Die Voulet-Chanoine-Expedition
Offiziere, die Könige sein wollten.
Eines der seltsamsten Ereignisse der an Merkwürdigkeiten und Absurditäten
sicher nicht gerade armen Kolonialgeschichte ist die so genannte Voulet-Chanoine-Expedition.
In der Fischer Weltgeschichte Band 32 ist darüber zu lesen: "Die in
den Sudan aufgebrochene Kolonne stand unter Führung der Hauptleute
Voulet und Chanoine, die offenbar in plötzliche geistige Umnachtung
fielen und den Obersten Klobb, der zu ihnen gestoßen war, ermordeten."
Obwohl die Geschichte zu ihrer Zeit für gewaltigen Wirbel sorgte,
wurde sie jedoch bald totgeschwiegen und zum Großteil aus den französischen
Akten gelöscht. Beschäftigt man sich jedoch heute damit, erkennt
man schnell, dass es sich dabei nicht um die Aktion zweier vereinzelter
Psychopathen handelte, sondern viel mehr um den alltäglichen Wahnsinn,
den die Kolonialpolitik hervorbrachte.
Hauptmann Paul Voulet war der Sohn eines Arztes. Er war bereits mit
19 Jahren zur Armee gegangen, hatte in Indochina gedient und war dann nach
Westafrika gekommen. Er hatte eine gute Erziehung und galt als charmanter
und fähiger Offizier. Leute, die ihn besser kannten, bezeichneten
ihn jedoch als schwachen Charakter, der völlig unter dem Einfluss
seiner schwarzen Geliebten und dem seines Freundes Leutnant Charles Chanoine
stand. Dieser Chanoine war der Sohn eines Generals, und hatte Dank der
Protektion seines Vaters schnell Karriere gemacht. Das hatte ihm jedoch
den Neid einiger Offiziere eingebracht, von denen ihn viele für einen
arroganten Dandy hielten. Beide waren aus guter Familie und wollten wie
allgemein üblich den Kolonialdienst als Sprungbrett bei ihrer militärischen
Karriere benutzen. Man konnte also großes von ihnen erwarten.
1897 hatten sie bereits eine erfolgreiche Expedition gegen das Reich
von Wagadugu in Obervolta geführt. Dabei hatten sie schrecklich gewütet.
Sie machten durch das Niederbrennen zahlreicher Dörfer und Massenerschießungen
von sich reden und fielen schnell in der nicht gerade sensiblen Zeit durch
besondere Grausamkeit auf. Diese richteten sie jedoch nicht nur gegen den
Feind, sondern auch die eigenen Soldaten bekamen bei jeder Gelegenheit
Peitsche und Säbel zu spüren. Bald hatten sie einen Ruf als leidenschaftliche
Sadisten, und der Historiker Douglas Porch bezeichnet sie als eine Kombination
aus "Attila dem Hunnen und Bomber Harris". Trotz oder vielleicht auch gerade
wegen dieser berüchtigten Methoden, wurde ihnen 1898 das Kommando
über eine Expedition gegeben, die das Reich des Sklavenhändlers
Rabeh am Tschadsee erobern sollte. Ihre Befehle waren so vage, dass sie
praktisch einer Freikarte für Mord- und Totschlag gleichkamen. "Ich
will ihnen nicht vorschreiben, welcher Route sie folgen sollen, noch wie
die eingeborenen Häuptlinge und die Bevölkerung behandelt werden
muss," schrieb das Kolonialministerium.
Sie sammelten ihre Truppen am Oberlauf des Niger in Koulikoro in der
Nähe von Segou. Dabei handelte es sich insgesamt um 9 Weiße
Offiziere und 3 Unteroffiziere, 50 Tirailleurs Sénégalais,
20 Spahis Soudanais, und 30 Hilfskräfte, die als Dolmetscher oder
politische Agenten deklariert wurden. Neben diesen recht bescheidenen Kräften
waren 400 eingeborene Krieger als Hilfstruppe rekrutiert worden.
Das war die übliche Methode, um Menschen und Material zu sparen. Die
Eingeborenen erhielten 15 Francs im Monat, plus Essen und das Recht zu
plündern. Man machte sich hier die allgemeinen Stammesfehden und die
Raublust der kriegerischen Stämme zu nutze um auf möglichst billige
Weise Truppen zu rekrutieren. Der Effekt war dabei allerdings, dass die
Hilfstruppen in ihrer Beutegier ganze Landstriche verwüsteten und
deren Infrastruktur zerstörten. Frankreich konnte dann zwar offiziell
sein Territorium ausdehnen, aber meist gab es dort nicht mehr viel zu verwalten.
Man sollte allerdings betonen, dass sich Briten, Belgier und Deutsche ähnlicher
Methoden bedienten.
Um diese Krieger mit der notwendigen Feuerkraft zu versorgen, war die
Expedition außergewöhlich gut mit Waffen ausgerüstet. Sie
verfügte über ca. 500 Repetiergewehre, eine Menge Munition und
ein 8cm Geschütz. Dazu kam dann noch Verpflegung bis hin zu einigen
Kisten Champagner und Cognac, ohne die kein französischer Offizier
in die Wildnis zog. Die Frage war nur, wie diese Menge Material transportiert
werden sollte. Voulet und Chanoine dachten nicht daran, eine ausreichende
Zahl Träger anzuwerben. Außerdem hatte das Kolonialministerium
auch gar die entsprechenden Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Sie
lösten das Problem auf die in dieser Zeit übliche Weise; sie "konskribierten"
kurzerhand 800 Träger, d.h. sie bedienten sich der gleichen Methoden
wie die Sklavenhändler, indem diese Menschen einfach mit Gewalt zum
Dienst gepresst wurden. Zu dieser inzwischen ernormen Menschenmenge kamen
dann noch zahlreiche Frauen der Soldaten. So dass schließlich
2.000 Personen beisammen waren.
Damit sah sich die Kolonne gleich ihrem Hauptproblem gegenüber.
Es war praktisch unmöglich eine derart gewaltige Menschenmenge aus
dem Land zu versorgen, wo die Einheimischen selbst oft kaum das Allernotwendigste
zum überleben erwirtschafteten. Um diesem Problem zu begegnen, teilten
sie am Anfang die Kolonne. Chanoine nahm mit der Masse der Träger
und den Tirailleurs den kürzeren Landweg und schnitt den Nigerbogen
ab, Voulet dagegen fuhr mit Booten den Fluss hinab. In Timbuktu gab es
eine französische Garnison unter dem Kommando von Oberstleutnant Klobb.
Voulet wurde dort freundlich empfangen und Klobb gab ihm noch von den Truppen
der Garnison 70 Tirailleurs und 20 Spahis zur Unterstützung mit. Während
Voulet auf dem Fluss einen relativ einfachen Weg hatte und vor allem genug
Verpflegung in den Siedlungen am Ufer fand, war der Weg durch die Wüste
des Nigerbogens für Chanoines Kolonne wesentlich schwieriger. Von
Anfang an hatte er viel zu wenig Proviant für die zahlreichen Menschen.
Seine Truppen raubten deshalb der ohnehin schon armen Bevölkerung,
was sie erbeuten konnten. Da dies dennoch zu wenig war, wurde zuerst am
Essen der Träger gespart gespart. Bald waren diese völlig entkräftet
und die ersten versuchten zu entfliehen. Chanoine ließ jedoch jeden,
der zurückblieb töten und erschoss selbst zur Abschreckung gnadenlos
jeden "Deserteur". Als sich die beiden Kolonnen schließlich wieder
am Niger vereinigten, waren bereits 148 Träger tot.
Im Januar 1899 brach die Armee dann von Say auf. Sie war immer noch
fast 2.000 Menschen stark, denn die Verluste wurden zum Teil durch neue
zwangsrekrutierte Träger und geraubte Frauen ersetzt. Die Kolonne
bewegte sich nun durch die trockene Halbwüste der Sahelzone. Keiner
der Offiziere hatte Erfahrungen in dieser Region. Als Wasser und Essen
immer knapper wurden, kam es zu Streitereien unter den Offizieren, die
sich gegenseitig die Schuld zuschoben. Schließlich schickte Voulet
einen Leutnant wegen "Inkompetenz" zurück. Doch das sollte verheerende
Folgen haben, denn dieser berichtete ausführlich von den Gräueltaten
der Expedition. Die Kolonialbeamten in Westafrika versuchten zwar die Angelegenheit
unter den Tisch zu kehren, doch der Leutnant schrieb auch nach Paris, wo
sein Brief das Kolonialministerium erreichte. Er berichtete unter anderem,
dass Chanoine dem Arzt verboten hatte, die völlig erschöpften
und kranken Träger zu untersuchen. Gegen Fluchtversuche waren die
Träger wie Sklaven zu fünft zusammenkettet worden. Die, die nicht
weiter konnten, waren sofort enthauptet worden. Ganze Dörfer, die
nicht schnell genug die notwendige Verpflegung oder neue Träger gestellt
hatten, waren niedergebrannt und die Bevölkerung massakriert worden.
Oft floh die Bevölkerung schon beim bloßen Anblick der Trikolore.
Die Soldaten hatten Überfälle auf Dörfer gemacht, dabei
Träger und Frauen geraubt und völlig ungehemmt geplündert.
Voulet und Chanoine waren aber auch zu den eigenen Soldaten äußerst
grausam. So war ein Tirailleurs erschossen worden, da er einen kranken
Träger erschossen hatte anstatt ihn mit dem Bajonett zu erstechen;
ein anderer, weil er seine Munition verloren hatte. Von der Peitsche wurde
bei der kleinsten Gelegenheit ausgiebig Gebrauch gemacht.
In Frankreich hätte man vielleicht auch diese Nachrichten ignoriert.
Allerdings waren Armee und Regierung wegen der Dreyfus-Affäre so unter
Druck, dass sie um alles in der Welt einen weiteren Skandal vermeiden wollten.
Also wurde der Brief zum Staatsgeheimnis erklärt, und Oberstleutnant
Klobb erhielt den Befehl, dem Expeditionskorps zu folgen und die Vorgänge
zu untersuchen. Da die Kolonne jedoch einen Vorsprung von mehreren Monaten
hatte, musste sich Klobb beeilen. Er stellte deshalb nur eine Truppe von
36 Tirailleurs einigen Spahis und 13 Trägern zusammen. Begleitet wurde
von einem französischem Offizier: Leutnant Meynier.
Für Voulet und Chanoine war die Situation inzwischen immer verzweifelter
geworden. Im Sahel fanden sie nur äußerst wenige Dörfer,
um Lebensmittel zu plündern. Dafür schlugen sie um so brutaler
zu, wenn sie auf eine Siedlung trafen. Schließlich richteten sie
ihren Zorn gegen die Führer, von denen sie viele hängen ließen.
Jeder der nicht Schritt halten konnte, wurde getötet. Die Soldaten
raubten Vieh und Frauen, wenn sich eine Gelegenheit bot. Einmal ließ
Voulet 150 gefangene Frauen und Kinder massakrieren, da ein Dorf Widerstand
geleistet hatte, bei dem 2 Tirailleurs getötet worden waren.
Klobb hatte keine Mühe ihrer Spur zu folgen. Überall stieß
er auf niedergebrannte Hütten, ermordete Träger, erhängte
Frauen und Kinder, die Reste von Kadavern. Voulet hatte die Führer,
so dicht über dem Boden hängen lassen, dass die Beine von Hyänen
gefressen worden waren. Einmal stieß Klobb auf die Körper von
13 Frauen, die um die Asche eines niedergebrannten Dorfes hingen. Selbst
dieser alte abgehärtete Kolonialoffizier musste das Gefühl gehabt
haben, dass Eile geboten war. Im Juli 1899 erreichte er ein Dorf in der
Nähe von Kano und erfuhr, dass Voulets Kolonne nur ein paar Stunden
voraus war. Er schickte Boten an Voulet mit einem Brief, dass er seines
Kommandos enthoben sei. Voulet und Chanoine verhinderten, dass die Boten
mit den französischen Offizieren in Kontakt kamen und überlegten,
was zu tun sei. Flucht war unmöglich, da sie mit ihren vielen kranken
Trägern viel langsamer als Klobb marschieren mussten. Also schickten
sie die Franzosen und die Soldaten, die vorher unter Klobb gedient hatten,
auf ausgedehnte Raubzüge ins Umland. Dann schickte Voulet Klobb einen
Brief, in dem er ankündigte, dass er eher sein Leben opfern würde,
als sich zu unterwerfen, und drohte Klobb als Feind zu behandeln, falls
dieser sich nähere. Klobb ließ sich davon nicht abhalten und
rückte näher. Voulet versammelte inzwischen seine Unteroffiziere
und erklärte ihnen, dass Klobb ihnen all die Sklaven abnehmen wolle,
die er, Voulet, ihnen gegeben habe und fragte sie dann, ob sie ihm oder
Klobb gehorchen wollten. Natürlich stimmten alle für ihn, jede
andere Option wäre sicher tödlich verlaufen.
Als am nächsten Tag Klobbs Truppe in Sichtweite kam, ließ
Voulet seine Leute in Stellung gehen. Klobb war überzeugt, dass niemand
auf ihn als Vorgesetzten feuern würde und rechnete vor allem mit der
Ergebenheit seiner alten Soldaten in Voulets Reihen. Also befahl er seinen
Männern unter keinen Umständen zu feuern und ging allein auf
den Gegner zu. Voulet ließ seine Soldaten zwei Salven in die Luft
abgeben, doch Klobb kam weiter auf sie zu und wandte sich dabei an die
Tirailleurs, die er an ihre Pflicht zu erinnern versuchte. Voulet bedrohte
daraufhin seine eigenen Männer mit dem Revolver und befahl ihnen zu
feuern. Bei der zweiten Salve wurde Klobb getötet und Meynier verwundet;
ihre Soldaten flüchteten daraufhin.
Damit hatte Voulet mit Frankreich gebrochen. Als am selben Abend die
anderen französischen Offiziere zurückkehrten erklärte er
ihnen: "Ich bin nun ein Gesetzloser. Ich verzichte auf meine Familie und
mein Land. Ich bin kein Franzose mehr, sondern ein schwarzer Häuptling.
Wir werden ein starkes uneinnehmbares Reich gründen, das ich mit einer
gigantischen wasserlosen Wüste umgeben werde." Anschließend
nahm er seine schwarzen Unteroffiziere beiseite und sprach zu ihnen auf
ähnliche Weise. Er sei kein Offizier mehr, sondern ein Kriegshäuptling,
er würde mit ihnen ein Reich am Tschadsee erobern und sie alle zu
Häuptlingen machen.
Die weißen Offiziere wurden vor die Entscheidung gestellt, sich
entweder den Rebellen anzuschließen, oder zur Küste zurückzukehren.
Allerdings war es ihnen im letzteren Fall verboten "Deserteure" mitzunehmen.
Da sie keinerlei Einfluss auf die inzwischen völlig undisziplinierten
Truppen hatten, entschlossen sie sich schließlich zur Umkehr. Sie
wurden am nächsten Tag zurückgelassen, während Voulet und
Chanoine mit den Truppen und Tross weiterzogen.
Doch auch unter den schwarzen Soldaten gärte es. Sie hatten sehr
wohl zur Kenntnis genommen, dass Voulet einen Vorgesetzten ermordet hatte
und dass sich die anderen Offiziere von diesem Vorgang distanziert hatten.
Vor allem die Unteroffiziere waren wahrscheinlich lange genug Soldat gewesen,
um sich letzten Endes keine großen Chancen gegen die französische
Militärmaschine auszuchnen. Sicher wollten sie weiter plündern,
dabei jedoch nicht auf der Seite der Verlierer stehen. Dazu kam sicherlich,
dass sich Voulet und Chanoine wegen ihrer Grausamkeit den Hass vieler Soldaten
zugezogen hatten. Die Sergeanten verabredeten deshalb eine Meuterei. Das
Trompetensignal zum Mittagessen sollte für alle das Zeichen sein,
zu den Waffen zu greifen. Als Voulet von einem Übersetzer jedoch von
diesen Plänen erfuhr, erschoss er den Mann, da er ihn nicht früher
informiert habe. Dadurch kam es dann sofort zum Ausbruch der Meuterei.
Voulet und Chanoine ritten auf die Tirailleurs zu und schossen auf sie.
Als diese dann das Feuer erwiderten, wurde Chanoine tödlich getroffen,
während Voulet mit einigen Getreuen fliehen konnte. Er wurde allerdings
am nächsten Tag bei einem Schusswechsel getötet, als er versuchte
wieder ins Lager zu kommen.
Die Mehrzahl der Meuterer unterwarf sich daraufhin den zurück gebliebenen
französischen Offizieren und setzte unter deren Kommando ihren Marsch
fort. Bald darauf eroberten sie Zinder und im nächsten Jahr vereint
mit anderen französischen Kolonnen das Reich des Sklavenhändlers
Rabeh am Tschadsee. Man kann deshalb annehmen, dass die Meuterer bei diesem
Feldzug weiterhin gute Beute gemacht haben, und letzten Endes die richtige
Entscheidung getroffen hatten.
Als die Nachrichten in Paris langsam an die Öffentlichkeit kamen,
gab es einen großen Skandal. Eine Untersuchungskommission wurde eingesetzt.
Schließlich schrieb man jedoch alles dem "Cafard" zu, jener legendären
Mischung aus Melancholie und Wahnsinn, von der französische Kolonialtruppen
in der Sahara immer wieder heimgesucht wurden. Die Schuld blieb bei den
Toten, obwohl General Chanoine alles tat, um die Ehre seines Sohnes wieder
herzustellen. Die Überlebenden wurden von jedem Vorwurf freigesprochen
und bald darauf begann man daran zu arbeiten, dass sich der Mantel des
Vergessens über die ganze peinliche Angelegenheit legte.
Man kann jetzt darüber spekulieren, in wie weit Voulet und Chanoine im
Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte waren, oder ob nicht die ganzen Taten von
zwei Wahnsinnigen verübt worden waren. Dabei sollte man jedoch beachten,
dass die beiden durchaus typische Produkte ihrer Zeit waren. Der Engländer
James Brooke hatte sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts auf Borneo ein
eigenes Reich erobert und war zum Raja von Sarawak aufgestiegen. Der
Amerikaner William Walker machte sich mit einer
Hand voll Abenteurer zum Präsidenten von Nicaragua. Henry Morton
Stanley eroberte für König Leopold
ein privates Imperium im Zentralafrika und wurde dafür in Europa als
neuer Pizarro bewundert. Cecil Rhodes hatte lediglich einen vagen Freibrief
der britischen Regierung in der Tasche als er sich daran machte im südlichen
Afrika ein eigenes Reich zu erobern, das schließlich sogar seinen
Namen erhielt. Der Deutsche Carl Peters nahm auf eigene Rechnung in Afrika
große Gebiete in Besitz, was er sich dann erst später von
der Reichsregierung als Kolonien legalisieren ließ. In der von ihm
wie einem feudalen Königreich verwalteten Kolonie wurde er bald für
seine Brutalität berüchtigt und schließlich als "Hänge-Peters"
bekannt.
Rudyard Kipling, der einige dieser Abenteurer persönlich kennen
gelernt hatte, schrieb seinen berühmten Roman "Der Mann, der König
sein wollte", der sich in Söldnerkreisen bis heute einer gewissen
Popularität erfreut. Diese Männer waren Conquistadoren. Oft handelten
sie im Auftrag einer fernen Regierung, manchmal ließen sie sich aber
wie Cortez ihr Handeln erst im Nachhinein bestätigen. Aber auch als
Offiziere konnten sie in den Kolonien meist wie kleine Könige herrschen.
Weitgehend sich allein überlassen, als Führer wilder Kriegerscharen,
mutierten sicher nicht wenige zu Häuptlingen, wie es ja von Joseph
Conrad in seinem Roman "Im Herz der Finsternis" beschrieben wird. Zudem
sollte man beachten, dass der Kolonialdienst natürlich auch einen
bestimmten Typus anzog, von denen einige erwarteten sich in den Kolonien
"richtig ausleben" zu können. So nannte der sozialdemokratische Vorwärts
Carl Peters ohne viel zu übertreiben einen "grimmigen Arier, der alle
Juden vertilgen will und in Ermangelung von Juden drüben in Afrika
Neger totschießt wie Spatzen und zum Vergnügen Negermädchen
aufhängt, nachdem sie seinen Lüsten gedient."
Natürlich waren diese Männer manchmal "wahnsinnig", doch es
war der normale Wahnsinn, wie er in fast allen Kolonien praktiziert wurde.
Die Probleme mit Voulet und Chanoine gab es erst, als ihnen Klobb ihr "Spielzeug"
wegnehmen wollte. Wäre es nicht dazu gekommen, hätte man wahrscheinlich
alle Beschwerden abgewiegelt und sie letzten Endes noch befördert.
Für ihre Zeitgenossen bestand ihr Wahnsinn ja nicht in den furchtbaren
Gräueltaten, die sie auf ihrem Weg fast pausenlos verübten, sondern
lediglich darin, einen Vorgesetzten getötet zu haben.