Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Die spanische Fremdenlegion

und die Eroberung Marokkos.

Während sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch noch Deutschland und Italien an dem großen Run auf die letzten Kolonien beteiligten, hatte die einstige Weltmacht Spanien gerade Cuba und die Philippinen in einem wahnwitzigen Krieg gegen die USA verloren. Von dem weltumspannenden Imperium Karl V. und Philipp II. war fast nichts geblieben außer drei befestigten Stützpunkten an der marokkanischen Küste, die noch aus der Zeit stammten, als man von dort die Korsaren bekämpfte. Marokko war eines der ganz wenigen afrikanischen Länder, das seine Unabhängigkeit bewahrt hatte, aber der Sultan war schwach und schon lange nicht mehr in der Lage seine Macht bei den verschiedenen Stämmen durchzusetzen. Und so lag es auf der Hand, dass in Spanien bald Pläne zur Eroberung geschmiedet wurden. Industrielle planten die Ausbeutung von Bodenschätzen im Rif, konservative Politiker sprachen von den natürlichen Interessen Spaniens und ehrgeizige Offiziere träumten von Ruhm und Ehre in einem neuen Feldzug.

spanische Soldaten in Marokko Zwar hatte auch Frankreich seine Blicke auf Marokko geworfen. Da sich aber das Deutsche Reich dem Sultan als Schutzmacht angeboten hatte, wurde man schnell handelseinig und teilte Marokko am Verhandlungstisch. Spanien hatte nun zwar den nördlichen Teil erhalten, sah sich aber bei der Besetzung des Landes schnell vor einer äußerst schwierigen Aufgabe. Die Berberstämme des Rif, die Kabylen, waren ausgesprochen kriegerisch und schlugen die ersten Vorstöße blutig zurück. Was als militärischer Spaziergang geplant worden war entwickelte sich schnell zu einem äußerst dreckigen Kolonialkrieg, in dem die Spanier schwere Verluste hinnehmen mussten. Dass sie im Gegensatz zu den anderen Kolonialmächten diesen Krieg auch noch mit Wehrpflichtigen führten, verschlimmerte die Situation weiter. Viele Offiziere verbrachten ihre Zeit beim Kartenspielen und in den Bordellen von Melilla anstatt bei ihren Einheiten. Korruption war an der Tagesordung; Geld wurde unterschlagen, Lebensmittel verschwanden und Waffen wurden auf dem Schwarzmarkt verkauft. Die Soldaten, die aus den ärmsten Schichten kamen - die Wohlhabenden konnten sich freikaufen -, vegetierten meistens unter erbärmlichen Bedingungen. Schlecht ernährt und medizinisch kaum versorgt starben tausende an Typhus und Malaria. Ein Offizier beschrieb die Lage so: "Einige Offiziere sahen ihre Regimenter niemals. Während sie sich damit zufrieden gaben, wie Pfauen durch die Straßen zu paradieren, streiften die jungen Spanier halb verhungert in schäbigen, zerrissenen Kleidern elend durch die Berge des Rif, ohne zu wisse, wohin sie gingen oder was sie in diesem fantastischen Abenteuer zu suchen hatten. Ihr einziger Wunsch war, nach Hause zu kommen."

Durch die hohen Verluste wuchs die Ablehnung in der Heimat, wo nur wenige einsehen wollten, dass man sich so kurz nach der Niederlage gegen die USA nun in ein neues Abenteuer stürzen sollte. 1909 kam es bei der Einberufung von Rekruten in Barcelona zu einem großen Aufstand, der erst durch den massiven Einsatz von Militär unterdrückt werden konnte. Zudem erwiesen sich die Wehrpflichtigen meistens als unzulängliche Soldaten, die sich aus Angst vor den Kabylen kaum aus ihren schwer befestigten Stützpunkten herauswagten. Als Abhilfe hatte man zwar damit begonnen, aus Einheimischen die so genannten "Regulares" aufzustellen, die von spanischen Offizieren wurden. Obwohl sich die Regulares hervorragend schlugen, galten sie lange als unzuverlässig. Man benötigte europäische Stoßtruppen, die man in Spanien nicht vermisste, und die wie die Berber Härten und Strapazen ertragen konnten und diesen auch im Kampf gewachsen waren.

Bei diesen Überlegungen stieß der spanische Major José Millán Astray, der vorher eine Einheit der Regulares geführt hatte, auf die französische Fremdenlegion, die den Franzosen bei der Eroberung Algeriens hervorragende Dienste geleistet hatte. 1919 reiste er einige Wochen nach Algerien und studierte Aufbau und Ausbildung der Fremdenlegion in Sidi-bel-Abbes und Tlemcen. Tief beeindruckt berichtete er in Madrid von seinen Eindrücken und erhielt im Januar 1920 vom König die Erlaubnis zur Aufstellung des "Tercio de Extranjeros" - der spanischen Fremdenlegion.

Millán Astray Millán Astray hatte in Algerien viele praktische Dinge gesehen, und hohe Marschleistungen, Schießen und energische Bajonettangriffe waren fortan die Fundamente der Ausbildung der Legionäre. Besonders beeindruckt hatten ihn allerdings die psychologischen Mittel, mit deren Hilfe man in Sidi-bel-Abbes aus einem Haufen bunt zusammen gewürfelter Männern eine feste Elitetruppe schmiedete. Man hatte dort zu dieser Zeit gerade richtig damit begonnen mit den Camerone-Feiern einen sinistren Totenkult zu zelebrieren und den entwurzelten Männern mit dem Motto "Legio Patria Nostra" eine Art Ersatz für Familie und Vaterland zu bieten. Es war aber gerade der Totenkult, der sich in vielen Kriegergemeinschaften und Eliteverbänden nachweisen lässt, der es dem fanatischen Soldaten und Katholiken Millán Astray angetan hatte, und der von ihm beinahe bis ins Groteske gesteigert wurde. Er selbst kreierte den Furcht erregenden Schlachtruf der Legion. "Viva la muerte" (Es lebe der Tod). "El novia de la muerte" (der Bräutigam des Todes) wurde zu einer Art inoffiziellen Hymne, und bei den Legionären ist es bis heute üblich, sich mit ihrer "Braut", einem Skelett im Brautkleid, fotografieren zu lassen. Auch für die Reliquie der französischen Fremdenlegion, die hölzerne Hand des bei Camerone gefallenen Hauptmanns Danjou, fand Millán Astray einen Ersatz. Denn er sorgte dafür, dass ein Auge, das er in einer Schlacht verloren hatte, später den selben Zweck beim Tercio erfüllte. Viele Fahnen des Tercio sind mit Totenköpfen und Knochen geschmückt, Von General Franco, der das Tercio nach Millán Astray führte, erhielt es für seine treuen Dienste im spanischen Bürgerkrieg das ausdrückliche Privileg, Tätowierungen zu tragen, unter denen ebenfalls der Totenkopf zu einem der beliebtesten Motive avancierte.

Die ersten Freiwilligen, soll Millán Astray persönlich mit den Worten empfangen haben: "Wisst ihr, warum ihr gekommen seid? Ihr seid gekommen, um zu sterben. [...] Es gibt nichts schöneres als für die Ehre und den Ruhm Spaniens und seiner Armee zu sterben; das werdet ihr lernen." Man mag zu Recht bezweifeln, dass Männer, die sich aus Hunger oder auf der Flucht vor ihrer Vergangenheit hatten anwerben lassen, mit solchen Sprüchen viel anfangen konnten. Dass der Totenkult und das Gefühl zu einer auserwählten, todgeweihten Gemeinschaft zu gehören letzen Endes doch sehr große Erfolge haben konnte, lässt sich mit zahlreichen Beispielen aus der Geschichte beider Fremdenlegionen und anderer Eliteeinheiten belegen. Gerade die so oft als materialistisch verrufenen Söldnernaturen scheinen hier dankbare Abnehmer zu sein.

In einer Beziehung hatte Millán Astray jedoch wenig Erfolg. Im Unterschied zum französischen Vorbild ließen sich für die spanische Fremdenlegion nur relativ wenige Ausländer anwerben. Das ist um so erstaunlicher, da der Sold anders als in Frankreich, wo ein Legionär schlechter als ein französischer Soldat bezahlt wurde, deutlich über dem der anderen Soldaten lag. Auch das belegt, dass bei der Rekrutierung von Söldnern noch andere Faktoren als die Höhe des Soldes eine wichtige Rolle spielen. Zum Teil lag es sicher daran, dass die meisten potentiellen Rekruten auf dem Weg nach Spanien bereits in Frankreich "abgefangen" wurden. Viele ließen sich treiben und waren eher in die Fremdenlegion "geraten", als dass sie diesen Schritt bewusst geplant hatten. Wichtiger war wahrscheinlich noch, dass die französische Fremdenlegion bereits einen düster romantischen Ruf hatte, der in dieser Zeit durch Bücher und Filme weiter verbreitet wurde. Es wurde in diesem Zusammenhang schon festgestellt, dass die Bemühungen, vor der Fremdenlegion zu warnen, in Deutschland oft genau das Gegenteil erreichten, indem sie diese erst interessant machten. Wie so oft war eine schlechte Presse eben besser als gar keine Presse, und hier konnte das Tercio mit seinem großen Vorbild einfach nicht mithalten.

Fremdenlegionäre Der überwiegende Anteil bestand deshalb immer aus Spaniern. Eine Studie spricht sogar von 90%, was unserer Ansicht nach jedoch mehr auf die Zeit des Bürgerkrieges zutreffen dürfte, da allein im Reich bis zu 1.700 Legionäre rekrutiert wurden, bevor die Werbung 1925 wegen ihrer skandalösen Methoden verboten wurde. Die meisten Ausländer kamen zudem aus Portugal und Lateinamerika, und hier besonders aus Cuba. Da die wirtschaftlichen Verhältnisse in Spanien wie in ganz Europa miserabel waren, verpflichteten sich natürlich auch arbeitslose Spanier wegen der guten Prämie, wenn sie ohnehin zum Militär mussten. Was jedoch von der durchweg unkritischen Sekundärliteratur gerne verschwiegen wird, war der hohe Anteil an Sträflingen und Kriminellen, denen man Straferlass versprochen hatte. In Algerien diente die französische Fremdenlegion bei den härtesten Einsätzen oft Seite an Seite mit den berüchtigten Strafbataillonen, den "Bat d'Af". Millán Astray hatte diese beiden Einheiten in Spanien einfach zu einer einzigen verschmolzen. Andere Motive hatten sicher die spanischen Offiziere, die sich vom Dienst in der neuen Truppe schnelle Beförderungen versprachen.

Ende 1920 wurde in Dar Riffien in der Nähe von Ceuta das erste "Bandera" (Bataillon) aufgestellt. Seine Fahne trug in bewusster Anlehnung an die Geschichte das Andreaskreuz von Burgund, unter dem schon die gefürchteten spanischen Tercios im 16. und 17. Jahrhundert in Flandern gekämpft hatten. Bei einigen kleineren Einsätzen im westlichen Sektor um Tetuan, sammelten die Legionäre erste Kampferfahrungen und schlugen sich unerwartet gut. Ein zweites und ein drittes Bandera wurden aufgestellt. Die Legion war gerade auf dem Weg sich neben den Regulares zur wichtigsten Einheit in Marokko zu entwickeln, als sie durch die Katastrophe von Annual vor ihre erste schwere Bewährungsprobe gestellt wurde.

Der Oberbefehlshaber General Berenguer wollte seine Kräfte auf eine langsame Ausweitung des westlichen Sektors um Tetuan konzentrieren. Deshalb hatte er General Silvestre dem Befehlshaber des östlichen Sektors um Melilla befohlen, sich defensiv zu verhalten. Dieser war jedoch von maßlosem Ehrgeiz getrieben entlang einer Reihe schwer befestigter Stützpunkte - Monte Arruit, Dar Drius, Ben Tieb, Annual - immer weiter nach Westen vorgestoßen. Mit einer Armee von über 25.000 Mann, Maschinengewehren, Artillerie und Panzern fühlte er sich den Kabylen, deren Stämme oft nur einige hundert Mann ohne schwere Waffen aufbieten konnten, weit überlegen. Doch bei denen war es dem charismatischen Abd el Krim gerade gelungen, die zerstrittenen Stämme gegen die fremden Invasoren aufzurufen.

Als Abd el Krims zum heiligen Krieg aufrief und mit der Gegenoffensive begann, gingen auch viele der spanischen Regulares zu ihm über. Dennoch war er den Spaniern auch jetzt noch zahlenmäßig weit unterlegen. Aber seine Krieger kannten das Gelände und waren hervorragende Schützen. Sie schnitten die spanischen Stützpunkte vom Nachschub ab und nahmen sie unter gezieltes Scharfschützenfeuer. Nach dem Fall zweier Außenposten, war auch das schwer befestigte Annual nicht mehr zu halten, da die Kabylen die umliegenden Hügel besetzt hatten. Der Rückzug der 4.000 Mann starken Garnison verwandelte sich bald in eine haltlose Flucht. Ein guter Teil der Offiziere, hatte sich in den wenigen Autos abgesetzt, General Silvestre sich der Verantwortung wahrscheinlich durch Selbstmord entzogen. Die Wehrpflichtigen waren ohne Führung und halb verdurstet, viele hatten ihre Waffen weggeworfen und versuchten sich vor den Messern der Kabylen in Sicherheit zu bringen. Es gelang nur wenigen. Jeder Stützpunkt auf der langen Straße nach Melilla wurde nur mit ins Verderben gerissen. Überall hatte sich die Bevölkerung erhoben und beteiligte sich an der Jagd auf die Fremden. Gefangene konnten nu in ganz seltenen Ausnahmen mit Pardon rechnen, statt dessen wurden viele grausam verstümmelt und zu Tode gefoltert. Es wurde die schwerste Niederlage, die eine Kolonialmacht im 20. Jahrhundert hinnehmen musste Von spanischer Seite wurde später der Verlust von gut 13.000 Mann eingeräumt, viele Schätzungen liegen jedoch weit darüber.

Gefallene bei Annual Die Banderas Fremdenlegion wurde deshalb auf schnellstem Weg mit dem Schiff nach Melilla transportiert, um wenigstens diese Stadt zu halten. Nachdem ausreichende Verstärkungen eingetroffen waren, musste die Legionäre mit den loyal verbliebenen Regulares mit der Gegenoffensive beginnen. Sie trafen am Anfang nur auf wenig Widerstand, dafür fiel ihnen traurige Aufgabe zu , tausende verstümmelter Leichen zu bestatten. Vielen hatte man die abgeschnittenen Geschlechtsteile in den Mund gesteckt, Offiziere mit Bajonetten gekreuzigt oder an ihren eigenen Gedärmen erhängt. Es war die übliche Art der Kriegsführung im Rif, mit der man dem Gegner seine Verachtung zeigte und vor allem unter den spanischen Wehrpflichtigen Angst und Schrecken verbreitete. Die Legionäre reagierten auf ihre Weise. Sie demonstrierten schnell, dass sie nicht nur gute Schützen waren, sondern dass sie auch im Nahkampf vor den Messern der Kabylen nicht flohen. Vor allem aber reagierten sie auf den Schrecken mit Terror; in einigen eroberten Dörfern wurden ohne Rücksicht auch Frauen und Kinder abgeschlachtet. Besonders berüchtigt wurde das Tercio aber für seine Vorliebe, die Köpfe toter - auch verwundeter - Kabylen zu sammeln, mit denen dann Stellungen und Fahnen dekoriert wurden.

Millán Astrays Schlachtruf "viva la muerte" begann Sinn zu machen, musste aber mit schweren eigenen Verlusten bezahlt werden. Neue Rekrutierungsbüros wurden deshalb vor allem in Lateinamerika eröffnet. Auch in Deutschland wurde geworben. Da aber nach dem Desaster von Annual kaum damit zu rechnen war, ausreichend Freiwillige zu finden, verschleierte man den eigentlichen Zweck des Unternehmens und warb Siedler und Polizisten, denen oft mündlich zugesichert wurde, dass sie nicht bei der kämpfenden Truppe zu dienen hätten. Einer der auf diese Art Getäuschten war Franz S. aus Danzig. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage in Deutschland hatte der Siebzehnjährige auf einem Schiff angeheuert, um auf diese Weise irgendwie nach Amerika zu kommen. Als er im Januar 1924 in Hamburg vergeblich versuchte eine neue Stellung zu finden, hörte er auf dem Heuerbüro von guten Verdienstmöglichkeiten bei der "spanischen Schutztruppe". Auf dem spanischen Konsulat herrschte bereits reger Andrang, und man redete von einer zweijährigen Dienstzeit, nach deren Beendigung jeder ein Stück Land erhalten sollte. Die Bedingungen schienen so gut, dass sich niemand daran störte, einen Kontrakt für vier Jahre zu unterschreiben. Von einem Dienst in der Fremdenlegion war jedenfalls nirgends die Rede. Ihr künftiges Schicksal dämmerte den Geworbenen erst nach ihrer Ankunft in Madrid. Doch von hier ging es unter strenger Bewachung weiter nach Marokko. Dort mussten sie sich durch eine neue Unterschrift zum Eintritt in das Tercio verpflichten. Diejenigen, die sich weigerten, wurden im Gefängnis durch Hunger und Schikanen gefügig gemacht. Ein besonders hartnäckiger Deutscher wurde trotzdem eingekleidet und später so schwer misshandelt, dass er seinen Verletzungen erlag. Nach einer kurzen Ausbildung ging es dann an die Front.

Franco In den folgenden Kämpfen im Osten bei Melilla und Ben Tieb war das Tercio die Speerspitze beim Vormarsch oder hatte als Nachhut den Rückzug zu decken. Die Verluste waren furchtbar, und die Legionäre fühlten sich mit gutem Grund als billiges Kanonenfutter missbraucht. Von dem Heroismus, mit dem die Einsätze des Tercio der Öffentlichkeit verkauft wurden, ist bei Franz S. nichts zu lesen. Seine Beschreibungen erinnern manchmal eher an die Schlachten Friedrichs des Großen. Als seine Kompanie einmal einen Berg stürmen sollte, den die Kabylen mit Maschinengewehren verteidigten, mussten die Legionäre wie einst die preußischen Grenadiere zum Angriff geprügelt werden. "War denn wirklich der Mensch wertloser als ein Stück Vieh?! - Doch es half nichts! Wir mussten vor. Hinter uns sauste die Peitsche durch die Luft, standen die Offiziere und andere Vorgesetzte mit dem Revolver in der Hand und schossen jeden nieder, der nicht vor ging." Aber auch die Gewaltangriffe des Tercio brachten nur kurzfristige Erfolge. Obwohl die Spanier ständig neue Verstärkungen nach Marokko warfen, Panzer und Flugzeuge einsetzten, war die zerklüftete Gebirgslandschaft nicht zu kontrollieren. Immer wieder schnitten die Kabylen kleine Außenposten ab und massakrierten die Besatzungen, die selbstverständlich meistens von Legionären gestellt wurden. Verwundete, die bei den überstürzten Rückzügen oft genug einfach liegengelassen wurden, wurden verstümmelt und ermordet. Die, die den Ärzten in die Hände fielen, waren manchmal nur wenig besser dran.

Trotz der beiderseits äußerst grausamen Kriegführung richtete sich der Haß der deutschen Legionäre nicht gegen die Kabylen, für deren Handeln sie sogar Verständnis aufbringen konnten, sondern gegen die eigenen Offiziere, die sie schikanierten, mit ihren Peitschen schlugen und ohne Erbarmen in den Tod trieben. Franz S. berichtet zwar auch von Gräueltaten der Kabylen, bewunderte diese aber wegen ihrer Tapferkeit, während er es ekelhaft fand, dass Angehörige des Tercio den gefallenen Kabylen die Köpfe abschnitten und damit die Fahnenstangen schmückten. Vor allem die deutschen Legionäre sprachen unter diesen Umständen fast ständig davon zu desertieren. Einmal wurden sie während der Nachtwache von Deutschen auf der feindlichen Seite dazu aufgefordert, überzulaufen und Abd el Krim als Instrukteure zu dienen. Doch die meisten wollten nach Hause, und die Offiziere verbreiteten Gerüchte, dass alle Deutschen vorzeitig entlassen werden würden. Franz S. rechnete sogar fest damit, da seine Eltern über die deutsche Botschaft in Madrid seine Entlassung als Minderjähriger betrieben.

Im Sommer 1924 begann Abd el Krim eine Offensive im Westen und blockierte die Straße von Tetuan nach Xauen, den am weitesten vorgeschobenen spanischen Stützpunkt. Die Garnison mit ihren 10.000 Soldaten war abgeschnitten. Natürlich wurde jetzt das Tercio nach Westen geholt, wo es die Straße freikämpfen und anschließend den Rückzug der Garnison decken musste. Nur mit Mühe konnte ein ähnliches Desaster wie bei Annual vermieden werden, aber das Tercio hatte wieder furchtbare Verluste. Für Franz S. war es der letzte Einsatz, denn seine Eltern hatten inzwischen tatsächlich seine Entlassung erreicht, und damit konnte er endlich die Heimreise antreten. Nur wenige waren so glücklich. Von der Reichsregierung waren die Werbungen stillschweigend geduldet worden, da man nach einem spanischen Sieg mit Bergbaukonzessionen im Rif rechnete. Erst als das Schicksal der Legionäre nach und nach publik wurde und es zu Protesten in der Öffentlichkeit kam, wurden die Werbungen verboten. Doch da waren von den deutschen Legionären nur noch 260 einsatzfähig, 830 gefallen; die anderen waren krank, verkrüppelt, verschollen oder desertiert.

In Marokko erreichte der Krieg ein neues Stadium. Nachdem die Spanier fast vollständig an die Küste zurückgetrieben worden waren, wandte sich Abd el Krim im Frühjahr 1925 plötzlich überraschend gegen Französisch-Marokko. Wahrscheinlich rechnete er damit, daß sich ihm die dortige Bevölkerung anschließen würde, oder er hoffte sogar auf nationalistische Aufstände in ganz Nordafrika. Aber die Berber- und Araberstämme waren viel zu zerstritten, um sich einem Führer unterzuordnen. Trotzdem war die Offensive zuerst äußerst erfolgreich: Die Franzosen, die bisher die Spanier als schlechte Soldaten verachtet hatten, wurden jetzt fast genauso vernichtend geschlagen. Ein Großteil der französischen Außenposten wurde überrannt und die Kabylen drangen tief ins Hinterland ein und erbeuteten wieder gewaltige Mengen an Kriegsmaterial. Jetzt trat die französische Fremdenlegion auf den Plan, die gemeinsam mit algerischen und senegalesischen Söldnern die dünne Front vor dem Zusammenbruch bewahrte. Doch die Berber waren letzten Endes an Menschen und noch mehr an Material hoffnungslos unterlegen. Während Frankreich und Spanien immer neue Truppen nach Marokko pumpten und dort am Jahresende mehr als eine halbe Million Mann stehen hatten, verfügte Abd el Krim nur über 10.000 bis 20.000 Krieger. Mit der Hilfe von schwerer Artillerie, Panzern und Flugzeugen begannen die Verbündeten mit ihrer Gegenoffensive. Im Rifgebirge herrschten Hunger und Typhus; die Dörfer wurden zerstört und die Bevölkerung floh vor den Brand- und Gasbomben in Höhlen. Nach einigen letzten verzweifelten Gefechten ergab sich Abd el Krim im Mai den Franzosen. Damit war der Krieg offiziell zu Ende, obwohl der Widerstand in einigen entlegenen Bergregionen noch Jahre andauerte.

© Frank Westenfelder  


 
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