Der Soldatenhandel
Die Legende von den "verkauften Hessen".
"Es traten wohl so etlich vorlaute Bursch' vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie teuer
der Fürst das Joch Menschen verkaufe? Aber unser gnädigster Landesherr ließ alle
Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschießen. Wir hörten
die Büchsen knallen, sahen ihr Gehirn auf das Pflaster spritzen, und die ganze Armee schrie:
Juchhe nach Amerika", schrieb Schiller in Kabale und Liebe 1784. Schiller war nicht der einzige;
in ganz Deutschland empörte man sich plötzlich über den "Menschenhandel"
der Fürsten. Der Anlaß war die Vermietung von Truppen zur Niederschlagung des Aufstandes
in Nordamerika. Die Kritik richtete sich hauptsächlich gegen Hessen-Kassel, das den Löwenanteil
der Söldner geliefert hatte. Doch bei genauerer Betrachtung entpuppt sich das Bild von den
"verkauften Hessen" als eine Legende.
Für Hessen-Kassel war der Soldatenhandel ein Geschäft mit Tradition. Das Land hatte am
Ende des Dreißigjährigen Krieges eine der größten Armeen unterhalten, woraus dann die ersten
stehenden Regimenter gebildet worden waren. Da große Teile des Landes verwüstet waren, war der
Kriegsdienst eine der wenigen Erwerbsmöglichkeiten der Bevölkerung. Zudem konnte der
Kleinstaat nur durch fremden Subsidien sein starkes Heer unterhalten und sich dadurch vor weiteren
Übergriffen schützen. Bereits 1677 ging ein erstes Regiment nach Dänemark, das vorher
schon an den Kaiser vermietet worden war. Danach vermietete Hessen-Kassel Truppen an Spanien, den
Kaiser, Venedig und mehrmals an die Niederlande. Ab 1694 begann das Geschäft mit England, das dann zum
Hauptkunden wurde. Mit der Zeit übernahmen die Hessen in England die Funktion der Schweizer in
Frankreich. Mit den englischen Subsidien wurde Hessen-Kassel zu einem regelrechten Söldnerstaat,
der sogar eine proportional größere Armee als das für seinen Militarismus bekannte Preußen
unterhalten konnte.
Als England nun nach dem Siebenjährigen Krieg damit begann einige dieser Subsidien in seinen Kolonien
wieder einzutreiben und damit den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg auslöste, lag es auf der
Hand wieder auf die bewährten Hessen zurückzugreifen. Da die Engländer jedoch gleich eine
ganze Armee mieten wollten, wandten sie sich zuerst an Rußland. Katharina die Große hatte zwar keine Sympathien
für Revolutionäre, sah aber die Schwierigkeiten der konkurrierenden Großmacht mit Wohlwollen und
wies deshalb die Anfrage empört zurück. Erst jetzt kamen die deutschen Fürsten zum Zug. Auch
von ihnen lehnten zwar einige ab, aber Hessen-Kassel, Braunschweig, Hessen-Hanau, Ansbach-Bayreuth, Waldeck
und Anhalt-Zerbst lieferten, was sie aufbringen konnten.
Hessen-Kassel mit seiner langen Söldnertradition verfügte über eine große Zahl an gut
ausgebildeten Truppen und konnte deshalb gleich große Kontingente in Marsch setzen. Der Siebenjährige
Krieg lag zwar schon einige Jahre zurück, hatte aber genug Veteranen hinterlassen, die nun ein armseliges Leben
fristeten. Die Wunden waren verheilt, die Schrecken verblaßt und in Amerika warteten Sold und Beute. In vielen
hessischen Familien war es wie in der Schweiz Tradition, daß immer einige Söhne ihr Glück bei den Soldaten
versuchten, so daß kein Mangel an Freiwilligen herrschte. Die jungen Burschen hatten sich oft genug die
Geschichten ihrer Väter und Onkel angehört und träumten von wilden Abenteuern in fernen
Ländern. Zudem galten die rebellischen Kolonisten nicht als ernstzunehmende Gegner. Bei dem ganzen
Unternehmen schien es sich eher um eine größere Polizeiaktion zu handeln, bei der manch einer sein Glück
machen konnte. Sehr viele Freiwillige gab es auch unter den Offizieren. Diejenigen, die im Frieden nicht entlassen worden
waren, waren oft zurückgestuft worden und konnten in der Regel Jahrzehnte auf eine Beförderung warten.
Nur der Krieg versprach ein schnelles Avancement. Auch viele Deutsche aus anderen Staaten, Iren, Italiener und
Franzosen meldeten sich. Alle hofften auf Abenteuer und Beute im sagenhaften Amerika, wie es in einem hessischen
Soldatenlied deutlich zum Ausdruck kommt:
Frisch auf, ihr Brüder, ins Gewehr,
's geht nach Amerika!
Versammelt schon ist unser Heer,
Vivat, Viktoria!
Das rote Gold, das rote Gold,
das kommt man nur so hergerollt,
da gibt's auch, da gibt's auch, da gibt's auch bessern Sold!
[...]
Adchö, mein Hessenland, adchö!
Jetzt kommt Amerika.
Und unser Glück geht in die Höh',
Goldberge sind allda!
Dazu, dazu in Feindesland,
was einem fehlt, das nimmt die Hand.
Das ist ein, das ist ein, das ist ein anderer Stand!
Rotes Gold, reiche Beute und besseren Sold hatten ihnen die Werber versprochen und sie glaubten es nur
allzugerne. Manch einer trug sich sicher auch mit dem Gedanken, sich nach einem leichten Sieg auf einem Hof oder einer
Plantage der Rebellen anzusiedeln. Den unter großem Trubel ausrückenden Waldeckern rief ein hoher Beamter
hinterher: "Die, welche hiervon wieder zurückkommen, will ich alle in Kutschen fahren sehen!"
Zu Szenen, wie sie Schiller beschrieben hat, kam es beim Ausmarsch nicht. Meutereien und Streiks, die alten Methoden,
mit denen sich die Landsknechte manchmal noch erfolgreich zur Wehr gesetzt hatten, waren nicht mehr möglich. Wer
sein Handgeld genommen hatte, der hatte seine Haut verkauft und als einzige Möglichkeit der Auflehnung blieb ihm
die Desertion. Söldner waren zwar schon immer desertiert, ganz besonders in langen Kriegen und bei schlechter
Versorgung, aber im 18. Jahrhundert wurden Deserteure zum Hauptproblem aller Armeen. Trotz drakonischer Strafen flohen
allein aus der preußischen Armee Zehntausende, Kopfgelder wurden ausgesetzt und Frankreich bemannte mit eingefangenen
Deserteuren seine Galeeren. Kaum ein Feldherr wagte es, seine Truppen in unübersichtlichem Gelände oder in
aufgelockerter Formation einzusetzen, aus Angst sie dabei zu verlieren. Nachts und auf dem Marsch wurden die Söldner
von leichten Reitern bewacht. Allerdings schafften nur die wenigsten, denen die Flucht glückte, den Absprung ins
Zivilleben. Arbeitslos und ohne Papiere dauerte er meistens nicht lange bis sie einem anderen Werber in die Hände
fielen und erneut kapitulierten.
Nichts davon bei den Hessen. Auf dem Marsch des ersten Kontingents zur Einschiffung nach Bremerlehe desertierten von
den 8.397 Mann ganze 13. Doch es kam noch besser. Die Amerikaner, die sich gerade gegen ihren König erhoben
hatten, hatten schon von den gepreßten und verkauften Söldnern gehört und rechneten damit, daß viele bei der
ersten Gelegenheit desertieren und vielleicht sogar ebenfalls gegen die Tyrannei zur Waffe greifen würden. Jedem
Überläufer wurden 50 Morgen Land in Aussicht gestellt, jedem Hauptmann, der 40 seiner Leute mitbrachte,
sogar 800 Morgen, dazu Vieh und Steuerfreiheit für mehrere Jahre. Keiner der Überläufer sollte gezwungen
werden, weiter zu dienen. Falls sie sich doch dazu entschließen könnten, sollten die Offiziere einen Rang höher
eingestuft werden. Aber all diese Versprechungen trafen weitgehend auf taube Ohren. Nur ganz wenige Hessen nutzten
die Gelegenheit. Sogar viele, die in Gefangenschaft geraten waren, warteten brav bis sie ausgetauscht wurden und schlossen
sich dann ihren alten Regimentern wieder an.
Das war nicht das verkaufte Schlachtvieh, dessen Schicksal Schiller später so lautstark anprangern sollte. Man
sollte allerdings nach den Gründen fragen. Auf der Morea waren deutsche Söldner bei jeder Gelegenheit
zu den Türken übergelaufen, und es ist kaum anzunehmen, daß die Stöcke der Drillmeister
plötzlich eine größere Loyalität in ihnen hervorgerufen haben sollten. Aber anders als in den meisten
Armeen bestand der Großteil der hessischen Söldner aus Landeskindern, deren Verwandte für Deserteure
haftbar gemacht wurden. Die Gemeinen wurden durch das sogenannte Kantonsystem rekrutiert, durch das jedem
Regiment ein bestimmtes Rekrutierungsgebiet, eben ein Kanton, zugewiesen wurde. In gewisser Weise waren die
Hessen also eher Wehrpflichtige als richtige Söldner. Zudem hatten die Engländer wahre Schauermärchen
über die Grausamkeit der Rebellen verbreitet. Aber vor allem fühlte man sich auf der sicheren Seite der Sieger,
und der Krieg war, verglichen mit den Gemetzeln in Europa, selten mehr als ein Geplänkel. Des öfteren wurde
später betont, daß von den 19.000 verkauften Hessen nach sechs Jahren nur noch etwa 10.500 zurückkehrten.
Doch solche Verlustraten erreichte Friedrich der Große sogar in seinen siegreichen Schlachten. Von den Hessen waren
dagegen bis Kriegsende nur 535 im Kampf gefallen, über 4.000 an Krankheiten gestorben und 3.000 nach dem
Friedensschluß freiwillig in Amerika geblieben.
In der ersten großen Schlacht des Krieges bei Flatbush im August 1776 wurden die Amerikaner von der disziplinierten
europäischen Infanterie förmlich überrannt. Der Feuergeschwindigkeit und vor allem dem gefürchteten
Bajonettangriff der Hessen hatten sie nichts entgegenzusetzen. Ein hessischer Oberst schrieb: "Die Riflemans sind mehrentheils
mit dem Bajonett an die Bäume gespießt worden; diese fürchterlichen Leute verdienen eher Mitleid als Furcht.
Sie müssen immer
eine Viertelstunde Zeit haben, um ein Gewehr zu laden und in dieser Zeit fühlen sie unsere Kugeln und Bajonette".
Engländer und Hessen wüteten furchtbar unter den Amerikanern und massakrierten selbst noch viele von denen,
die sich ergeben wollten. Weit über 3.000 toten und gefangenen Amerikanern standen zwei tote Hessen und 61 tote
Engländer gegenüber. Kein Wunder, daß das Überlegenheitsgefühl der Söldner danach geradezu
ins Unermeßliche wuchs. Aber auch die Verluste bei Niederlagen hielten sich in Grenzen. Beim ersten wichtigen Sieg Washingtons
bei Trenton im Dezember 1776 verloren die Hessen zwar mit 933 Mann gut die Hälfte ihrer eingesetzten Truppen, darunter
waren jedoch lediglich 17 Tote und 78 Verwundete. Für europäische Armeen waren solche Verluste Lappalien.
Im großen Ganzen aber blieben Kämpfe relativ seltene Ausnahmen. So gab es Einheiten, die während
des ganzen Krieges an keinem einzigen Gefecht teilgenommen hatten. Statt dessen marschierten die Truppen durch
die menschenleere Wildnis oder verbrachten Monate und Jahre beim monotonen Garnisonsdienst. Hier begegneten
die Söldner dann ihren gefährlichsten Feinden: Klima und Krankheiten. Die schönen Paradeuniformen
erwiesen sich von Anfang an als völlig untauglich, und es klingt wie ein schlechter Witz, daß eine Menge Söldner
auf den Märschen im Sommer am Hitzschlag starben. Aber auch in den bitterkalten Wintern nützten die
zerschlissenen Uniformen kaum mehr als die dünnen Decken und Zelte. Vor allem in Kanada gab es starke Verluste
durch Erfrierungen. Diejenigen, die länger an einem Ort stationiert waren, hausten in Erdhütten, die mit Brettern,
Ästen und Stroh notdürftig abgedeckt waren. Bei Regen liefen sie voll Wasser und im Winter trieb Schnee herein.
In diesen Lagern entstanden durch Fieber, Lungenentzündung, Ruhr und Typhus die schwersten Verluste Opfer des Krieges.
Die Toten wurden zwar bezahlt, mußten aber ersetzt werden. Außerdem forderten die Engländer Verstärkungen.
Da die echten Freiwilligen bereits mit den ersten Einheiten ausgezogen waren, mußten die Werber zunehmend zum Zwang
greifen, um ihr Soll zu erfüllen. In Hessen begann es bereits an Arbeitskräften zu mangeln, Felder lagen brach
und Höfe verkamen, da in manchen Familien nur Frauen, Kinder und Alte zurückgeblieben waren. Um seinen
Staat nicht völlig auszubluten, ließ der Landgraf in den Reichsstädten und anderen Ländern werben.
Die Altersgrenzen wurden ausgedehnt, Gefängnisse und Armenhäuser nach Rekruten durchforstet; Schuldner,
Arbeitslose, Vagabunden, Handwerksburschen, Studenten und Unruhestifter wurden in Armee gepreßt. Man nahm
Sechzigjährige und halbe Kinder, Lahme und Epileptiker, manchen fehlte ein Auge, anderen die Zähne. Je
länger der Krieg dauerte, desto mehr häuften sich deshalb die Klagen der Offiziere in Amerika über das
"Gesindel", das sie als Ersatz geliefert bekamen.
Unter diesem "Gesindel" befand sich auch der spätere Dichter Johann Gottfried Seume. Während
seines Studiums in Leipzig hatte ihn die Unruhe gepackt. Kurz entschlossen verkaufte er seine Bücher und
machte sich auf den Weg nach Paris. Er kam nur bis nach Hessen. Dort griffen in Werber auf, zerrissen seine Papiere
und warfen ihn zu den anderen Rekruten in die Festung Ziegenhain. Seine "Kameraden waren noch ein verlaufener
Musensohn aus Jena, ein bankerotter Kaufmann aus Wien, ein Posamentierer aus Hannover, ein abgesetzter
Postschreiber aus Gotha, ein Mönch aus Würzburg, ein Oberamtmann aus Meiningen, ein preußischer
Husarenwachtmeister, ein kassierter hessischer Major von der Festung und andere von ähnlichem Stempel".
Die Gefangenen schmiedeten Fluchtpläne, aber aus den Fängen des Militärs gab es kein Entkommen.
Wie schon so viele vor ihm fügte sich Seume in sein Schicksal und versuchte sich mit seinen guten Seiten
anzufreunden: "Am Ende ärgerte ich mich nicht weiter; leben muß man überall: wo so viele durchkommen,
wirst du auch: über den Ozean zu schwimmen war für einen jungen Kerl einladend genug; und zu sehen gab
es jenseits auch etwas."
Mit diesem zusammengewürfelten Ersatz schwand sich auch langsam die Zuverlässigkeit der alten Regimenter.
Viele der neugeworbenen Rekruten waren mehrfache Deserteure, denen es nur auf das Handgeld ankam, oder die nach einer
freien Überfahrt nach Amerika gesucht hatten. Als Wachen waren sie kaum zu verwenden, da sie bei der ersten
Gelegenheit verschwanden. Einige wurden zur Abschreckung gehängt, und in Kanada schickte man indianische
Skalpjäger hinter ihnen her. Aber Söldner waren knapp, und so beschränkte man sich bei gefaßten
Deserteuren in der Regel auf mehrmaliges Spießrutenlaufen und steckte sie dann wieder ins Glied. Doch auch bei den alten
Truppen ließ die Zuverlässigkeit nach. Durch die zwangsläufig engen Kontakte zur Bevölkerung hatten
sich die Vorurteile von den primitiven und blutrünstigen Rebellen verflüchtigt. In den Städten verdienten
die Söldner gutes Geld als Hafenarbeiter; auf dem Land halfen sie den Bauern, bei denen sie einquartiert waren. Viele
hatten Beziehungen mit amerikanischen Frauen und Familienanschluß. Zudem schwand mit der Zeit der Glaube
an einen englischen Sieg.
Aber auch das alles führte nicht zu Massendesertionen. Die meisten Hessen verrichteten weiter brav ihren Dienst,
arbeiteten in ihrer Freizeit bei den Amerikanern, schickten Geld nach Hause, pflanzten im Lager Gemüse, hielten sich
Hühner und richteten Schulen für ihre Kinder ein. Erst nach der Unterzeichnung des Waffenstillstandes stiegen
die Zahlen deutlich an. Diese Deserteure flohen weniger vor dem Krieg in Amerika als vor der Rückkehr. Sie hatten sich
eingerichtet und fürchteten in Deutschland an andere Armeen, vor allem an die preußische, weiterverkauft zu werden.
Unter denen, die nach dem Friedensschluss freiwillig in Amerika blieben, war auch ein gewisser Küster, dessen Nachkomme
dann als General Custer in den Indianerkriegen bekannt werden sollte
Trotz des großen Wirbels, den die "verkauften Hessen" ausgelöst haben, waren sie so bieder wie das ganze
Geschäft. In fast allen europäischen Armeen herrschten weit schlimmere Zustände. Verglichen mit den
Kriegen im Wilden Feld, auf Kreta oder der Morea waren im Soldatenhandel geradezu zivilisierte Verhältnisse eingezogen.
Ähnlich müssen es auch die Söldner empfunden haben, denn nur so läßt sich die relativ geringe
Anzahl von Deserteuren erklären. Doch während die wirklich schmutzigen Geschichten nie richtig zur Kenntnis
genommen wurden und fast völlig vergessen sind, löste der Soldatenhandel im Unabhängigkeitskrieg eine
wahre Flut von Artikeln und Veröffentlichungen aus. Die Ideen der Aufklärung über Menschenrechte und
bürgerliche Freiheiten bestimmten zunehmend die öffentliche Meinung. Intellektuelle eiferten gegen den Handel mit
Menschenblut und bezeichneten die Fürsten als Tyrannen, die ihre Untertanen wie Vieh oder Sklaven verkauften. Diese
Gedanken mögen sicher ihre Berechtigung haben, nur waren die, um die es dabei ging, meistens anderer Meinung. Sie
übten einen in Europa und ganz besonders in Hessen altehrwührdigen Beruf aus. Selbst Seume, der immer wieder als
Kronzeuge gegen diesen Menschenhandel aufgeführt wird, konnte sich über sein Schicksal nur schlecht beklagen.
In Amerika erfreute er sich dank seiner Bildung der Protektion der Offiziere und wurde als Schreiber vom Dienst freigestellt. Er
und seine Kameraden waren in keinerlei Kämpfe verwickelt und gebrauchten ihre Musketen nur beim Exerzieren oder
auf der Jagd. Später wieder in Europa hatte er keine Bedenken eine Offiziersstelle in der russischen Armee anzunehmen
und sich in ihren Reihen an der Niederschlagung des polnischen Aufstandes zu beteiligen.
Viele Schriften, die vehement gegen den Soldatenhandel Stellung bezogen, kamen ausgerechnet aus Frankreich und wurden
von deutschen Intellektuellen begeistert aufgegriffen. Dabei wurde nur allzu gerne vergessen, daß das Hilskorps, das Frankreich
zur Unterstützung Washingtons nach Amerika schickte, ebenfalls zum Teil aus deutschen Truppen bestand. Darunter
befand sich das Regiment "Royal Allemand de Deux-Ponts", das Herzog
Christian IV. von Zweibrücken 1756 für Frankreich
aufgestellt hatte. Das Regiment, das schon im Siebenjährigen Krieg gegen die Engländer und deren hessische
Söldner gekämpft hatte, stand diesen nun wieder bei der Belagerung von Yorktown gegenüber. Yorktown wurde
manchmal als "deutsche Schlacht" bezeichnet, da den Hessen und Ansbach-Bayreuthern der Engländer nicht nur die
Zweibrücker sondern auch starke deutsche Milizen der Amerikaner unter dem Befehl des Generals Steuben gegenüberstanden.
Die Gemeinsamkeiten zwischen französischen, englischen und deutschen Söldnertruppen waren weitaus größer, als
die zwischen den Franzosen und ihren amerikanischen Verbündeten. Für die französischen Aristokraten waren die
amerikanischen Milizen lediglich Pack und ihre Offiziere feige Bauernlümmel. Nach der Kapitulation von Yorktown luden sie
ihre englischen und hessischen Waffenbrüder zum Dinner, lobten ihre Tapferkeit und versuchten ihnen die Gefangenschaft
zu erleichtern. Amerikanische Offiziere waren von solchen Geselligkeiten selbstverständlich ausgenommen.