Eustace der Mönch
Bandit, Söldner und Pirat.
In den zahllosen Kriegen und Fehden, die von den angevinischen Königen auf dem Kontinent aber auch in
England für gut hundert Jahre (ca. 1150 - ca. 1260) geführt wurden, spielten Söldner auf allen
Seiten eine oft entscheidende Rolle. Die schillerndste Figur darunter war höchstwahrscheinlich Eustace
der Mönch. Er hat seine Spuren nicht nur in einigen Chroniken hinterlassen, sondern muss in seiner Heimat
so populär gewesen sein, dass einige Jahre nach seinem Tod eine "Romance", eine Versbiographie,
über seine fantastischen Abenteuer verfasst wurde.
Eustace wurde um 1170 in der Nähe von Boulogne geboren. Sein Vater war war ein kleiner Adliger, der
wahrscheinlich im Dienst des Grafen von Boulogne stand. Man kann davon ausgehen, dass Eustace der jüngere
von mehreren Söhnen war, der er wurde dazu bestimmt Kleriker zu werden. Der Romance nach ging er zuerst
nach Toledo um dort schwarze Magie zu studieren. Möglicherweise entstand diese Legende, da er später
seine Gegner oft durch Tricks und Täuschungsmanöver beeindruckte.
Danach wurde er Mönch im Kloster Samer bei Boulogne. Bald darauf verließ er jedoch das Kloster
angeblich um den Mörder seines Vaters vor Gericht zu bringen. Nachdem er damit gescheitert war, trat er
um 1200 als Seneschall in den Dienst des Grafen von Boulogne Renaud de Dammartin. Doch der Legende nach ruhte
der Mörder seines Vaters nicht und diffamierte ihn nun beim Grafen der Unterschlagung. Eustace zog es vor
eine Gerichtsentscheidung nicht abzuwarten und floh in die Marschwälder bei Boulogne.
Der Graf zog daraufhin seine Ländereien ein und Eustace revanchierte sich, indem er mehreren Mühlen des
Grafen verbrannte. Über mehrere Jahre führte er nun seinen privaten Rachefeldzug gegen den Grafen. Dabei
benutzte er der Legende nach die verschiedendsten Verkleidungen, Listen und natürlich auch schwarze Magie, um
den Grafen zu berauben und zu verspotten. Durch die Nähe des Ärmelkanals ergab es sich wahrscheinlich
von selbst, dass er sich auf Piraterie verlegte, dem klassischen Erwerbszweig der Gesetzlosen am Pas-de-Calais.
Ein Pirat ist jedoch nichts ohne eine feste Basis an Land und eine zumindest halblegale Rückendeckung. Eustace
fand dies bei König Johann, der die Rückeroberung der gerade verlorenen Normandie plante. Da ein solches
Unternehmen ohne die Kontrolle des Ärmelkanals absolut unmöglich war, rekrutierte König Johann alles,
was sich zur Seekriegsführung verwenden ließ. Piraten boten dabei neben ihrer einschlägigen Erfahrung
den großen Vorteil, dass sie sich weitgehend selbst besoldeten.
Eustace stand nachweisbar ab 1205 im Dienst König. Das Geschäft lief anscheinend so gut, dass Eustace auch
noch seine Brüder mitbrachte. Johann stellte ihm einige Schiffe zur Verfügung und die Kanalinseln für
einige Jahre als Lehen. Die Brüder benutzten die Insel Sark als Basis, von der aus sie vor allem in die Normandie
einfielen und gute Beute machten. Dabei gerieten sie aber mit Cadoc dem berühmten Söldnerführer des
französischen Königs Philipp Augustus aneinander und wurden bei Harfleur in einem Seegefecht geschlagen.
Trotzdem schienen die Geschäfte gut zu gehen, den Eustace soll sich einen prächtigen Palast in London oder
Winchelsea gebaut haben. Wenn im Krieg gegen Frankreich nichts zu holen war, scheint Eustace auch mal die englische
Küste geplündert zu haben, weshalb er dann für gesetzlos erklärt wurde. Bald darauf wurde er jedoch
vom König wieder begnadigt, da der auf seine Hilfe nicht verzichten wollte.
Die Situation wurde erst schwierig, als sich König Johann bei der Suche nach mächtigen Alliierten auf dem
Festland 1212 mit Eustaces Erbfeind Renaud de
Dammartin dem Grafen von Boulogne verbündete. Eustace floh nach Frankreich, wo er in die Dienste von König
Philipp Augustus tat, der einen Mann mit seiner Sach- und Ortskenntnis sicher gut gebrauchen konnte. Eustace operierte
weiterhin von den Kanalinseln aus konzentrierte sich aber nun auf englische Schiffe und Dörfer.
Eustaces Tod in der Seeschlacht bei Sandwich 1217
Als in England die rebellischen Barone Philipp Augustus Sohn Ludwig zum König ausriefen, kam dem erfahrenen Seemann
Eustace von Anfang an eine entscheidende Rolle zu. Ludwig war 1216 mit einem kleinen Heer nach England gekommen, hatte
aber auf dem Schlachtfeld kein Glück gehabt. Eustace hatte sollte deshalb mit einer großen Flotte von Calais
aus Verstärkungen und Belagerungsgerät zu Ludwig bringen. Als die Engländer die Flotte bei Sandwich
abfingen, war diese anscheinend weit auseinandergezogen. Eustaces Flaggschiff, das mit schweren Belagerungsmaschinen und
Pferden beladen tief und schwerfällig im Wasser lag hing weit zurück und wurde sofort von mehreren englischen
Schiffen angegriffen.
Neben dem üblichen Geschosshagel von Pfeilen und Steinen brachten die Engländer auch Pötte mit ungelöschtem
Kalk zum Einsatz. Nachdem die Besatzung von den Kalkwolken geblendet waren, enterten die Engländer und der Kampf war
schnell entschieden. Beim Seekrieg im Ärmelkanal war keine Gnade zu erwarten und so wurde die Besatzung erbarmungslos
abgeschlachtet. Lediglich die französischen Adligen, von denen ein gutes Lösegeld zu erwarten war, wurden gefangen
genommen.
Eustace hatte nicht so viel Glück. Angeblich hatte er sich in der Bilge versteckt. Er wurde an Deck gezerrt und obwohl
er angeblich eine Lösegeld von 10.000 Mark versprach umgehend enthauptet. Später wurde sein Kopf auf einer Lanze
als Trophäe durchs Land geschickt.
Seine Brüder waren diesem Schicksal entkommen. Denn als Ludwig kurz darauf Frieden schloss, musste er sich dazu
verpflichten Eustaces Brüder zur Herausgabe der Kanalinseln zu bewegen. Eustaces alter Feind Feind der Graf von Boulogne
hatte auf englischer Seite 1214 in der Schlacht von Bouvines die Brabanzonensöldner befehligt und war in Gefangenschaft
geraten, wo er nach 13 Jahren starb.