Friedrich von Chreutzpeck
bereiste als Ritter, Söldner und Pilger ganz Europa und den Orient.
Im 14. Jahrhundert hatte sich der Solddienst so weit durchgesetzt, dass
er für den Adel ein willkommenes Zubrot war. Viele Ritter ließen
sich von Reichsstädten ein Ruhegeld bezahlen, wofür sie sich
verpflichteten der Stadt im Kriegsfall mit einer bestimmten Anzahl an Helmen
zuzuziehen. Aber auch die Fürsten konnten nur noch mit der Heeresfolge
ihrer Lehnsleute rechnen wenn sie diese mit Geld, Geschenken oder mit einem
Amt bei Hofe entschädigten. Allerdings sahen sich die Ritter immer
wieder einmal mit dem Problem konfrontiert, dass es einfach keine richtige
Arbeit für sie gab. Als echte Berufskrieger sollten sie zudem das
Waffenhandwerk üben, Erfahrungen und Ehre sammeln. Jagd und Turniere
waren da kein vollwertiger Ersatz. Natürlich widmeten sich viele der
Verwaltung ihres Besitzes, nahmen gelegentlich an Turnieren teil oder an
einer lokalen Fehde. Es gab allerdings auch immer unruhige Gesellen, die
den Kriegen regelrecht hinterherreisten. Manche entwickelten dabei eine
Mobilität, die selbst einem modernen Touristen einiges abverlangen
würde.
Der aus dem österreichischen Raum stammende Dichter Peter Suchenwirt
hat in seinen Ehrenreden die Rahmendaten der bekanntesten Ritter seiner
Heimat überliefert. Am weitesten herumgekommen unter seinen Helden
war Friedrich von Chreutzpeck. Außer im Reich hatte er in Preußen,
Schottland, Frankreich, Skandinavien, Italien, Spanien und Nordafrika gekämpft,
hatte mehrmals das heilige Grab in Jerusalem besucht und war von dort sogar Richtung
Indien aufgebrochen. Zwei Mal wurde er in der Schlacht gefangen genommen
und drei Mal schwer verwundet. Allerdings beschreibt Suchenwirt zwar ausführlich
Chreutzpecks Wappen und einige seiner Heldentaten, die weiten Reisen bestehen
dagegen oft nur aus einer reinen Aufzählung der verschiedenen Länder,
angereichert durch Schlachten und die Gesellschaft von Königen. Die
bereisten Länder dienen, wie die Schlachten, allein dazu den Ruhm
des Helden zu mehren. Vieles, was den modernen Leser interessieren würde
und wovon Chreutzpeck sicher auch erzählt hat, ist nicht erwähnenswert.
All die verschiedenen Schiffe, Maultier- und Kamelkarawanen, mit Ochsen
und Pferden bespannten Wagenzüge, die riesigen prächtigen Städte,
Völker mit völlig fremden Gebräuchen, exotische Früchte,
Gewürze und Speisen, verschleierten Frauen, Kirchen und Moscheen,
Meere, Wüsten und endlose Steppen waren im kleinen Österreich
sicher ein beliebter Stoff für Erzählungen. Andersartige Waffen
und Kampfmethoden müssen das Interesse der Berufskrieger gefunden
haben. Niedergeschrieben wurde nichts davon. Man erfährt auch nichts
über Chreutzpeck selbst, über seine Motive, seine Gedanken und
seine Erfahrungen. Dennoch wollen wir versuchen die Reisen dieses rasenden
Rolands zumindest in Teilen nachzuvollziehen.
Der Name Chreutzpeck leitet sich ab von Chreuzpach, was Krebsbach bedeutet,
und so führte die Familie auch den Krebs als Wappen und als Helmzier.
Friedrich wurde um 1290 in Niederösterreich geboren. Erste Kriegserfahrungen
sammelte er bei den Kämpfen der Wittelbacher, Luxemburger und Habsburger
um die Kaiserkrone in Böhmen und Bayern. 1322 nahm er an der Schlacht
von Mühldorf teil, die als eine der größten des Spätmittelalters
gilt. Hier geriet er zusammen mit Friedrich dem Schönen in Gefangenschaft.
Wieder in Freiheit zog er zwei Jahre später mit Friedrichs Bruder
Otto nach Italien, wo die Habsburger mit den della Scala von Verona um
Friaul kämpften. In Italien machte er dann richtig Bekanntschaft mit
dem freien Söldnermarkt, vielleicht weil die Habsburger wie so oft
den Sold schuldig blieben oder einfach weil ihn das Unbekannte lockte. Jedenfalls
kämpfte er kurz darauf unter dem florentiner Condottiere Cardona gegen
Mailand. In der blutigen Schlacht von Altopascio, soll er tapfer das eigene
Banner verteidigt haben, bis sein Pferd erschlagen wurde und er sich bedeckt
mit fünfzehn Wunden gefangen geben musste. Dieses Mal wechselte er
direkt aus der Gefangenschaft in die Reihen der Sieger, denn bald zog er
mit den Visconti gegen das päpstliche Bologna. Für Chreutzpeck
hat es sich wahrscheinlich gelohnt, denn vor Bologna wurde nicht nur ein
großer Sieg erfochten, sondern mit der Eroberung des feindlichen
Lagers auch reichlich Beute gemacht. Nach einigen weiteren Fehden im Jahr
1326 kehrte er dann in die Heimat zurück.
Dort kämpfte er dann wieder mit den Habsburgern gegen König
Johann von Böhmen, der die Gebiete nördlich der Donau verwüstete.
Das hielt ihn aber nicht davon ab, sich 1328 eben diesem Johann bei seinem
Zug nach Preußen anzuschließen. Für einen richtigen Ritter
war die Teilnahme an einem dieser späten Kreuzzüge ein absolutes
muss, denn hier im Kreise illustrer Namen und im Kampf gegen die Heiden,
war zwar nicht viel Beute, dafür aber umso mehr Ehre zu gewinnen.
Viele dieser Kriegszüge fanden im Winter statt, da nur in dieser
Zeit die zahlreichen Flüsse und Sümpfe in Preußen und Litauen
gut passierbar waren. Dann veranstalteten die Kreuzritter ihre Heidenjagden,
brannten Dörfer nieder und ließen sich von Gefangenen zu den
Verstecken ihrer Landsleute führen. Es war ein grausamer, schmutziger
Kleinkrieg, bei dem ein gut ausgerüstetes Ritterheer außer den
Unbilden des Wetters keine großen Gefahren zu fürchten hatte.
Wenn dann auch noch die Einnahme einer Festung gelang oder sich einer der
Einheimischen Fürsten durch den Terror mürbe gemacht zur Taufe
bereit erklärte, wurde dies als großer Sieg gefeiert. Der Hochmeister
des Deutschen Ritterordens wusste, was er seinen Gästen schuldig war,
und so wurden diese nach getaner Arbeit mit zahlreichen Feiern und zeremoniellen
Festen auf der Marienburg entschädigt.
Während des Kreuzzuges hatte sich Chreutzpeck anscheinend König
Johanns Gunst erworben, denn er durfte ihn anschließend nach Frankreich
begleiten, wo er in Tours an einem glänzenden Turnier teilnahm. Nach
einem kurzen Abstecher in die Heimat, wo wieder einmal gegen Böhmen
und Ungarn gekämpft werden musste, zog er gleich weiter an den Hof
König Roberts von Neapel, "da gesagt wurde, dass sich das Land in
offenem Krieg befinde." Doch kaum war er eingetroffen, wurde Frieden gemacht.
Chreutzpeck freundete sich daraufhin mit einem Franzosen an, der offensichtlich
wie er auf Arbeitssuche war, und fuhr mit ihm nach Spanien. Doch leider
kamen sie auch dort zu spät. Da sich im Moment kein Krieg finden
ließ, beschloss Chreutzpeck etwas für sein seelisches Heil zu
tun und machte sich mit dem Schiff auf die Reise nach Jerusalem. Er besuchte
dort das heilige Grab und außerdem noch das Katharinenkloster auf
dem Sinai. Der Orient muss ihm gefallen haben, denn er zog weiter nach
Babylon, womit wahrscheinlich Bagdad gemeint war. Wahrscheinlich schloss
er sich dazu einer Karawane von Kaufleuten an, die so einen erfahrenen
Haudegen als Begleitschutz sicher gerne mitnahmen. Aber auch in Babylon
ließ ihn das Fernweh nicht los und er machte sich auf den Weg nach
Indien, ein Land, das in Europa bestenfalls durch Legenden bekannt war.
Man sollte nicht glauben, dass Chreutzpeck so naiv war und dachte er könne
in Indien mit Drachen kämpfen und Jungfrauen befreien. Dazu war er
inzwischen viel zu weit gereist und zu welterfahren. Aber Städte wie
Damskus oder Bagdad müssen ihm im Vergleich zu den mitteleuropäischen
Hauptstädten wie Märchenwelten erschienen sein. Er sah den Reichtum
der Kaufleute, den Schmuck, die kostbaren Stoffe und die Gewürze in
den Basaren und er hörte die Erzählungen der Kaufleuteie, wo
alle diese Schätze herkamen. Vielleicht ging ihm dabei dasselbe durch
den Kopf, wie einem Söldner im 17. Jahrhundert, der Hammer und Meißel
mit nach Indien nehmen wollte, "daß man darmit solle die Diamnant
von den Klippen kriegen."
Aber dieses Mal hatte er kein Glück. Auf dem Weg nach Osten verließ
er den sicheren Herrschaftsbereich der Ilchane und kam in ein Gebiet, wo
zahlreiche Kleinfürsten und Räuberbanden die Straßen unsicher
machten. Die Karawane, mit der er reiste, wurde überfallen und er
kam in Gefangenschaft. Wahrscheinlich wussten die Räuber nicht so
recht, was sie mit diesem landfremden Abenteurer anfangen sollten: in der
Wüste aussetzen, erschlagen oder als Sklave verkaufen. Sechs Monate
soll er in Gefangenschaft gewesen sein und dabei jeden Tag um sein Leben
gebangt haben. Also betete er in seiner Not jeden Tag zu Maria und gelobte
bis ans Ende seines Lebens sechs Tage die Woche zu fasten. Schließlich
hatte der Herr ein Einsehen und es kamen Kaufleute, die ihn freikauften.
Diese begleitete er auf einigen Reisen, bis sie ihm Geld für eine
Fahrt nach Venedig liehen. Wahrscheinlich konnte er dort über deutsche
Kaufleute oder österreichische Soldritter seine Schulden mit einem
neuen Wechsel begleichen. Jedenfalls schloss er sich in Venedig einer Gruppe
von Söldnern an, die zum Kriegsdienst nach Armenien zogen. Als die
Kämpfe in Armenien zu Ende waren, fuhr er wieder kurz nach Jerusalem
und weiter nach Zypern und Konstantinopel, beides Orte an denen Ritter
als Schwerbewaffnete geschätzt wurden. In Konstantinopel für
den Kleinkrieg gegen Türken, Bulgaren und rebellische Adlige; in
Zypern für den Kaperkrieg gegen türkische Galeeren.
Chreutzpecks Biograph berichtet lediglich, dass sich seine Mühe
und Not dort gelohnt haben und er sich viel Lob erworben habe. Also müssen
Sold und Beute gut gewesen sein. Chreutzpeck verließ nun den Osten
und machte sich wieder auf den Weg nach Norden. Mit dem Schiff fuhr er
nach Kaffa auf der Krim und von dort zog er auf dem Landweg weiter durch
Litauen und Polen nach Livland, wo er wieder einmal zu einem Kriegszug
gegen die Heiden richtig kam. Dort hörte er dann anscheinend, dass
König Magnus von Schweden zu einem großen Kriegszug gegen
Novgorod rüstete. Dazu war auch eine größere Gruppe
deutscher Soldritter unter Graf Heinrich von Holstein angeworben worden.
Bei diesem Unternehmen des Jahres 1348 gelang zwar die Einnahme von
Orekhov. Doch als der König danach abgezogen war, fiel der Festung im
kommenden Winter. Aber da waren die deutschen Söldner bereits
längst wieder zu Hause oder wie Chreutzpeck auf der Suche nach
neuen Abenteuern. Denn er fuhr nun über Norwegen und Schottland
nach England, wo der König Verwendung für in hatte.
Er beteiligte sich an einem Feldzug nach Irland und kämpfte in einer
Seeschlacht gegen spanische Schiffe. Über Holland reiste er dann nach
Rom und anschließend wieder mal kurz in die Heimat.
Bleiben wollte er allerdings nicht. Als erfahrener Ritter begleitete
er 1351 König Ludwig von Ungarn auf einem Kriegszug nach Preußen.
Wieder besuchte er Skandinavien und zog dann über Holstein, Holland
und Frankreich nach Spanien, wo er gegen die Mauren von Granada kämpfte.
Anschließend fuhr er von Valencia über Mallorca und Sardinien
nach Tunis. Die Moslems in Tunis nahmen die schweren Reiter aus Spanien
gerne in Sold. Dass Chreutzpeck ebenfalls dort gedient hat ist sehr wahrscheinlich.
Suchenwirt schreibt dezent, man hätte ihn dort "mit Ehren" gesehen,
was eigentlich nur so zu interpretieren ist. Allgemein galt es nicht als
unehrenhaft Moslems zu dienen, so lange man dabei gegen andere Moslems
kämpfte, wurde es sogar als eine Art des Heidenkampfes akzeptiert.
Wenn das Geld stimmte, hatte jedenfalls niemand etwas daran auszusetzen.
Trotzdem fragt sich der moderne Leser, was ihn wohl getrieben haben
mag. Immerhin muss er inwischen ungefähr sechzig Jahre alt gewesen
sein und es gehörte sicher mehr als eine Pferdenatur dazu, sowohl
in der Hitze Nordafrikas oder Palästinas, wie auch der Nässe
und Kälte Skandinaviens und des Baltikums zu reisen und zu kämpfen.
Obwohl die Kämpfe in Suchenwirts Lobrede im Mittelpunkt stehen, war
der Tod in der Schlacht sicher das mit Abstand geringste Risiko. Gefährlicher
waren da schon Überfälle auf den endlosen Straßen, oder
ein Dolchstoß beim Würfelspiel in einer der Absteigen, die er
auch immer wieder aufgesucht haben muss. Die mit Abstand größte
Gefahr waren jedoch die Krankheiten. Wer Reiseberichte aus späteren
Jahrhunderten liest, kann sich eine kleine Vorstellung von den Krankheiten
machen, dem verdorbenen Essen und dem stinkenden Wasser auf den Galeeren
im Mittelmeer und den Koggen im Norden. Chreutzpeck wurde mehrmals im Gefecht
verwundet, wie oft aber bei Schlägereien und Unfällen? Wie oft
war er krank - Lebensmittelvergiftung, Grippe, Lungenentzündung, Blutvergiftung,
Typhus, Malaria? Wer also von Chreutzpecks großen Abenteuern liest,
sollte auch an die vielen anderen denken, die an einer kleiner Infektionen
gestorben sind, die von ihren Reisegefährten irgendwo am Wegrand
verscharrt wurden, die ertranken, von Wegelagerern oder ausgeplünderten
Bauern erschlagen wurden, die einfach verschwanden.
Vielleicht spürte auch Chreutzpeck so langsam die Jahre. Denn von
Tunis fuhr er über Sizilien, Süditalien, Rhodos und Zypern ein
drittes Mal nach Jerusalem und danach endgültig in die Heimat. Verglichen
mit seinen vorherigen Fahrten war diese Reise über Konstantinopel,
Bulgarien, Siebenbürgen und Ungarn sicher eine Kleinigkeit. 1358 wurde
ihm dann von Herzog Rudolf IV. das Landjägermeisteramt in Österreich
verliehen. Er hatte allerdings nicht mehr viel davon, denn 1360 ist er
gestorben. Da er zwei Söhne hinterließ, muss er verheiratet
gewesen sein. Allzuviel kann er sich aber weder für seine Frau noch
für seine Kinder interessiert haben. Für ihn gab es anscheinend
hauptsächlich den Krieg, dem er durch ganz Europa hinterherreiste.
Daneben müssen ihn allerdings auch fremde Länder interessiert
haben, denn sonst hätte er wie viele seiner Kollegen, ständig
in Italien bleiben können, wo es zu dieser Zeit für Rittersöldner
konstant Arbeit gab. Wahrscheinlich wollte er aber nach Möglichkeit
die ganze Welt bereisen, und der Kriegsdienst versorgete ihn mit dem nötigen
Kleingeld dazu.
Angesichts dieser für ihre Zeit geradezu unvorstellbaren Mobilität,
mögen manchem Leser Zweifel kommen, ob der gute Chreutzpeck oder sein
Lobredner nicht etwas zu dick aufgetragen haben. Dabei sollte man allerdings
beachten, dass Chreutzpecks Taten gemeinsam mit denen anderer berühmter
Ritter seiner Zeit gepriesen werden. Unter anderem steht er in einer Reihe
mit König Ludwig von Ungarn, Herzog Albrecht von Österreich und
Burggraf Albrecht von Nürnberg. Man kann sicher davon ausgehen, dass
die Familien dieser Ritter eifersüchtig über den Ruhm ihrer Angehörigen
wachten. Zudem war Chreutzpeck sicher nur ganz selten wirklich allein.
Es gab wohl kaum einen Krieg, in dem sich nicht auch noch andere Ritter
aus seiner österreichischen Heimat tummelten. Man kann wahrscheinlich
recht sicher sein, dass seine ebenfalls reise- und kriegserfahrenen Zeitgenossen
darauf geachtet haben, dass nicht zu sehr übertrieben wurde. Wer es
nicht glauben wolle, solle die besten lebenden Ritter fragen, untermauert
Suchenwirt deshalb auch den Wahrheitsgehalt seiner Geschichte. Zudem ist
es in Anbetracht dieser Reisen müßig, der Frage nachzugehen,
ob Chreutzpeck tatsächlich drei oder nur zwei Mal am heiligen Grab
war oder die Liste um das eine oder andere Land erweitert wurde.