Das Fußvolk
Die erste deutsche Söldnertruppe.
Die Wikinger in Byzanz.
Der Weg einer Söldnerrotte im Hochmittelalter.
Ein mittelalterliches "Strafbataillon".
Das glückliche Heer der Franken.
Die Eliten
Vom Lehensdienst zum Söldnertum.
Der Aufstieg der Sklavensoldaten in al-Andalus.
Die treuesten und teuersten Diener.
treuer Diener der Almoraviden.
Abenteurer
und die Schlacht bei Tagliacozzo (1268).
Bandit, Söldner und Pirat.
und der Krieg um Sizilien.
Das Mittelalter - Erste Schritte
Nachdem während der Völkerwanderung die Organisationsstrukturen des Römischen Reichs und damit auch Militär und Finanzwesen völlig zusammengebrochen waren, wurde der Feudalismus zur dominierenden Gesellschafts- und Wirtschaftsform des europäischen Mittelalters. Für den Historiker Otto Hintze war Feudalismus das Resultat, wenn eine entwickelte Gesellschaft von barbarischen Stämmen überrannt wurde. Geld war als Zahlungsmittel weitgehend verschwunden und es dominierte eine Naturalwirtschaft, in der Steuern in der Form von Arbeit oder mit landwirtschaftlichen Produkten entrichtet wurden.Die alten Volksaufgebote aus Fußsoldaten wurden nach und nach durch kleinere Heere aus professionellen und besser ausgerüsteten Reitern ersetzt. Diese "milites" (oder Ritter) erhielten von ihrem Lehnsherren normalerweise ausreichend Land damit sie sich selbst ausrüsten und versorgen konnten. Im Gegenzug waren sie verpflichtet für eine bestimmte Zeit im Jahr Kriegsdienst zu leisten.
Aus diesen Lehensaufgeboten bestand der Großteil mittelalterlicher Heere. An oberster Stelle stand der König, dem die großen Adligen als seine Lehnsleute mit jeweils mehreren hundert oder tausend eigenen Lehnsleuten Heeresfolge leisten mussten, wofür sie zum Teil ganze Provinzen erhalten hatten.
Da die Mobilisierung dieser Truppen verständlicherweise schwerfällig und nur bedingt zuverlässig war, hatte jeder Herrscher stets einige Bewaffnete um sich. Sie gehörten zu seiner "familia", seinem Haushalt, wohnten bei ihm und wurden von ihm versorgt. Neben Ausrüstung, Essen und Kleidung erhielten sie gelegentlich auch Geschenke. Vor allen Dingen erwarteten sie aber, nach vielen Jahren treuen Dienstes mit einem eigenen Lehen entlohnt zu werden. Die Angehörigen des Haushalts bildeten zwar die Elite, trotzdem war ihre Zahl relativ gering, da mit den bescheidenen Mitteln der Zeit nur eine begrenzte Anzahl von Personen an einem Ort versorgt werden konnten. Selbst Könige unterhielten in ihrem Haushalt selten mehr als ein paar hundert Krieger.
Ganz theoretisch gesehen sind im Feudalismus Söldner also nicht vorgesehen. Ein Historiker bezeichnete sie sogar als "Antithese des Feudalismus". Geld ist kaum vorhanden; alles beruht auf persönlichen Beziehungen, und Kriegsdienst wird für den Besitz von Land geleistet. Also genau von denen, die das Land dauerhaft besitzen. Söldner dagegen sind eigentlich eher Fremde, haben nur eine temporäre Bindung an ihren Auftraggeber und werden deshalb möglichst mit Geld entlohnt.
In der Praxis sah die Sache jedoch anders aus. Gerade das persönliche Gefolge der Mächtigen hatte immer eine starke Anziehungskraft auf nachgeborene Söhne, hungrige Abenteurer und auch Fremde von weit her. In den Legenden um König Artus, Karl den Großen oder Dietrich von Bern findet man unter ihrem Gefolge oder ihren Paladinen immer auch "Ausländer", die im Exil ihr Glück suchten. Wesentlich prosaischer beschreibt Gregor von Tour das Gefolge, das die fränkische Königstochter Chrodechild um sich scharte: "eine Schar von Mördern, Dieben, Ehebrechern und Menschen, die aller Verbrechen schuldig waren.”
Wenn Not am Mann oder ein Fürst skrupellos genug war (und wann ist das im Krieg nicht der Fall?), war natürlich jedes Hilfsmittel recht und man heuerte, wen man finden konnte. Allerdings kamen nur abgehärtete, erfahrene Kämpfer in Frage. Die eigenen, entrechteten Bauern hatten sich militärisch als wenig effektiv erwiesen. Verbannte und Gesetzlose - am besten ganze Banden – waren deshalb besonders beliebt. Wenn das nicht ausreichte, wurden Barbaren von jenseits der Grenzen geworben. Bei denen handelte es sich zwar oft um unchristliche Heiden, dafür standen aber gleich große Gruppen erprobter Kämpfer zur Verfügung.
Während der konstanten Kämpfe in Süditalien wurden ab 830 Sarazenen als Söldner geworben. Diese hatten bereits Sizilien erobert und plünderten seit Jahren die Küsten. Sie scheinen sich als Söldner bewährt zu haben, denn bald wurden sie von mehreren Fraktionen verwendet. Als sich ein Fürst auf nordafrikanische Berber stützte, holte sein Gegner seine Hilfstruppen aus Spanien.
In Norditalien und später im Reich wurden Ungarn zu Hilfe gerufen, die wahrscheinlich erst bei ihren Söldnerdiensten bemerkten, wie verwundbar das Abendland war. Auch im Norden, wo die Küsten von den Wikingern verwüstet wurden, brauchte man nicht sehr lange bis auch von diesen die ersten unter Vertrag genommen wurden. Angelsachsen und Karolinger bezahlten gerne einzelne Warlords, um ihre Küsten vor anderen Wikingern zu schützen. Der deutsche König Heinrich II. sorgte für große Empörung, als der die heidnischen Liutizen zum Krieg gegen das christliche Polen animierte. Die steigerte sich allerdings noch, als er die Liutizen dann benutzte um eine Rebellion in Metz niederzuschlagen.
Die Rekrutierung von Barbaren hatte zudem den Vorteil, dass man sie nicht ordentlich besolden musste. Oft reichte eine Anfangszahlung, Proviant und das Versprechen auf reiche Beute. Das Problem dabei war allerdings, dass sie schwer zu kontrollieren waren. Zog sich ein Konflikt in die Länge und wurden Finanzmittel und Beute knapp, mussten sie ebenfalls oft mit Land entlohnt werden. So gab zum Beispiel Karl der Einfältige dem Wikingerhäuptling Rollo 911 große Ländereien an der Seinemündung als Lehen, um sich seine Söldnerdienste zu sichern. Einige der Nachkommen dieser Normannen zogen um 1040 als Söldner nach Süditalien. Im Dienst für die verschiedensten Parteien nahmen sie auch gerne Land in Zahlung, bis auch sie schließlich ein eigenes Reich gründen konnten.
Söldner hatten also die Tendenz zu "feudalisieren", d.h. sie wurden auf Dauer gerne zu Teilen des aufsässigen Adels. Um diesem fatalen Trend entgegen zu wirken, hatten Herrschen nur die Möglichkeit sie regelmäßig mit Geld zu entlohnen. Fast das ganze Mittelalter hindurch (und sogar weit darüber hinaus) blieb es bei einer "Mischfinanzierung" aus Geld, Beute und Land. Man sollte hier daran denken, dass einige der bedeutendsten Feldherren des Dreißigjährigen Krieges eigene Fürstentümer für ihre Dienste erhielten. Das Bestreben ging jedoch eindeutig in die Richtung ausreichend Steuern einzutreiben um damit Söldner bezahlen zu können.
Natürlich stellten Feudalaufgebote nach wie vor den Löwenanteil jedes Heeres und in vielen Konflikten ist von Söldnern nicht die Rede. Es waren auch mehr die langwierigen, zermürbenden Kleinkriege, bei denen man ihre Hilfe brauchte. Der Feudaldienst war zeitlich auf wenige Monate begrenzt, und so musste man entweder seine Lehnsleute für längeren Dienst bezahlen oder gleich Truppen mieten. Die Kriege der Staufer in Italien oder die Kreuzzüge wären ohne massive Zuzahlungen nie möglich gewesen.
Zu der zeitlichen Dauer kam die fortschreitende Spezialisierung. Der schwer gepanzerte Reiter, der Ritter, war zwar immer noch die entscheidende Waffe, musste aber immer mehr durch andere Kämpfer ergänzt werden. Gute Infanteristen, vor allem Armbrustschützen, gewannen als Festungsbesatzungen und bei Belagerungen zunehmend an Bedeutung und waren fast nur auf dem Söldnermarkt zu bekommen. Es ist bezeichnend, dass dieses Fußvolk nur selten unter den vom Feudaladel entrechteten Bauern rekrutiert wurde. Viele kamen aus den rebellischen und relativ unabhängigen Städten vom Niederrhein, Flandern oder Norditalien. Vor allen Dingen aber wurden die rückständigen Berg- und Grenzregionen wie Aragon, die Pyrenäen, die Alpen oder Wales zu den mittelalterlichen Söldnerwiegen Europas.
Nicht zuletzt waren Söldner oft das einzige Mittel um den eigenen Feudaladel in Schach zu halten. Die meisten kriegerischen Auseinandersetzungen des Mittelalters wurden intern von einer Adelsfraktion gegen die andere geführt. Auf Söldner war dabei – zumindest solange man sie bezahlen konnte – oft mehr Verlass als auf die mächtigen Lehnsleute, die in erster Linie ihre eigenen Interessen verfolgten.
Am weitesten entwickelt war Byzanz, dem einzigen Reich, wo Verwaltung und Finanzwesen des Römischen Reichs die Völkerwanderung halbwegs überstanden hatten. In Byzanz wurde je nach Bedarf alles geworben, was der Markt zu bieten hatte: Kumanen, Patzinaken, Magyaren, Serben, Bulgaren, Walachen, Georgier, Armenier, Alanen und schließlich sogar Wikinger für die berühmte Warägergarde. Im 11. Jahrhundert kamen dann fränkische Ritter hinzu, die jedoch in bester abendländischer Manier bald damit begannen sich eigene Herrschaften aus dem großen Reich herauszuschneiden. Trotz vieler Probleme dominierte Byzanz lange die Entwicklung, so dass die wichtigste byzantinische Goldmünze der "solidus" zum Namensgeber des gesamten Gewerbes wurde.
Relativ weit war das Finanzwesen auch in Italien. Aufgrund der politischen Zersplitterung diente das Geld hier jedoch hauptsächlich dazu fremde Söldner anzulocken, die dann wie die Sarazenen oder die Normannen den verschiedensten Fraktionen dienten. Die deutschen Kaiser kämpften über Generationen um Italien, da die dortigen Steuereinnahmen ihre Einkünfte nördlich der Alpen um ein Vielfaches überstiegen.
Während Byzanz und Italien noch vom römischen Erbe profitierten, kam an der Peripherie in England das Finanzwesen aus eigener Kraft in Bewegung. Bereits die angelsächsischen Könige hatten Geldabgaben erheben müssen um mit dem so genannten "Danegeld" Frieden von den Wikingern zu erkaufen. Wilhelm der Eroberer und seine Nachfolger hatten das System dann weiter ausgebaut, sicher auch, da sie fast ständig mit ihrem aufrührerischen Adel zu kämpfen hatten. Die englischen Könige Heinrich II. und sein Sohn Richard I. waren dann wahrscheinlich die bedeutendsten Arbeitgeber für Söldner im Hochmittelalter.
Über das meiste Geld verfügten allerdings die spanischen Umayyaden, da sie den Goldhandel mit Nubien kontrollierten, lange die wichtigste Goldquelle des Mittelalters. Fast noch mehr als ihre christlichen Herrscherkollegen waren sie mit internen Aufständen beschäftigt. Dabei stützten sie sich auf Söldner aus Nordafrika aber auch aus den christlichen Landesteilen im Norden. Am wichtigsten waren jedoch ihre slawischen und nubischen Leibgarden. Dazu wurden zwar Sklaven verwendet; diese waren jedoch sehr privilegiert und hervorragend besoldet. Vor allen Dingen hatten sie jedoch als Fremde keine Beziehungen zum lokalen Adel oder der Bevölkerung und galten deshalb als besonders treu und zuverlässig.
Der Ausbau der Landesherrschaft, der letzten Endes zu einem funktionierenden Staatswesen führen sollte, war ein schleppend langsamer Prozess mit vielen Rückschlägen. Söldner spielten dabei eine entscheidende Rolle. Im Mittelalter kann man sozusagen die ersten Phasen dieser Entwicklung beobachten, die Misserfolge und die kleinen Fortschritte.