Der Sacco di Roma
1527 plünderten Landsknechte, spanische und italienische Söldner Rom.
Ein diszipliniertes Söldnerheer mit Erfahrung, Selbstvertrauen
und guter Führung erwies sich allen anderen Truppen weit überlegen.
Mit Söldnern unterwarfen die Landesherren ihren rebellischen Adel
und machten sich von der Lehnsfolge unabhängig. Die Kehrseite war
dabei, dass Söldner regelmäßig bezahlt werden müssen.
Falls dies nicht geschah, desertierten sie, liefen zum Feind über,
plünderten und mutierten zu Räuberbanden. Ganze Armeen konnten
auf diese Art verschwinden. Die allerschlimmste Möglichkeit aber,
sozusagen der Super-GAU des Geschäfts, war es, wenn sich eine wirklich
große unbezahlte Armee selbständig machte und versuchte die
Soldrückstände auf ihre Weise einzutreiben. Ein frühes Beispiel
war der Söldnerkrieg in Karthago, den Polybios als den mit Abstand
grausamsten seiner Zeit bezeichnete, aber auch die Raubzüge der Freien
Kompanien, die Frankreich im Hundertjährigen Krieg immer wieder verwüsteten
gehören in diese Reihe. Eines der schrecklichsten Ereignisse dieser
Art ist der Sacco di Roma. Man sollte die zahlreichen Quellen und Augenzeugenberichte
zum Sacco di Roma also deshalb nicht nur unter dem Aspekt des Einzelereignisses
lesen, sondern dabei auch an all die anderen Exzesse denken, die vorher
und später passierten, wenn ein großes Söldnerheer von
der Leine gelassen seine niedrigsten Instinkte auslebt.
Zum Sacco di Roma kam es, als Habsburg 1526 wieder einmal in Italien
Krieg gegen Frankreich und den Papst führte. Das Silber aus Amerika und
die Kredite hatten gerade dazu gereicht ein starkes Heer hauptsächlich
aus spanischen Söldnern und Landsknechten in Norditalien zusammenzuziehen.
Als nach harten, schweren Kämpfen der Sold immer länger ausblieb
begannen die Söldner zu meutern. Charles de Bourbon unter dessen Kommando
die Spanier standen und Georg von Frundsberg der Führer der Landsknechte
versuchten es mit immer neuen Versprechungen, borgten bei verbündeten
italienischen Fürsten, konnten aber den Sold für die mehr als
30.000 Mann nicht mehr aufbringen. Als bei einer Auseinandersetzung seine
Knechte sogar drohend die Waffen gegen ihn erhoben, wurde Frundsberg vom
Schlag getroffen und musste schwer krank und als gebrochener Mann in die
Heimat reisen.
Bourbon und die anderen Unterführer, denen die Kontrolle über
die Truppen inzwischen völlig aus der Hand geglitten waren, sahen
nun als einzigen Ausweg, das Heer gegen Rom zu führen, um dort vom
Papst eine entsprechende Summe zu erpressen. Schon auf dem Marsch plünderten
die Söldner zahlreiche Kleinstädte und unzählige Dörfer
und Gehöfte. Doch dabei stieg die Gier nach den wirklichen Schätzen,
die in Rom auf sie warten sollten. Als die Verhandlungen mit dem Papst
dann vor Rom scheiterten, befahl Bourbon den Sturm auf die schwach verteidigte
Stadt. Er selbst fiel beim Angriff und danach ergoss sich eine Woge von
niemanden mehr zu kontrollierender Söldner in die Stadt.
Zur Darstellung der Ereignisse zitieren wir hier aus dem Buch des Historikers
Ferdinand Gregorovius "Geschichte der Stadt Rom" (1889). Als typischer
Bildungsbürger des 19. Jahrhunderts ist er nicht nur mit den Quellen
bestens vertraut, sondern verfügt auch über die angemessene Sprache
um die Ereignisse besser zu beschreiben als wir es heute könnten.
Man sollte lediglich hinzufügen, dass der Sacco di Roma ein vielbeachtetes
Großereignis war, ein Sakrileg. Auf ähnliche Weise haben sich
Söldner aber immer wieder verhalten, und oft traf es einen kleinen Bauern
härter, dessen Hof abgebrannt wurde, als einen Kardinal, der seine
Kunstschätze verlor.
Der Morgen des 7. Mai enthüllte einen Anblick zu furchtbar für
jedes Wort: die Straßen bedeckt mit Trümmern, mit Toten und
Sterbenden; brennende Häuser und Kirchen, widerhallend von Geschrei;
ein gräßliches Gewühl von Raub und Flucht; trunkene Kriegsknechte
belastet mit Beute oder fortschleppend Gefangene. Eine eroberte Stadt nicht
nur zu plündern, sondern ihr gesamtes Volk als dem Schwert verfallen
anzusehen, war damals Kriegsrecht. Kein Landsknecht würde begriffen
haben, daß es unmenschlich sei, wehrlose Bürger als Kriegssklaven
zu behandeln. Wer sein Leben lieb hatte, mußte es abkaufen. Mit der
rohesten Einfalt schrieb der Ritter Schertlin
in seinen Aufzeichnungen:
"Den 6. Tag May haben wir Rom mit dem Sturm genommen, ob 6.000 Mann darin
zu todt geschlagen, die ganze Stadt geplündert, in allen Kirchen und
ob der Erd genommen was wir gefunden, einen guten Teil der Stadt abgebrannt."
Nichts und niemand wurde verschont. Die Häuser von Spaniern und
Deutschen plünderte man wie die der Römer. In viele Paläste
kaiserlich Gesinnter hatten sich Menschen jedes Standes geflüchtet,
zu Hunderten und mehr. Die Spanier brachen sie auf, plünderten oder
brandschatzten sie. So geschah es gleich in der ersten Nacht mit dem Palast
des Markgrafen von Mantua und dem des portugiesischen Gesandten, wo man
eine Beute von 500.000 Dukaten machte, wenn dies glaublich ist. Einige
hundert Personen schützte der Kardinal Andrea della Valle in seinem
großen Palast, dessen Plünderung er von Fabrizio Maramaldo um
viele tausend Dukaten abkaufte. Die Geldsumme verpflichteten sich durch
gerichtlichen Akt, wie überhaupt in allen solchen Fällen, die
geflüchteten Personen dem Besitzer des Palasts zurückzuzahlen,
nach Maßgabe der Schatzung, welche jede von ihnen betraf.
Unglücklicher erging es Palästen, welche Widerstand zu leisten
wagten; man sprengte sie selbst mit Pulver. Ein Turm am Kapitol flog so
in die Luft. Im Campo Marzo verteidigte sich der Palast Lomellina; die
Kriegsknechte erstürmten ihn; fliehend ließ sich die Besitzerin
an einem Seil in den Hof hinab; man erschoß sie mit Flintenkugeln.
Die reichste Beute gaben Kirchen und Klöster her, sowohl eigenes als
dorthin geflüchtetes Gut. Man plünderte sie sämtlich; nicht
einmal die »Anima«, die Nationalkirche der Deutschen, wurde
verschont, noch St. Jakob auf der Navona, die Nationalkirche der Spanier,
wo man die Leiche Bourbons niedersetzte. S. Maria del Popolo wurde sofort
ganz ausgeleert, die dortigen Mönche metzelte man nieder. Die Nonnenklöster
Santa Maria in Campo Marzo, S. Silvestro und das auf Monte Citorio wurden
mit namenlosen Greueln erfüllt. Wo man in arme Klöster einbrach,
rächte man die Täuschung mit empörender Wut.
Man muß sich die Menge kostbarer Kirchengeräte in den Sakristeien
Roms vorstellen, um die Masse der Beute zu begreifen: all dies ward geraubt,
zerstört und geschändet. Die Apostelhäupter im Lateran,
das Andreashaupt im St. Peter und das Johanns in S. Silvestro teilten das
gleiche Schicksal. Die sogenannte heilige Lanzenspitze befestigte ein deutscher
Kriegsknecht an seinem eigenen Spieß; das Tuch der Veronika wanderte
durch tausend Hände und alle Tavernen Roms. Das große Kreuz
Constantins aus dem St. Peter ward durch den Borgo geschleppt und ging
dann verloren. Die Deutschen behielten als Andenken manche Reliquien, und
die lächerlichste Beute war wohl der dicke und zwölf Fuß
lange Strick, mit dem sich Judas erhenkt hatte. Schertlin nahm ihn aus
dem St. Peter mit sich in die Heimat. Auch die heiligste Kapelle Roms,
Sancta Sanctorum, wurde ausgeraubt.
Im St. Peter hatten einst die Sarazenen nicht ärger gehaust. Die
Spanier durchwühlten hier sogar die Gräber, selbst das Grab Petri,
wie es einst die Mauren getan hatten. Julius II. ward im Sarg ausgeplündert.
Den toten Sixtus IV. schützte nur die Festigkeit seines bronzenen
Grabmals. Man würfelte auf den Hochaltären, man zechte mit Dirnen
aus Meßpokalen. In den Seitenschiffen und Kapellen, wie im Vatikanischen
Palast stellte man Pferde ein. Zur Streu dienten Bullen oder Handschriften,
die einst humanistische Päpste gesammelt hatten. Nur mit Mühe
rettete Oranien die Vatikanische Bibliothek, da er im Palast Wohnung genommen
hatte. Die Straßen sah man überstreut mit Fetzen von Schriften
und Registern päpstlicher Kanzleien.
Viele Archive in Klöstern und Palästen gingen zugrunde, wodurch
für die Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter ein unersetzlicher
Verlust entstand. Der Mangel an Urkunden im Archiv des Kapitols wird heute
nur durch diese Plünderung erklärt. Auch Kunstwerke gingen verloren.
Die flandrischen Tapeten Raffaels wurden geraubt und verkauft, die schönen
Glasmalereien Wilhelms von Marcillat zertrümmert. Sinnloser Nationalhaß
hat freilich den Landsknechten angedichtet, was sie niemals verübt
haben. Nicht einmal der Qualm von Fackeln der Kriegsknechte hat die Fresken
Raffaels geschwärzt, und die gehässige Beschuldigung, daß
die Deutschen mutwillig die schönsten Statuen zerschlagen haben, wird
durch die Fortdauer aller damals vorhandenen Meisterwerke des Altertums
wie der Renaissance widerlegt.
Nach den ersten drei Tagen erließ der Prinz von Oranien das Verbot,
ferner zu plündern; alle Truppen sollten sich nach dem Borgo und Trastevere
zurückziehen; doch niemand gehorchte ihm. Man fuhr fort, Gefangene
fortzuschleppen, man plünderte alle Häuser bis auf die ärmlichste
Wohnung des Wasserträgers. Auch drang Landvolk von den Gütern
der Colonna in die Stadt, wo es auf den Spuren der Kriegsknechte seine
Ährenlese hielt. Pierluigi Farnese, ein Epigone Cesare Borgias, der
gräßliche Bastard des Kardinals, welcher ihn später als
Papst groß machen sollte, griff in Rom gierig zu. Der kaiserlichen
Partei hatte er sich aus Raublust angeschlossen. Mit einer Beute, die man
auf 25.000 Dukaten schätzte, zog er von Rom ins Patrimonium ab, sie
in einem Kastell seiner Familie zu bergen. Das Volk von Gallese aber plünderte
diese Karawane aus.
Acht Tage lang blieben die Paläste der Kardinäle Valle, Cesarini,
Enkevoirt und Siena verschont, da sie spanische Hauptleute aufgenommen
und je 35.000 und mehr Dukaten dafür gezahlt hatten. Als aber die
Landsknechte sahen, daß sich die Spanier der besten Häuser bemächtigten,
gerieten sie in Wut; vier Stunden lang bestürmten sie den Palast Siena,
plünderten ihn, nahmen alles darin gefangen und schleppten den Kardinal
Piccolomini nach dem Borgo mit sich fort. Hierauf entwichen die andern
drei Kardinäle in den Palast Pompeos, worauf die Landsknechte auch
in ihre Wohnungen einbrachen. Die Beute im Haus Valle wurde auf 200.000
Dukaten, auf ebensoviel die bei Cesarini, auf 150.000 der Wert des Palasts
Enkevoirt geschätzt, wozu noch die Lösungen der Gefangenen kamen.
Glücklich rettete sich Isabella Gonzaga aus diesen Greueln. Noch
am 5. November hatte sie den für ihren Sohn Ercole erkauften roten
Hut vom Papst in den Palast Colonna geschickt erhalten, welchen sie damals
bewohnte, nachdem sie vorher im Palast Urbino bei S. Maria in Via Lata
gewohnt hatte. Durch ihren zweiten Sohn Don Ferrante, den General der Reiterei
im Heere Bourbons, längst gewarnt, hatte die Markgräfin diesen
Palast mit Lebensmitteln versehen, bewaffnen und vermauern lassen. Sie
schützte darin 3.000 Flüchtlinge, darunter auch Domenico Massimo.
Vier italienische Gesandte hatten sich zu ihr gerettet, der Bevollmächtigte
Mantuas Francesco Gonzaga, die Vertreter Ferraras und Urbinos und der venetianische
Botschafter Domenico Venier, welcher die Engelsburg nicht mehr hatte erreichen
können. Noch in der Schreckensnacht eilten dorthin der Graf Alessandro
von Nuvolara, dessen schöne Schwester Camilla bei der Markgräfin
war, und ein Verwandter des Herzogs von Sessa, Don Alonso de Cordoba, welchem
noch Bourbon den Schutz der edlen Fürstin anbefohlen hatte. Man zog
diese Kapitäne an einem Seil in den Palast. Sie verlangten 50.000
Goldgulden für sich selbst, 10.000 von den venetianischen Flüchtlingen
und ebensoviel als Anteil Don Ferrantes. Dieser selbst kam erst in der
zweiten Stunde der Nacht, von der Wache an der Engelsburg herbeieilend,
die ihm übertragen worden war. Nuvolara und Alonso wollten ihn nicht
eher einlassen, bis er ihnen versprach, niemand anders als seine eigne
Mutter von der Schatzung auszunehmen. »Es war schwer«, so schrieb
später Ferrante an seinen Bruder in Mantua, »Madame zu befreien,
denn Gerüchte sagten im Lager, daß sich in diesem Palast für
mehr als zwei Millionen Wert befände, und daran war allein ihr Erbarmen
schuld, da sie mehr als 1200 Edelfrauen Roms und 1.000 Männer aufgenommen
hatte.« Alle übrigen Gefangenen mußten sich mit 60.000
Gulden abkaufen. Venier, der sich dem Nuvolara gefangen gegeben, sollte
5.000, Marcantonio Giustiniani 10.000 Dukaten erlegen. Spanische Wache schützte
den Palast dem Abkommen gemäß. Aber die Landsknechte drohten,
ihn zu stürmen, und nur mit Mühe hielt sie Oranien und der Graf
Lodron zurück. Aus Furcht verließ deshalb Isabella mit ihrem
Hofstaat und den italienischen Gesandten den Palast am 13. Mai, geleitet
von ihrem Sohn, der sie auf einem Tiberkahn nach Ostia brachte. Von dort
zogen die Flüchtlinge, unter ihnen auch der als Sackträger verkleidete
Venier, zu Pferde nach Civitavecchia.
Venier traf in Ostia andere Flüchtlinge, Caraffa und Tiene mit
den Theatinern. Nach vielen Mißhandlungen, welche sie in ihrem Ordenshause
auf dem Pincio und dann als Gefangene erduldet hatten, waren auch sie auf
einem Tiberkahn entronnen. Der Botschafter bewog sie, sich auf einem venetianischen
Fahrzeug einzuschiffen, und so gelangten die Theatiner in das Asyl Venedig.
Nach Civitavecchia entrann auch Domenico de Cupis, der Kardinal von Trani,
mit den Söhnen der Madonna Felice Orsini, die im Hause Enkevoirts
eine hohe Schatzung hatten erlegen müssen. Sie wanderten viele Meilen
zu Fuß, bis sie den Hafen erreichten, welchen die Schiffe Dorias
sicherten. Dort befand sich auch der Kardinal Scaramuccia Trivulzio, der
Rom kurz vor der Katastrophe verlassen hatte, um sich nach Verona zu begeben.
Dort war auch Machiavelli, welchen Guicciardini zu Andrea Doria abgesandt
hatte.
Derselbe Kardinal Caetanus, der in Augsburg Luther so hochfahrend behandelt
hatte, wurde von Landsknechten durch Rom geschleppt, bald mit Fußtritten
fortgestoßen, bald herumgetragen, eine Sackträgermütze
auf dem Kopf. So zerrte man ihn fort zu Wechslern oder Freunden, sein Lösegeld
aufzubringen. Weinend ließ der Papst die Deutschen bitten, »das
Licht der Kirche nicht auszulöschen«. Auch der alte kaiserlich
gesinnte Kardinal Ponzetta von S. Pancrazio wurde erst seiner 20.000 verscharrten
Dukaten beraubt, dann mit auf den Rücken gebundenen Händen durch
Rom geschleppt. Nach vier Monaten starb er elend in seinem leeren Hause.
Cristoforo Numalio, der Franziskaner-Kardinal, wurde aus seinem Bett gerissen,
auf eine Totenbahre gelegt und in Prozession fortgetragen. Die Landsknechte
sangen ihm dabei, Kerzen in den Händen, possenhaft die Exequien. So
brachten sie ihn nach Aracoeli, wo sie ihn niedersetzten und ihm die Leichenrede
hielten. Sie öffneten ein Grab, in welches sie ihn zu versenken drohten,
wenn er nicht das Verlangte zahlte. Der Kardinal bot seine ganze Habe;
die Peiniger trugen ihn in sein Haus zurück, um ihn dann wieder zu
allen denen umherzuschleppen, von welchen er Geld aufzunehmen hoffen konnte.
Die Plünderung Roms in den barbarischen Zeiten Alarichs und Geiserichs
war menschlich zu nennen im Vergleich zu den Greueln, welche das Heer Karls
V. beging. Man wird sich an jenen Triumphzug der christlichen Religion
mitten durch das von den Goten geplünderte Rom erinnern, aber keine
solche Handlung der Pietät im Jahre 1527 entdecken. Hier sah man nur
bacchantische Aufzüge von Landsknechten, welche von halbnackten Hetären
begleitet zum Vatikan ritten, dem Papst Tod oder Gefangenschaft zuzutrinken.
Lutheraner wie Spanier und Italiener ergötzten sich damit, die heiligen
Zeremonien nachzuäffen. Man sah Landsknechte auf Eseln als Kardinäle
einherreiten, einen als Papst verkleideten Knecht in ihrer Mitte; so zogen
sie oftmals bis vor die Engelsburg, wo sie schrien, daß sie jetzt
nur fromme und dem Kaiser gehorsame Päpste und Kardinäle machen
würden, welche keine Kriege mehr führen sollten, und wo sie Luther
zum Papst ausriefen. Trunkene Söldner bekleideten einen Esel mit geistlichen
Gewändern und zwangen einen Priester, ihm das Sakrament zu geben,
während das Tier auf Knien lag. Der unselige Geistliche verschluckte
jedesmal die Hostie, bis ihn seine Quäler zu Tode marterten. Andern
Priestern preßte man unter gräßlichen Martern die Beichte
wirklicher oder erdichteter Verbrechen ab.
Der Zustand Roms während der ersten Woche der Plünderung hätte
Steine zum Erbarmen rühren können, doch das entmenschte Kriegsvolk
fühlte dieses nicht. Der Franzose Grolier, der sich in das Haus des
spanischen Bischofs Cassador gerettet hatte, stieg oft auf das Dach hinauf,
und was er dort hörte und sah, hat er in diesen Worten ausgedrückt:
»Überall Geschrei, Waffengetöse, Geheul von Weibern und
Kindern, Knistern von Flammen, Gekrach fallender Dächer, so starrten
wir voll Furcht und lauschten, als wären wir allein vom Schicksal
aufbewahrt, den Untergang des Vaterlands zu schauen.« Als ein Hiob
in Sack und Asche konnte jetzt Clemens VII. von der Engelsburg zum Himmel
seufzen, weil so furchtbare Tage des Gerichts über das in Selbstvergötterung
versunkene Papsttum hereingebrochen waren. Er blickte auf die Flammen seiner
schönen Villa am Monte Mario, welche der Kardinal Pompeo aus Rache
für seine verbrannten Schlösser anzünden ließ; doch
was waren sie gegen die Feuersäulen Roms!
Um sich gegen Ausfälle aus der Engelsburg zu schützen, hatten
die Kaiserlichen vor dem Ponte S. Angelo von der Torre di Nona bis zum
Palast Altoviti einen Laufgraben aufgeworfen, aus dem sie unaufhörlich
feuerten. Dies Kastell bot ein unbeschreibliches Bild der Verwirrung dar,
von mehr als 3.000 geflüchteten Menschen, in ihrer Mitte der Papst
und dreizehn Kardinäle. Auf seiner Spitze wehte neben dem Friedensengel
die rote Kriegsfahne, und stündlich hüllten es die donnernden
Geschütze in Pulverdampf. Neunzig Schweizer und 400 Italiener bildeten
seine Besatzung; die Artillerie befehligte der Römer Antonio S. Croce,
und unter ihm diente Benvenuto Cellini als Bombardier. Es fehlten die Lebensmittel.
Eselsfleisch wurde zum Leckerbissen für Kardinäle und Bischöfe.
Die Spanier sperrten alle Zufuhr ab; sie erschossen sogar Kinder, die im
Graben des Kastells Kräuter an Stricke banden für die Hungernden
dort oben, und ein Hauptmann erhenkte mit eigener Hand ein altes Weib,
welches dorthin für den Papst ein wenig Salat gebracht hatte.
Am 10. Mai kamen Pompeo, Ascanio und Vespasiano mit Kriegsvolk. Der
Anblick seiner verwüsteten Vaterstadt preßte dem rachsüchtigen
Kardinal Tränen aus: er fand das ganze römische Volk wie auf
einer einzigen Folterbank ausgespannt: Tausende unbegrabener Leichen verpesteten
die Straßen. Er nahm Wohnung in der Cancellaria, die er zu einem
Asyl machte; in einem einzigen Saal drängten sich dort 500 Nonnen
zusammen, die alle geborgen wurden. Selbst von den Santa Croce, durch die
einst sein Vater umgekommen war, nahm er eine Matrone und deren schöne
Tochter auf und kaufte sie los. Jovius hat den am Unglück Roms mitschuldigen
Kardinal als einen Rettungsengel dargestellt und wohl mäßigte
sein Erscheinen die Frevel hie und da. Es wurde auch eine militärische
und zivile Obrigkeit eingesetzt: La Motte war Befehlshaber der Stadt und
Philibert des Heers. Seinen Rat bildeten Bemelberg, Nagera, Lodron, Urbina,
Pompeo und Vespasiano, Morone, Gattinara und andere. Zu richten gab es
genug, denn Eifersucht entzweite die Nationen im Heer; mit den Schwertern
entrissen sie einander den Raub. Die Deutschen fuhren eines Tags Kanonen
im Campo di Fiore auf, den Spaniern eine Schlacht zu liefern, und kaum
verhinderten die Führer den Massenkampf.
Acht Tage lang dauerte die eigentliche Plünderung. In so kurzer
Zeit ward erbeutet, was lange Raubsucht in dieser Priesterstadt aufgehäuft
hatte. Geräte, Gewänder, Tapeten, Bilder, eine ganze Welt von
Kunstwerken der Renaissance, wurden wie Plunder aufgehäuft und so
auch behandelt. »Spanier und Landsknechte teilten sich Perlen mit
Schaufeln zu; der elendeste Knecht besaß 3-4.000 Dukaten.« Auf
Plätzen und Straßen sah man Gruppen von Landsknechten, welche
über Brettern oder auf dem nackten Boden würfelten. Um Spottpreise
schleppten den Reichtum Roms die lachenden Juden in ihren Ghetto. Auf zwanzig
Millionen Goldgulden schätzte man die Beute der Stadt. Und mit nur
250.000 Dukaten hätte der Papst zur rechten Zeit diesen grenzenlosen
Untergang verhindern können. Als die Häuser geleert waren, durchsuchte
man die Gärten, die Kanäle, selbst die Gräber. Mit ihren
eigenen Händen mußten vornehme Römer Kloaken ausschöpfen,
denn auch dort konnte Gold versteckt sein. Mancher Schatz entging den Räubern,
ohne doch wieder in die Hände der Besitzer zu gelangen, weil Tod sie
hingerafft hatte.
Gleich nach der ersten Furie des Mordens war den Gefangenen die Schatzung
aufgelegt worden, ihre größte, weil längste Qual. »In
ganz Rom«, so sagt ein Bericht, »ward kein Sterblicher über
drei Jahre gefunden, der sich nicht loskaufen mußte.« Die Spanier
verschonten selbst ihre Landsleute nicht; Perrenot, der nachmals berühmte
Granvella, des Kaisers Sekretär, wurde um 2.000 Dukaten abgeschätzt.
Viele kauften sich mehrmals los. Der kaiserlich gesinnte Bischof von Potenza
ward dreimal geschätzt und zuletzt doch umgebracht. Zu Hunderten wurden
diese Elenden an Stricken hin und her geführt. Man verkaufte sie in
den Soldatenlagern oder würfelte um sie. Man marterte sie mit teuflischer
Grausamkeit. Manche gaben sich selbst den Tod. Der Florentiner Ansaldi
entriß seinem Quäler den Dolch und erstach erst ihn und dann
sich selbst. Girolamo von Camerino, Familiar Cibòs, stürzte
sich mit heroischer Kraftanstrengung rücklings durch das Fenster auf
die Straße. Viele verschmachteten im Gefängnis. Tausende, die
sich losgekauft, wanderten aus Rom, nach einer Hölle von Leiden das
Mitleid der italienischen Städte anzusehen, wie ihre Vorfahren in
Alarichs Zeit.
Vornehme Frauen wurden vor den Augen der Eltern und Männer die
Opfer des ersten besten Knechts. Als dies Los auch die Töchter des
Domenico Massimo traf, erblickte man darin die Strafe für den Geiz
des Vaters. Vergebens umklammerten edle Römerinnen die Altäre
der Klöster; man riß sie samt den Nonnen hinweg, um sie in die
Lagerhöhlen trunkener Soldaten abzuführen. Herrliche Frauengestalten,
göttergleiche Ideale für Raffael und Michelangelo, sah man nackt
und weinend von Kriegsknechten durch Rom schleppen, dagegen Kurtisanen
lachend einhergehen, in Purpurmäntel oder goldne Meßgewänder
gehüllt, während Landsknechte wiederum Priester in Weiberkleidern
mit sich zerrten. Marquisen, Gräfinnen und Baronessen, so sagt Brantôme,
bedienten jetzt die ausgelassenen Krieger, und noch lange nachher nannte
man die vornehmen Damen der Stadt »die Reliquien des Sacco von Rom«.
Man mag sich heroische Frauen vorstellen, die sich von einem Altan oder
einer Brücke in den Tod hinabstürzen, und es ist wohl nur Lust
an Bosheit, wenn ein Geschichtschreiber des Sacco sagt, daß von solchen
Lucrezien auch nicht eine mit Namen zu verzeichnen sei. [...]
In der menschlichen Geschichte gibt es kaum ein gleich furchtbares Schauspiel
vom Wechsel des Glücks als dieses im Sacco Roms. Seine Möglichkeit
konnte ein Mann wie Poggius nicht ahnen, als er sein Buch "De Varietate
Fortunae" schrieb. Es verwandelte sich plötzlich übervolles Glück
in jammervolles Elend, zerlumpte Armut in prangenden Reichtum. Jene Krieger
Frundsbergs und Bourbons, welche wie hungernde Wölfe bei Regen und
Sturm durch die Provinzen Italiens gewandert waren, zogen jetzt in Rom
einher in Purpurkleidern, die Taschen gefüllt mit Edelsteinen, funkelnde
Bänder um die nervigen Arme, den Hals umwunden mit dem goldenen Schmuck
edler Frauen oder heiliger Madonnen. Man sah Landsknechte, welche die kostbarsten
Perlen in ihre Schnurrbärte eingeflochten hatten. Sie tafelten in
Prachtpalästen vom Gold und Silber der Kardinäle, bedient von
zitternden Großen. In einer einzigen Nacht war die glänzende
Hülle von Rom gefallen, und wie in mittelalterlichen Schauspielen,
welche man Moralitäten nennt, war die üppige Gestalt der Roma
als ein moderndes Gerippe, das nackte Laster, sichtbar geworden. Was waren
jetzt diese Schwärme von Pharisäern und Höflingen, Kardinäle,
Bischöfe, Monsignoren, Protonotare, Ordensgenerale, Richter, Barone
und Signoren, alle diese im Pomp der Etikette mit Protektormienen einherwandelnden
Herren und Herrendiener, welche gewohnt gewesen, sich für die Blüte
der Welt zu halten und auf Nichtrömer mit Geringschätzung herabzusehen!
Zerlumpt und zerschlagen wankten sie in den Straßen umher oder lagen
sie auf den Foltern, oder sie dienten dem rohen Kriegsvolk als Köche,
Stallknechte, Wasserträger in ihren eigenen ausgeraubten Palästen.