Die staufischen Ritter
Vom Lehensdienst zum Söldnertum.
Damit das Söldnergeschäft richtig in Schwung kommt, benötigt
es auf der Angebotsseite eine größere Menge arbeitsloser oder
zumindest schlecht verdienender Berufskrieger, auf der Nachfrageseite
einige liquide Kunden, die auf der Suche nach den angebotenen Diensten
sind und last not least einen Markt, d. h. bewährte Verbindungen,
durch die Anbieter und Käufer zusammenfinden können. Im Mittelalter
fehlte es allerdings lange am Wichtigsten: dem Geld. Niemand verfügte
über die notwendigen Mittel eine Armee professioneller Krieger anzuwerben
oder gar über längere Zeit zu bezahlen. Die abendländischen
Heere bestanden deshalb fast ausschließlich aus Lehenskriegern, die
von ihren Herren ausreichend Grundbesitz erhielten, mit dessen Einkünften
sie sich selbst ausrüsten und versorgen konnten. Die schwach ausgebildete
Infrastruktur erlaubte es auch nicht größere Heere zu bewegen
und zu versorgen deshalb verzichtete man in ganz Westeuropa nach und nach
auf die schwerfälligen Bauernaufgebote und setzte statt dessen auf
kleine aber mobile Einheiten schwer gepanzerter Reiter.
Diese Ritter wurden zur alles entscheidenden Waffe auf den Schlachtfeldern.
Wenn man von "Rittern" spricht, sollte man dabei allerdings beachten, dass
diese Krieger am Anfang der Entwicklung nicht zum Adel gehörten. Ganz
im Gegenteil, normalerweise standen sie in der sozialen Hierarchie noch
unter den freien Bauern. Denn als man damit begann, diese Reiter auszurüsten,
bewaffnete der Adel zuerst sein persönliches Gefolge - seine Knechte,
die vorher vielleicht noch das Vieh gehütet hatten. Da die Ritter
jedoch mit den gleichen Waffen, Seite an Seite mit dem Adel kämpften
und das Rückgrat jedes Heeres bildeten, wurden sie bald zu einer privilegierten
Klasse. Vor allem durch die Kreuzzüge wurde der Ritter zum Typus des
Kriegers schlechthin, dessen Ehrenkodex, Verhaltensformen und Moden schließlich
vom Adel übernommen wurden. Als dann sogar Kaiser Friedrich Barbarossa
1184 in Mainz während eines prächtigen Festes seinen Sohn zum
Ritter schlug, schien der Höhepunkt dieser Entwicklung erreicht. Wie
alle erfolgreichen Aufsteiger trachteten die Ritter danach das Erreichte
zu festigen. Ihre anfangs nur zeitweilig verliehenen Güter sollten
erblich werden, genauso Wappen und Titel. Zudem versuchten sie ihren Stand
gegen Konkurrenz von unten abzuschließen.
Doch selbst als die Ritter allgemein als Adlige anerkannt wurden und
die Erblichkeit ihrer Lehen erreicht hatten, blieben sie ein bedrohter
Stand. Manche kleine Lehensgüter ernährten kaum ihren Mann, auf
anderen saßen ganze Sippen. Ein generelles Problem waren die zahlreichen
überzähligen Söhne. Sie drängten sich an den Höfen
der Fürsten und hofften dort irgendwann auf sich aufmerksam machen
zu können, um dann vielleicht ein eigenes Lehen zu erhalten. Andere
zogen vom Vater ausgerüstet und mit etwas Zehrgeld versehen als Fahrende
Ritter durchs Land, in der Hoffnung einen Herrn für ihre Dienste zu
finden. Dennoch wurden ständig neue Ritter "produziert". Eigentlich
konnte jeder adlige Grundbesitzer, der selbst Ritter war, andere zum Ritter
schlagen, und von dieser Möglichkeit wurde gerade in Krisenzeiten
reichlich Gebrauch gemacht. Gegen gute Bezahlung wurden Bauern- und Bürgersöhne
zu Rittern geschlagen, und vor einem Kriegszug verstärkte so mancher
seine Truppen mit Neulingen, die sich dann ihre Sporen verdienen mussten.
So soll Rudolf von Habsburg 1273 vor der entscheidenden Schlacht auf dem
Marchfeld neben zahlreichen anderen auch hundert Züricher Bürgersöhne
zu Rittern geschlagen haben.
Kaiser, Könige und Fürsten mussten bei Kriegen vor allem auch
deshalb ständig neue Ritter belehnen, da die alteingesessenen Geschlechter
die Tendenz hatten, sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Das war weder Feigheit
noch mangelnde Loyalität. Ein Ritter konnte z. B. durch die Teilnahme
an einem der Italienzüge der deutschen Kaiser völlig ruiniert
werden. Der Verlust von Ausrüstung oder von Pferden, die ja oft genug schon
auf dem Marsch verendeten, konnte dem Jahresertrag eines Lehens entsprechen.
Falls der Ritter erschlagen wurde oder, was viel häufiger vorkam,
einer Krankheit zum Opfer fiel, war es mehr als ungewiss, dass das Lehen
im Besitz der Familie blieb. Gerade diese kleinen Lehen waren ständig
bedroht, von größeren Nachbarn geschluckt zu werden. Weilte
sein Herr längere Zeit in Italien oder gar im Heiligen Land, so konnte
es leicht passieren, dass ein benachbarter Graf einen Teil der Gerichtsbarkeit
an sich riss, oder ein nahe gelegenes Kloster die Fischerei- oder Jagdrechte vereinnahmte.
In der Feudalgesellschaft musste der Besitz in ständigem Streit verteidigt
werden. Oft handelte es sich dabei nur um Rechtsstreitigkeiten, um notwendige
Bündnisse mit Nachbarn, bis hin zu Fehden. Ein kleiner Feudalherr
wie ein Ritter konnte es sich eigentlich gar nicht erlauben, Monate im Ausland
zuzubringen ohne seinen Besitz zu gefährden. Viele konnten natürlich
ihre nicht erbberechtigten Söhne und Brüder schicken, doch hier
ergab sich dann wieder das Problem der Entlohnung.
Deutsche Rittersöldner lassen sich bereits relativ früh in Polen und Ungarn
nachweisen und auch mit Wilhelm dem Eroberer sind 1066 einige vom Niederrhein
nach England gefahren. Normalerweise dienten sie jedoch nicht gegen Geld,
sondern wurden mit Landbesitz entschädigt, und auf diese Weise zu
Lehensleuten ihrer Arbeitgeber; sie waren also eine Art frühe Arbeitsimmigranten.
Eine gewisse Ausnahme bildete Byzanz, wo ein relativ funktionierendes Steuersystem
weiterhin die Rekrutierung und Bezahlung von Söldnern erlaubte. Denn
auch in Byzanz erfreuten sich die Panzerreiter aus dem Westen zunehmender
Beliebtheit. Man warb hauptsächlich Normannen in Süditalien aber
auch Norditaliener, Franzosen und Deutsche, die alle zusammen als "Franken"
bezeichnet wurden. So ist von einer Meuterei fränkischer Ritter vor
der Schlacht von Manzikert (1071) und einer größeren Truppe
deutscher Ritter unter einem gewissen Gilbrecht bei den Kämpfen auf
Kreta und in Byzanz (1080) zu lesen.
Die Entwicklung des Rittertums wurde im Reich vor allem durch die Herrschaft
der Staufer gefördert. So führte Barbarossa seine Kriege in Italien
und die gegen seine welfischen Konkurrenten fast ausschließlich mit
ritterlichen Lehensaufgeboten. Das Problem dabei war jedoch, dass die Lehensfolge
meistens auf 40 Tage im Jahr begrenzt war. Gerade die Feldzüge in
Italien mit ihren langwierigen Belagerungen waren damit nicht zu meistern.
Doch in dieser Zeit stiegen durch die Ausbeutung der Silbervorkommen im
Harz, Tirol und Böhmen, neuer Goldfunde in Böhmen und Ungarn
und der aufstrebenden Städte - vor allem am Niederrhein und in Norditalien
- Geldumlauf und Steuereinnahmen. Mit diesem Geld mietete man nur selten
richtige Söldner wie z.B. die berüchtigten Brabanzonen,
verwandte es aber darauf, die ohnehin zum Zuzug verpflichteten
Ritter zu längerem Dienst zu bewegen. Und es ist sicher kein Zufall,
dass Heinrich der Löwe für seine Unterstützung beim Italienzug
1176 ausgerechnet die reiche Silberstadt Goslar forderte.
Unter Barbarossas Nachfolgern intensivierten sich die Kämpfe um Italien weiter,
so dass man auch hier von einem Hundertjährigen Krieg sprechen könnte.
Vor allem sein Enkel Friedrich II. führte fast pausenlos Krieg gegen
den Papst und die norditalienischen Städte. Dabei waren die Ritter
aus dem Reich eine wesentliche Stütze. Als aber Friedrich II. 1236
die niederrheinische Ritterschaft zu einem Italienzug aufrief, fühlte
sich von diesen kaum jemand angesprochen. Der Zuzug der Staufer kam hauptsächlich
aus dem alten Herzogtum Schwaben, wo die Staufer über ausgedehnten
Besitz verfügten und die Dienste deshalb entsprechend belohnen konnten.
Immer wieder schrieb Friedrich an seine Repräsentanten im Reich und
bat um neue Verstärkungen. "Von ihnen", schrieb er 1239 seinem Sohn,
"hängt die Ehre des Reichs und unsere Macht ab". Natürlich kamen
auch hier hauptsächlich die nachgeborenen Söhne, die für
ihre Dienste ein Lehen in Italien erwarteten, oder zumindest darauf hofften
mit Sold und Beute genug zu erwerben, um sich später in der Heimat
eine kleine Herrschaft kaufen zu können.
Es wurde nun schon unter Historikern darum gestritten, ob es sich bei
diesen bezahlten Rittern der Staufer schon um Söldner handelt. Einige
führen an, dass sie schließlich für Geld und im Ausland
kämpften. Von anderen wird dies vehement bestritten, da sie ja auch
in Italien ihrem Kaiser dienten. Wir finden diese Diskussion vollkommen
überflüssig und nur deshalb erwähnenswert, da sie wieder
einmal verdeutlicht, dass es manchmal einfach nur darum geht, einer Sache
das Etikett "Söldner" aufzukleben, oder es eben von ihr fernzuhalten.
Unstrittig ist jedenfalls, dass die Werbung und Besoldung von Truppen unter
Friedrich II. eine neue Qualität erreichte. Das Heerwesen entfernte
sich vom reinen Lehensaufgebot hin zu mehr oder weniger regelmäßig
bezahlten Berufskriegern. Wahrscheinlich kann man deutsche Ritter, die
für Bezahlung den Staufern in Italien dienten, schlecht als Söldner
bezeichnen. Dennoch wurde dort eine wichtige Basis geschaffen. Während
der langen Kriege der Staufer war zuerst eine zahlenmäßig starke
Schicht von Berufskriegern entstanden, die auf Dauer von den vorhandenen
Lehen nicht standesgemäß leben konnte. Schließlich hatten
sich vor allem die Ärmeren von ihnen daran gewöhnt ihre Dienste
für regelmäßige Bezahlung anzubieten.
Als es in Griechenland zum Krieg zwischen dem im 4. Kreuzzug gegründeten
Lateinischen Kaiserreich von Byzanz und dem griechisch-orthodoxen Gegenkaiser
Michael VIII. kam, kämpften deutsche Ritter sogar auf beiden Seiten.
Die Lateiner verfügten zwar auch über Griechen und Albaner, der
Kern ihrer Truppe war aber das Aufgebot der schweren fränkischen Reiterei
und 400 staufische Ritter, die ihnen König Manfred aus Sizilien zur
Verstärkung geschickt hatte. Michael VIII. hatte einige tausend Ungarn,
Serben und Kumanen als berittene Bogenschützen geworben, dazu Anatolier
und Türken als Fußvolk. Das Rückgrat seiner Armee bildeten
allerdings 300 im Reich geworbene Ritter, unter der Führung eines
Ulrich von Carinthia. 1259 kam es dann in der Ebene von Pelagonia zur entscheidenden
Schlacht. Obwohl die Albaner und Griechen gleich zu Beginn flüchteten,
griffen die fränkischen und staufischen Ritter ungestüm an. Diesen
Ansturm konnten auf byzantinischer Seite nur die deutschen Ritter auffangen.
Unter schweren Verlusten hielten sie stand, während die berittenen
Bogenschützen die Angreifer umschwärmten und von den Seiten zusammenschossen.
In dieser Schlacht fiel nicht nur ein Großteil der Franken sondern
auch die meisten deutschen Reiter auf fränkischer und byzantinischer
Seite.
Es wäre nun müßig nur die Ritter griechisch-orthodoxer
Seite als Söldner zu bezeichnen. Diejenigen, die für die Lateiner
kämpften, waren zwar von ihrem König geschickt worden. Allerdings
waren sie dazu unter lehensrechtlichen Gesichtspunkten sicher nicht verpflichtet.
Das heißt Manfred musste in Sizilien Freiwillige suchen, die dann
entweder von ihm oder dem lateinischen Kaiser in Byzanz bezahlt wurden.
Und da wohl nur wenige Ritter für so ein unsicheres Unternehmen im
fernen Griechenland ihr Lehen im Stich gelassen haben werden, bestand der
Großteil der Truppe sicher aus nachgeborenen Söhnen und besitzlosen
Abenteurern, die aus dem Reich an Manfreds Hof gekommen waren.
Nachdem Manfred 1266 in der Schlacht bei Benevent gegen Karl von Anjou
Krone und Leben verloren hatte, ersetzten zumindest in Süditalien
französische Ritter und Abenteurer die deutschen. Allerdings blieben
zahlreiche deutsche Reiter im Dienst der kaisertreuen - ghibellinischen
- norditalienischer Städte. Viele der dort herrschenden Geschlechter
hatten Verwandtschaftsbeziehungen ins Reich - vor allem nach Schwaben und
in die Schweiz - und konnten dort leicht Nachschub rekrutieren. Als dann
mit Konradin der letzte Staufer nach Italien kam und 1268 bei Tagliacozzo
geschlagen wurde, befanden sich in seinem Heer wahrscheinlich kaum Söldner,
denn die hätte er nicht bezahlen können, dafür aber umso
mehr ritterliche Habenichtse, die hofften nach der Wiedererrichtung der
kaiserlichen Herrschaft über Süditalien reich belohnt zu werden.
Konradins Tod beendete den großen Zustrom zwar fürs erste.
Um Sizilien und Süditalien schlug sich nun Karl Anjou mit Friedrich
von Aragon und beide brachten zuerst ihre eigenen Söldner ins Land -
Karl hauptsächlich Provencalen und Friedrich Katalanen.
Dennoch saßen an vielen Orten weiterhin ehemalige Dienstleute der
Staufer, die sich nun nach neuen Arbeitgebern umsehen mussten. Nicht ganz
untypisch ist hier vielleicht das Schicksal von Roger di Flor. Sein Vater
hatte noch unter dem Namen "Blum" Friedrich II. als Falkner gedient und
war als Dank mit der Tochter einer reichen Familie aus Brindisi verheiratet
worden. Mit dem Sturz der Staufer hatte die Familie fast alles verloren,
deshalb hatte der Vater verständlicherweise bei der Ankunft Konradins
noch einmal sein Pferd gesattelt, war dann aber bei Tagliacozzo gefallen. Mit
nicht mehr als einem guten Namen hatte Roger im Dienst der Templer Karriere
gemacht, sich dann als freischaffender Pirat betätigt und war schließlich
in die Dienste Friedrichs von Aragon getreten. Männer wie Roger di
Flor fand man bei allen Parteien. Dazu kamen ständig neue Reiter über
die Alpen, die von den ghibellinischen Städten geworben wurden, mit
der Zeit aber verstärkten auch die guelfischen und schließlich
sogar der Papst und Karl von Anjou ihre Truppen mit ihnen.
Am Ende des 13. Jahrhunderts entwickelte sich das Reich zum idealen
Söldnerlieferanten. Die Großmachtpolitik der Staufer hatte
praktisch zu einer "Überproduktion" an professionellen Kriegern geführt,
für die nun keine ausreichende Verwendung mehr bestand. Frankreich
und England waren abgesehen von kurzen Unterbrechungen meistens untereinander
in Kriege verstrickt, in denen nicht nur die eigenen Krieger sondern auch
zahlreiche Ausländer Beschäftigung fanden. Auf der iberischen
Halbinsel bildete die Reconquista ein gutes Ventil, und falls dieses nicht
ausreichte, führten die christlichen Königreiche auch Krieg untereinander.
Im Gegensatz dazu gab es im Reich wenig zu tun, und so erstaunt es nicht,
dass im 14. Jahrhundert mehrere Zehntausend (!) deutsche Reiter in Italien
gedient haben sollen. Gefördert wurde das Geschäft durch die guten
alten Beziehungen, die noch aus staufischer Zeit zwischen vielen Familien
des Reichs und Italiens bestanden. Man kann also zusammenfassend festhalten,
dass die Staufer zwar nicht selbst in großem Maße Söldner
beschäftigten, dass sie aber viel zur Bildung eines Berufskriegertums
beitrugen und damit eine wichtige Voraussetzung für dessen spätere
Söldnerdienste schufen.