht Schüsseln zur Nacht, auf das Essen
wird eine Pfeife geraucht. [...] Die Ursache, warum ich mir ein Mädchen
gekauft, ist Notwendigkeit, denn bei meinem Temperament, bei den guten
Lebensmitteln, den starken Weinen, Gewürzen, dem Clima, dem Reize
des weiblichen Geschlechtes, ist es unmöglich, ganz enthaltsam zu
sein."
So konnte es natürlich nicht bleiben. Die VOC hatte ihr Geld nicht
ausgegeben, damit die Schwaben am Kap feuchtfröhliche Feste feierten.
Das Regiment war zur Niederschlagung von Eingeborenenaufständen und
der Abwehr englischer Angriffe angeworben worden. Da jedoch beides nicht
notwendig war, kam man in Amsterdam auf den Gedanken, das Regiment in Ostindien
zu verwenden, wo ständig ein großer Bedarf an Truppen herrschte.
Bereits 1789 waren 100 Württemberger nach Celebes verlegt worden,
um dort Unruhen unter den Eingeborenen zu beenden. Die Verwalter auf diesen
Inseln dachten nicht daran, die Soldaten wieder zurückzuschicken,
sondern verlangten mehr. Als diese Pläne bekannt wurden, verbreiteten
sich Widerwillen und Angst im Regiment. Alle hatten sich am Kap eingelebt
und fürchteten das als mörderisch berüchtigte ostindische
Klima. Offiziere und Mannschaften setzten ein Bittschreiben an den Herzog
auf, doch dieser hatte auf die Verwendung seines Regiments keinen Einfluss
mehr, und so wurde es 1791 nach Ostindien verlegt.
Dank des sporadisch eintreffenden Ersatzes war das Regiment zu dieser
Zeit ungefähr 1.700 Mann stark, wovon die eine Hälfte und der
Stab nach Ceylon kamen, die andere nach Batavia. Am Kap wurde nur ein Rekrutendepot
unterhalten, von dem der Ersatz aus Württemberg nach Ostindien weitergeleitet
wurde. Als die Kolonie dann von den Engländern erobert wurde, ging
die kleine Besatzung in englische Gefangenschaft. Einige blieben als Siedler
in Kapstadt, andere traten in englische Dienste. Das Rekrutendepot wurde
aber auch, nachdem die Kolonie wieder an die Holländer zurückgegeben
worden war, mangels Nachschub nicht wieder errichtet und das Regiment seinem
Schicksal überlassen.
Die nach Ceylon verlegten Kompanien wurden auf die einzelnen Stützpunkte
der Insel verteilt. Da es auch hier zu keinerlei bewaffneten Zusammenstößen
mit den Eingeborenen kam, beschränkten sich die allerdings nicht geringen
Verluste auf Krankheiten. Als 1792 die fünfjährige Kapitulationszeit
abgelaufen war, stand jedem entlassenen Soldaten - den sogenannten "Verlossers"
- freier Rücktransport zu. Doch die VOC ließ sich allerhand
Schikanen einfallen, um die Verlossers zum Bleiben zu bewegen. So mussten
sie oft monatelang auf ein Schiff warten und sich dann als Freipassagiere
mit den schlechtesten Plätzen begnügen. Den meisten ging während
des Wartens das Geld aus, und sie verpflichteten sich erneut. Mit der Zeit
wurde der Mannschaftsbedarf der VOC jedoch immer größer, so
dass sie den Rücktransport fast völlig unmöglich machte.
Um die trotzdem entstandenen Lücken zu füllen wurden einheimische
Mischlinge eingestellt, bei denen die Altersgrenze auf zwölf Jahre
herabgesetzt wurde. Die Söldner sorgten wie immer selbst für
diese Art von Nachwuchs.
Die Engländer machten dem auch hier ein Ende. 1795 landeten sie
bei Trincomali, und ohne große Gefechte kapitulierte ein holländisches
Fort nach dem anderen. Von Verlusten wird nichts berichtet. Bei dem raschen
Fall von Ceylon war sicher auch Verrat im Spiel, da das Schweizerregiment
Meuron kurz vorher an England weitervermietet worden war. Die Ursache lag
sicher in der Abneigung des Gouverneurs van Angelbeck gegen die mit Frankreich
verbündete "jakobinische" Regierung in Holland. Es ist zu vermuten,
dass englische Agenten auch Offiziere des Kapregiments kontaktiert haben.
Oberst von Hügel lehnte jedenfalls das Oberkommando bei der Verteidigung
Colombos ab und blieb unter englischer Herrschaft wie van Angelbeck in
auf Ceylon. Er behielt die Befehlsgewalt über die Truppen in Java
und starb 1800 als reicher Handelsmann in Colombo.
Einige Offiziere blieben ebenfalls auf Ceylon und mußten sich
lediglich auf Ehrenwort verpflichten, nicht mehr gegen England zu kämpfen.
Auf die Mannschaften wurde dagegen ziemlicher Druck ausgeübt, sich
von der englischen Armee anwerben zu lassen. Schließlich befand sich
England inzwischen im Kampf gegen Napoleon und war vor allem in den Kolonien
knapp an Soldaten. Die Loyalitätsgefühle der Mannschaften gegenüber
der VOC waren gering, und da sie die schlechte Behandlung im Gefangenenlager
bald satt hatten, nahmen fast alle das englische Handgeld. Nur ganz wenige
weigerten sich und wurden mit den restlichen Offizieren nach Madras gebracht.
Nach allgemeinem Kriegsbrauch sollten sie von der VOC freigekauft werden.
Da die VOC hierzu keinerlei Anstalten machte, transportierten die Engländer
schließlich sogar einige Offiziere nach Europa und ließen sie
frei. Der Rest musste bis 1806 warten und konnte dann gegen die VOC wegen
aufgelaufener Soldansprüche prozessieren. Vom Verbleib der Mannschaften
ist nicht viel bekannt. Einige wurden 1799 losgekauft und nach Java geschickt.
Von den anderen ist anzunehmen, dass sie sich wie einige der Offiziere
auf Ceylon niedergelassen oder auf Schiffen angeheuert haben.
Nach Ceylon eroberten die Engländer die Molukken. Auch dort war
eine Kompanie des Kapregiments stationiert. Es war ein armseliger, demoralisierter
Haufen. Vom Regiment getrennt und vom Herzog vergessen, wurden sie von
der VOC dem langsamen Sterben überlassen. Nach vierjährigem stupiden
Garnisonsdienst auf Amboina waren sie durch Krankheiten auf die Hälfte
zusammengeschmolzen. Als die Engländer landeten trat deshalb die gesamte
Kompanie oder das, was davon noch übrig war, unter dem Befehl des
Hauptmanns Gaupp geschlossen in englische Dienste. Plötzlich erinnerte
sich jeder der vergessenen Kompanie und Gaupp wurde in Württemberg
als Überläufer aufs schwerste verurteilt. Als er schließlich
nach acht Jahren aus gesundheitlichen Gründen den englischen Dienst
quittierte und sich in Baden niederließ, wurde ihm angedroht, vor
ein Kriegsgericht gestellt zu werden, falls er jemals nach Württemberg
kommen sollte. Der Rest der Gauppschen Kompanie wurde vermutlich später
aufgelöst und auf andere Kolonialtruppen verteilt.
Vom Kapregiment blieben also noch die Kompanien, die nach Java geschickt
und hauptsächlich in Samarang und Batavia stationiert worden waren.
Aber auch auf Java war die Zeit der Kämpfe mit den Eingeborenen vorbei.
Die Söldner hatten lediglich Präsenz zu zeigen. Doch das reichte
zum Sterben. Das Klima in Batavia war um vieles mörderischer als in
Ceylon und für viele Europäer tödlich. Ein englischer Reisender,
der zu dieser Zeit Java besuchte, hinterließ davon eine eindrucksvolle
Beschreibung: "Die holländischen Ansiedler in Batavia sind bleich,
schwach, hinsiechend, Todesopfer. Infolge der Sümpfe ist die Luft
pestilenzianisch. Die Sonne zieht mittags die Miasmen aus den schlammigen
Kanälen, aus den Bäumen der Kais und der Grachten. Besonders
europäische Neuankömmlinge sind gefährdet. Beinahe jeder
bekommt das Fieber. [...] Die Fieberanfälle sind von Darmkrankheiten
begleitet; aus deren Beobachtung berechnet man die Lebensdauer der Patienten.
Die Hälfte der ansässigen Europäer stirbt jedes Jahr. Batavia
gleicht einem Schlachtfeld oder einer belagerten Stadt. [...] Trotz der
Aussicht, schnell reich zu werden, gehen die Europäer nicht gern nach
Batavia. Daher gibt es viele unfähige Beamte dort. [...] Die Rekruten
der Garnison stammen selten aus Holland; es sind meist Deutsche, mit Gewalt
oder List geworben Trotz Anrecht auf Heimkehr müssen sie sich beinahe
immer neu anwerben lassen: ihr Sold ist zu gering, um die Fahrt nach Europa
zu bezahlen. [...] Der Herzog von Württemberg hatte kurz vor unserem
Besuch kraft eines Handelsgeschäftes mit der holländischen Kompagnie
eines seiner Regimenter nach Batavia geschickt; aber ein großer Teil
seiner Soldaten und Offiziere war innerhalb Jahresfrist gestorben."
Hier auf Java vollendete sich das erbärmliche Schicksal des Regiments.
Ohne großes Heldentum, ganz unkriegerisch wurde es vom Fieber aufgezehrt.
Dem Klimaschock nach den Strapazen der Seereise fiel oft schon der Ersatz
zum Opfer. Dann kam die Unterkunft in dreckigen Bambusbaracken, Fieber
Suff und Geschlechtskrankheiten. Am schlimmsten waren die Zustände
in dem in einem Sumpfgebiet liegenden Fort Meester Cornelis; dort starben
die Söldner wie die Fliegen. Von den 1.881 Mann, die nach Ostindien
geschafft worden waren, waren Mitte 1796 noch 860 übrig, die anderen
waren an Krankheiten gestorben, desertiert, ertrunken, im Streit erstochen,
von Einheimischen erschlagen oder hatten ihren Leiden selbst ein Ende gesetzt.
Viele versuchten dem Elend durch Flucht zu entkommen und heuerten auf Schiffen
an. Von den neun Mann, die als Leibwache mit einem holländischen Gesandten
nach Peking geschickt wurden, desertierten alle auf dem Rückweg und
verschwanden in den Hafenstädten Ostasiens. Offiziell gab es kein
Entrinnen; die VOC ließ nur noch Invaliden nach Europa. Der letzte
Ersatz aus Württemberg war 1795 angekommen, danach versuchte man sich
mit Mischlingen und Einheimischen zu behelfen und musste Unteroffiziere
zu Leutnants machen. Als die zweiten fünf Jahre um waren, gab es wieder
keinerlei Transportmöglichkeiten, statt dessen 10 Rixdaler Prämie
und Solderhöhung. Also kapitulierten fast alle erneut. Wieder fünf
Jahre später - 1803 - mußte die VOC die Verlossers erst monatelang
in Batavia sitzen lassen, bis sie noch einmal um fünf Jahre verlängerten.
Das Regiment bestand jetzt nur noch aus 285 Mann. Von den Uniformen waren
nur noch einzelne Fetzen vorhanden, und die Waffen waren rostender Schrott.
Da übernahm Major von Winckelmann, der zuvor auf Ceylon gefangen
genommen worden war, das Kommando. Als Verstärkung erhielt er die
restlichen Gefangenen aus Madras, die die Engländer nicht mehr versorgen
wollten. Winckelmann berichtete über den Zustand der Truppe, die er
auf Java vorfand: "Ich fand den Obristleutnant und Commandeur Schmidgall
bereits in einem kränklichen Zustand, doch verrichtete er noch soviel
wie möglich seine Functionen. Der Erste Major von Netzen war seit
elf Jahren größtenteils krank, und zu keinen strengen Dienstverrichtungen
mehr fähig; bei den meisten Offizieren bemerkte ich eine sichere Niedergeschlagenheit;
ihre Rechte waren entkräftet, ihr Eifer für die gute Ordnung,
die Disziplin und Reinlichkeit war nicht mehr wirksam genug;[...] Ich fand
daher die meisten Unterofficiers und Gemeine der Trunkenheit äußerst
ergeben; höchst malpropre in ihrem täglichen Anzug, außer
dem Dienst viele ohne Hemder, Schuhe und Strümpfe in den Straßen,
oft sehr betrunken herumirren &c. Über 55 Unterofficiers und Gemeine
wohnten außer der großen ehemals fürs Regiment besonders
erbauten Kaserne, mitten unter den Javanesen und Chinesen, wo die meisten
an den Zügellosigkeiten dieser Nationen die Nächte hindurch beständig
teilnahmen. Diese sowohl als diejenigen, die noch innerhalb der Kaserne
wohnten, waren gänzlich an sich selbst überlassen." Winckelmann
begann mit der Reorganisation der Truppe. Aber das war ein hoffnungsloses
Unterfangen; die Söldner waren nach fast 20 Jahren in den Tropen ausgebrannt
und verbraucht.
Es folgen die einzigen etwas größeren Kampfhandlungen, bei
denen die Württemberger Gelegenheit zum Einsatz hatten. Auf der Insel
Cheribon mußte ein Aufstand niedergeschlagen und ein englischer Angriff
auf Batavia abgewehrt werden. Die Württemberger sollen sich bei diesen
Kämpfen bewährt haben, aber schon auf Cheribon machten einheimische
Soldaten über drei Viertel ihres Bestandes aus. Auch von dieser Gruppe
kehrte nach einigen Monaten nur noch die Hälfte zurück. Bei einer
Reorganisation der Kolonialtruppen wurden dann die kläglichen Reste
des Regiments aufgelöst und in die holländischen Einheiten eingegliedert.
Damit war die Geschichte des Kapregiments beendet. Mit dem Ersatz waren
insgesamt ungefähr 3.200 Mann geliefert worden, wovon mindestens 2.300
während des Dienstes gestorben sind. Bestenfalls 100 Mann kehrten
in die Heimat zurück. Die anderen blieben als Wirte und Handwerker
in den Kolonien, wurden Seeleute oder bereicherten als Säufer und
Bettler den Abschaum, den die VOC in ganz Ostindien zurückließ.
Bleibt noch die Frage nach dem Profit. Die Herzöge von Württemberg
hatten bei dem ganzen Geschäft einen Reingewinn von ca. 900.000 Gulden
gemacht. Das waren weniger als 300 Gulden pro Kopf. Zur selben Zeit betrug
der Preis eines Sklaven am Kap ungefähr das Dreifache. Sie hatten
ihre Landeskinder also noch nicht einmal zu einem guten Preis verkauft.
Der Kurfürst von Hannover und der Landgraf von Hessen hatten für
ihre Regimenter wesentlich bessere Bedingungen durchgesetzt. Die Herzöge
von Württemberg dagegen hatten ihr Regiment schlechtweg aufgegeben
und waren nur noch an den jährlichen Subsidien interessiert. Bis 1796
bezahlte die VOC jährlich 65.000 Gulden, obwohl schon seit einem Jahr
kein Ersatz mehr geliefert wurde. Danach wurden bis zur Auflösung
des Regiments immerhin noch jährlich 36.000 Gulden bezahlt. Vor allem
diese letzten Zahlungen kann man nur noch als das Sterbegeld für die
Reste des Regiments betrachten. Ein Historiker, der sich ausführlich
mit der Geschichte des Kapregiments beschäftigt hat, fällt als
Abschließendes Urteil: "Diese Kapitulation war, wie wir sahen, nichts
anderes als ein vom Geiste eines hartgesottenen Merkantilismus diktiertes
Todesurteil."