Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Der Isern Hinrik

Ein Berufskrieger im Spätmittelalter.

Es mag sein, dass sich mittelalterliche Adlige auch gerne mit zivilen Tätigkeiten die Zeit vertrieben, viele waren jedoch in allererster Linie Berufskrieger. Krieg war für sie ein legitimes Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen, zum Verdienst des Lebensunterhalts oder einfach zum Zeitvertreib. Bei einer derartigen Häufung von Gründen ist es natürlich unmöglich zu entscheiden, wo der Solddienst anfängt oder aufhört. Adlige zogen aus eigenen Interessen oder für Verbündete oder Freunde in den Kampf, nahmen aber auch gerne Geld dafür an. Wenn sie die Langeweile allzu sehr plagte zogen sie aber auch gratis oder ganz auf eigene Kosten in den Krieg. Dennoch konnte es passieren, dass reiche Beute oder wichtige Gefangene auch hier für materiellen Gewinn sorgten.

Siegel von Gerhard von Holstein Ein überaus schillerndes Beispiel dieser Mischung aus Hausmachtpolitik, Söldnerdiensten und ritterlichen Abenteurerreisen ist das Leben des holsteinischen Grafen Heinrich II. von Holstein-Rendsburg, der auch "der Eiserne" genannt wurde oder eben der "Isern Hinrik". Heinrichs Vater Gerhard III. war zum wichtigsten Mann der dänischen Politik aufgestiegen, bis er schließlich 1340 von einem dänischen Ritter ermordet wurde, wodurch sich schließlich Waldemar IV. "Atterdag" den Thron sichern konnte. Heinrich und sein Bruder Nikolaus verzichteten zwar auf Thronansprüche in Dänemark, hielten aber an der Feindschaft gegenüber Waldemar Atterdag fest.

Gelegenheiten sollten sie bald dazu finden. König Waldemar ging es erst einmal darum, seine Macht zu festigen und die anarchischen Zustände in Dänemark zu beenden. Er arbeitete dabei eng mit der Hanse zusammen, die vor allem ein starkes Interesse daran hatte, den florierenden Seeraub einzudämmen. An dem Kampf gegen die adligen See- und Straßenräuber "zwischen dem Danewerke und der Stadt Lübeck" beteiligten sich neben den wendischen Städten (Lübeck, Rostock, Wismar usw.) auch Hamburg und ein Reichskontingent. Obwohl die Hansestädte überlegen waren, blieb eine Entscheidung aus und die Adligen konnten in zahlreichen Scharmützeln, Überfällen und Husarenstückchen ihrer Raub- und Abenteuerlust frönen. So fielen Graf Heinrich bei einem Handstreich mehrere dänische Schiffe in die Hand, mit denen er sich dann erfolgreich als Seeräuber betätigte. Ein anderes Mal konnte er bei einem nächtlichen Überfall auf Segeberg den Lübeckern eine Menge Pferde rauben.

Man sieht, dass die Vitalienbrüder, die sich 50 Jahre später mit Waldemar Atterdags Tochter Margarethe schlugen, auf eine gute alte Tradition zurückblicken konnten. Des kostspieligen Krieges müde machten zuerst die Hansestädte 1343 Frieden, kurz darauf folgte auch Waldemar. Die Brüder wurden weitgehend in ihren Besitzungen bestätigt. Heinrich scheint am Frieden wenig Gefallen gefunden zu haben, denn bereits im Winter 1344/45 zog er im Dienst der Grafen von Holland nach Preußen, um dort an einer der als Kreuzzug verbrämten winterlichen Heidenjagden teilzunehmen. Hart gekämpft wurde aber auch in Preußen schon lange nicht mehr, man belagerte erfolglos einige feste Plätze in Litauen und verbrannte einige Dörfer; ansonsten verbrachte man die Zeit in äußerst nobler Gesellschaft bei Gelagen und ritterlichen Turnieren. Heinrich lernte dort König Johann von Böhmen - den wohl berühmtesten Abenteurer dieser Zeit -, dessen Sohn Karl, den Herzog von Bourbon und viele andere wichtige Personen kennen.

Der Krieg im Kreis von Fürsten und Königen scheint ihm gefallen zu haben. Denn er kam erst im Sommer wieder nach Holstein, überließ dort seinem Bruder die mühseligen Regierungsgeschäfte und schiffte sich ein Richtung Frankreich, wo gerade der Hundertjährige Krieg richtig entbrannt war. Den Legenden nach, die später in Holstein kursierten , hatte der Isern Hinrik in der Schlacht bei Crécy mit seinen Holsten die englische Vorhut angeführt und dort König Johann von Böhmen oder gar den König von Frankreich höchstelbst gefangen genommen. Daran ist nun leider nichts wahr. Es gilt aber als sicher, dass sich Heinrich mit einigen Männern im englischen Heer vor Calais befand. König Edward III. nütze einen guten Teil der Lösegelder von Crécy um im Reich zahlreiche neue Söldner anzuwerben.

Russische Stadt im Spätmittelalter

Edward konnte seine kostspieligen Söldner aber nicht sehr lange unterhalten, und so musste sich wahrscheinlich auch Heinrich nach neuen Abenteuern umsehen. 1348 lässt er sich in dem Heer, das Magnus Eriksson der König von Schweden gegen Novgorod führte, nachweisen. Er scheint dem König ein größeres Söldnerkontingent zugeführt zu haben, da dieser noch Jahre später einige tausend Mark Silber schuldig war. Der Feldzug gegen das orthodoxe Novgorod war auch mit dem Segen des Papstes zum Kreuzzug deklariert worden, kam aber über die Eroberung der Festung Orechovec (Schlüsselburg) am Ausfluss der Newa aus dem Ladogasee nicht hinaus. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Heinrich bei diesem Kriegszug den österreichischen Ritter und Abenteurer Friedrich von Chreutzpeck kennen gelernt haben muss.

Orechovec ging bereits einige Monate später wieder verloren, doch da waren die deutschen Söldner längst abgezogen. Es ist nicht bekannt, ob Heinrich zumindest kurze Zeit nach Holstein zurückgekehrt oder gleich weiter nach Frankreich gezogen ist. Man kann jedoch annehmen, dass er zumindest auf der Durchreise etwas in der Heimat blieb, um von seinen Reisen und Heldentaten zu erzählen und um neue Männer zu werben. Es gibt jedenfalls Hinweise, dass er sich 1350 wieder bei Edward in Calais aufhielt. Wahrscheinlich hat er dort seine Dienste als Söldnerlieferant angeboten. Aus diesen Vereinbarungen wurde 1355 schließlich ein fester Soldvertrag. Heinrich verpflichtete sich gegen eine lebenslange Zahlung von 2.000 Goldschilden dem englischen König bei Bedarf mit 100 Helmen und 100 Gepanzerten zuzuziehen. Dieses Geld wurde mindestens bis 1369 tatsächlich bezahlt. Edward hat allerdings die Söldner wahrscheinlich nie in voller Stärke in Anspruch genommen, da er ja dann noch den Sold für sie übernehmen musste.

Heinrich lässt sich dennoch mit kleinerem Gefolge noch mehrmals in englischen Diensten nachweisen. Der Kleinkrieg in Frankreich war sicher etwas für einen Mann mit seinen Talenten. Das Problem dabei war aber, den Sold für eine größere Truppe zusammen zu bekommen. Die meisten Hauptleute waren zu dieser Zeit weitgehnd sich selbst überlassen und ernährten sich und ihre Männer durch Plünderungen und Schutzgelder.

Waldemar Atterdag plündert Wisby Während Heinrich in fremden Ländern kriegerischem Ruhm und Abenteuern hinterherjagte, baute Waldemar Atterdag zielstrebig seine Macht aus und stieß dabei auch mit seinem ehemaligen Verbündeten der Hanse zusammen. 1361 überfiel Waldermar das friedliche Gotland und verleibte es seinem Reich ein. Doch dadurch rief er die Hanse auf den Plan, die nun ihrerseits nach Verbündeten gegen die dänische Expansionspolitik suchte. Es versteht sich von selbst, dass dabei Atterdags alte Gegner die Grafen von Holstein-Rendsburg nun mit der Hanse gemeinsame Sache machten. Heinrich zog jedoch nicht als Bundesgenosse ins Feld, das überließ er seinem Bruder. Anscheinend hatte er sich über die Jahre so sehr an das Söldnerleben gewöhnt, dass er nun eine fest besoldete Stellung als Feldhauptmann der beteiligten Hansestädte annahm.

Unter Heinrichs Führung begann dann im Frühling 1362 die Gegenoffensive, und eine Hanseflotte belagerte die dänische Festung Helsingborg. Doch auch Heinrichs Kriegserfahrung schützte offensichtlich vor Überheblichkeit nicht. Den Dänen gelang es in einem Überraschungsstreich einen guten Teil der Flotte zu erobern. So vom Nachschub abgeschnitten, musste das Heer kläglich um freien Abzug bitten. Damit war anscheinend der hanseatische Kampfgeist schon gebrochen, denn kurz darauf einigten sich die Parteien auf einen für Waldemar äußerst günstigen Waffenstillstand.

Dennoch ergaben sich bald neue Möglichkeiten. Der schwedische Adel war mit Heinrichs altem Dienstherrn König Magnus Eriksson äußerst unzufrieden und hatte sich deshalb entschlossen die Krone Herzog Albrecht von Mecklenburg anzubieten. Dieser sammelte daraufhin ein großes Aufgebot und fuhr Ende 1363 nach Stockholm, wo er im folgenden Jahr zum König gekrönt wurde. Heinrich hatte sich als erfahrener Söldnerführer mit einem Kontingent den Mecklenburgern angeschlossen und tat sich dann auch bei den Kämpfen im folgenden Jahr hervor. Die Schweden hatten den gut gerüsteten deutschen Söldnern wenig entgegen zu setzen, und Magnus wurde 1365 bei Enköping entscheidend geschlagen.

Wie meistens konnte auch Albrecht den Sold nicht bezahlen und viele der deutschen Soldritter lebten in den nächsten Jahren aus dem Land, wodurch die Mecklenburger ihre anfängliche Popularität schnell verloren. Heinrich als Großunternhemer musste jedoch auf seinen Sold warten, vorerst erhielt er ganz Gotland als Pfand und später den Ertrag der Kupferbergwerke bei Falun. Während er aber noch auf die ausstehnden Zahlungen wartete und wahrscheinlich seine Subunternehmer vertröstete, spitzte sich der Konflikt zwischen der Hanse und König Waldemar wieder zu.

Albrecht II. Herzog von Mecklenburg Waldemar befand sich auf dem Höhepunkt seiner Macht und war nicht länger gewillt die Handelsprivilegien der Hanse in seinen Ländern weiter hinzunehmen. Es ging um freie Durchfahrt durch den Sund, Zölle auf den Heringsfang, Stapelrechte, kurz und gut um sehr viel Geld. Bei ihrer Suche nach Verbündeten konnte die Hanse deshalb ruhig großzügig sein. Dem Bündnis der Ostseestädte gegen Waldemar schlossen sich Albrecht von Mecklenburg der neue König von Schweden an, andere mecklenburgische Adlige und nicht zuletzt die Grafen Heinrich und Nikolaus von Holstein-Rendsburg. Ihre alte Feindschaft hielt die Grafen dennoch nicht davon ab, von der Hanse einen guten Sold für ihre Dienste zu verlangen.

Dieses Mal hatte die Hanse eine mächtige Koalition geschmiedet, der Waldemar wenig entgegen setzen konnte. In mehreren erfolgreichen Feldzügen drangen die Verbündeten immer tiefer in Dänemark ein. Bereits 1368 wurde Kopenhagen genommen und nachdem auch Helsingborg gefallen war, musste Waldemar Frieden machen. Die Hanse erhielt ihre Privilegien zurück, die Mecklenburger ließen sich sogar die Thronfolge in Dänemark versprechen und auch die Holsteiner Grafen konnten alte Besitzungen in Jütland zurückgewinnen.

Mit dem Ausbau ihrer neu gewonnenen Macht waren sie die nächsten Jahre beschäftigt. Waldemar war auch bald wieder aktiv und es kam zu neuen Auseiandersetzungen, Intrigen und Erbstreitigkeiten. Nach seinem Tod verstärkten die Brüder ihre Bemühungen und schließlich gelang es ihnen sogar, dass ihnen das Herzogtum Schleswig für Heinrichs Sohn Gerhard zugesichert wurde.

Trotz dieser Erfolge in der Familienpolitik scheint sich Heinrich gelangweilt zu haben, denn irgendwann um 1380 ist er wieder aus seiner Heimat verschwunden. Mit seinen über sechzig Jahren (man nimmt an, dass er um 1317 geboren wurde) hatte ihn noch einmal das Reisefieber gepackt. Leider gibt es über seine letzten Lebensjahre praktisch keine Belege, so dass man nur Vermutungen anstellen kann. Die Legende sagt, er sei von Papst Urban als erfahrener Söldnerführer angeworben worden, um ihn in seinem Krieg gegen Neapel zu unterstützen. Das ist durchaus möglich, da zu dieser Zeit noch einige deutsche Adlige als Condottiere in Italien tätig waren und Heinrich sicher auch einen gewissen Ruf hatte.

Sicher ist, dass sich Heinrich in Rom aufgehalten hat, denn 1381 hat er dort eine Anleihe aufgenommen. Anschließend ist er noch einmal nach Holstein zurückgekehrt, eventuell um Truppen zu werben, und dann für immer in der Fremde verschwunden. Man nimmt an, dass er 1384/85 irgendwo in Italien gestorben ist. In einer bedeutenden Schlacht oder etwas ähnlichem kann er nicht gefallen sein, da die Chroniken sonst vom Tod eines so wichtigen Mannes berichten würden. Vielleicht wurde er also irgendwo das Opfer von Wegelagerern, wurde bei einem Streit erschlagen oder erlag einfach in einer Herberge einer Krankheit. Der alte Kämpe, der an so vielen Kriegen beteiligt gewesen war, mit Königen gekämpft und verhandelt hatte, fand wahrscheinlich ein äußerst banales Ende - Söldnerschicksal eben.

Sein Sohn Gerhard VI. erhielt nicht nur das Herzogtum Schleswig, sondern schließlich auch die Herrschaft von Holstein. Auf dem Höhepunkt seiner Macht wurde er dann 1404 bei dem Versuch das freie Dithmarschen zu unterwerfen von den Bauern dort erschlagen. Heinrichs alter Bundesgenosse Albrecht von Mecklenburg hatte bald den schwedischen Adel gegen sich aufgebracht, dass dieser Unterstützung bei Waldemars Tochter Margarethe suchte. Nachdem Albrecht dann bei Falköping in Gefangenschaft geraten war, stellten die Mecklenburger Kaperbriefe aus und die Vitalienbrüder betraten die Bühne.

© Frank Westenfelder  




 
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