Der große Betrug
Die Polnische Legion auf Haiti.
Für viele gibt es einen fundamentalen Gegensatz zwischen Patrioten,
die für hehre idealistische Ziele kämpfen, und Söldnern,
die sich an Ausbeuter und Unterdrücker vermieten. Nun mag ein solcher
Unterschied zwar gelegentlich gegeben sein; man sollte dabei aber nicht
vergessen, dass gerade geschlagene Idealisten und Patrioten schon immer
ein bedeutendes Reservoir für neue Söldnerheere bildeten. Zahllose
Schotten, Iren, Hugenotten und viele andere hatten nach gescheiterten Revolutionen
in der Fremde ihre Dienste angeboten. Auf der anderen Seite hatten skrupellose
Machthaber auch immer wieder versucht, sich die Freiheitsbestrebungen verschiedener
Volksgruppen zu Nutze zu machen, um möglichst billig Soldaten zu rekrutieren.
Venedig hatte auf diese Weise lange Zeit auf dem Balkan geworben, das katholische
Frankreich hatte immer die Protestanten gegen Habsburg unterstützt
und sogar die Indianerstämme Nordamerikas gegen England mobilisiert.
Freiheitskämpfer und Revolutionäre verrichten oft Söldnerdienste,
auch ohne sich dessen immer bewusst zu sein; sind sie dann erst einmal
geschlagen und im Exil, werden zumindest viele von ihnen zum frei verfügbaren
Menschenmaterial. Es ist dabei bezeichnend und sicher auch einer der besonders
bitteren Witze der Geschichte, dass gerade die Völker, die am ausdauerndsten
um ihre Freiheit gekämpft haben, auch immer außergewöhnlich
viele Söldner stellten.
Eines dieser Völker sind die Polen. Nachdem sich Preußen,
Russland und Österreich das Gebiet der ehemaligen Großmacht
im 18. Jahrhundert geteilt hatten, versuchten die Polen in zahlreichen
Aufständen immer wieder einen eigenen Staat zu bekommen. Es versteht
sich von selbst, dass meistens einige Mächte aus diesem Freiheitswillen
ihren Nutzen zogen. Noch im II. Weltkrieg verheizten die Briten polnische
Truppen bei Monte Cassino, als deren Heimat bereits an Stalin verschachert
hatten. Einige polnische Exilanten findet man dann nach dem Krieg noch
auf der Gehaltsliste der CIA oder als Piloten im Kongo. Ziemlich am Anfang
dieser an Heldentum, Betrug und Verrat so allzu reichen Geschichte stehen
die polnischen Legionen im Dienste Frankreichs.
Nachdem 1795 ein großer polnischer Aufstand von Russland und Preußen
niedergeschlagen worden war, mussten viele Polen ins Ausland flüchten.
Die meisten verschlug es nach Frankreich, das ja nicht nur für die
Freiheit im allgemeinen, sondern auch ganz konkret gegen Russland und Österreich
Krieg führte. Da man in Frankreich einen geradezu unersättlichen
Bedarf an Soldaten hatte und deshalb bereits seit einiger Zeit wieder Einheiten
mit Ausländern aufstellte, waren die Polen hoch willkommen, und man
sparte natürlich auch nicht an Versprechungen, dass die Polen als
treue Verbündete nach dem Sieg ihren Staat erhalten würden. Aus
gut 5.000 Freiwilligen wurde eine "Polnische Legion" gebildet, die sich
im Kampf gegen Österreicher und Russen in Italien und der Schweiz
hervorragend bewährte.
Doch die Realpolitik ging wie so oft andere Wege. Um Großbritannien,
seinen hartnäckigsten Gegner niederzuzwingen, suchte Napoleon den
Ausgleich mit Russland und Österreich. Dabei waren die Wünsche
der Polen natürlich im Weg. Zudem strebte er seit kurzem nach der
absoluten Macht in Frankreich und musste sich deshalb der alten Revolutionäre,
der Jakobiner entledigen, als deren Sympathisanten viele polnische Offiziere
galten. Während die unverbesserlichen Jakobiner nach Cayenne deportiert
wurden, fand Napoleon für die Polen eine ganz besondere Aufgabe. Die
ehemaligen Freiheitskämpfer sollten im französischen Haiti die
Sklaverei wieder einführen.
Haiti - der westliche Teil der ehemals spanischen Insel Hispanola - war
eine typische Zuckerkolonie, in der eine kleine Schicht Weißer mit
schwarzen Sklaven enorme Gewinne erwirtschaftete. Die Sklaven wurden dabei
derart brutal ausgebeutet, dass sie oft schon nach einigen Jahren an Hunger
und Erschöpfung starben, und die Plantagen auf steten Nachschub aus Afrika
angewiesen waren. Fast in allen karibische Plantagenkolonien kam es deshalb
häufig zu blutigen Revolten, die jedoch immer wieder von europäischen
Truppen niedergeworfen wurden. Der große Sklavenaufstand auf Haiti
von 1792 hätte sicher ebenso geendet, wenn die europäische Politik
sich nicht plötzlich für die Sache der Sklaven interessiert hätte.
Da sich Frankreich gerade im Krieg mit Spanien und England befand, konnten
sich die Aufständischen nach Santo Domingo - den spanischen Teil der
Insel - zurückziehen, wo sie dann von England mit Waffen versorgt
wurden. In dem folgenden Kolonialkrieg mauserten sich die ehemaligen Rebellen
langsam zur von allen Seiten umworbenen Hilfstruppe. Der Anführer
der Sklaven Francois Toussaint L’Ouverture wurde sogar von den Spaniern
zum Brigadegeneral befördert. In der Not geizten natürlich auch
die Franzosen nicht mit Angeboten. Sie versprachen eine Generalamnestie
und jedem Sklaven nach fünf Dienstjahren die Freiheit.
Als Toussaint L’Ouverture, der inzwischen ein starkes und relativ gut
bewaffnetes Heer kommandierte, nun bemerkte, dass die Spanier gar nicht
daran dachten die Sklaverei abzuschaffen und die Engländer sie in
eroberten Gebieten sogar wieder einführten, wechselte er auf die Seite
der Franzosen. Nachdem Spanien die Insel im Frieden von Basel an Frankreich
abgetreten und England seine Truppen abgezogen hatte, unterwarf Toussaint
L’Ouverture nach und nach die rivalisierenden Sklavengruppen und kontrollierte
schließlich um 1800 die ganze Insel. Er gab dem Land eine Verfassung,
in der die Gleichheit der Rassen und die Zugehörigkeit zu Frankreich
festgeschrieben wurde.
Damit hätte Napoleon eigentlich zufrieden sein können. Da
er jedoch gerade damit beschäftigt war das französische Imperium
in neuer Pracht zu restaurieren, war er empört darüber, von einem
ehemaligen Sklaven Bedingungen diktiert zu bekommen. Zudem fanden die reichen
Pflanzer in seiner Frau Josephine - einer Kreolin von Martinique - eine
wichtige Unterstützerin. Also entschloss er sich durch eine militärische
Intervention, die alte Ordnung wieder herzustellen. Zum Chef des Expeditionskorps
ernannte er seinen Schwager Leclerc, dessen Frau am Pariser Hof ständig
für neue Skandale sorgte. Mit der problematischen Verwandtschaft wurden
vor allem unzuverlässige Truppen, d.h. alte Jakobiner und Fremdenbataillone,
nach Haiti geschickt. Zusätzlich gab der große Feldherr seinem
Schwager dann noch Instruktionen, wie der Krieg schnell zu gewinnen sei:
1. alles Versprechen, 2. überraschend zuschlagen, 3. die Anführer
verhaften, 4. die Sklaverei wieder einführen.
Leclerc landete im Januar 1802 mit 14.000 Mann in Haiti. Der Widerstand
an der Küste wurde schnell gebrochen und die Franzosen eroberten Cap
Francais, Port-au-Prince und die anderen größeren Orte. Die
Schwarzen verteidigten sich zwar tapfer, aber bald gingen die ersten Offiziere
mit ihren Truppen zu den Franzosen über, da ihnen ihr Rang garantiert
wurde. Toussaint L’Ouverture wurde bei Verhandlungen verhaftet und nach
Frankreich deportiert, wo er in der Burg Joux im Jura bald darauf an der
Kälte starb. Nachdem der Krieg gewonnen schien, führte Leclerc
auf Napoleons Order die Sklaverei wieder ein, die weißen Pflanzer
kamen aus dem Ausland zurück und der Export von Zucker stieg wieder
an.
Es blieb allerdings der Widerstand in den Bergen, wohin sich viele Schwarze
zurückgezogen hatten. Dort wurden sie von englischen und amerikanischen
Waffenhändlern unterstützt und erhielten steten Zulauf an geflohenen
Sklaven. Der größte Feind der Franzosen war aber das Gelbfieber.
Normalerweise lag die Todesrate bei 15%, bei nicht akklimatisierten Truppen
konnte sie aber bis auf 80% steigen. Im Sommer 1802 starben durchschnittlich
100 Mann täglich! Unter diesen Umständen wurden die Aufständischen
immer stärker und operierten bald im Umland von Le Cap. Die Franzosen
griffen deshalb zu immer brutaleren Repressalien, Gefangene und vermeintliche
Rebellen wurden gehängt, erschossen oder aufs Meer gefahren und in
Gruppen ertränkt. Die Aufständischen antworteten mit ähnlichen
Methoden; Weiße wurden in Stücke gehackt, langsam geröstet
oder durchgesägt. Zu Leclercs wichtigstem Verbündeten wurde dabei
der schwarze General Dessalines, den alle den "Schlächter" nannten,
und der die meiste Schmutzarbeit für Franzosen erledigte.
Aus Frankreich kam zwar ab und zu Ersatz, doch damit ließen sich
die Lücken nicht schließen. Als Leclercs Hilferufe immer dringender
wurden, beschloss Napoleon die 3. polnische Halbbrigade zu schicken. Nach
dem Frieden von Amiens waren sie in Italien stationiert, wo ihre Unzufriedenheit
wuchs. Die einstige Elitetruppe war zu einer politischen Belastung geworden
und hatte seit Monaten keinen Sold erhalten. Unter den Mannschaften kam
es zu Desertionen, während die Offiziere die französischen Stellen
mit Eingaben belästigten. Es gab allerdings keine Proteste, als die
Einheit dann in Livorno auf alten engen Transportschiffen zusammengepfercht
und nach Haiti verschifft wurde. Viele waren sicher froh, der Langeweile
des Garnisonsdienstes zu entgehen, die Offiziere hofften auf Beförderungen,
und allen hatte man ihren Sold versprochen.
Bei der Ankunft im September 1802 wurden die exotischen Träume
vieler Polen dann sogar noch von der Realität übertroffen. Haiti
präsentierte sich als ein Tropenparadies mit einer zauberhaften Landschaft
und wunderschönen Frauen; Alkohol und gutes Essen waren unglaublich
billig, dazu gab es jede Menge Tabak. Bald begannen jedoch die Beschwerden.
Die Polen litten furchtbar unter der Hitze; viele wurden krank, weil sie
in den Bergen zu kaltes Wasser tranken, oder zu viel unreifes Obst aßen.
Dazu kamen Heerscharen an Insekten und Parasiten. Das größte
Problem war jedoch, dass die Polen für den Guerillakrieg völlig
ungeeignet waren. Auf den Schlachtfeldern Europas hatten sie als Linieninfanterie
dem feindlichen Feuer in fester Formation getrotzt und waren dann in der
Kolonne zum Bajonettangriff übergegangen. Der Krieg auf Haiti forderte
dagegen aufgelöste Schützenlinien und selbständige Aktionen
in kleinsten Gruppen. Die festen Formationen der Polen erwiesen sich nicht
nur als völlig unflexibel, sondern boten hervorragende Ziele für
Heckenschützen.
Das 1. Bataillon wurde im Norden bei Cap Francais eingesetzt. Dort marschierten
die Soldaten ziellos durch die Berge, besetzten Blockhäuser und Schanzen,
nur um sie etwas später wieder zu räumen. Sie hatten Verluste
in Hinterhalten ohne den Gegner zu fassen zu bekommen. Die Situation änderte
sich erst, als zwei schwarze Generäle mit ihren Truppen zu den Rebellen
übergingen und nun Cap Francais selbst bedrohten. Bei den harten Kämpfen
um die Stadt, konnten die Polen erstmals ihren Wert beweisen. Sie schlugen
sich tapfer und es gelang die Stadt zu halten. Nach diesem Erfolg beschloss
das französische Oberkommando eine Gegenoffensive. Das Zentrum bildeten
dabei zwei Kolonialbataillone aus ehemaligen Sklaven, während das
polnische und ein französisches die Flanken deckten. Als man auf den
Feind stieß und die Kolonialbataillone die Seiten wechselten, konnten
sich die Franzosen und ein Teil der Polen zurückziehen. Die anderen
dagegen wurden abgeschnitten und mussten sich in einer Plantage verschanzen.
Dort wurden sie dann in dem Gebäude verbrannt, nachdem ihnen ihre
Munition ausgegangen war. Der Rest, der sich nach Le Cap durchschlagen
konnte, wurde dort so vom Gelbfieber dezimiert, dass am Ende des Jahres
nur noch knapp 100 Polen übrig gewesen sein sollen. Das 3. Bataillon,
das etwas weiter westlich im Raum von Plaisance eingesetzt worden war hatte
ein ähnliches Schicksal. Als im Oktober die Kolonialtruppen unter
General Dessalines in Massen zum Feind übergingen, blieben viele kleine
Gruppen des 3. Bataillons total isoliert im Land zurück. Nur wenige
konnten sich durchschlagen und einige ergaben sich auf gut Glück dem
Feind.
Nach dem Überlaufen von Dessalines, wurden die zurückgebliebenen
schwarzen Truppen entwaffnet und zum Großteil ermordet. Bei diesen
Aktionen kam dann das 2. Bataillon zum Einsatz, das nach Saint Marc weiter
im Süden verlegt worden war. Dort wurde ein Bataillon von 400 Schwarzen
entwaffnet. D.h. man ließ sie ohne Waffen antreten, dann wurden sie
von französischen Truppen umringt und von diesen auf Befehl mit dem
Bajonett niedergemacht. Einige flehten ihre weißen Waffenkameraden
um Gnade an, andere versuchten in Häuser zu flüchten. Es nützte
nichts, alle wurden ohne Erbarmen abgestochen. Die Straßen sollen noch tagelang
voller Leichen gewesen sein. Einige polnische Historiker haben nun keine
Mühe gescheut, nachzuweisen, dass die Polen gar nicht an dem Massaker
beteiligt waren, oder dass sie dort heroisch den Befehl verweigert hätten.
Die Quellenlage weißt jedoch ziemlich eindeutig in die Richtung,
dass die Polen wesentlichen Anteil daran hatten, wenn sie die Henkersarbeit
auch nicht als einzige ausführten und wahrscheinlich mit Widerwillen.
Doch es sollte noch schlimmer kommen. Anfang November 1802 starb Leclerc
am Gelbfieber. Sein Nachfolger General Vicount Donatien Rochambeau war
korrupt und ein Rassist übelster Sorte, der schon immer der Meinung
gewesen war, dass es Leclerc an der nötigen Härte fehle. Zudem
bereicherte er sich persönlich an Weißen, denen er Pässe
verkaufte, damit sie die Kolonie verlassen konnten, oder denen er willkürlich
Zwangsabgaben auferlegte, die dann großteils in seine Kasse wanderten.
Beim Krieg gegen die Rebellen entpuppte er sich als grausamer Sadist. Seine
Hauptwaffen waren Terror und Massenmord. Er ließ Gefangene lebend
verbrennen, in Säcken ersäufen, hängen, kreuzigen oder in
größeren Gruppen auf Schiffen unter Deck mit Schwefeldämpfen
vergasen. Am liebsten ließ er sie jedoch von großen Hunden
zerfleischen, die er in großer Zahl extra aus Cuba importiert hatte.
Die erste Hundelieferung wurde mit einer großen Show in einer Arena
gefeiert, wo einige Hunde vor großem Publikum einige Sklaven zerfleischten.
Die Armee war allerdings stark geschrumpft: 4.000 waren gefallen, 16.000
am Gelbfieber gestorben, und von den restlichen 10.000 waren 2/3 im Hospital.
Dennoch verschärfte Rochambeau den Konflikt. Landbesitz für Schwarze
wurde generell verboten, auch ihre Verwendung als Soldaten. Durch brutale
Maßnahmen gegen die Mulatten, von deren Truppen er viele ertränken
ließ, trieb er auch die den Aufständischen in die Arme. Zu seinem
passenden Gegenspieler wurde der Schlächter Dessalines. Anfangs war
er bei vielen Schwarzen verhasst, da sie ihn noch als französischen
General in allzu guter Erinnerung hatten. Unter dem Druck von Rochambeaus
Repressalien konnte er sich 1803 jedoch als alleiniger Kommandeur durchsetzten,
indem er Konkurrenten gnadenlos ermorden und jede Opposition blutig niederschlagen
ließ. Seine Aufrufe zum gnadenlosen Kampf bis zum Letzten fanden
immer mehr Zulauf.
Von den Polen waren zu dieser Zeit bestenfalls einige hundert übrig,
die aber auf andere Einheiten verteilt waren. Bei den französischen
Offizieren hatten sie keinen guten Ruf, da sie für Dschungelkrieg
nicht geeignet waren. Völlig demotiviert sollten sie sich in brenzligen
Situationen auch gerne ergeben haben. Dies wurde von den Rebellen unterstützt,
die inzwischen die Polen oft zum Überlaufen ermutigten und als Gefangene
verschonten. Von diesen hatten sie von der traurigen Geschichte Polens
gehört und hatten deshalb Sympathien für sie entwickelt. Allerdings
wurde auch Deutsche und Schweizer oft verschont. Offensichtlich sahen die
ehemaligen Sklaven gewisse Parallelen zwischen dem erbärmlichen Schicksal
der fremden Söldner und ihrem eigenem. Verhasst waren ihnen die Franzosen,
vor allem die weißen Milizen, die sehr rassistisch waren. Den meisten
Söldnern fehlte die rassistische Arroganz der einheimischen Weißen
und auch deren Revanchegelüste. Viele stammten selbst aus der Unterschicht,
waren zum Teil von ihren Landesväter verschachert worden, hatten schwarze
Frauen und fraternisierten gerne mit Bevölkerung.
Auf Rochambeaus Drängen entschloss man sich in Frankreich dazu
ein neues Hilfskorps von 12.000 Mann zu schicken, darunter die 2. polnische
Halbbrigade. Inzwischen war genug von den Ereignissen bekannt, so dass
kein Zweifel mehr daran bestand, dass die meisten in den sicheren Tod geschickt
werden würden. Die Stimmung war dem entsprechend schlecht und Desertionen
häuften sich. Murat schlug deshalb vor, die Einheit von Frankreich
aus zu verschiffen, um sie dadurch besser unter Kontrolle zu haben. Durch das
Versprechen, den rückständigen Sold zu bezahlen und bessere Kontrollen,
konnten schließlich in Genua 2.500 Mann zusammengezogen werden. Bei
den Offizieren war die Stimmung besser, was den großen Unterschied
zwischen diesen und den Mannschaften unterstreicht. Viele meldeten sich
freiwillig, da sie zum Teil auf Halbsold gesetzt, oder völlig ohne
Geld waren. Als Emigranten führten sie ein elendes Leben und hatten
sich oft verschuldet. Lediglich zwei nahmen ihren Abschied und konnten
ohne Problem ersetzt werden.
Das Hilfskorps kam gerade recht für Rochambeaus Frühjahrsoffensive
im Süden, die von 3 Kolonnen gegen feindliche Stützpunkte auf
der südwestlichen Halbinsel geführt werden sollte. Doch auch
hier hatte man aus den Erfahrungen nichts gelernt. Die Neuankömmlinge
waren völlig unfähig, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen
und scheiterten im schwierigen Gelände. Als zum Beispiel eine Kolonne
durch ein enges Tal marschierte, das durch einen Verhau von gefällten
Bäumen blockiert wurde, griffen die polnischen Grenadiere in fester
Formation mit gefälltem Bajonett an und wurden dabei nicht nur von
vorne, sondern auch von beiden Flanken heftig beschossen. Um in den Dschungel
an den Flanken vorzudringen, hätten sie Macheten benötigt, die sie
nicht hatten; außerdem waren solche Manöver nicht ihre
Sache. Also mussten sie sich nach schweren Verlusten zurückziehen.
Niemand dachte auch daran, Truppen mit dem Schiff zu bewegen, so schleppten
sie ihre Geschütze unter unsäglichen Strapazen über Bergpfade,
gerieten in Hinterhalte und wurden dezimiert.
Ein anderes Mal als sich ein Angriff ebenfalls vor Verschanzungen festgelaufen
hatte, befahl der kommandierende Offizier den Polen ein Flankenmanöver.
Diese vollzogen das Manöver mit Trommeln und lautem Kriegsgeschrei,
wahrscheinlich, um sich selbst Mut zu machen. Als sie daraufhin unter vernichtendes
Feuer kamen, schlossen sie sich zu festen Blöcken zusammen und hielten
stoisch aus. Ein französischer Offizier bemerkte dazu später
bitter, dass die Polen lieber in Formation sterben würden, als nur
einen Schritt vorzugehen. Ein anderer fällte ein vernichtendes Urteil:
"Diese trägen und apathischen Leute, denen unsere Art und Sprache
fremde ist, verlieren so fern von ihrer Heimat jede Energie. Unfähig
die Strapazen der Märsche zu ertragen, und erschreckt durch die Gefahren
und die ungewohnte Art der Kriegführung, taugen sie nur zum Garnisonsdienst."
Bald mussten sich Reste der Kolonnen zerschlagen zurückziehen.
Durch diese Erfolge mutig geworden, planten die Rebellen nun mit einer
starken Armee die Stadt Les Cayes anzugreifen. Hier beim Kampf aus fester
Stellung konnten die Polen wieder einmal zeigen, dass sie kämpfen
konnten. Sie schlugen sich tapfer auf den zerfallenen Schanzen und als
der Feind in Stadt eingedrungen war, verschaffte ein Gegenstoß polnischer
Grenadiere den Artilleristen die notwendige Zeit ihre Geschütze neu
zu positionieren, wodurch der Angriff dann endgültig abgeschlagen
wurde. Doch auch nach diesem Sieg ging das Sterben am Gelbfieber weiter.
Die Franzosen waren nun zu keiner Offensive mehr in der Lage. Sie versuchten
die Städte zu halten. Wenn das nicht möglich war, mussten sie
sich wieder unter schweren Verlusten zum nächsten Stützpunkte
durchschlagen.
Die Situation verschlechterte sich dramatisch als im Frühjahr 1803
der Krieg mit England wieder ausbrach. Das hieß neue Waffen für
die Rebellen und Blockade der Gewässer durch englische Schiffe. Die
Franzosen zogen sich daraufhin im Süden auf die drei größten
Städte Jérémie, Les Cayes und Port-au-Prince zurück.
Eigentlich warteten alle auf das Ende. Bei den Polen und den anderen fremden
Söldnern soll es nun gehäuft Überläufer gegeben haben.
Der erste Vorstoß der Rebellen richtete sich im Juli gegen Jérémie.
Sie machten nun nicht mehr den gleichen Fehler wie beim Großangriff
auf Les Cayes. Sie schlossen die Stadt von der Landseite her ein, während
englische Schiffe die Versorgung auf dem Seeweg blockierten. Die Besatzung
der Stadt bestand hauptsächlich aus Mulatten der Nationalgarde, von
denen sich viele zum Feind absetzten, einigen hundert Polen und Franzosen.
Obwohl es einigen Schiffen gelang, nachts durch die Blockade zu schlüpfen,
wurde die Versorgung immer schlechter.
Als die Vorräte völlig zur Neige gegangen waren, beschloss
der Kommandant, sich mit den Soldaten in den vorhandenen Schiffen nachts
heimlich nach Cuba abzusetzen. Da dieser Abzug jedoch auf keinen Fall zu
früh vom Feind bemerkt werden durfte, beschloss man die 140 Polen,
die die Garnison der Zitadelle stellten und 40 Franzosen, die einen Flussübergang
vor der Stadt verteidigten, zu opfern. Besonders infam war es, dass die
polnischen Offiziere ebenfalls informiert wurden. Diese nutzten die Chance
und setzten sich heimlich mit den Franzosen ab - ihre Männer überließen
sie ihrem Schicksal. Die Engländer fingen zwar einen Großteil
der Schiffe ab und brachten die Gefangen nach Jamaica, aber drei Schiffe
mit 250 Mann erreichten Cuba. Auf Cuba waren dann der Kommandeur General
Fressinet und andere Offiziere hauptsächlich damit beschäftigt
ihre Memoiren zu verfassen, um ihr "heldenhaftes" Tun zu rechtfertigen
und sich gegenseitig zu beschuldigen. Als am nächsten Tag der Rebellengeneral
Ferrou in Jérémie einzog, wurde den Polen in der Zitadelle
eine ehrenhafte Übergabe erlaubt. Ferrou berichtete ihnen ausführlich
von der Verräterei ihrer Vorgesetzten und zeigte ihnen die verstümmelten
Leichen der 40 Franzosen und sagte: "So bestrafen wir die treulosen Invasoren,
aber wir machen einen Unterschied zu denen, die gegen ihren Willen gezwungen
wurden, gegen uns zu kämpfen."
Das demonstriert wieder einmal, dass die Schwarzen die Söldner
für eine Art weißer Sklaven hielten. Bereits bei der Belagerung
von Jérémie sollen sich im Heer von General Ferrou auch polnische
und deutsche Überläufer befunden haben. Es gab viele Gerüchte,
dass polnische Deserteure für Dessalines kämpften. Das war sicher
stark übertrieben, aber die Gefangenen haben sicher diesen Ausweg
gewählt. Dazu kamen einige echte Überläufer, die es irgendwann
leid waren, statt Sold nur leere Versprechungen zu erhalten und mit ansehen
zu müssen, wie sich einige Offiziere auf ihre Kosten bereicherten.
Man erzählte sogar, dass Dessalines eine Leibgarde aus 30 Polen gehabt
haben soll, möglicherweise handelte es sich aber auch um ehemalige
Sklaven in polnischen Uniformen. Auf jeden Fall waren die fremden Söldner
als Überläufer geschätzt, da sie als Ausbilder, bei der
Reparatur von Waffen und vor allem als Artilleristen gute Dienste leisten
konnten. Das galt wie gesagt auch für Deutsche und Schweizer, aber
die Polen haben sich anscheinend eines besonderen Wohlwollens erfreut.
Nach der Ansicht von Dessalines waren sie "die weißen Neger Europas".
Dass diese Ansicht nicht ganz verkehrt war, unterstreicht ein anderes Ereignis.
Von den Gefangenen auf Jamaica kaufte ein englischer Kapitän 120 Mann
für 74$ pro Kopf, die er dann an die britische Armee als Soldaten
weiterverkaufte.
Nach dem Fall von Jérémie kam es zur Belagerung von Les
Cayes. Als dort ebenfalls die Lebensmittel zu Ende gegangen waren, verhandelte
der französische Kommandeure mit den Engländern. Um die eigene
Haut zu retten wurden dann die Mulatten und Kranken der Rache der Sieger
überlassen, die Tausende massakrierten. Die Engländer und ihre
Gefangenen auf den sicheren Schiffen hatten dann ein wenig ein schlechtes
Gewissen, als sie dem Gemetzel zusahen. Viele Flüchtlinge, die versuchten
ebenfalls die Schiffe zu erreichen wurden zum Teil im Wasser direkt davor
abgeschlachtet. Auch das lieferte den Offizieren wieder Stoff für
neue Rechtfertigungsschriften. In Port-au-Prince gelang es einem Großteil
der Garnison nachts heimlich nach Cuba zu entkommen. Immerhin hatten sie
lange genug mit Dessalines verhandelt und diesem die Zusage abgerungen,
die Zivilbevölkerung zu schonen. Er begnügte sich dann damit
82 Weiße zu hängen. Ungefähr einen Monat danach fielen
auch mit Le Cap Francais und Môle St. Nicolas im Norden die beiden
letzten französischen Stützpunkte auf Haiti. Der Garnison von
Môle St. Nicolas war es dabei gelungen, durch britische Blockade
zu schlüpfen und nach Cuba zu entkommen, während die von Le Cap
Francais in englische Gefangenschaft geriet.
In Haiti regierte daraufhin Dessalines als Kaiser Jean-Jacques I. -
auch hier hatte er viel von Franzosen gelernt. Nach seiner Ermordung herrschten
seine Stellvertreter Henri Christophe als König im Norden und Pétion
im Süden. Natürlich wurden auch die Zuckerplantagen wieder bewirtschaftet,
da es jedoch offiziell keine Sklaverei mehr gab, wurde die jetzt durch
Zwangsarbeiter geleistet. Alle Weißen außer Polen und Deutschen
(d.h. auch Schweizer) mussten Haiti verlassen. Etwa 400 Polen blieben und
heirateten. In der Nähe von Port-au-Prince bei Cazale und einigen
anderen Orten verweisen noch heute einige Haitianer auf ihre polnische
Abstammung.
Für die Gefangenen auf Jamaica - etwa 7.000 Mann, etwa 1/7 davon
Polen - war der Krieg allerdings noch nicht vorbei. Auch hier lassen sich
die gravierenden Unterschiede zwischen Offizieren und Mannschaften beobachten.
Alle Offiziere, die Geld hatten, durften in die USA ausreisen, nachdem
sie unterschrieben hatten, nicht gegen England zu dienen. Die anderen hatten
freien Ausgang und erhielten sogar Geld, was damals allgemein üblich
war. Die Mannschaften wurden dagegen als Menschenmaterial betrachtet, das
man seiner Bestimmung entsprechend verwenden musste. Untergebracht waren
sie auf alten, überfüllten Wracks, bewacht von den Haien. Besonders
unter Deck herrschte eine furchtbare Hitze und ein bestialischer Gestank.
Als Proviant erhielten sie nur Abfälle, da sich hier die zuständigen
Offiziere bereicherten. Allerdings hatten die Engländer ständig
Bedarf an Ausländern, um ihre eigenen Fremdenregimenter aufzufüllen.
Ein Offizier brachte diese pragmatische Einstellung auf den Punkt und sagte:
"Ihr konntet den Franzosen dienen, euer Blut für sie vergießen
und sterben. Also könnt ihr jetzt England dienen, und wir werden euch
besser kleiden, besser bezahlen und mehr beachten." Auf die ersten Rekrutierungsoffiziere
reagierten die Polen abweisend. Daraufhin wurden die mageren Rationen weiter
reduziert. Als das nicht reichte, entdeckten Engländer eine "Verschwörung".
Bei den folgenden Verhören gab es so viel Schläge, dass die meisten
unterschrieben. Schließlich sollen an die 500 Polen, Deutsche und
Schweizer in das 60. Regiment eingetreten sein. Acht Jahre später
sahen sich diese Polen ihren Landsleuten in Spanien gegenüber, wo
dann 150 wieder zu den Franzosen übergelaufen sein sollen.
Aber auch Napoleon war nicht dankbar. Als 1803 die ersten polnischen
Offiziere über die USA nach Frankreich zurückkehrten, erwarteten
sie neue Offiziersstellen, ihre ausstehenden Sold, bei Invalidität
eventuell sogar eine kleine Rente. Sie bekamen nichts. Napoleon ärgerte
sich sogar so über ihre Petitionen, dass er sie auf Halbsold setzen
ließ und in eine Garnison in Châlons-sur-Marne abschob. Dort
lebten sie dann recht erbärmlich, da ihr Geld kaum ausreichte um die
Kasernen zu verlassen und warteten auf bessere Zeiten. Es dauerte nicht
allzu lange, denn bald kam es zum 3. Koalitionskrieg, und später folgten
die Feldzüge in Spanien und in Russland. Überall gab es wieder
Verwendung für die treuen Polen, die unbedingt für einen Kaiser
sterben wollten, der sich absolut nichts aus ihnen machte.