Das Regiment Royal Deux Ponts
Die ignorierten Söldner des Unabhängigkeitskrieges.
Abgesehen von der Fremdenlegion erfreut sich wahrscheinlich kaum eine
historische Söldnertruppe solcher Popularität wie die
"verkauften Hessen", die deutschen
Söldner im Unabhängigkeitskrieg. Für
die vom US-amerikanischen Markt geprägten Publikationen sind sie ein
wunderbares Beispiel für europäische Fürstenwillkür,
die mit der Hilfe fremder Söldlinge das nach Freiheit strebende amerikanische
Volk unterdrücken wollte. Und dann darf man natürlich auch das
Happy End nicht vergessen, dass die schlecht ausgerüsteten Milizen
die Engländer samt ihren Söldnern glorreich besiegten.
Bei dieser Glorifizierung der eigenen Geschichte wird dann gerne
die französische Hilfe, die für den Sieg entscheidend war,
heruntergespielt oder gleich ganz vergessen. Wenn man dennoch an sie denkt,
scheint es oft als wären auch alle Franzosen Freiwillige gewesen, die wie
der Marquis de La Fayette aus purem Idealismus unter Washingtons Fahnen
fochten. Einfach eine schöne Geschichte: Hier die finsteren Fürstenknechte
mit ihren gekauften Söldnern, dort Idealisten und Patrioten. Leider
zu schön, um wahr zu sein (mag’s Mel Gibson glauben).
Frankreich belieferte die Aufständischen über Jahre heimlich
mit Waffen und Ausrüstung (auf Kredit), öffnete amerikanischen
Piraten seine Häfen (so was lohnt sich immer), schickte Freiwillige,
die natürlich auch bezahlt werden wollten, und als dies alles nicht
mehr reichte, wurde schließlich eine ganze Flotte in Marsch gesetzt,
die nicht nur den Engländern zur See Paroli bieten sollte, sondern
auch ein Expeditionskorps von ca. 6.000 Mann nach Neuengland brachte.
Bei diesem Expeditionskorps handelte es sich nun um typisch absolutistische
Truppen, die ähnlich wie die englischen, d.h. mit viel Zwang und Betrug,
rekrutiert worden waren. Außerdem bestand fast die Hälfte aus
fremden Söldnertruppen. Da waren die "Volontaires Étrangers
de Lauzun" auch bekannt als "Lauzuns Legion", die hauptsächlich aus
Elsässern und Ungarn aufgestellt worden war, das "Régiment
de Dillon", das aus irischen Emigranten bestand, und schließlich
das "Régiment de Royal Deux-Ponts", das Herzog Christian IV. von
Zweibrücken in bester deutscher Tradition an Frankreich vermietet
hatte. Er unterschied sich dabei nur in sofern von seinen Amtskollegen
in Hessen-Kassel, Ansbach-Bayreuth oder Braunschweig, dass er das Geschäft
nicht mit England sondern mit Frankreich gemacht hatte.
Diese besonderen Geschäftsbeziehungen ergaben sich schon durch
die Lage des kleinen Fürstentums in der deutsch-französischen
Grenzregion. Schon während des Hundertjährigen Krieges stößt
man auf Grafen von Zweibrücken, die als Subunternehmer von König Johann von
Böhmen in französischen Diensten standen, und im 16. Jahrhundert
führte dann Wolfgang von Zweibrücken schwarze Reiter und Landsknechte
für die Hugenotten nach Frankreich. Es war also absolut nichts neues,
als sich 1751 Herzog Christian IV. von Zweibrücken, der sich ohnehin
viel am französischen Hof aufhielt, dazu verpflichtete bei Bedarf
für Frankreich ein Regiment aufzustellen. Die laufenden Kosten sollte
Frankreich übernehmen; der Herzog erhielt dagegen 40.000 Florin.
Zum Bedarfsfall kam es 1756 beim Ausbruch des Siebenjährigen Krieges
(1756-1763). Der Herzog ließ gleich kräftig die Werbetrommel
rühren und in Zweibrücken selbst aber vor allem auch in den vielen
kleinen Dörfern im Pfälzer Wald wurde nach geeigneten Rekruten
gesucht. Die Werber veranstalteten in den Dorfschänken kleine Feste,
sparten nicht am Branntwein und versprachen den Bauernburschen Abenteuer,
weite Reisen und goldene Berge. Allerdings wollte der Herzog keineswegs
auf gute Steuerzahler verzichten, und so war die Anwerbung von Bauern und
Handwerkern untersagt, dafür sollten aber "alle überflüssigen,
unnützen und dem Land zur Last fallende junge Burschen" genommen werden.
Mit der Aufstellung und Vermietung des Regiments sollten aber nicht
nur "unnütze" Untertanen aus dem Land geschafft werden, es war auch
eine gute Gelegenheit einige der illegitimen Söhne des Herzogs mit einer
adäquaten Stellung zu versorgen (möglicherweise sollten sie ja
auch verschwinden). Christian Graf von Forbach entstammte der Verbindung
des Herzogs mit der Tänzerin Marianne Camasse und trat bereits mit
16 Jahren (1768) als Sous-lieutenant in das Regiment ein, bereits vier
Jahre später wurde er Colonel und damit sein Kommandeur. Sein jüngerer
Bruder Wilhelm (auch oft Guillaume) folgte etwas später und wurde
stellvertretender Regimentskommandeur.
Nachdem das Regiment aufgestellt war, wurde es 1757 nach Straßburg
verlegt und dann der französischen Armee unter dem Prinzen von Soubise
eingegliedert. In diesem Verbund erlitt es die blamable Niederlage bei
Rossbach im November 1757. Es wird eine Zeit gedauert haben, das Regiment
danach wieder auf Sollstärke zu bringen. Die folgenden Kriegsjahre
wurde es dann gegen die Engländer unter dem Herzog von Braunschweig
verwendet. Die Jahre danach lag das Regiment in Thionville in Garnison.
In Frankreich herrschte Frieden, der lediglich von einem kurzen Feldzug
in Korsika unterbrochen wurde; es ist jedoch nicht belegt, dass das Regiment
daran teilgenommen hat.
Frankreich hatte den Engländern die Niederlage im Siebenjährigen
Krieg und den damit verbundenen Verlust seiner Kolonien jedoch nicht vergessen,
und so begann es recht bald nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten in Neuengland
(1775) mit der Unterstützung der Rebellen. Man konnte in Paris zwar
mit Genugtuung beobachten, wie sich England immer tiefer in einen kostspieligen
Krieg verstrickte, dennoch musste auch die französische Unterstützung
ausgeweitet werden. 1778 trat Frankreich dann offiziell in den Krieg ein,
und im folgenden Jahr wurde beschlossen den Aufständischen ein Expeditionskorps
unter General Rochambeau zur Hilfe zu schicken
Vom Weg des Regiments Royal Deux-Ponts, das ja einen wichtigen Teil
dieses Korps bildete, berichtet aus der Sicht des einfachen Soldaten der
Pfälzer Georg Daniel Flohr. Flohr stammte aus dem kleinen Weiler Sarnstall
bei Annweiler. Sein Vater war Metzger gewesen und hatte etwas Landwirtschaft
nebenher betrieben, war aber früh gestorben. Man kann also annehmen, dass
Flohr in sehr ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Leider schreibt
er nichts über die Motive, die ihn 1776 im Alter von 20 Jahren dazu
veranlassten sich für eine Dienstzeit von acht Jahren beim Regiment
Deux-Ponts zu verpflichten. Möglicherweise wollte er der Armut entkommen
- die Werber versprachen Ruhm und Reichtum -, oder er wollte einfach dem
abgelegenen Pfälzer Wald entkommen und etwas von der großen
weiten Welt sehen. Man kann letzteres vermuten, denn der eigentlich ungebildete
Pfälzer Bauernbursche begann auf der Reise sofort ein Tagebuch zu
führen. Dabei widmete er Militär und Politik nur sehr wenig Platz,
dafür um so mehr fremden Sitten, Tieren und Landschaften.
Im Frühling 1780 versammelten sich die französischen Truppen
zur Einschiffung in Brest. Das Regiment Deux-Ponts ging mit 69 Offizieren,
1013 Unteroffizieren und Mannschaften, 6 Frauen und drei Kindern in die
Neue Welt. 70 Tage dauerte die Seereise und war vor allem für die
nicht daran gewöhnten Soldaten eine echte Tortur, die letzten Endes
auch mehr Opfer fordern sollte als der Krieg selbst. Die Männer waren
unter Deck auf engstem Raum zusammengedrängt, jeweils zwei teilten
sich eine Hängematte, die aber auch nicht immer ausgespannt werden
konnte, so dass sie die meiste Zeit auf dem blanken Boden zubrachten. Furchtbar
war der Gestank und die fehlende Luft, dazu kam die Seekrankheit, an der
ein Großteil litt. Flohr schreibt über den Anfang der Reise:
"Bald wünschten sich die meisten von uns, sie hätten niemals
das Soldatenleben gewählt und verfluchten den ersten Rekrutierungsoffizier,
der sie verpflichtet hatte. Aber das war erst der Anfang, das richtige
Elend sollte erst noch beginnen."
Das Essen bestand aus 36 Loth (1 Loth = ca. 17 Gramm, je nach Region)
Zwieback und 16 Loth Salzfleisch. Am Abend gab es eine Suppe aus Schweinebohnen,
die Flohr als widerliche Masse bezeichnet. Da jedoch alle hungerten, würgten
sie auch das hinunter. Flohr schreibt lapidar: "Hunger ist der beste Koch".
Schlimmer als der Hunger war jedoch der Durst, der durch das stark salzige
Essen weiter verstärkt wurde. Zu trinken gab es etwa ¼ Liter
Rotwein in drei Rationen täglich und normalerweise noch einmal die
selbe Menge stinkendes Wasser. Der eklatante Mangel an Flüssigkeit,
Mineralien und Vitaminen forderte bald seine Opfer. Flohr berichtet, dass
sie später fast täglich Kameraden im Meer bestatteten, was aber
niemanden überraschte, "da unsere Nahrung schlecht genug war um uns
alle zu zerstören."
Als sie im Juli endlich Newport (Rhode Island) erreichten verzeichnete
das Regiment zwar nur ein Dutzend Tote, die meisten waren jedoch schwer
krank, so dass nur ein Bruchteil an den neuen Befestigungen arbeiten konnte.
Bis zum Herbst waren dann insgesamt 73 Mann den Krankheiten erlegen. Flohr
scheint die Fahrt jedoch relativ gut überstanden zu haben, er berichtet
von den schönen Gebäuden und dem betriebsamen Hafen. Allerdings
musste er feststellen, dass sich die Soldaten mit niemandem unterhalten
konnten, da alle Englisch sprachen.
Während sich die Soldaten langsam mit Land und Leuten vertraut
machten, trat der Krieg in eine neue Phase. Die Engländer waren inzwischen
im Süden geschlagen, weshalb sich die Kampfhandlungen weiter nach
Norden verlagerten. Eine englische Armee unter Cornwallis hatte damit begonnen
Virginia zu verwüsten, musste sich dann aber vor überlegenen
feindlichen Kräften zurückziehen. In der kleinen Hafenstadt Yorktown
wartete Cornwallis auf die britische Flotte, die seine Truppen nach New
York zurückbringen sollte. Doch dann passierte das, worauf Napoleon
später sein ganzes Leben vergeblich warten sollte, die Franzosen schlugen
die Engländer in einer großen Seeschlacht. Cornwallis war dadurch
tief im feindlichen Gebiet abgeschnitten.
Washington und die verbündeten Franzosen setzten daraufhin alle
verfügbaren Truppen Richtung Virginia in Marsch. Mit dabei war auch
das Regiment Deux-Ponts. Sie marschierten nach Yorktown, wo sich "der General
Kornwallis mit 12.000 Mann verschanzt hatte und das Umland grausam verwüstete,"
berichtet Flohr.
Die Engländer hatten Yorktown so gut es ging mit ausgedehnten Erdwerken,
vorgeschobenen Bastionen und Schanzen befestigt und versuchten so auf das
Eintreffen ihrer Flotte zu warten. Vor der Stadt trafen immer mehr Truppen
der Verbündeten ein, die langsam ihre überlegene Belagerungsartillerie
in Stellung brachten und Laufgräben gegen die englischen Stellungen
vortrieben. Je weiter die Verbündeten an die Stadt heranrückten,
desto vernichtender wirkte das Feuer der Artillerie. Flohr schreibt dazu:
"Wir konnten von unserer Redoute aus sehen, wie Menschen mit ausgestreckten
Armen durch die Luft flogen [...]. Da war ein Elend und Klagen, dass es
ganz schrecklich war. [...] Die Häuser sahen aus wie Laternen, völlig
durchlöchert von Kanonenkugeln."
Bei der Belagerung ging es in erster Linie darum, die Geschütze besonders
die schweren Mörser, die keine große Schussweite hatten, möglichst
nahe an die Stadt heranzubringen. Dieser Annäherung lagen schließlich
vor allem noch die Redouten Nr.9 und 10 im Weg. So wurden auch gegen diese
Laufgräben vorgetrieben und ihre Einnahme im Sturmangriff geplant.
Nr.9, mit etwa 70 Mann Besatzung die kleinere, sollte von den Amerikanern
gestürmt werden, Nr.10, in der 120 Engländer und Deutsche lagen,
von 400 Mann des Regiments Deux-Ponts unter der Führung von Oberstleutnant
Wilhelm von Forbach (später v. Zweibrücken).
Die Redouten waren gut ausgebaut. Jede war von einem schlammigen Graben
umgeben; die Wälle waren mehrer Meter hoch und zusätzlich mit
einem Verhau von spitzen Pfählen gesichert (die gepflegten Reste können
heute noch in Yorktown besichtigt werden). Der Angriff erfolgte nachts,
und um jeden Lärm zu vermeiden, war es verboten worden die Musketen
vorher zu laden. Als sich die Söldner im Graben befanden und sich
bereits an den Pfählen des Verhaus zu schaffen machten, eröffnete
die hessische Wache das Feuer. Als dann jedoch die Söldner vom Regiment
Deux-Ponts zurückschossen, verließen Engländer und Hessen
ihre Positionen am Wall und verschanzten sich im Inneren der Redoute hinter
einigen Fässern. Nachdem die französischen Söldner den Wall
überstiegen hatten kam es zum Nahkampf mit dem Bajonett, wobei es
gewaltig zur Verwirrung beitrug, dass in der Dunkelheit auf beiden Seiten
Deutsche kämpften. Flohr berichtet, dass die Kämpfenden oft Freund
und Feind verwechselten, "einer rief hier, der andere dort, dass man ihn
um Gottes Willen den Gnadenstoss geben solle. Die ganze Redoute war so
voll mit Toten und Verwundeten, dass man auf ihnen laufen musste."
Ganz so schlimm war die Sache wahrscheinlich doch nicht, den im Unabhängigkeitskrieg
kämpfte selten jemand bis zum bitteren Ende. Auch die Hessen zeigten
wenig Lust, für eine verlorene Sache zu sterben und kapitulierten
vor dem letzten Bajonettangriff. Deshalb blieben die Verluste mit 29 Toten
bei Flohrs Regiment relativ gering. Durch die Einnahme der beiden Redouten
wurde die Lage der Engländer in Yorktown unhaltbar, und Cornwallis
kapitulierte fünf Tage später.
Der Krieg war dadurch zwar eigentlich schon entschieden, zog sich aber
dennoch fast zwei Jahre hin. Für die Söldner aus Zweibrücken
waren die Kämpfe dennoch vorbei. Sie zogen erst einmal in die Winterquartiere
bei Williamsburg und Jamestown. Flohr war sehr vom Land angetan und konnte
sich inzwischen anscheinend auch ganz gut verständigen. Während
die sich Offiziere bei ihren wohlhabenden Gastfamilien mit Pferderennen,
Fuchsjagden und Tanzabenden vergnügten, interessierte sich Flohr sehr
für die Lebensverhältnisse der normalen Bevölkerung. Vieles
gefiel ihm, dennoch fand er die Sklaverei abstoßend und war entsetzt
wie leichtfertig die Virginier damit umgingen. Als er sich erkundigte,
warum sich denn niemand an der Nacktheit der Sklaven stören würde,
"antworteten sie mir, dass es viel zu viel kosten würde alle diese
Schwarzen zu bekleiden, und die Kleider in ein paar Wochen kaputt wären,
und sie diese Ausgaben nicht wert seien." (Leider wird oft übersehen,
dass der große Freiheitsheld George Washington selbst Sklavenhalter
war)
Trotzdem gefiel ihm das Land und er stellte fest, dass Deutsche willkommen
waren. Im nächsten Sommer wurden die französischen Truppen dann
Richtung Boston in Marsch gesetzt, wo sie im Dezember eintrafen. An Weihnachten
ging es mit dem Schiff in die Karibik nach Santo Domingo und von dort
nach einem kurzen Aufenthalt wieder nach Frankreich. Im Juni 1783 erreichten
sie Brest, und Flohr dankte Gott, dass er nach all den Gefahren wieder sicher
nach Europa zurückgekehrt war. Das Regiment wurde anschließend
nach Landau verlegt, wo er die letzten neun Monate seiner Dienstzeit zubrachte.
Nach seiner Entlassung ließ er sich vorerst in Straßburg nieder.
Das Regiment Royal Deux-Ponts blieb weiter in französischen Diensten,
wurde dann aber nach der Französischen Revolution bei der Heeresreformation
in Infanterieregiment Nr.99 umbenannt. Als solches wurde es nach und nach
zwar ein rein französisches Regiment, die Erinnerung an die Schlacht
bei Yorktown wurde jedoch weiter gepflegt. Erst bei der Reduzierung der
französischen Streitkräfte wurde es schließlich im Jahr 2000 aufgelöst.
Flohr, der die Revolution als Student in Paris erlebte, war von den Grausamkeiten
abgestoßen. Er erinnerte sich an das schöne Virginia und beschloss Europa
lebewohl zu sagen. Wahrscheinlich 1793 oder 94 kehrte er nach Virginia
zurück, wo er zuerst Theologie studierte und schließlich in
Wytheville lutherischer Prediger wurde. Sein Haus und sein Grab können
dort heute noch besichtigt werden.