Die US-Amerikaner
Mit der Bibel und dem Colt.
Obwohl Hollywood und einige dubiose Printmedien gerne den Eindruck
vermitteln, dass gerade die USA besonders viele Söldner hervorgebracht
haben, ist eigentlich das genaue Gegenteil der Fall. Das liegt zwar zu
einem geringen Teil daran, dass die Amerikaner ja erst in Erscheinung treten
konnten, als Söldner schon nicht mehr gefragt waren. Denn auch da,
wo diese noch verwendet wurden, findet man nur vereinzelte aus den Staaten,
um die dann ein gewaltiger Medienrummel veranstaltet wird. So wurde zum
Beispiel ihre Anzahl in der französischen Fremdenlegion wahrscheinlich
immer von denen aus so kleinen Ländern wie Irland, Dänemark oder
Finnland weit übertroffen. Es ist sicher nur wenig übertrieben,
wenn man behauptet, dass in den USA mehr Filme und Bücher über
amerikanische Fremdenlegionäre produziert wurden, als es jemals gegeben
hat. Filme werden in allererster Linie für den nordamerikanischen
Markt gemacht und deshalb muss die Realität manchmal etwas angepasst
werden. So verlegte Coppola Joseph Conrads "Herz der Finsternis" nach
Vietnam,
in dem Film "Last Samurai" werden aus den preußischen Militärberatern
in Japan kurzerhand Amerikaner, oder in "Master and Commander" wird aus
der feindlichen amerikanischen Fregatte der Romanvorlage eine französische.
Dagegen ist nicht viel zu sagen. Schließlich haben die Adaptionen
der Qualität dieser Filme keinen Abbruch getan. Man sollte nur sein Geschichtsbild
nicht allzu sehr davon beeinflussen lassen. Wie alle erfolgreichen und
glücklichen Völker kämpften die US-Amerikaner nur in ganz
seltenen Ausnahmen in fremden Kriegen. Als wohlhabende Nation konnten sie
es sich sogar oft erlauben ihre eigenen Streitkräfte mit geworbenen
Ausländern zu verstärken, denen dann in erster Linie Land oder
die begehrte Staatsbürgerschaft in Aussicht gestellt wurden. Vergleiche
mit dem römischen Imperium,
das seine Legionen zunehmend mit Fremden
füllte, die dafür Siedlungsland und das Bürgerrecht erhielten,
drängen sich hier auf. Auch die Römer waren ja trotz ihrer
großen Kriege nicht gerade für ihre Söldnerdienste bekannt.
Für sie gab es einfach genug zu tun, und mit zunehmendem Wohlstand
überließen sie die harte und schlechte bezahlte Arbeit lieber
Barbaren.
Wenn manche Amerikaner einen Söldner unter ihren Vorfahren haben,
dann handelt es sich fast immer um einen, der als solcher in die USA gekommen
und dann als Immigrant dort geblieben war. Bereits von den gerne zitierten
verkauften Hessen, die in
britischem Sold im Unabhängigkeitskrieg
kämpften, blieben anschließend etwa 3.000 als Kolonisten im Land -
lediglich 535 waren gefallen!
Im Sezessionskrieg importierten besonders die Nordstaaten solche Massen
an europäischem Kanonenfutter, dass in den Südstaaten lange die
Legende gepflegt wurde, man sei nur mit Hilfe dieser Immigrantensöldner
besiegt worden. Noch während des Kalten Krieges versorgte sich die
US-Army unter den Staatenlosen Europas mit einigen Zehntausend Rekruten,
wobei ehemalige Angehörige osteuropäischer SS-Verbände besonders
geschätzt wurden. Aber auch in unseren Tagen, wo der chaotische und
unpopuläre Krieg im Irak ständig Ersatz verlangt, werden bevorzugt
Immigranten an die Front geschickt.
Bei der mit Abstand größten Gruppe von US-Amerikanern, die
jemals unter fremder Flagge dienten, handelt es sich um jene über
6.000 Seeleute, die während der napoleonischen Kriege von der britischen
Marine zum Dienst gepresst wurden. Aber gerade von ihnen möchte man
in den USA nichts wissen, da sich ihr typisches Söldnerschicksal nur
wenig mit den Vorstellungen von Patriotismus, Heldentum und freier Entscheidung
vereinbaren lässt. Sie waren einfach nicht aus dem Material, aus dem
Hollywood seine Mythen schmiedet.
Man könnte es dabei belassen, gäbe es nicht den Typus des
Abenteurers oder Glücksritters, der im englischen gerne als "Soldier
of Fortune" bezeichnet wird. Im Gegensatz zum gewöhnlichen Söldner
- dem "mercenary" - versucht der Abenteurer nicht durch Kriegsdienst seinen
Lebensunterhalt zu verdienen. Er hat größeres vor. Manchmal
will er einfach etwas erleben, seine Männlichkeit beweisen, berühmt
werden. Normalerweise will er aber einfach richtig Gewinn machen und das
in einem Maß, wie es allein mit Sold niemals möglich wäre.
Der Abenteurer träumt von enormen Schätzen oder Geschäften,
von riesigen Latifundien oder als Krönung des ganzen von einem eigenen
Reich, in dem er selbst nach eigenen Gutdünken herrschen kann.
Es hat diese Männer zwar immer und überall gegeben, aber in
der Geschichte der USA begegnen sie einem mit einer Gier und Dreistigkeit,
für die man lange nach historischen Vergleichen suchen muss. Am ehesten
findet man ähnliche Gestalten vielleicht noch unter den Hellenen, die sich nach
Alexanders
Tod um dessen Erbe streiten, oder unter den Normannen, die im 11. Jahrhundert
alles als ihr Eigentum betrachten, was sie sich mit List und Gewalt untertan
machen können. Es sind grenzenlose Egomanen, für die Recht oder
Legitimität nur in so weit existiert, wie es dem eigenen Fortkommen
dient.
Wie gesagt findet man diesen Typus unter allen Völkern, vor allem
unter Teilen des europäischen Adels entdeckt man oft ähnliche
Tendenzen. Allerdings vermisst man dort meistens den gesunden, praktischen
Geschäftssinn, mit dem der Yankee-Abenteurer zu Werke geht. Der ganz
große Unterschied ist aber, dass der Yankee fest davon überzeugt
ist, sozusagen in höherem Auftrag zu handeln, er ist überzeugt,
dass er bei der Verfolgung seiner durch und durch individualistischen Ziele
Gott und Vaterland hinter sich hat. Wenn europäische Adlige ihren
zahlreichen Verschwörungen nachgingen oder sich skrupellos bereicherten,
handelten sie sicher aus ähnlich egoistischen Motiven und hielten
es für ihr gutes Recht. Dennoch wussten sie, dass sie sich nicht erwischen
lassen durften. Der typische Yankee dagegen ist sicher, dass ihm die Kavallerie
oder die Marines zu Hilfe kommen werden, wenn er mit seinen waghalsigen
Projekten scheitert.
Europäer waren im Lauf ihrer Geschichte in erster Linie Untertanen,
seit endlosen Generationen daran gewohnt, dem König, den Fürsten
und der Kirche das ihre zu geben und nur wenig Gegenleistung dafür
zu erwarten. Die Vorfahren der US-Amerikaner sind dagegen oft vor genau
diesen Verhältnissen geflohen und haben sich dagegen zur Wehr gesetzt.
Ihr Land haben sie selbst erobert und sich eine Verfassung dafür gegeben,
die ihnen den Anspruch auf individuelles Glück garantiert. Sie mögen
deshalb auch noch so innig ihre Nationalhymne singen und ihre Häuser
mit Fahnen schmücken; sie sind dennoch letzten Endes davon überzeugt,
dass der Staat allein ihnen zu dienen habe und nicht umgekehrt. Dass John
F. Kennedy dies in seiner berühmten Rede völlig anders formuliert
hat, kann man bestenfalls als ernst gemeinte Mahnung auffassen.
Die staatlichen Institutionen haben auch nie ernsthaft versucht diese
individualistisch egoistische Grundtendenz zu ändern, sondern sich
darauf beschränkt, sie ein wenig zu steuern und nach Möglichkeit
zu Nutze zu machen. Schließlich waren es diese Abenteurer, die sich
mit den Indianern schlugen und ihnen immer neue Landstriche abnahmen. Obwohl
der überwiegende Teil der Amerikaner nie einen kriegerischen Indianer
zu Gesicht bekam, wurde der Kampf an der Grenze und die unbegrenzte Verfügbarkeit
von Siedlungsland zu einem bestimmenden Mythos der Nation. Diejenigen,
die Abenteuer und Gewinn suchten, mussten nicht in fremde Länder ziehen,
sondern konnten ihr Glück an der "Frontier" versuchen.
Nun könnte man einwenden, dass die Landnahme europäischer
Kolonisten immer so ähnlich abgelaufen ist: ob in
Lateinamerika oder
Sibirien, ob in Australien
oder Südafrika. Der große Unterschied
liegt aber darin, dass die US-Conquistadoren oft völlig auf eigene
Faust handelten und sich ihre Aktionen dann im Nachhinein von einer weitgehend
passiven Regierung absegnen ließen. Cortez, der ihnen vielleicht
noch am nächsten kommt, musste nach der Eroberung Mexikos viel Gold
aufwenden, um den spanischen König zu besänftigen und wurde schließlich
dennoch kalt gestellt. Wir reden hier auch nicht von Siedlern, die den
Indianern ein paar Morgen Land abnahmen, um es dann im Schweiße ihres
Angesichts zu beackern. Die echten Abenteurer träumten von gigantischen
Ländereien von der Größe europäischer Fürstentümer,
in denen sie wie kleine Könige herrschen konnten.
Um diese Zusammenhänge besser zu verstehen, lohnt es sich die Geschichte
von Texas etwas genauer zu betrachten. Texas war nach dem Zusammenbruch
des spanischen Kolonialreichs Teil von Mexiko. Zum Aufbau des Landes versuchte
nun die mexikanische Regierung Kolonisten ins Land zu holen. Dazu bediente
sie sich freier Agenten so genannter "Impresarios", die Werbung und Transport
der Siedler organisierten und dafür großzügig mit Landschenkungen
entschädigt wurden. Einer dieser Impresarios war ein gewisser Stephen
F. Austin aus Virginia, der später unter der theatralischen Bezeichnung
"Vater von Texas" bekannt werden sollte. Austin war bereits im Minengeschäft
und bei Landspekulationen tätig gewesen, hatte sich als Verkäufer,
Jurist und Politiker versucht, als er nach dem Tod seines Vaters dessen
Vertrag als Impresario im Dienste Mexikos übernahm. Das Geschäft
war nicht schlecht; pro 200 Familien sollte er 270 km² Land für
sich erhalten; geplant waren für 1825-29 1.200 Familien. Und das war
sozusagen nur das Grundgehalt. Denn es versteht sich von selbst, dass eine
so zentrale Figur bei der Kolonisation zahlreiche andere Geschäfte
an sich reißen oder vergeben konnte, und am Horizont war bereits das
Amt des künftigen Gouverneurs zu erkennen.
Die Kolonisten wurden automatisch mexikanische Staatsbürger, leisteten
einen Eid auf die neue Verfassung und versprachen die Gesetze zu achten.
Doch kaum jemand dachte daran, sich an diese Abmachungen zu halten oder
sich von den verachteten mexikanischen Behörden etwas vorschreiben
zu lassen. Die dominierenden Personen unter den Neuankömmlingen waren
wohlhabende Pflanzer aus den Südstaaten, die mit ausreichendem Kapital
in Texas neue größere Plantagen anlegen wollten. Das Problem
dabei war aber, dass in dem "rückständigen" Mexiko die Sklaverei
seit der Unabhängigkeit abgeschafft war. Der Streit um die Sklavenfrage
entwickelte sich deshalb schnell zum Hauptkonflikt zwischen Kolonisten
und mexikanischen Behörden. Dazu kam der Streit um Waffenbesitz -
bis heute ein Grundpfeiler des amerikanischen Selbstverständnisses
- und die Religion - ein Großteil der Kolonisten war protestantisch.
Als sich die Konflikte verschärften, sammelten die einflussreichen
Pflanzer ihre Kräfte, warben Unterstützung in den USA und erklärten
1835 ihre Unabhängigkeit. Damit war der Krieg da. Dessen Verlauf ist
hier nicht von Interesse, man sollte sich jedoch klar machen, dass es sich
dabei trotz aller patriotischer Verklärungen um keinen großen
Freiheits- oder Volkskrieg handelte, sondern um die Aktionen einer relativ
kleinen Schicht. In fast allen so genannten Schlachten - eigentlich handelte
es sich nur um Scharmützel - kämpften auf texanischer Seite nur
einige hundert Mann. Das konnten die Pflanzer mit ihren Vorarbeitern fast
alleine mobilisieren. Verglichen mit diesem bescheidenen Aufwand ging es
um die gigantische Landmasse von Texas, über die die Sieger ja dann
verfügen konnten. Da auch Mexiko keine starken Kräfte ins Feld
führen konnte - bei der Masse der Truppen handelte es sich ohnehin
um gepresste und schlecht ausgebildete Indios -, war der Krieg schnell
entschieden und Texas wurde in die Unabhängigkeit entlassen.
Einige Jahre später - es dauerte einfach seine Zeit bis genügend
Siedler dort angekommen waren - versammelten sich in einer Bar in Sonora
(Kalifornien) ganze 30 Amerikaner und riefen die Freie Republik von Kalifornien
aus. Ihre geringe Anzahl war nicht von Bedeutung, da ihnen die US-Regierung
gleich Truppen zu Hilfe schickte. Denn inzwischen war wegen der Annexion
von Texas (1845) der Krieg zwischen den USA und Mexiko ausgebrochen, aus
dem die USA siegreich mit Kalifornien, Nevada, Utah, Arizona und Neu Mexiko
als Beute hervorgingen.
Für sich betrachtet könnte man die Rebellionen in Texas und
Kalifornien einfach für eine Form erfolgreicher imperialistischer
Außenpolitik halten, wie sie ja auch von europäischen Staaten
praktiziert wurde, und bei der private und staatliche Interessen geschickt
in Einklang gebracht wurden. Die Sache erscheint aber in einem ganz anderen
Licht, wenn man sie im Zusammenhang mit den zahlreichen Flibustier-Unternehmungen
betrachtet, die vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts
viele mittelamerikanische Staaten heimsuchten.
Als "Flibustier" (engl. Filibuster) bezeichnete man einst die Piraten
der Karibik; im 19. Jahrhundert wurde der Begriff dann allgemein auf die
Freibeuter - vorwiegend aus den USA - übertragen, die versuchten aus
den Resten des spanischen Imperiums ihre eigenen Reiche herauszuschneiden.
Am bekanntesten wurde William
Walker, der 1855 mit ganzen 62 Mann zur Eroberung
Nicaraguas aufbrach, sich dort zum Präsidenten machte und im Namen
der Freiheit die Sklaverei wieder einführte. Er war aber alles andere
als eine Ausnahme. Zwischen 1810 und 1860 gab es über 20 dieser Unternehmungen
gegen das nördliche Mexiko, Venezuela, Cuba, Florida und einige andere
Staaten und wahrscheinlich ein Vielfaches von solchen, die nie über
das Planungsstadium hinauskamen.
Alle diese Flibustierunternehmungen wurden in den USA finanziert, ausgerüstet
und mit dem notwendigen Personal - den Söldnern eben - versorgt. Das
war natürlich auch dort illegal. Dennoch unternahm die Regierung wenig;
nur manchmal wurde ein Schiff mit Waffen beschlagnahmt. Falls es tatsächlich
einmal zu einer Anklage kam, endete diese sehr schnell mit einem Freispruch.
Die Trennung war ja auch nicht einfach. Wenn Walker in Nicaragua Erfolg
gehabt hätte, würde man ihn vielleicht heute dort als "Vater
Nicaraguas" verehren und das Land wäre ein weiterer Bundesstaat der
USA. Walker und seine Kollegen sahen sich völlig im Recht, schließlich
machten sie ja nichts anderes als Austin in Texas. Die Bevölkerung
in den USA sah es ähnlich, und regelmäßig wurden heimkehrende
Flibustiere wie Volkshelden gefeiert, oder die Bundesbehörden bei
ihrer Arbeit behindert.
In der Forschung gelten die Flibustiere als "Soldiers of Fortune" par
excellence. Ihre Mannschaften rekrutierten sie als typische Söldnerführer
unter den Abenteurern in Kalifornien und den Südstaaten und zunehmend
unter den gerade angekommenen Einwanderern in den Slums von New York. Ihre
Staatsstreiche und Krieg gegen Regierungen, mit denen die USA in Frieden
lebten, waren eindeutig kriminell. Dennoch fühlten sie sich im Recht
und wurden von einer Woge der Sympathie getragen. Diese allgemeine Grundstimmung,
dass es den US-Amerikanern sozusagen vorbestimmt sei, sich alles im Westen
liegende Land untertan zu machen wurde Mitte des Jahrhunderts in einer
Ideologie unter dem Namen "Manifest Destiny" formuliert. Gott selbst -
d.h. natürlich der protestantische - hatte danach den Amerikanern aufgetragen
mit der Bibel und dem Colt Fortschritt und Demokratie zu verbreiten. Die
Flibustiere und ihre Söldner waren dabei letzten Endes nichts anderes
als Werkzeuge einer höheren Vorsehung.
Es ist diese seltsame Mischung aus Privatinteressen und pseudoreligiöser
Rechtfertigung, bei der der Staat nur eine marginale Rolle spielt, die
viele US-Söldner bis zum heutigen Tag auszeichnet. Sie befinden sich
immer auf einer Art Kreuzzug und achten dennoch darauf, dass die Kasse
stimmt. Zwar rechtfertigten auch europäische Kolonialoffiziere ihr
Tun mit ihrer zivilisatorischen Mission, doch kaum einer wäre auf
die Idee gekommen, auf eigene Faust Truppen zu rekrutieren und in einem
anderen Land einen Staatsstreich zu inszenieren.
Die große Zeit der Flibustiere ging mit dem Erreichen der Westküste
und dem Sezessionskrieg zu Ende. Das lag zum einen daran, dass weitere
Eroberungen die Mittel dieser Privatunternehmer nun überschritten,
und zum anderen, dass die staatliche Gewalt durch den Sieg der Nordstaaten
deutlich stärker geworden war und mehr Kontrolle ausüben konnte.
Vor allem war aber durch die Abschaffung der Sklaverei der Anreiz entfallen,
im Süden riesige Plantagen zu erobern.
Das Ende des Sezessionskrieges sorgte dann auch erstmalig in der Geschichte
der USA für einen gewissen Überschuss an arbeitslosen Soldaten,
die nach einer entsprechenden Tätigkeit suchten. Dabei handelte es
sich jedoch fast ausschließlich um Offiziere, die einen Abstieg ins
Zivilleben fürchteten - die einfachen Soldaten waren froh dahin zurückkehren
zu können. Eine größere Gruppe dieser Offiziere - Nord-
und Südstaatler gemeinsam - findet man im Dienst der
ägyptischen Khediven,
die versuchten ihr Militär zu reformieren, aber auch vereinzelte
in der Kongokolonie König
Leopolds und in einigen südamerikanischen
Staaten. Die meisten hatten es aber nicht weit, sie zogen nach Mexiko,
wo der Bürgerkrieg zwischen der von den Franzosen gestützten
Partei Kaiser Maximilians
und den Liberalen unter Benito Juarez gerade
seinem Höhepunkt entgegensteuerte. Bürgerkriegsveteranen dienten
zwar auf beiden Seiten, wobei jedoch die Konföderierten eindeutig
die kaiserliche Seite bevorzugten. Es kam sogar zu Verhandlungen über
die Aufnahme von über 30.000 Südstaatensoldaten in die kaiserliche
Armee. Doch hier waren die siegreichen Nordstaaten nicht bereit tatenlos
zuzusehen; sie verlegten Truppen an die Grenze und drohten Frankreich unmissverständlich.
Der Dienst auf Seiten der Liberalen wurde dagegen geduldet. Schließlich
ging es darum, die Franzosen aus dem Hinterhof der USA zu vertreiben.
Die Abwanderung amerikanischer Abenteurer verebbte jedoch schnell. In
den USA begann nun die Zeit des "Wilden Westens", eine Phase der Binnenkolonisation,
während der die Indianer völlig unterworfen wurden und um das
im Überfluss eroberte Land gestritten wurde. Obwohl nur relativ wenige
Amerikaner im "Wilden" Westen lebten oder etwas mit den Ereignissen dort
zu tun hatten, wurde er doch wie "Manifest Destiny" zu einem der ganz großen
Mythen der Nation. Ganz Amerika verehrte die Gunmen, die Revolverhelden,
die sich ihr Recht mit dem Colt verschafften. Es war dabei nicht wichtig,
ob es sich bei ihnen um Männer des Gesetzes, einfache Banditen oder
psychopathische Killer handelte, entscheidend war, wie viele Männer
sie getötet, wie viele Kerben sie im Griff ihrer Revolver hatten.
Die Zeitungen waren voll von übertriebenen Berichten dieser "Heldentaten"
und prägten so die allgemeinen Vorstellungen. Man sollte hierbei vielleicht
auch einmal daran denken, welche Bewunderung Serienkillern in den USA gerade
heute entgegen gebracht wird - Ted Bundy erhielt in der Haft bis zu seiner
Hinrichtung etwa 200 Fanbriefe von Frauen - täglich.
Auf die Mentalität der Söldner und besonders derjenigen, die
es werden wollten, hatten diese Vorstellungen entscheidenden Einfluss. Natürlich
gab es auch die, die kühl und professionell ihre Arbeit erledigten.
Für sehr viele war ein Söldnerjob aber eine Art Abenteuerurlaub,
bei dem man mal richtig schießen und töten wollte. Europäische
Söldner ließen sich anwerben, um ihr Auskommen zu finden, fremde
exotische Länder zu sehen und auch immer wieder um in berühmten
Regimentern zu dienen und damit manchmal ihren Vätern zu folgen. Amerikaner
begaben sich dagegen auf einen Egotrip zur Männlichkeit.
Sie kämpften in Südamerika, am Kongo und im Burenkrieg. Zu
ihrem großen Eldorado wurde aber Mittelamerika, wo sich im Dienst
der zahlreichen Diktatoren oder der großen US-Konzerne wie United
Fruit viele Gelegenheiten für einen kurzen überschaubaren Job
boten. Mit ihren Winchestern, Schnellfeuerkanonen und den ersten Maschinengewehren
waren sie den Einheimischen weit überlegen und konnten sich ohne allzu
großes Risiko austoben. Vor allem da die US-Regierung ihre schützende
Macht bereit hielt. So führte die Hinrichtung zweier US-Söldner
in Nicaragua zu einer Kriegserklärung. Zum Großereignis wurde
dann die mexikanische Revolution von 1910, wo viele unter dem einen oder
anderen General dienten ohne richtig zu wissen, um was es eigentlich ging.
Wie ihre großen Vorbilder, die Westernhelden, waren Söldner
inzwischen selbst ins Interesse der Medien gerückt. Oft wurden sie
von Journalisten begleitet, die dann fantasiereich von vorderster Front
berichteten. Fleißig wurde an Mythen und Legenden gezimmert und die
intelligenteren merkten schnell, dass Publicity ein wichtiger Teil des
Geschäfts war. Es ist kein Zufall, dass der Abenteurer Henry Morton
Stanley zu seiner Livingstone-Rettungsexpedition im Auftrag einer amerikanischen
Zeitung aufbrach. Später verdiente er dann mit Vortragsreisen ein
Vielfaches von dem, was ihm König Leopold an Sold bezahlt hatte.
Nach dem großen Gemetzel des Ersten Weltkrieges beruhigte sich
das Geschäft weitgehend. Das lag zum einen daran, dass viele nun einfach
genug hatten, hauptsächlich aber daran, dass Beschäftigungsmöglichkeiten
für Söldner immer seltener wurden. Afrika hatten sich die Kolonialmächte
geteilt - sogar König Leopolds Privatkolonie am Kongo war vom belgischen
Staat übernommen worden - und in Mittelamerika hatten die großen
US-Konzerne ihnen genehme Diktatoren installiert. Bei den schweren Kämpfen
um Marokko stützten sich zwar
Frankreich und Spanien
auf ihre Fremdenlegionen,
doch der harte Dienst in diesen Einheiten hatte noch nie viele Amerikaner
angezogen. So blieb es bei einigen wenigen Ausnahmen, die es tatsächlich
in die französische Fremdenlegion verschlug oder die ihr Glück
als Waffenhändler oder Instrukteur in Ostafrika, Südamerika oder
China versuchten.
Viel wichtiger wurde jedoch eine ganz neue Sparte, in der es nicht so
sehr auf große Zahlen ankam, dafür aber um so mehr Geld zu verdienen
war: die Söldnerpiloten. Die USA waren im Flugzeugbau führend
und schritten auch beim Aufbau eines zivilen Streckennetzes am schnellsten
voran. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass man nun fast überall,
wo dafür Verwendung bestand, auf einige amerikanische Söldnerpiloten
stößt. Die ersten hatten sich sogar schon während der mexikanischen
Revolution Luftgefechte geliefert. Für den Krieg in Marokko stellte
der Abenteurer Charles Sweeny im Auftrag der Franzosen 1925 die "Escadrille
Chérifienne" auf; deren Flugzeuge hauptsächlich von US-Söldnern
geflogen wurden. Da der Krieg jedoch in den USA äußerst unpopulär
war, musste die Staffel, nachdem durch ihre Einsätze zahlreiche Frauen
und Kindern getötet worden waren, bald wieder aufgelöst werden.
Auch bei den Piloten, die aus Eigeninitiative im spanischen Bürgerkrieg
kämpften, handelte es sich hauptsächlich um Amerikaner. Einige
von ihnen waren sicher wie die Angehörigen der Internationalen Brigaden
aus idealistischen Motiven nach Spanien gekommen. Man sollte hier aber
auch auf den Sold achten: während sich ein Unteroffizier der spanischen
Armee sich mit 333 Peseten monatlich zufrieden geben musste, erhielten
die fremden Piloten 50.000! Es war also ein äußerst lohnendes
Geschäft.
Die größte Wirkung hatten jedoch die "Flying Tigers", eine
Staffel die der Ex-General Claire Lee Chennault 1937 für Chiang Kai-shek
aufstellte. Zu dieser Zeit befanden sich die USA noch im Frieden mit Japan
und Chennault musste als Privatmann seine Landsleute als Söldner anwerben.
Erst nach Pearl Harbour wurde er dann mit einem Teil seiner Piloten in
die US-Air Force übernommen. Chennault war aber inzwischen viel zu
sehr Geschäftsmann um dort zu bleiben. Nach Kriegsende gründete
er mit seinem alten Personal die Fluggesellschaft CAT (Civil Air Transport),
die hauptsächlich weiter in China tätig war. Man sollte sich
jedoch von dem "Civil" im Namen nicht allzu sehr täuschen lassen.
Die CAT war zwar hauptsächlich im Transportwesen tätig, wuchs
jedoch schnell mit den Kriegen in Ostasien. Zuerst flog sie weiter für
Chiang Kai-shek im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten, dann für
die Franzosen in Indochina und später übernahm sie auch Subkontrakte
für die US-Regierung im Koreakrieg. Durch Chennaults hervorragende
Kontakte zu Militär- und Geheimdienstkreisen mauserte sich die CAT
schließlich zur geheimen Luftflotte der CIA, die dann später
unter dem Namen "Air America" legendär werden sollte.
Diese enge Verflechtung zwischen Wirtschaftsinteressen, inoffizieller
Politik und Söldnertum war schon immer charakteristisch für die
USA gewesen. Durch den Aufstieg zur Supermacht verstärkte sich dieser
Trend weiter. Es waren nun die CIA und das Pentagon, die weltweit die Einsatzbedingungen
kontrollierten. Wenn sie diskret im Hintergrund bleiben wollten, wussten
sie den Einsatz von US-Söldnern weitgehend zu unterbinden. So stößt
man bei den postkolonialen Konflikten in Afrika -
Kongo, Biafra,
Angola
- hauptsächlich auf Franzosen, Briten und Südafrikaner aber kaum
auf einen US-Bürger, obwohl die CIA einen guten Teil dieser Söldner
finanzierte. Doch gerade deshalb konnte sie die Beschäftigung ihrer
Landsleute recht effektiv unterbinden. Zudem droht Ex-Soldaten der Verlust
ihrer Pensionsansprüche, wenn sie sich an Konflikten beteiligen, die
ihrer Regierung nicht genehm sind.
Das größte Hindernis bildet aber sicher der relative Wohlstand
in den USA, der größere Werbungen auf jeden Fall verhindert.
So hatte nach dem Vietnamkrieg der Ex-Major Robert K. Brown die nicht ganz
falsche Idee, dass sich die USA nun wegen der großen Zahl unbeschäftigter
Veteranen in ein Hauptrekrutierungsgebiet für Söldner verwandeln
würden. Um ganz vorne mit dabei zu sein, gründete er das Söldnermagazin
"Soldier of Fortune". Allerdings hatte er dabei übersehen, dass der
Markt diese gar nicht benötigte, dass es sich selbst mit einer bescheidenen
Veteranenpension oft besser lebt als vom Sold und dass seine Regierung
so etwas nicht wünschte. Also wurde SOF anstatt einer Stellenbörse
hauptsächlich ein Magazin für Waffennarren, Freizeitkrieger und
Angehörige der Streitkräfte.
Andererseits hatten Wirtschaft und Regierungsstellen einen stetig wachsenden
Bedarf an Söldnern. Doch hier ist die Verflechtung inzwischen so stark,
dass man nicht immer entscheiden kann, ob bei den Einsätzen in Nicaragua,
Zentralafrika oder Kolumbien nun Ex-Green-Berets als Söldner, weiterhin
aktive Green-Berets oder solche, die nur für einen Monat ihre Uniform
ausgezogen haben und ihren Sold aus schwarzen Kassen erhielten, verwendet
wurden. Dieser Trend war bereits in den Tagen der Flibustiere erkennbar
und hat nun in der Zeit des Outsourcing ganz neue Ausmaße angenommen.
Inzwischen gibt es zwar Zehntausende von so genannten "US-Söldnern",
doch sie stehen fast alle auf der Soldliste von CIA oder Pentagon und wir
bezweifeln, dass die Bezeichnung hier noch richtig auf den Tatbestand zutrifft.
Wenn ehemalige Angehörige der US-Streitkräfte nach 10 Dienstjahren
ihre Pension beziehen und dann mehr oder weniger die gleiche Arbeit im
Verband einer Privatfirma - wie z.B. Dyncorp, MPRI oder Blackwater - machen,
ihre höchsten Befehle von den selben
Stellen beziehen und dabei sicher auch oft der Ansicht sind, nun weiter
ihrem Vaterland zu dienen, kann es sich ja nicht um richtige Söldner
handeln.