Homosexualität
Päderastie und Männerbünde.
"Das gemeinsame Schicksal hatte zwischen diesen Männern tiefe Freundschaften
entstehen lassen. Für die meisten ersetzte das Lager die Heimat. Da
sie ohne Familie leben mussten, übertrugen sie ihr Zärtlichkeitsverlangen
auf einen Gefährten, und man schlief Seite an Seite unter dem gleichen
Mantel beim Sternenschein ein. Bei diesem Umherstreifen durch aller Herren
Länder, in mörderischen Schlachten und Abenteuern waren absonderliche
Liebesbeziehungen entstanden, unsittliche Verbindungen, die ebenso ernst
genommen wurden wie Ehen, wo der Stärkere den Jüngeren im Kampfgetümmel
beschützte, ihm beistand, wenn es Abgründe zu überwinden
galt, ihm den Fieberschweiss von der Stirn wischte und Lebensmittel für
ihn stahl; und der andere, den man einst als Kind am Wegesrand aufgelesen
hatte und der dann später Söldner geworden war, bezahlte diese
Hingabe mit tausendfacher zärtlicher Sorgsamkeit und den Gefälligkeiten
einer Gattin." (Gustave Flaubert: Salammbô).
Flaubert beschreibt hier zwar die Beziehungen der Krieger während
des großen Söldnerkrieges
in Karthago nach dem ersten punischen
Krieg, ließ sich dabei aber von griechischen Quellen und aktuellen
Ereignissen beim französischen Militär beeinflussen. Wir zitieren
hier ausnahmsweise aus einem Roman. Einerseits, da diese Verhältnisse
zwischen Kriegern wohl nirgends besser beschrieben worden sind, andererseits
wird man nach den Aufzeichnungen eines bekennenden homosexuellen Söldners
wahrscheinlich vergeblich suchen. Man findet Spuren in Gerichtsakten, und
wenn Söldner selbst einmal darüber schreiben, waren es selbstverständlich
immer die anderen. Trotzdem findet man genug Hinweise, um feststellen zu
können, dass sich die Homosexualität, wenn auch oft verschwiegen,
wie ein roter Faden durch die Söldnergeschichte zieht.
Wenn man dieses Thema aufgreift, kommt oft der Einwand, dass Söldner
ja meistens notgedrungen ohne Frauen auskommen mussten und es werden vorschnelle
Parallelen zu "Knastschwulen" gezogen. Doch ganz so einfach liegt die Sache
nicht. Im antiken Griechenland war die Päderastie, die Knabenliebe
eine feste Institution, die in keinerlei Gegensatz zu kriegerischen Qualitäten
stand. Ganz im Gegenteil war sie anscheinend ausgerechnet unter den harten
Spartanern am stärksten verbreitet. Die Liebe zwischen Männern
war für die Griechen etwas, das Krieger verband und auszeichnete,
wie die mythische Beziehung zwischen Achilles und Patroklus oder die 150
Liebespaare der thebanischen Stadtgarde, die 338 v.Chr. bei Charoneia gemeinsam
fielen.
Das Problem war dabei lediglich der passive Part, der als weibisch und
damit unkriegerisch galt. Dieser wurde zwar von den Jugendlichen, die ja
noch keine Männer waren, übernommen, galt aber dennoch als abwertend.
Deshalb sollte zumindest in der Theorie auf Analverkehr verzichtet werden
- unter Gleichrangigen rieb man das Glied an den Oberschenkeln des Partners.
Nicht von dieser Einschränkung betroffen waren natürlich Sklaven
und Kriegsgefangene. Jeder Hoplit hatte einen Sklaven als Diener mit im
Feld und Xenophon berichtet,
dass die Söldner in Persien Knaben raubten.
In der römischen Republik gab es dann sogar ein Verbot der Päderastie.
Doch auch dies betraf nur die passive Rolle im Umgang mit Freien - Sklaven
waren ausgenommen. Dennoch wurde auch diese Regelung schnell von der Realität
überholt. In Rom waren homosexuelle Beziehungen weit verbreitet, es
gab Massen an männlichen Prostituierten, die ganz legal besteuert
wurden, und viele reiche Bürger gaben Vermögen für den Unterhalt
ihrer Liebhaber aus. Laut Edward Gibbon war Claudius der erste unter 15
Kaisern, der keine homosexuellen Neigungen hatte, und unter Caesars Legionären
kursierten einschlägige Witze, da dieser in seiner Beziehung zu Nicomedes
von Bithynien der Passive gewesen sein soll.
Es gab schon in der Antike und mehr noch in der Neuzeit Autoren, die
in der Homosexualität eine typische Dekadenzerscheinung sehen wollten.
Neuere Studien sehen in ihr jedoch etwas Archetypisches, das Erbe uralter
indoeuropäischer Initiationsriten. So soll der für seine Wildheit
berüchtigte keltische Kriegeradel
die sexuelle Gesellschaft von Männern
bevorzugt haben. Die Griechen behaupteten sogar, dass die Kelten manchmal
mit 2 Jungen gleichzeitig schliefen. Auch der mythische irische Nationalheld
Cuchulain soll in jungen Jahren eine erotische Beziehung mit einem Gefährten
gehabt haben.
Und die Germanen? In diesem Fall wird immer wieder die eine Stelle aus
Tacitus zitiert, in der es heißt, dass sie Homosexuelle im Sumpf
versenkt hätten. Man könnte diesen Beleg aber schon deshalb bezweifeln,
da Tacitus in erster Linie seiner eigenen als dekadent empfundenen Gesellschaft
die "edlen Wilden" als Exempel vorführen wollte. Aber selbst wenn
es dazu gekommen sein sollte, so wird heute allgemein angenommen, dass
es sich dabei um passive Homosexuelle gehandelt hat.
So sollen die Heruler die Päderastie praktiziert haben. Hier waren
es die Jungmänner, die wahrscheinlich so lange den älteren zu
Verfügung standen, bis sie sich im Kampf bewährt hatten. Auch
von den Taifali, die den Goten verwandt waren, wird ähnliches berichtet.
Von den Vandalen gibt es die Legende, wie sie Rom eroberten. Sie schickten
300 junge Männer, denen noch kein Bart gewachsen war, aus guten Familien
als Haussklaven reicher Patrizier nach Rom, was sexuellen Missbrauch geradezu
provozierte. Die jungen Vandalen ermordeten dann an einem bestimmten Tag
ihre Herren und ermöglichten so die Einnahme der Stadt. Obwohl die
Vandalen angeblich strikte Gegner der Homosexualität waren, war sie
als Kriegslist anscheinend erlaubt; zudem waren sie wohl ähnlich wie
die Heruler der Ansicht, dass dies eben zu den Aufgaben eines Jungmannes
gehöre.
Bei vielen germanischen Stämmen waren die überzähligen,
nicht erbberechtigten Söhne in Kriegergesellschaften organisiert.
Diese Männerbünde waren streng von der restlichen Gesellschaft
getrennt und von einer Aura des Geheimnisvollen umgeben. Aus ihren Reihen
kamen die gefürchteten Krieger, die sich in
Wolfs- oder Bärenfelle
gekleidet mit Hilfe schamaistischer Riten in reißende Tiere verwandelten.
Normalerweise lebten diese Kriegerbünde von der Jagd und vom Raub
und waren bei jedem Kriegszug als erste dabei. Der Umgang mit Frauen war
nicht nur untersagt, sondern fast alles, was damit zu tun hatte wurde als
weibisch und unkriegerisch verachtet.
In diesem durch und durch männlichen Ambiente war der Vorwurf der
Homosexualität eine der schlimmsten Beleidigungen, die nur mit dem
Tod gesühnt werden konnte. Allerdings bezog sie sich ausschließlich
auf den passiven Part, der aktive Partner galt - wie noch in vielen modernen
Machogesellschaften - als "richtiger Mann". Zudem ist diese Beleidigung
in den Skaldensagas so gängig, dass ein Historiker mit gutem Grund
darauf hinweißt, dass dies ja nur Sinn mache, wenn jeder gewusst
habe, um was es gehe.
Man nimmt nun an, dass in diesen Männerbünden die jugendlichen
Novizen - die Bartlosen - die passive Rolle übernehmen mussten, bis
sie durch das Erlegen von gefährlichen Tieren oder die Bewährung
im Kampf selbst zu vollwertigen Kriegern geworden waren. Für diese
These sprechen Vergleiche von Ethnologen mit der Kriegergesellschaft der
Papuas auf Neu-Guinea, wie auch die Interpretationen germanischer Mythen
von Religionswissenschaftlern. Bei letzterem wird drauf verwiesen, dass
dem Kriegs- und Totengott Odin wie auch seinem Widersacher Loki manchmal
eine bisexuelle Komponente zugeschrieben wird. Von den weiblichen Muttergottheiten
der Wanen lernt er zum Beispiel die normalerweise als unmännlich verachtete
- und manchmal auch mit dem Tod bestrafte - Zauberkunst des "seidr", durch
die er die Runen verstehen kann. Da er aber vor allem heterosexuell aktiv
war und deshalb Gefahr lief mit seinem Samen auch die Quelle seiner Kraft
zu verlieren, trank er den Samen der Gehängten, die ihm zu Ehren geopfert
wurden.
Es handelt sich dabei wie gesagt um die Reste uralter schamaistischer
Initiationsriten, deren Wurzeln sich bis auf die Wanderungszeit der indoeuropäischen
Völker zurückverfolgen lassen. Ein interessanter Aufsatz untersucht
z. B. einen Mythos der Hethiter unter diesen Gesichtspunkten. Bei den Germanen
finden sich dann noch die deutlichsten Hinweise auf diese Ursprünge;
das Wissen über die Kelten beschränkt sich leider ausschließlich
auf die knappen Hinweise der Griechen und Römer. Obwohl die Päderastie
bei den Griechen dann teilweise eine feste Institution war, ist sie dann
dort bereits so von der Zivilisation übertüncht, dass sich ihre
wahrscheinlichen Ursprünge nur im Vergleich erkennen lassen.
Nun sind wir der Ansicht, dass diese Riten nicht einfach vor Urzeiten
dem Kopf eines Schamanen entsprungen sind. Viel wahrscheinlicher wurden
durch Mythen und religiöse Zeremonien längst bestehende Praktiken
geregelt und gerechtfertigt. Die Päderastie als feste Institution
lässt sich nämlich auch sehr gut für so entfernte Kriegergesellschaften
wie die japanischen Samurai, die türkischen Janitscharen oder die
ägyptischen Mameluken nachweisen. Immer wieder stößt man
dabei auf die geradezu "klassische" Beziehung zwischen erfahrenen Kriegern
und "bartlosen" - das Wort wird bevorzugt verwendet - Novizen. Aber auch
wenn sich diese Kriegergesellschaften ganz ohne jede Tradition völlig
neu formieren, scheint die Homosexualität oft zu einem bestimmenden
Moment zu werden, wie neuere Studien über die nordafrikanischen Korsaren
oder die Piraten der Karibik belegen.
Mit dem Mittelalter begann dann der erbarmungslose Kampf der christlichen
Kirche gegen die "Sodomie" und die letzten Reste der heidnischen Riten,
die sich unter Kelten und Germanen noch gehalten hatten. Man sollte die
Macht der Kirche jedoch nicht überschätzen. Abgesehen von den
Westgoten in Spanien gab es im Abendland lange keine strengen Gesetze gegen
Homosexualität. Zudem stand die Kirche vor dem nicht geringen Problem,
den Feind zugleich innerhalb ihrer eigenen Haustruppen - der Priester und
vor allem der Mönche - bekämpfen zu müssen. So wurde es
Mönchen zum Beispiel aus gutem Grund verboten gemeinsam in einem Raum
oder gar in einem Bett zu schlafen.
Was Krieger im Feldlager trieben war dabei von geringem Interesse und
kaum ein Offizier wäre wohl bereit gewesen die Schlagkraft seiner
Truppe durch allzu intensive Nachforschungen zu gefährden. Unter den
mittelalterlichen englischen Königen waren William II. Rufus, Richard
Löwenherz und Edward II. höchst wahrscheinlich homo- oder bisexuell.
Man sprach darüber, Chronisten machten Andeutungen aber niemand erhob
Anklage. Man hat viel mehr den Eindruck, dass der moralische Druck der
Kirche hauptsächlich dazu führte, die bestehenden Realitäten
zu verschweigen und zu ignorieren. Lediglich wenn man wie bei der Auflösung
des Templerordens einen Grund benötigte, griff man auf die Sodomie
als willkommene Rechtfertigung zurück.
Das änderte sich erst im 16. Jahrhundert, als mit den stehenden
Heeren auch immer mehr Disziplin durchgesetzt wurde. Gleichzeitig hatte
die Kirche durch die großen religiösen Auseinandersetzungen
im Inneren gewaltig an Macht gewonnen. Die Inquisition verbrannte Hexen
und Ketzer - die Protestanten allerdings nicht weniger eifrig - und konnte
deshalb auch stärker gegen Homosexuelle vorgehen.
Doch auch die brutalen Strafen, die nun gelegentlich angewandt wurden,
dienten mehr dem äußeren Erscheinungsbild. An den Lebensumständen
der Soldaten änderten sie wenig. Im Feldlager teilten sich nach wie
vor meistens zwei Mann eine Strohhütte oder ein Zelt. Bis ins 19.
Jahrhundert war es zudem üblich, dass man bei Einquartierungen zu
zweit in einem Bett schlief. Während des jahrelangen Zusammenlebens
in kleinen abgelegenen Außenposten - ganz besonders im Kolonialdienst
- entstanden oft recht enge Bindungen, die sicher häufig über
die reine "Kameradschaft" hinausgingen. Viele Söldner "wirtschafteten"
zu zweit, d.h. sie bezahlten gemeinsam Essen, Wohnung und in den Kolonien
gelegentlich einen Burschen oder eine Köchin. Auch die gerade unter
einfachen Dienstgraden verbreitete Praxis, sich gegenseitig zum Erben einzusetzen,
ist sicher kein Beleg für Homosexualität, aber doch ein wichtiges
Indiz für die Enge der Beziehungen. Es gab eben oft niemand Wichtigeren
als den Kameraden, der einen bei Verwundung oder Krankheit pflegte, Strapazen
und Elend als Leidensgenosse ertrug und manchmal seine letzte Ration brüderlich
teilte.
Obwohl seit dem 16. Jahrhundert immer wieder davon berichtet wird, dass
Söldner wegen Sodomie verbrannt wurden, förderte das erzwungene
enge Zusammenleben in gleichgeschlechtlichen Gruppen die Homosexualität
in gewaltigem Maß. Da jedoch auch zu lesen ist, dass in Notsituationen,
wenn jeder Mann gebraucht wurde, auf die Todesstrafe verzichtet wurde,
kann man davon ausgehen, dass mancher Offizier mehr als ein Auge zudrückte,
vor allem, wenn er selbst ähnliche Erfahrungen hatte. Zeuge einer
solchen "Begnadigung" wurde z.B. Michael
Heberer während einer Kaperfahrt auf einer malteser Galeere.
Gemildert wurde das Problem lediglich dadurch, dass viele Söldner
Frauen bei sich hatten. Doch nicht alle konnten es sich leisten noch eine
Frau zu ernähren, und seit Ende des 16. Jahrhunderts wurde versucht
den einst gigantischen Tross der alten Landsknechtsheere immer weiter zu
reduzieren. Es ist allerdings bezeichnend, dass sich viele Berichte über
Sodomie auf isolierte Garnisonen und dort auf die untersten Schichten beziehen.
So wird in einigen Quellen erwähnt, dass die Söldner im belagerten
Candia "erschröcklich der Sodomiterey ergeben seien." Ein deutscher
Offizier der französischen Garnison auf Korfu schwärmt davon,
dass die verarmte Bevölkerung ihre Töchter für wenige Piaster
verkauft habe, erwähnt aber auch, dass die mittellosen Söldner
oft homosexuelle Beziehungen gehabt hätten. Im aufgeklärteren
19. Jahrhundert setzte sich ein Arzt der holländischen Kolonialtruppen
in Indonesien dann ausdrücklich dafür ein, den Söldnern
das Zusammenleben mit einheimischen Konkubinen zu erlauben. Weil sie dadurch
"weniger Liebeskrankheiten, Excessen und Masturbation ausgesetzt" seien.
Unter "Excessen" ist hier wohl eindeutig Homosexualität zu verstehen.
Am extremsten war die erzwungene Frauenlosigkeit allerdings auf See
und so erstaunt es nicht, dass sich hier die meisten Hinweise finden. In
fast allen Reiseberichten von Söldnern
der VOC ist davon die Rede.
Obwohl oft Schiffsjungen beteiligt waren - einer war erst elf Jahre alt
- fragte man nicht lange nach den Ursachen; die Ertappten wurden ohne Unterschied
gefesselt oder in einen Sack gesteckt und ins Meer geworfen. War ein Hafen
in der Nähe wurde der Anstifter verbrannt und die anderen Beteiligten
ersäuft. Bei höher gestellten Personen wie bei Beamten oder Kapitänen
machte man nur insoweit eine Ausnahme, dass sie vor dem Verbrennen erwürgt
wurden. Trotz der schrecklichen Strafen muss Homosexualität auf den
Schiffen recht verbreitet gewesen sein, da die Mehrzahl der Söldner,
die zur See fuhren davon berichten. Die häufige Beteiligung von minderjährigen
Schiffsjungen legt den Schluss nahe, dass oft Gewalt und Erpressung im
Spiel waren.
Die barbarische Strafpraxis änderte sich erst mit der Aufklärung.
Ab jetzt überwogen praktische Gesichtspunkte. Weder Friedrich der
Große noch Napoleon hätten wegen solcher Geschichten auf einen
einzigen guten Soldaten verzichtet. Der Berliner Karl, der in den
napoleonischen Kriegen
unter verschiedenen Fahnen kämpfte, war unseres Erachtens
nach höchst wahrscheinlich homosexuell, ohne es jedoch allzu deutlich
auszusprechen. Dennoch blieb die Homosexualität geächtet und
wurde zumindest weiter totgeschwiegen. Liest man zum Beispiel die Erinnerungen
deutscher Fremdenlegionäre aus dem 19. Jahrhundert, fällt auf,
dass sich die meisten mehr als nebulös zu schrecklichen Lastern und
Unsittlichkeiten unter den Legionären in den Kolonien äußern
- die üblichen Saufgelage und der Besuch bei Prostituierten können
wohl kaum damit gemeint sein.
Sucht man ein wenig weiter, so entdeckt man, dass in der
Fremdenlegion
Homosexualität so verbreitet war, dass die Araber von "Madame Légion"
sprachen. Da man nicht auf allzuviele Legionäre verzichten wollte,
entfiel nicht nur eine Bestrafung, sondern man steckte auch Homosexuelle
aus anderen Einheiten in die Fremdenlegion. Die Hauptursache lag sicher
am Frauenmangel. Da sich der Ruf der Legionäre nur wenig von dem von
Sträflingen unterschied, wurden sie von normalen Frauen gemieden wie
die Pest. Blieben die Prostituierten, aber hier waren selbst die billigsten
meist unerschwinglich. Am schlimmsten war es aber in den Außenposten,
den einsamen Wüstenforts. Oft waren junge Rekruten die Opfer, die
durch Unsicherheit und Verängstigung zu einer leichten Beute der Anciens
wurden. Aber auch feste Paare waren in Algerien durchaus nicht unüblich.
Es gab sogar Offiziere die ganz offensichtlich ihre Burschen bei sich im
Zelt schlafen ließen.
Philipp Rosenthal, der während des Zweiten Weltkriegs in der Fremdenlegion
war schreibt dann recht offen darüber. Aber sicher nur, weil er selbst
nicht betroffen und das ganze lediglich als lästig empfand, "da sie
nicht so sehr ein verborgenes Laster als ein öffentliches Ärgernis
ist, das mich in den Baracken oft am Schlafen gehindert hat." Am deutlichsten
wird jedoch Friedrich Glauser in seinem teilweise autobiographischen Legionärsroman
"Gourrama", wo Liebesbeziehungen zwischen den Legionären als etwas
völlig Alltägliches dargestellt werden. In einem Brief an einen
Freund schrieb der Legionär Glauser: "Hier in der Legion ist es ja
leicht, man kann fast jeden haben, wenn man es geschickt genug anstellt.
Sie wissen alle Bescheid, ob Deutscher oder Russe, sie sind im Krieg gewesen,
und wenn sie nicht im Krieg waren, so kommen sie aus einer Großstadt.
Sie wissen Bescheid, glaub mir."
Bei der Fremdenlegion kommt dann wieder der alte Einwand der "Knastschwulen".
Doch der ist wie immer nur zum Teil berechtigt. Gerade die in vielem offeneren
Berichte des 20. Jahrhunderts lassen endlich erkennen wie viel latente
Homosexualität in diesen von extremer Männlichkeit geprägten
Gruppen vorhanden ist. Bereits die von der Jugendbewegung geprägte
Freikorpsliteratur ist voll davon.
Wenn der Söldner und Ex-Legionär Rolf
Steiner wie nebenbei das Scheitern seiner Ehe erwähnt und erklärt,
er habe statt dessen lieber die Bars der harten Typen mit den flachen Bäuchen
und breiten Schultern aufgesucht, so will ihm niemand Homosexualität
unterstellen. Es wird aber deutlich, welche Ästhetik vorherrscht und
wo man sich wohl fühlt.
Man sollte hier noch erwähnen, dass einige Historiker die verbreitete
Homosexualität im klassischen Griechenland mit dem äußerst
niedrigen Bildungsstand der Frauen erklären; sie meinen, die Männer
hätten sich in weiblicher Gesellschaft einfach tödlich gelangweilt.
Inzwischen liegt der Bildungsstand vieler Frauen zweifelsohne weit über
dem durchschnittlicher Söldner. Eine fremde Welt mit Unverständnis
auf beiden Seiten bleibt es dennoch. Ein typisches Beispiel ist hier die
Untersuchung der Professorin Sandra Whitworth über die
Initiationsriten kanadischer Fallschirmjäger.
Einen viel besseren Einblick in dieses
Testosteron-geschwängerte Ambiente aus Mutproben, Körperkult,
Kameradschaft und der latenten Homosexualität, die sich dahinter verbirgt,
bietet der Legionärsfilm "Beau travail".
Die meisten Militärs weisen solche Unterstellungen natürlich
weit von sich. In den 90er Jahren beantragte das Pentagon jedoch einige Millionen
Dollar für die Entwicklung einer so genannten "Schwulenbombe" (gay-bomb).
Damit sollten starke Aphrodisiaka über den feindlichen Linien versprüht
werden, in der Hoffnung die Kampfkraft des Gegners würde einer homosexuellen
Orgie zum Opfer fallen. Dieser Plan - er wurde bald gestoppt - war sicher
in allererster Linie absurd und lächerlich, dennoch zeigt er, was
Generäle von Soldaten erwarten, wenn die Hemmschwelle nur etwas abgesenkt
wird.
Weiterführende Literatur:
Jan Bremmer
An enigmatic Indo-European Rite: Paederasty (1980)
Boswell, John
Christianity, Social Tolerance, and Homosexuality (1980)
Kari Ellen Gade
Homosexuality and Rape of Males in Old Norse Law and Literature (1986)
David F. Greenberg
The Construction of Homosexuality (1988)
Jenny Jochens
Norse Magic and Gender (1991)
Catharina Blomberg
The Heart of the Warrior: Origins and Religious Background of the Samurai System (1994)
Barry R. Burg
Sodomy and the Pirate Tradition (1995)
William Armstrong Percy
Pederasty and Pedagogy in Archaic Greece (1996)
David L. Jeffrey
People of the Book: Christian Identity and Literary Culture (1996)
Stephen O. Murray und Will Roscoe
Islamic Homosexualities: Culture, History, and Literature (1997)
Jenny Jochens
Reprentations of Skalds in the Sagas 2: Gender Relations (2001)
Ramiro Feijoo
Corsarios Berberiscos (2003)
William E. Burgwinkle
Sodomy, Masculinity and Law in Medieval Literature: France and England, 1050-1230 (2004)