Im Kongo nichts Neues
Diamanten, Kriege, Flüchtlinge und Söldner.
Wenn es in der Geschichte Regionen gibt die immer wieder das gleiche Unheil
anziehen, so gehört der Ostkongo mit Sicherheit dazu. Im Gebiet der
großen Seen versuchte sich bereits im 19. Jahrhundert der Sklavenhändler
Tippu Tip ein eigenes Imperium zu errichten. Später schoss sich dann
Henry Morton Stanley zum
Teil als Bundesgenosse von Tippu Tip seinen Weg
durch den Ituri-Urwald frei. Auf Stanleys Pfaden folgte dann König
Leopolds Force Publique mit ihren Sklavensoldaten, die vom Ituri in den
Südsudan vorzudringen versuchte und dort blutig mit den Derwischen
des Mahdi aneinander geriet. Erst nachdem die Kolonialmächte sich
auf feste Grenzen geeinigt hatte und die Force Publique die letzten Aufstände
niedergeworfen hatte, kehrte Ruhe in der Region ein, die in Europa allerdings
manche als Grabesruhe bezeichneten.
Als nach dem Abzug der Kolonialmächte im
Kongo ein Bürgerkrieg ausbrach, waren es zuerst die reichen
Südprovinzen Katanga und Kasai mit ihren Kupferminen und Diamantenvorkommen,
die davon erfasst wurden, und wo weiße Söldner erstmals im
postkolonialen Schwarzafrika zum Einsatz kamen. Beim großen Aufstand
der Simbas 1964 war dann allerdings die Provinz Kivu im Ostkongo das Zentrum
- Tippu Tips altes Maniema und Joseph Conrads "Herz der Finsternis". Dieses
mal setzte die Zentralregierung auf weiße Söldner und deren
bewährte Katanga-Gendarmen, die zum Teil aus ihrem Exil in Angola
zurückgeholt wurden. Dieser Krieg wurde die große Zeit der Söldner,
in der die Legenden von den "Weißen Riesen" geboren wurden, die Legenden von Black Jack
Schramme, Bob Denard oder Mad Mike Hoare. Die Söldner waren so erfolgreich
gewesen, dass sie schließlich sogar den Aufstand gegen die Zentralregierung
unter dem neuen starken Mann Mobutu wagten.
Nach diesen Erfahrungen verzichtete Mobutu in Zukunft auf die Beschäftigung
von Söldnern. Er hatte es allerdings auch nicht nötig. Als treuer
Verbündeter der USA zwischen der sozialistischen Republik Kongo und
dem von Russland und Kuba unterstützten Angola konnte er sich fest
auf Militärhilfe aus dem Westen verlassen. Amerika lieferte Waffen,
Israel bildete seine Truppen aus, und wenn auch das alles nichts mehr half,
schickte Frankreich die Fremdenlegion, wie 1978 als die Katanga-Gendarmen
noch einmal im Süden einfielen. Wahrscheinlich hätte alles so
bleiben können, wenn Mobutu mit dem Ende des Kalten Krieges nicht
seine Funktion als Bastion des freien Westens verloren hätte.
Obwohl das riesige Reich Mobutus fast ständig von Unruhen und Rebellionen
erschüttert wurde, konnte er dennoch seine Macht behaupten und weiterhin
seine ausländischen Konten auffüllen. Mit dem Bürgerkrieg
in Ruanda erreichten die Schwierigkeiten jedoch eine völlig neue Dimension.
Nach dem Sieg der Tutsi hatte sich ein Großteil der Hutu-Milizen
in den Kongo zurückgezogen und begannen in den Flüchtlingslagern
bei Goma neue Truppen zu rekrutieren und Operationen gegen Ruanda zu starten.
Ruanda sah sich dadurch genötigt im Kongo direkt einzugreifen. Obwohl
die Armee von Ruanda gut ausgebildet und ausgerüstet war, ließ
allein schon die Größe des Gegners die Suche nach Verbündeten
angebracht erscheinen. Zuerst wurde deshalb mit den alten Partnern der
Tutsi in Uganda eine Allianz geschlossen, und dann brachten der Präsident
von Uganda Museveni und Ruandas Verteidigungsminister Kagame Laurent Kabila
zum Einsatz. Kabila war ein altbewährter Veteran der politischen Verschwörungen
und Intrigen. Er hatte bereits in den sechziger Jahren am Simba-Aufstand
im Ostkongo teilgenommen, wobei ihn sein damaliger Genosse Che Guevara
als skrupellosen und korrupten Machtmenschen charakterisierte. Später
agierte er dann auch bei den Kämpfen in Angola und als Exilpolitiker
in Uganda und Tansania. Nun sollte er die Unzufriedenen im Kongo unter
seinen Fahnen vereinen und gemeinsam mit den Truppen Ugandas und Ruandas
gegen Mobutu führen.
Doch dabei handelte es sich nur um die deutlich sichtbare Oberfläche
des Konflikts. Hinter den Kulissen wurden bereits seit längerem weit
komplexere Fäden gespannt. Es ging darum, dass einige große
US-amerikanische und kanadische Bergbaukonzerne an den Schürfrechten
im Ostkongo interessiert waren. Neben und Gold und Diamanten wurde dort
seit kurzem der Löwenanteil des Minerals Coltan abgebaut, ohne das
die Mobilfunkindustrie nun einmal keine Handys bauen kann. Über Weltwährungsfond
und Weltbank war seit langem Druck auf Mobutu ausgeübt worden seine
ineffektiven und korrupten Staatsbetriebe zu privatisieren und für
private (d.h. vor allem US-amerikanische Investitionen) zu öffnen.
Da mit Mobutu in seiner seit Jahrzehnten gesicherten Position anscheinend
keine befriedigenden Abschlüsse getroffen werden konnten, begannen
diese Konzerne nun damit die Rebellengruppen im Ostkongo von Uganda aus
zu unterstützen. So sollen bereits 1996 amerikanische Special Forces
Kabilas Milizen in Uganda trainiert und mit Ausrüstung wie Nachtsichtgeräten
versorgt haben. Die Firma American Mineral Fields (AMF) unterstützte
Kabila nicht nur mit Geld, sondern vermittelte ihm den belgischen Ex-Oberst
Willy Mallants als Militärberater. Mallants hatte ausreichend Erfahrung,
da er bereits als Polizeioffizier im Belgisch-Kongo und von 1964 bis 73
Mobutu gedient hatte.
Sozusagen als Hausmacht konnte Kabila bereits am Anfang des Konflikts
auf die alten Katanga-Gendarmen zurückgreifen. Diese hatten sich samt
ihren Familien nach den Kämpfen der sechziger Jahre nach Angola zurückgezogen
und dort am Bürgerkrieg über die Jahre für verschiedene
Fraktionen gekämpft. Man mag jetzt denken, dass es sich hierbei nur
noch um die Einheit handelte, aber nicht mehr um die gleichen Männer,
die über 30 Jahre zuvor unter Bob Denard und Mad Mike Hoare gekämpft
hatten. Weit gefehlt! 1997 erschienen 8.000 von ihnen im Ostkongo, der
Jüngste war 55 Jahre alt, und obwohl die meisten bestenfalls ihren
Namen schreiben konnten, bestand die Truppe aus 4.000 Generälen, 2.000
Obristen und 2.000 Majoren. Als sie bei Kisangani mit Mobutus Truppen aneinander
gerieten, deckten nach den Angaben ruandischer Militärs drei Stunden
später 16 tote Generäle, 13 Obristen und 32 Majore das Feld.
Wenn damit auch keine Militärgeschichte geschrieben wurde, so sollte
die Schlacht doch zumindest ins Guinness Book of Records aufgenommen werden.
Bevor man jedoch zu laut über diese alten Krieger lacht, sollte man
sich vielleicht vorzustellen versuchen, wie sie die langen Jahre zuvor
überstanden haben. Drei Jahrzehnte im Exil, immer wieder gescheiterte
Verschwörungen und geplatzte Träume, dazwischen die Kämpfe
in Angola, als Lohn ein bisschen Schutz und Nahrung für die Familie,
um beim nächsten Waffenstillstand als Fremde doch wieder ignoriert
zu werden. Sicher brutale Kerle aber nicht ohne Tragik, und vielleicht
findet sich einmal ein afrikanischer Grimmelshausen, der angemessen von
ihrem Schicksal berichtet.
Aber auch Mobutu griff auf Rezepte und Personal der sechziger Jahre
zurück. Nachdem die Rebellen an Boden gewannen und er vergebens auf
Unterstützung aus den USA, Israel oder Frankreich gehofft hatte, erinnerte
er sich wieder an seine alten Helfer: die Weißen Riesen. Einigen
Meldungen zufolge soll er zuerst versucht haben mit Executive Outcomes
ins Geschäft zu kommen, doch die sollen einen zu hohen Preis gefordert
haben. Allerdings gab es da noch Christian Tavernier, ein belgischer Söldnerführer
aus den Sechzigern und Kampfgenosse Bob Denards. Tavernier war mit Mobutu
über die Jahre in Kontakt geblieben und hatte ihm immer wieder als
Berater gedient. Er übernahm es Anfang 1997 auch für Mobutu eine
"Weiße Legion" zu rekrutieren. Man nimmt an, dass an dieser Aktion
auch der französische Geheimdienst beteiligt war, was aber von offizieller
Seite immer bestritten wurde. Es liegt allerdings auf der Hand, dass die
französische Regierung ihren alten Schützling nicht völlig
im Regen stehen lassen wollte und deshalb mit Kontakten und etwas Logistik
behilflich war. Zudem kann man darüber spekulieren, dass auch französische
Konzerne ihre Hand im Spiel hatten, da ja aus Ruanda und Uganda eher anglo-amerikanische
Firmen zum Zug kamen. So wurden von den Medien mehrfach der französische
Mineralienhändler Jean-Pierre Rozan und die Telekommunikationsfirma
Geolink in diesem Zusammenhang genannt. Deutliche Indizien für diese
Vermutungen sind auch das Personal und das Material, das dann geliefert
wurde.
Wie gesagt war Mobutu offensichtlich knapp bei Kasse und nicht bereit
für Söldnerdienste seine Reserven bei den Schweizer Banken anzugreifen.
Für einen Monatssold von zwischen 3.000 und 10.000 US$ winkten bei
der Schwierigkeit der Aufgabe die meisten Profis in Frankreich jedoch dankend
ab. Allerdings existierte da noch ein größerer "Restposten"
an arbeitslosen Kämpfern und nutzlosem Militärmaterial, zu dem
französische Dienste lange beste Kontakte gepflegt hatten. Nachdem
die kroatische Armee in einer Blitzoffensive die Krajina erobert hatte,
gab es in Serbien plötzlich eine Menge arbeitsloser Kämpfer,
für die ein paar tausend Dollar nicht nur eine Menge Geld waren, sondern
die auch gelegentlich Gründe hatten das Land zu verlassen.
Taverniers "Weiße Legion" bestand dann auch zum Großteil
aus Serben, die kurz zuvor noch in der Krajina und in Bosnien gekämpft
hatten. Eine 80 Mann starke Gruppe, die an dem Massaker in Srebrenica 1995
beteiligt gewesen sein soll, stand unter dem Kommando eines Leutnants Milorad
Palemis. Eine weitere wichtige Figur soll ein gewisser Jugoslav Petrusic
gewesen sein, ein ehemaliger Fremdenlegionär, dem ebenfalls die Beteiligung
an mehreren Morden und Massakern in Ex-Jugoslawien vorgeworfen wird. Die
Times schrieb er habe im Kongo "wie ein kleiner Tyrann geherrscht" und Dutzende
von Menschen exekutiert. Zu den Serben kamen dann noch etwa 16 Franzosen,
einige Rumänen - angeblich Ex-Securitate - und ein paar Belgier. Eine
wichtige Funktion hatten ukrainische Piloten, die die ebenfalls aus serbischen
Beständen stammenden Mi-24 "Hind" Helikopter flogen.
Neben Söldnern und Helikoptern lieferte Serbien dann auch sonst
noch, was an Kriegsgerät gewünscht war: AK47-Gewehre, russische
Maschinengewehre, Granat- und Raketenwerfer und SAM-Luftabwehrraketen.
Die Aufgabe der Söldner bestand dann auch hauptsächlich darin,
die zairischen Soldaten im Gebrauch dieser Waffen zu unterweisen. Allerdings
blieb es nicht dabei. Als die Rebellen immer weiter vorstießen, wurden
auch die Söldner in Gefechte verwickelt. Zu den schwersten Gefechten
kam es dabei im Kampf um Kisangani, von dessen Flugplatz aus die Helikopter
der Söldner operierten. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dabei
einige der Krajina-Emigranten mit den alten Katanga-Gendarmen zusammenstießen.
Mitte März war dann auch Kisangani nicht mehr zu halten; die Söldner
sprengten ihr Hauptquartier und zogen sich in den Helikoptern zurück.
Anfang April wurden dann einige verwundete Serben in einem ukrainischen
Flugzeug nach Belgrad ausgeflogen. Der Rest scheint kurz darauf gefolgt
zu sein. Über Petrusic war dann wieder während des Kosovo-Krieges
1999 zu hören, und man kann annehmen, dass dort auch einige seiner
alten Kampfgefährten aus dem Kongo erneut im Einsatz waren.
Der Einsatz der serbischen Söldner blieb ohne große Wirkung,
verdeutlicht aber, dass die große Zeit der "Weißen Riesen"
lange vorbei ist. Gegenüber den gut ausgebildeten Truppen aus Uganda
und Ruanda, hatten sie keinerlei Vorteile, waren wahrscheinlich sogar schlechter
auf die besondere Art der Kriegsführung vorbereitet. So soll die Ankunft
der weißen Söldner den Soldaten Mobutus anfangs zwar starken
moralischen Auftrieb gegeben haben, als sie dann aber feststellten, dass
die Weißen auch keine Wunder mehr vollbringen konnten, rechneten
sie sich sehr schnell aus, was diese verdienten, während sie selbst
sich mit einem Monatssold von 2 US$ begnügen mussten. Das führte
selbstverständlich zu Neid und Konkurrenz, zudem gab es Sprachprobleme,
da sich sicher nur wenige der Serben in Französisch verständlich
machen konnten. Von großer Bedeutung blieben dagegen Fachkräfte
wie die ukrainischen Piloten, und einzelne Spezialisten, die in den Bereichen
Logistik, Planung und Telekommunikation zum Einsatz kommen. Das einfache
Fußvolk dagegen, wird inzwischen in Afrika selbst in immer größeren
Mengen produziert. Als z. B. nach dem Sturz Mobutus die Koalition zwischen
Kabila, Uganda und Ruanda zerbrach und der Krieg damit in eine neue
Phase trat, kämpften angolanische Regierungstruppen für Kabila,
während die Angolaner der UNITA Uganda und Ruanda unterstützten.
Dazwischen gibt es im Ostkongo tausende von Hutu-Emigranten, die ebenfalls
bereit sind für die eine oder andere Fraktion in den Kampf zu ziehen,
wenn nur das Geld stimmt.