Sklaven und Sklavenjäger
Rabehs Reich am Tschadsee.
Liest man Berichte über die Eroberung Zentralafrikas, so entdeckt
man schnell, dass die Hauptlast der Kämpfe und Strapazen von schwarzen
Soldaten getragen wurde. Ägypten hatte bereits 1823 den Sudan unterworfen,
um sich dort Rekruten für seine Armee zu besorgen. Auch bei den arabischen
Sklavenhändlern, die von Norden und Osten immer weiter ins Landesinnere
vorstießen, bildeten schwarze Sklaven die Hauptmacht ihrer Streitkräfte.
Bei diesen Sklavenhändlern besorgten sich dann die Europäer oft
den Grundstock ihrer Kolonialarmeen; ob es sich hierbei um die Sudanesen
der Briten, die Senegalesen der Franzosen, die Askaris der Deutschen oder
die Force Publique des Kongo Freistaates handelte. Nachdem die Kolonialmächte
dann den Kontinent auf dem Berliner Kongress zumindest auf der Landkarte
verteilt und sofort mit der Bekämpfung des Sklavenhandels begonnen
hatten, kann man sich nicht ganz des Verdachts erwehren, dass hier auch
die Konkurrenz bei der Ausbeutung der menschlichen Ressourcen ausgeschaltet
werden sollte. Als die Franzosen später dann für die Schlachtfelder
des I. Weltkrieges 160.000 Mann aus Westafrika herauspressten, hätte
man das schließlich mit den anarchischen Methoden der Sklavenhändler,
die für ein paar hundert Sklaven ganze Landstriche nieder brannten,
wohl kaum leisten können.
Interessant ist an diesem Prozess vor allem die Phase des Übergangs,
als die Sklavenhändler mit Hilfe moderner Waffen damit begannen, regelrechte
Armeen aus Sklaven aufzustellen und eigene Reiche zu erobern, die dann
wieder den Europäern zum Opfer fielen. Man sollte dabei auch nach
Schlagkraft, Motivation und Loyalität dieser Sklavensoldaten fragen,
die am Kongo als "Wangwana" und am Nil als "Basinger" bekannt waren. Obwohl
sie offiziell Sklaven waren, scheinen sie ihren Herren viel mehr als echte
Söldner gedient zu haben. Bei siegreichen Feldzügen erwarteten
sie ihren Anteil an der Beute, und nach Niederlagen wechselten sie meistens
den Besitzer. Man liest zwar auch von Meutereien im Sudan und im Kongo
oder davon, dass eine versprengte Truppe herrenlos zurückblieb, wie
Emins Veteranen in Äquatoria. Doch selbst dann scheint kaum einer
von ihnen an Heimkehr gedacht zu haben, sie lebten statt dessen weiterhin
vom Raub, bis sie von einem stärkeren Gegner vernichtet oder in dessen
Truppen integriert wurden.
Einer der wichtigsten Akteure auf diesem Gebiet war Zubeir (auch Zuber)
Pascha, ein Araber aus Dongola im ägyptischen Sudan. Wie viele seiner
Landsleute handelte Zubeir offiziell im unerschlossenen Süden mit
Elfenbein, Gummi und Straußenfedern. Seine Haupteinnahmequelle war
jedoch die Jagd auf Sklaven unter den schwarzen Stämmen im Bahr el
Ghazal. Die meisten dieser Sklaven wurden nach Norden verkauft. Unter den
noch formbaren Jugendlichen wurden allerdings die kräftigsten ausgewählt
und im Gebrauch von Schusswaffen unterwiesen. Mit diesen äußerst
schlagkräftigen und loyalen Truppen konnte Zubeir ganze Landstriche
unterwerfen und seine Raubzüge weiter nach Süden ausdehnen. Schließlich
gebot er über eine Armee von mehreren tausend Sklaven und galt als
der ungekrönte König des Bahr el Ghazal, dessen Häuptlinge
ihm Tribut entrichten mussten. Die ägyptische Regierung versuchte
die auch für sie profitable Situation nur dadurch unter Kontrolle
zu halten, dass sie Zubeir 1873 zum Gouverneur der neuen Provinz ernannte.
Auf der Suche nach neuen Aufgaben erbot sich dann Zubeir für Ägypten
auch noch das alte Reich Darfur zu erobern. Als ihm dies jedoch in unerwartet
kurzer Zeit gelang, wurde sein Machtzuwachs dem Khedive langsam unheimlich,
so dass er nach Kairo geladen wurde. Obwohl Zubeir mit reichen Geschenken
und zahlreichen Sklaven bei Hof erschien, sollte er doch sein Reich für
Jahrzehnte nicht mehr wieder sehen. Der Großteil seines Gefolges
wurde ins ägyptische Militär gesteckt; er selbst erhielt zwar
ein fürstliches Gehalt und einen Palast in Kairo, das er aber nicht
mehr verlassen durfte. Nur als man ihn während des Mahdi-Aufstandes
der Konspiration verdächtigte, schaffte man ihn sogar nach Gibraltar.
Indessen wurden Zubeirs Geschäfte von seinem Sohn Soliman weitergeführt,
der allerdings bald mit der ägyptischen Verwaltung in Konflikt geriet.
Vereint mit den anderen Sklavenhändlern und den Basingern seines Vaters
schlug er die ägyptischen Truppen. Daraufhin schickte Gordon Pascha
der Verwalter der Sudan den italienischen Abenteurer Romolo Gessi mit neuen
Soldaten und dem Auftrag, dem Sklavenhandel im Bahr el Ghazal ein Ende
zu machen. Gessi jagte nun die arabischen Kaufleute und ließ sie
nach Khartum transportieren, natürlich nicht ohne ihre Basinger vorher
in seine Truppen einzugliedern. Nach und nach von seinen Versorgungsbasen
abgeschnitten akzeptierte Soliman schließlich ein Angebot Gessis
und unterwarf sich. Bald darauf (1879) wurde er jedoch als Opfer politischer
Intrigen hingerichtet.
Als Soliman kapitulierte, zog es ein Teil seiner Truppen unter der Führung
eines gewissen Rabeh vor, auf eigene Faust ihr Glück zu versuchen.
Rabeh war kein Araber wie er später behauptete, sondern der Sohn eines
schwarzen Sklaven aus Sennar, dem Grenzgebiet zu Äthiopien. Bei der
Eroberung des Sudan war Rabehs Vater von ägyptischen Truppen versklavt
und in ein Sudanbataillon gesteckt worden. Als Sohn eines Militärsklaven
war Rabeh zwar theoretisch frei, landete aber dennoch automatisch schon
als Trommlerjunge in der Armee. Allerdings scheinen die Geschäfte
der Familie nicht schlecht gegangen zu sein, denn Rabeh gelang es nach
einigen Jahren durch die Stellung zweier Sklaven als Ersatzmänner
entlassen zu werden. Auf der Suche nach einem neuen Tätigkeitsfeld
kam er in den Bahr el Ghazal, wo er von Zubeir Pascha, der ständig
Bedarf an Männern mit militärischer Ausbildung hatte, als Unterführer
und Drillmeister rekrutiert wurde. Rabeh muss sich unter Zubeir und dessen
Sohn Soliman gut geschlagen haben, denn als er Solimans Lager verließ,
folgten ihm mindestens tausend Mann von dessen besten Kriegern.
Es ist eigentlich äußerst erstaunlich, dass diese Männer,
die im Gegensatz zu Soliman nichts zu befürchten hatten, den Aufbruch
ins Ungewisse einem Dienst unter ägyptischen Fahnen vorzogen. Mit
Nationalgefühl oder ähnlichem hatte es sicher nichts zu tun.
Unter den Hauptleuten gab es zwar einige wenige Araber, die anderen waren
jedoch wie Rabeh Basinger der zweiten oder dritten Generation. Die große
Masse jedoch entstammte jedoch den Dinka, Schilluk oder anderen animistischen
Stämmen am oberen Nil und dem Bahr el Ghazal, wo man sie oft schon
als Kinder geraubt hatte. Im Gefolge eines Sklavenjägers hatten sie
nicht nur den Umgang mit Feuerwaffen gelernt, sondern waren auch Moslems
geworden und hatten eine neue Identität entwickelt. Aus der Beute
hatten sie Frauen erhalten, die ihnen nun samt Nachwuchs überall hin
folgten. Während der großen Raubzüge im Sumpfland des Bahr
el Ghazal bis über die Grenzen des Kongo Freistaates müssen sie
sich als unbesiegbare Krieger, als große Herren gefühlt haben,
denn nur so ist zu erklären, dass sie sich entschlossen, als neues
Volk ihr Glück im Herzen Afrikas zu suchen.
In der bergigen Region von Dar Fertit gelang es ihnen dann, ihre Verfolger
abzuschütteln. Hier ließ Rabeh dann einen ersten festen Stützpunkt
errichten, von dem aus Raubzüge nach Süden und Westen unternommen
wurden, bis die Häuptlinge von Dar Banda, Niam Niam und Dar Runga
seine Oberhoheit anerkannten und ihm Tribut entrichteten. Damit hatte sich
Rabeh ein recht beachtliches Fürstentum in Zentralafrika geschaffen.
Sein Machtbereich wurde nun im Westen durch die Reiche am Tschadsee und
im Norden durch das Sultanat von Wadai begrenzt. Da er sich diesen Gegnern
noch nicht gewachsen fühlte, richtete sich nun für mehrere Jahre
im Gebiet von Dar Runga ein und begann, seine Macht zu konsolidieren. Seine
Truppen überfielen die kleineren Stämme in den umliegenden Gebieten
und raubten Sklaven. Die Frauen wurden unter den Söldnern verteilt,
geeignete Rekruten in die Armee eingegliedert und der Rest gegen Waffen
und Munition nach Norden verkauft. Weitere Verstärkungen erhielt er
von ehemaligen Gefolgsleuten Zubeirs, die nach der Unterdrückung des
Sklavenhandels im Sudan nach neuen Jagdgründen suchten.
In dieser Zeit wurde der ägyptische Sudan von der Revolution der
Mahdisten überrollt, die 1885 dann Khartoum eroberten. Sowohl der
Mahdi wie auch sein Nachfolger schickten Botschaften an Rabeh, in denen
sie diesen aufforderten, ihre Herrschaft anzuerkennen. Doch der dachte,
dass der Mahdi weit sei und sicher genug andere Sorgen habe. Also ignorierte
er die Briefe und beschloss, sein eigener Herr zu bleiben. Sein grundlegendes
Problem war aber, dass er inzwischen von den großen Handelswegen
weitgehend isoliert war. Ein Feldzug gegen das Sultanat von Wadai war abgeschlagen
worden, so dass es immer schwieriger wurde, seine Truppen mit Waffen und
Munition zu versorgen. Bei den Raubzügen nach Süden wurden zwar
reichlich Sklaven und Elfenbein erbeutet, doch es fehlte an Möglichkeiten
diese abzusetzen. Doch da führte ein glücklicher Umstand neue
bedeutende Verstärkungen in Rabehs Lager. In Darfur war 1889ein großer
Aufstand gegen das Terrorregime der Mahdisten ausgebrochen und blutig niedergeschlagen
worden. Einige tausend der Aufständischen, darunter viele ehemaligen
Soldaten der ägyptischen Armee, zogen sich nach Osten zurück
und schlossen sich Rabeh an.
Jetzt fühlte sich Rabeh stark genug, den Sultan von Baghirmi am
Tschadsee anzugreifen. Monatelang belagerten seine Truppen die Hauptstadt,
die über eine feste Mauer verfügte. Erst nachdem ein sehr starkes
Entsatzheer aus Wadai geschlagen worden war, gelang es die Stadt einzunehmen.
Sie wurde geplündert und zerstört. Danach wandte sich das Heer
langsam aber unaufhaltsam nach Westen gegen das alte und mächtige
Königreich von Bornu. In den nun relativ wohlhabenden Gebieten sollen
Rabehs Söldner furchtbar gehaust haben; zahlreiche Siedlungen wurden
niedergebrannt und die Bevölkerung abgeschlachtet. Es mag sein, dass
Rabeh diese Grausamkeiten förderte, um seine Gegner einzuschüchtern.
Denn nun ließ er auch laut verkünden, dass er den heiligen Krieg
im Namen des Mahdi führe, und sogar dessen Namen auf einige Fahnen
nähen.
Südlich der Hauptstadt Kuka kam es dann zur entscheidenden Schlacht.
Über die Zusammensetzung der Truppen oder ihre Stärke ist nichts
bekannt. Geht man jedoch von späteren Ereignissen aus, dann dürfte
Rabeh über 5-10.000 Mann verfügt haben, von denen der größte
Teil ganz traditionell mit Schwertern und Speeren kämpfte. Der Kern
seiner Truppe waren jedoch seine alten Basinger, die nicht nur mit Schusswaffen
ausgerüstet waren, sondern auch in brenzligen Situationen stoisch
die Formation wahrten und dabei ein konstantes Salvenfeuer aufrecht erhalten
konnten. Die Franzosen sollten ihnen später eine hervorragende Feuerdisziplin
bescheinigen. Das Heer von Bornu war zwar mindestens doppelt so stark und
verfügte auch über eine Menge Gewehre, kämpfte aber in ungeordneten
Haufen, in denen Speerträger und Schützen gemischt nach vorne
stürmten, wobei mehr in die Luft als auf den Gegner gefeuert wurde.
Auf diese Weise war es Rabehs in dutzenden von Schlachten erprobten Veteranen
nicht gewachsen und wurde vernichtend geschlagen. Bald darauf wurde Kuka
genommen und vollständig zerstört.
Rabeh machte danach den kleinen Ort Dikoa zu seiner neuen Residenz.
Sein Reich erstreckte sich nun von Darfur bis nach Sokoto und war damit
eines der größten, das jemals in Zentralafrika bestanden hatte.
Das war ein weiter Weg für den Sohn eines Sklavensoldaten. Seinen
ehemaligen Herrn und Lehrmeister Zubeir Pascha hatte er inzwischen weit
überholt. Er begann nun damit seine Macht zu konsolidieren. Viele
der kleineren Fürsten wurden in ihren Positionen belassen, so lange
sie Tribut entrichteten. Andere, die noch nicht unterworfen worden waren,
hielten es für klüger seine Herrschaft ebenfalls anzuerkennen.
Mit einigen festigte er die Bündnisse, indem er ihre Töchter
mit seinen Söhnen verheiratete oder gar selbst zur Frau nahm. In seinem
aus zahlreichen Gebäuden bestehenden Palast sollen bis zu 1.000 Personen
gelebt haben - Frauen, Kinder, Sklavinnen, Diener, Eunuchen. Auch seine
Soldaten hatten meistens mehrere Sklavinnen als Beuteanteil erhalten; manche
Offiziere sollen bis zu 80 Frauen gehabt haben. Wie viele erfolgreiche
Eroberer war das Heer der ehemaligen Sklaven also auf dem besten Weg in
der einheimischen Bevölkerung aufzugehen, wobei Rabeh und seine Söhne
eine neue Dynastie gründeten und seine Offiziere den Adel bildeten.
Die neue Hauptstadt Dikoa wuchs unter diesen Umständen rasch auf an
die 100.000 Einwohner.
Das sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses
neue zentralafrikanische Reich ein Militärstaat war, der weitgehend
von Raub und Sklavenhandel lebte. Vor allem im Süden wurden weiterhin
mit äußerster Brutalität Sklaven gejagt, mit denen die
Armee ergänzt und die Soldaten bezahlt wurden. Das erstaunliche ist
eigentlich, wie schnell sich die neuen Rekruten in die Verhältnisse
fügten. Aus den Sklaven wurden nach einer intensiven Ausbildung schnell
gute und loyale Soldaten, die nun ihrerseits Frauen und Sklaven für
ihre treuen Dienste erwarteten. In der Armee dienten zwar auch 15.000 Lanzenträger
und einige tausend Reiter; aber die Elite waren die auf ägyptische
Weise (d.h. europäisch) ausgebildeten Schützen. Insgesamt sollen
es 4.000 Mann gewesen sein, die in 20 Kompanien zusammengefasst waren.
Das große Problem war jedoch die Versorgung mit Waffen und Munition.
Viele hatte uralte Musketen oder Schrotflinten, die besseren Waffen entstammten
zum Teil den Restbeständen des Sezessionskrieges. Es gab in Dikoa
zwar auch äußerst geschickte Handwerker, die Gewehre reparieren,
Pulver herstellen und Kugeln gießen konnten; die neuen Hinterlader
oder gar die begehrten Repetiergewehre mussten jedoch importiert werden.
Kostbar waren auch Patronen; jede Hülse wurde eingesammelt und wieder
geladen. Auf das unnötige Abschießen einer Patrone stand die
Todesstrafe. Unter diesen Umständen versteht es sich von selbst, dass
der Drill mehr auf das Bilden von Formationen und feste Bewegungsabläufe
abzielte, als auf die Ausbildung guter Schützen. Im Kampf wurde zudem
jedem Schützen ein zusätzlicher Mann mitgegeben, um nach dessen
Tod das Gewehr zu übernehmen.
Neben den Raubzügen im Süden unternahm Rabeh in den nächsten
Jahren nur einen erfolglosen Feldzug gegen Sultan von Zinder und führte
einen Grenzkrieg mit dem Kaiser Sokoto, bei dem eine größere
Konfrontation jedoch vermieden wurde. Während er auf diese Weise noch
damit beschäftigt war, sein Reich zwischen den alten Mächten
zu etablieren, hatten die Europäer Afrika ohne sein Wissen längst
unter sich verteilt. Dadurch geriet Rabeh ins Visier Frankreichs, das Zentralafrika
als sein Interessengebiet betrachtete. Erkundungstrupps, die Landkarten
zeichneten und nach Verbündeten unter den unterworfenen Stämmen
suchten, tasteten sich in sein Gebiet vor. Eine erste französische
Expedition hatte er bereits 1891 massakrieren lassen. Einige der gefangenen
senegalesischen Söldner der Franzosen dienten später in seiner
Armee als Offiziere. Doch auf Dauer war die Kolonialmacht nicht aufzuhalten.
Langsam arbeiteten sich die Franzosen von ihrer Kongokolonie nach Norden
vor, errichteten Stützpunkte und suchten nach Verbündeten unter
den von Rabeh unterworfenen Stämmen. Anfang 1899 hatten sie den Chari
erreicht, auf dem sie mit Dampfbooten Richtung Tschadsee vorstießen.
Im Juli konnte Rabeh allerdings eine Kolonne unter vernichtend schlagen.
Einen weiteren Angriff, der mit Dampfbooten, bedeutender Artillerie, darunter
Revolverkanonen und 80mm Geschützen, 3 Kompanien Senegalesen und zahlreichen
Hilfstruppen auf die Stadt Kuno geführt wurde, konnte ebenfalls nach
harten Kämpfen abgeschlagen werden. Die Franzosen waren zwar schon
in die Stadt eingedrungen, mussten dann aber vor dem unerbittlichen Widerstand
unter schweren Verlusten weichen.
Kuno war für Rabeh ein Pyrrhussieg. Er hatte nicht nur einige seiner
besten Offiziere verloren, sondern auch viel Munition, die kaum zu ersetzen
war. Er räumte Kuno. Doch die Franzosen waren nun nicht mehr bereit
locker zu lassen. Sie zogen alles zusammen und warfen es gegen Rabeh. Vom
Niger startete die berüchtigte
Voulet-Chanoine-Expedition, deren Reste
nach der Niederschlagung der Revolte über Zinder heranrückten.
Von Süden setzte sich die Hauptmacht erneut verstärkt wieder
in Bewegung. Selbst von Algerien im Norden hatte eine dritte Kolonne die
Sahara durchquert. Langsam zogen die Franzosen ihre Truppen im Charidelta
am Tschad zusammen, machten Bündnisse mit einheimischen Fürsten,
und rekrutierten neue Hilfstruppen, was nicht schwer war, da bei vielen
Rabehs Soldateska verhasst war und zudem auf reiche Beute im Gefolge der
Sieger gehofft werden durfte.
Erste Zusammenstöße mit kleineren Abteilungen entschieden
Franzosen für sich. Neben einer relativ großen Anzahl europäischer
Offiziere verfügten sie über 800 Mann gut ausgebildeter Infanterie
- Algerier und Senegalesen -, mehrere tausend Eingeborene aus Baghirmi
und einige moderne Geschütze. Da Rabeh weder seinen Untertanen noch
allen seinen Verbündeten trauen konnte, musste er seine Kräfte
teilen. Während seine zwei Söhne Fadel Allah und Niebe versuchten
das Hinterland zu sichern, zog er mit etwa 5.000 Mann, von denen 2.000
gute Gewehre gehabt haben sollen, den Franzosen entgegen und verschanzte
sich in einem mit kleinen Erdwällen befestigten Feldlager. Der große
Vorteil der Franzosen lag darin, dass sie nicht wie Rabehs Truppen jede
Patrone zählen mussten. Allein beim Feuergefecht am Anfang verschossen
sie in 1 1/2 Stunden 32.000 Patronen und fast 100 Artilleriegranaten. Als
sie dann zum Angriff übergingen, gelang es ihnen das Lager zu stürmen.
Nach kurzem, hartem Kampf, in dem Rabeh schwer verletzt wurde, flohen seine
Soldaten. Doch als die französischen Truppen siegesgewiss das Lager
plünderten, gelang es ihm seine Männer noch einmal zu sammeln
und zu einem Gegenstoß zu führen. Es gab sicher nicht viele
afrikanische Truppen, die das leisten konnten. Bei diesem letzten blutigen
Handgemenge fiel der französische Oberbefehlshaber. Aber auch Rabeh
war getötet worden, wodurch der Kampf entschieden wurde. Ein Senegalese
brachte seinen Kopf den französischen Offzizieren.
Nach diesem entscheidenden Sieg fiel Dikoa ohne Widerstand. Rabehs Söhne
lieferten zwar noch einige Rückzugsgefechte, mussten jedoch nach
Südwesten ausweichen da sich viele Stämme für die
Sieger erklärten. Die Franzosen gliederten die ganze Tschadseeregion
in ihr Kolonialreich ein. Fadel Allah und Niebe, die in Nordkamerun die
versprengten Reste der Armee ihres Vaters gesammelt hatten, mussten vor
französischen Strafexpeditionen auf englisches Gebiet ausweichen.
Dort verhandelten sie mit englischen Offizieren über politische Rückendeckung
und Waffenlieferungen. Nach englischen Berichten hatten sie zu dieser Zeit
immer noch 2.000 gut ausgebildete Schützen und mehrere tausend Mann
Hilfstruppen. Die Engländer lobten ausdrücklich die hervorragende
Disziplin der Truppen, die sie bei einer Parade besichtigt hatten. Während
sich die englische Diplomatie noch damit beschäftigte, ob man Rabehs
Söhne gegen die französische Konkurrenz unterstützen sollte,
fielen diese in Bornu ein, schlugen den von den Franzosen eingesetzten
Scheich und eroberten Dikoa. Ihre ausgiebigen Plünderungen wurden
erst von einer neuen französischen Expedition aus Fort Lamy beendet.
Bei diesen Kämpfen fiel Fadel Allah, während sich Niebe schließlich
unterwarf. Danach wurden die Sklaven ihrer Armee entlassen; Rabehs alte
Veteranen wurden aber zum Großteil in die französische Kolonialarmee
eingegliedert, und es ist so gesehen gut möglich, dass der eine oder
andere von ihnen sein Ende auf den Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges
fand.
Das Interessante an diesen weitgehend vergessenen Ereignissen ist nicht
Rabehs steile Karriere sondern der Prozess, mit dem aus geraubten Sklaven
eine Söldnerarmee geformt wurde, die schließlich ihren eigenen
Staat eroberte und auf dem besten Weg war ein neues Volk zu bilden. Es
gibt hier sicher Parallelen zu den Heeren der Völkerwanderungszeit,
die sich ja entgegen der Mythen von ihrer "rassischen" Homogenität
zumeist aus den unterschiedlichsten ethnischen Gruppen zusammensetzten.
Ein Historiker bezeichnete deshalb die Schlacht auf den katalaunischen
Feldern als die "erfolgreiche Abwehr einer Räuberbande" durch eine
andere. Der große Unterschied zur mitteleuropäischen Geschichte
besteht vor allem in der erfolgreichen Integration der Sklaven in die Reihen
des Siegers. Rabehs Basinger stehen damit in der langen Tradition der Sklavensoldaten
in Nordafrika und im vorderen Orient, in der Tradition der Janitscharen
und der Mameluken.