Katanga
Anfang der 60er Jahre meldeten sich die Söldner in Afrika zurück.
Die Kolonien waren für die Söldnertruppen, die einst die Schlachtfelder Europas beherrscht hatten, lange Zeit das letzte Refugium gewesen. Die
schmutzigen und verlustreichen Kriege in Asien und Afrika waren nicht nur die einzigen Orte, wo man es mit dem Patriotismus nicht so genau
nahm und deshalb immer noch gerne Fremde sterben ließ; sondern auch die, die den Träumern Gold, Palmen, Frauen und Abenteuer versprachen.
Mit dem Ende des Kolonialismus - und Algerien war eines seiner letzten Gefechte - war es auch damit vorbei. Die neuen selbständigen Staaten
hatten den europäischen Nationalismus übernommen und setzten nun selbst auf Wehrpflichtige. Aber es verschwanden nicht nur die traditionellen
Abnehmer; auch das Angebot ließ nach. Es gibt zwar immer einzelne verspätete Romantiker, auf der Suche nach Abenteuern - die fahrenden Ritter.
Seit dem Beginn ihrer Geschichte wurde die Masse der Söldner jedoch durch Krieg und Not gezeugt. Neben dem Gros der alten Veteranen, die nie
etwas anderes gelernt hatten, und den Jungen, die zwischen Gewalt und Heldengeschichten aufgewachsen waren, bildeten die Romantiker immer
eine verschwindende Minderheit. Das war schon so nach dem Peloponnesischen Krieg, in den Friedensphasen des Hundertjährigen oder am Ende
des Dreißigjährigen oder Siebenjährigen Krieges. Im 20. Jahrhundert kamen die letzten großen Wellen aus Deutschland, jeweils nach den beiden
verlorenen Weltkriegen, dazu noch die Emigranten der Bürgerkriege in Rußland und Spanien. Doch im Wirtschaftswunder der fünfziger Jahre wurden
die Veteranen langsam dick und die Jugend lernte andere Dinge zu schätzen.
Söldner wurden nach dem Algerienkrieg zu einer Rarität. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb wurde wohl kaum jemals soviel über sie geschrieben.
Das Interesse konzentrierte sich dabei auf die Ereignisse im ehemals belgischen Kongo. Die Belgier hatten ihre Kolonie nach den ersten Unruhen
überstürzt geräumt. Da sich unter ihrer Herrschaft weder eine einheimische Führungsschicht noch eine militärisch organisierte Befreiungsbewegung
gebildet hatten, blieben nur die zerstrittene Partei des hastig eingesetzten Premiers Lumumba und die schwarzen Kolonialsoldaten der Force Publique,
von denen keiner höher als bis zum Unteroffizier aufgestiegen war, als Machtfaktoren zurück. Während die zur ANC (Armée Nationale Congolaise)
aufgewertete Force Publique mit Meutereien und Plünderungen beschäftigt war, sich in Leopoldville die Politiker um die Macht stritten und in dem riesigen
Land die Stämme ihre alten Fehden wieder aufnahmen, versuchte die belgische Bergwerksgesellschaft Union Minière ihre wichtigsten Pfründen zu retten.
Diese lagen überwiegend in der an Bodenschätzen überreichen Südprovinz Katanga. Den passenden Partner fanden die Belgier in Moise Tschombe, der
bereits einige Jahre zuvor eine sezessionistische Partei in Katanga gegründet hatte.
Mit der Union Minière im Rücken erklärte Tschombe kurz nach der Unabhängigkeit des Kongo den selbständigen Staat Katanga. Die Belgier entwaffneten
vor ihrem Abzug noch die Einheiten der ANC in Katanga und überließen Tschombe Geld, Ausrüstung und einige Berater. Mehr war allerdings nicht zu
machen. Die Unruhen im Kongo und Sezession Katangas hatte die UNO auf den Plan gerufen. Weder die Amerikaner, noch die Russen und schon gar
nicht die neuen afrikanischen Staaten wünschten eine Veränderung der bestehenden Grenzen. Jedem war klar, daß einer erfolgreichen Abspaltung Katangas
zahlreiche andere Minderheiten in ganz Afrika folgen würden, was endlose Kriege nach sich ziehen müßte. Doch wegen der UN-Truppen, die ausreichend mit
ihren eigenen Querelen und den Unruhen in Leopoldville beschäftigt waren, mußte sich Tschombe anfangs keine Sorgen machen. In beunruhigten viel mehr
die Baluba, die sich in Nordkatanga wiederum gegen ihn erhoben hatten und von Lumumba unterstützt wurden. Um die Baluba zu unterwerfen und seine
Macht zu konsolidieren benötigte Tschombe Söldner, die anders als die belgischen Berater auch aktiv in die Kämpfe eingriffen.
Die ersten Söldner kamen aus den wenigen Ländern, in denen aktuelle oder gerade beendete Kolonialkriege arbeitslose Veteranen zurückgelassen hatten:
aus Belgien, England, Südafrika, Rhodesien und aus Algerien. Sie begannen mit der Ausbildung der sogenannten Katanga-Gendarmen, die unter den
Tschombe ergeben Stämmen rekrutiert wurden. Es war eine kleine Armee aus einigen hundert Weißen und ein paar tausend Katanga-Gendarmen, die allerdings
den oft nur Speeren und Buschmessern ausgerüsteten Balubas weit überlegen war. Wie in allen Stammeskriegen Afrikas wurden die Kämpfe von beiden Seiten
mit äußerster Grausamkeit geführt. Dörfer wurden niedergebrannt, Zivilisten abgeschlachtet, Gefangene verstümmelt und gefoltert, bevor sie der Tod erlöste.
Mit ihren kleinen, motorisierten und mit hoher Feuerkraft ausgerüsteten Stoßtruppen verbreiteten die Söldner bald Angst und Schrecken unter ihren Gegnern,
und die Balubas, die sich nicht unterwarfen oder massakriert wurden, flohen zu Zehntausenden nach Norden. Während dieser "Befriedungsaktionen" erhielten
die Söldner den Namen "Les Affreux" - die Schrecklichen. Die internationale Presse berichtete zwar wahre Schauergeschichten von ihren Untaten, aber für
die Söldner wurde dieser Ruf zu ihrer besten Waffe. Denn oft genügte schon ihr Auftauchen, um beim Gegner Panik auszulösen.
Während Tschombe seine Macht langsam festigte, forderte Lumumba immer vehementer ein Eingreifen der UN gegen die Sezessionisten. Doch die konnten
sich zu keiner militärischen Aktion aufraffen und beschränkten sich auf Resolutionen, in denen der Abzug der fremden Söldner gefordert wurde. Da der
Kongo ohne Katanga wirtschaftlich nicht lebensfähig war, und er von der UN keine Unterstützung erhielt, wandte sich Lumumba an die Russen. Damit rief
er die CIA auf den Plan, die in dem ANC-General Mobutu einen geeigneten Repräsentanten fand. Mit der Unterstützung der Amerikaner initiierte Mobutu
einen Militärputsch, und Lumumba, der zuerst noch in einer UN-Kaserne Schutz gesucht hatte, wurde unter nie ganz geklärten Umständen nach Katanga
geflogen. Dort beschäftigten sich Tschombes Gendarmen mit ihm. Nach einigen Berichten soll schließlich ein belgischer Söldner seine Leiden mit einem
Gnadenschuß beendet haben. Nach dem Tod seines Hauptfeindes war Tschombe auf dem Höhepunkt seiner Macht. In Südafrika und Belgien wurden neue
Söldner rekrutiert, und da zu dieser Zeit in Algerien gerade das 1. REP aufgelöst wurde, fanden sich nun auch die Paras der Fremdenlegion Grüppchenweise
in Katanga ein. Neue Einheiten wurden formiert, alte aufgelöst; einige Söldner wurden von den UN-Truppen verhaftet und des Landes verwiesen, andere
verstanden es, sich geschickt dem Zugriff zu entziehen.
Es war ein ständiger Wechsel, in dem aber im wesentlichen drei Formationen erkennbar werden: die Belgier unter der Führung von Jean (Black Jack)
Schramme, der vor der Unabhängigkeit Farmer im Kongo gewesen war; die Südafrikaner unter dem Iren Michael (Mad Mike) Hoare, der als britischer
Kolonialoffizier in Malaysia Erfahrungen im Dschungelkrieg gesammelt hatte, und die französischsprachigen Paras unter Bob Denard, einem Veteranen der
Kriege in Indochina und Algerien. Dazu kamen noch einige Flugzeuge, die hauptsächlich von südafrikanischen Piloten geflogen wurden. Aber es gab keine
feste Ordnung nach Nationalitäten. Auf Ex-Fremdenlegionäre stößt man zum Beispiel in jeder Formation, und in Südafrika ließen sich auch Israelis und
Auswanderer verschiedener Nationalitäten anwerben. Wesentliche Unterschiede waren dagegen die Kommandosprache und die Zusammenarbeit mit den
schwarzen Söldnern. So lebten Schwarze und Weiße in Schrammes "Bataillon Léopard" eng zusammen, während die Südafrikaner auf strikte Rassentrennung,
sowohl im Einsatz wie auch in der Etappe, achteten. Obwohl sich wahrscheinlich nie mehr als 500 weiße Söldner gleichzeitig im Kongo befanden, hatten sie
gemeinsam mit den von ihnen ausgebildeten Katanga-Gendarmen, von der Zentralregierung nichts zu befürchten.
Aber mit dem Tod des "kommunistischen" Lumumba hatte eigentlich auch Tschombe verspielt. Da die USA nun den prowestlichen Mobutu
unterstützten, mußten sich die UN-Truppen endlich zum Kampf gegen Katanga aufraffen. Die ersten Zusammenstöße wurden zu einer Blamage für die an
Menschen und Material um das vielfach überlegenen UN-Truppen. Vor allem die schwedischen und irischen Kontingente waren für die Ex-Legionäre und
südafrikanischen Buschkrieger keine Gegner. Die Schweden kamen bald in den Ruf, niemals ihre Schützenpanzer zu verlassen, und eine irische Garnison
von 184 Mann kapitulierte vor einem weißen Söldner und einer Hand voll Katanga-Gendarmen. Die Schrecklichen sammelten blaue Helme als Trophäen
und die UNO übte sich wieder einmal in Hilflosigkeit.
Das änderte sich erst im Dezember 1961, als die UN ihre überwältigende Luftüberlegenheit nützten und in einem Überraschungsangriff die gesamte Luftwaffe
Katangas vernichteten. Anschließend verzichteten sie auf den Einsatz europäischer Kontingente und griffen statt dessen ihrerseits zu Söldnern. Indische
Gurkhas stürmten Elizabethville, die Hauptstadt Katangas und nach längeren ergebnislosen Verhandlungen im Januar 1963 den letzten Stützpunkt der Söldner,
die Bergwerksstadt Kolwezi. Obwohl die Söldner und Katanga-Gendarmen dabei äußerst hartnäckigen Widerstand leisteten, mußten sie schließlich vor der
Übermacht und den routinierten Angriffen der Gurkhas weichen. Die meisten hatten das sinkende Schiff ohnehin schon vorher verlassen, aber ein harter Kern
von etwa hundert Söldnern und ein paar tausend Katanga-Gendarmen zog sich unter der Führung von Schramme und Denard in die portugiesische Kolonie
Angola zurück. Da die Portugiesen selbst mit schwarzen Unabhängigkeitsbewegungen zu kämpfen hatten, war für sie Tschombe stets eine Art Bundesgenosse
gewesen, den sie jedem UN-Embargo zum Trotz zumindest heimlich unterstützten.
Damit schien das afrikanische Intermezzo der Söldner beendet. Aber auch die UNO war erschöpft. Ihre Intervention im Kongo hatte Milliarden verschlungen
und dabei hauptsächlich die Zerstrittenheit und Unfähigkeit der Weltorganisation demonstriert. Trotzdem hatten die Amerikaner, auf die der Löwenanteil der
Kosten entfallen war, unter Präsident Kasavubu und General Mobutu ein prowestliches Regime installiert und damit ihr Ziel erreicht. Tschombe war nach
Spanien ins Exil gegangen, ein Teil seiner berüchtigten Katanga-Gendarmen war in die ANC übernommen worden, die meisten fristeten jedoch ihre Existenz
als Banditen im Busch. Die Söldner waren nach Südafrika und Europa zurückgekehrt, und nur ein harter Kern war unter Denards Führung in den Jemen gezogen,
wo sie die Royalisten im Kampf gegen die Republikaner und die ägyptische Interventionsarmee unterstützten. Schramme saß mit einigen wenigen Unentwegten
und etwa tausend Katanga-Gendarmen in Nordangola und konspirierte in der Hoffnung auf bessere Zeiten mit Tschombe.