Rent-A-Ugandan
AMISOM und Bancroft in Somalia
Ineffizienz und ausufernde Kosten von UN-Friedensmissionen werden seit Jahren
immer wieder kritisiert, teilweise um dringend notwendige Reformen innerhalb
der UN anzuschieben, aber manchmal auch um private Sicherheitsfirmen als
mögliche Anbieter mit in die Diskussion zu bringen. Zurzeit wird dabei
gerne auf die aktuell größte Friedensmission im Ostkongo (MONUSCO)
verwiesen, die sich trotz enormer Kosten vor allem durch Untätigkeit
auszeichnet. Obwohl dies sicher alles nicht falsch ist, wäre eine
nähere Betrachtung der Ereignisse in Somalia interessanter und vor
allem produktiver.
Ende 1992 hatten die UN unter Führung und wesentlicher Beteiligung der USA
ein militärisch schlagkräftiges Kontingent nach Somalia geschickt, um
dort die humanitäre Hilfe zu sichern und möglicherweise den blutigen
Bürgerkrieg zu beenden. Nach ersten Erfolgen verschlechterte sich die
Situation schnell und es kam im Oktober 1993 zur so genannten "Schlacht von
Mogadischu", in der die Amerikaner 18 Soldaten verloren. Ridley Scott hat ihrem
Sterben mit dem Film "Black Hawk Down" ein äußerst heroisches Denkmal gesetzt.
Weit weniger heroisch war, dass die USA nach dieser "Schlacht" geradezu fluchtartig das Land verließen. Wahrscheinlich hätte der Westen danach Somalia wie andere Teile Afrikas am liebsten vergessen. In dem von internen Machtkämpfen zerrissenen Land entdeckten aber immer mehr Warlords die Piraterie als äußerst lohnendes Geschäft, und dank der strategischen Lage wurden sie nach und nach zu einer echten Bedrohung des Welthandels. Zudem entwickelten sich vor allem die unter der Kontrolle der radikalen al-Shabaab Milizen stehenden Regionen zu einem der sichersten Rückzugsgebiete von al-Qaida, die von dort aus Operationen für ganz Nordafrika planen konnte.
Im Juli 2006 fiel dann Äthiopien mit einer starken Armee in Somalia ein, wahrscheinlich nicht direkt auf Befehl, aber dennoch auf Wunsch der USA, die das Unternehmen diskret mit Geld, Waffen und aus der Luft unterstützten. Die Äthiopier konnten mit ihren Panzern zwar Mogadischu einnehmen, waren aber dennoch dem Kleinkrieg auf Dauer nicht gewachsen und zogen 2009 erschöpft wieder ab.
Als wesentlich folgenreicher erwies sich da eine anfangs relativ unbeachtete Truppe, die hauptsächlich von Uganda und Burundi gestellt wurde. Um die vom Westen und den meisten afrikanischen Staaten anerkannte übergangsregierung Somalias (TFG für Transitional Federal Government) zu beschützen und beim Aufbau eigener Streitkräfte zu unterstützen, hatten die UN 2007 die Afrikanische Union beauftragt eine Friedensmission mit der Bezeichnung AMISOM (African Union Mission in Somalia) nach Somalia zu entsenden.
Obwohl es auf den ersten Blick so aussieht, war AMISOM allerdings nie eine UN-Friedensmission. Die Vereinten Nationen erteilten sozusagen nur den Auftrag. AMISOM findet sich in keiner ihrer Statistiken und wird auch nicht mit ihren Mitteln bezahlt. Geld, Material und Logistik kommen vorwiegend aus den USA und der EU und gehen direkt an die afrikanischen Staaten, die Truppen zur Verfügung stellen. D.h. die Beziehungen, zwischen denen, die bezahlen, da sie strategische und ökonomische Interessen in Somalia haben, und denjenigen, die in den Krieg ziehen, weil sie das Geld brauchen, sind wesentlich enger und direkter als bei UN-Friedensmissionen.
Die Anfänge von AMISOM waren eher bescheiden. Von den ersten Ugandern, die 2007 in Mogadischu eintrafen, hatten zwar viele Kriegserfahrung, doch die hatten sie im zentralafrikanischen Busch gesammelt; auf den Häuserkampf in der zerschossenen Millionenstadt Mogadischu waren sie nicht vorbereitet. Sie hatten Verluste durch Hinterhalte, Autobomben und Scharfschützen. Ihre eigene Ausrüstung war erbärmlich, sie hatten kaum ausreichend zu essen und manche sollen anfangs sogar an Mangelkrankheiten gestorben sein. Mit den Soldaten aus Burundi, die dann das zweitgrößte Kontingent stellten, war es nicht besser.
Ihre Stunde kam mit dem Abzug der Äthiopier, denn nun waren sie die einzigen
Truppen, die die immer noch schwachen Streitkräfte der übergangsregierung
gegen die Milizen der al-Shabaab unterstützen konnten. Die USA maßen dem Krieg
zwar große Bedeutung zu, wollten in Somalia jedoch "keinen amerikanischen Fußabdruck
oder Stiefel" sehen, wie es Johnnie Carson, der Staatssekretär für
afrikanische Angelegenheiten, mit klarer Bezugnahme auf die "Black Hawk Down" Episode
gegenüber der New York Times formulierte.
Amerikanische Special Forces bilden Soldaten von Uganda, Burundi und seit kurzem
auch von Sierra Leone in ihren Heimatländern für den Häuserkampf
in Somalia aus. Dazu liefern sie begehrtes Kriegsgerät wie Schutzwesten,
Nachtsichtgläser, Scharfschützengewehre und vieles mehr. Vor allen
Dingen ist aber der Sold "hervorragend". Die USA und die EU zahlen 1.028 Dollar
monatlich für jeden Soldaten, was einem vielfachen Durchschnittseinkommen
in Uganda oder Burundi entspricht. So verdient ein einfacher Soldat in Burundi
ganze 20 Dollar im Monat! Obwohl die Zahlungen über die entsprechenden
Regierungen die Familien der Soldaten oft erst mit deutlichen Verzögerungen
und Abschlägen erreichen, gelten die ersten Heimkehrer aus Somalia als reich,
viele haben Häuser gebaut und Geschäfte eröffnet.
Die Soldaten waren also vor allem wegen der Bezahlung hoch motiviert. Dennoch
wurde schnell klar, dass sie weitere Ausbildung und Betreuung vor Ort benötigten,
als sie zunehmend die Aufgaben der abziehenden Äthiopier übernehmen
mussten. Da die USA aber weiter keine Soldatenleben in Somalia riskieren wollten,
wurden diese Aufgaben Privatfirmen überlassen. Führend im Geschäft
ist dabei die PMC (private military company) "Bancroft Global Development".
Obwohl Bancroft eine US-amerikanische Firma ist, beschäftigt sie in Somalia -ganz anders als ähnliche Firmen im Irak oder Afghanistan- fast ausschließlich Südafrikaner und Europäer, was sicher auch kein Zufall ist. Bancrofts leitender Mann in Mogadischu ist Richard Rouget, der mit seinen über fünfzig Jahren auf ein recht bewegtes Söldnerleben zurückblicken kann. Unter anderem gehörte er zu Bob Denards berüchtigter Präsidentengarde auf den Komoren, führte Rebellen an der Elfenbeinküste und wurde in Südafrika wegen illegaler Söldneraktivitäten verurteilt -was wirklich nicht ganz einfach ist.
Bancroft Mitarbeiter Richard Rouget mit ugandischen Soldaten in Mogadischu
Die Profis von Bancroft bilden die AMISOM Truppen oft an vorderster Front
im modernen Häuserkampf aus. Rouget wurde dabei sogar verwundet. Nach
und nach wurden Terrain und Erfahrungen gewonnen. Im August 2010 startete
al-Shabaab eine große Offensive, die erst kurz vor dem Präsidentenpalast
gestoppt werden konnte. Danach begann der Gegenangriff. Die Ugander kämpften
sich Straße für Straße, manchmal nur Haus für Haus zum
zentralen Bakaara Markt vor und brachten ihn schließlich unter Kontrolle.
Nachdem al-Shabaab inzwischen aus ganz Mogadischu vertrieben und landesweit auf
dem Rückzug ist, gilt AMISOM allgemein als Erfolgsmodell.
Für diesen Erfolg gibt es sicher eine ganze Reihe von Ursachen. So werden
durch kontrollierte Ausbildung und Ausrüstung sicher gewisse
Qualitätsstandards erreicht. Grundlegend war natürlich die relativ
gute Bezahlung, die zu einer hohen Motivation führte. Dennoch sollte man
beachten, dass AMISOM verglichen mit den üblichen UN-Missionen ausgesprochen
billig ist. So wird sie in einem Artikel bei BBC News als "ultra-low-budget"
bezeichnet. Der möglicherweise wichtigste Faktor war jedoch die Bereitschaft
hohe Verluste hinzunehmen.
Ganz im Gegensatz zu Friedensmissionen der Vereinten Nationen, wo jeder Tote sauber
in Statistiken veröffentlicht wird, sind die Verluste von Uganda und Burundi
streng gehütete Staatsgeheimnisse. Internationale Beobachter gehen jedoch von
ca. 500 Gefallenen für jede Nation aus, manche sprechen bei Uganda sogar von
2.700. Aber selbst wenn diese Schätzungen deutlich zu hoch liegen, so sind sie
doch bei Kontingenten von 5.700 (Uganda) und 4.400 (Burundi) enorm. Das seit Jahren
im Auftrag der UN im Ostkongo stationierte Kontingent aus Bangladesch beklagt 3 Tote.
Tote AMISOM-Soldaten aus Uganda und Burundi in Somalia. Über sie
wird Ridley Scott wohl keinen Film drehen.
Es ist sicher der enge Zusammenhang zwischen "westlichem Geld und afrikanischem Blut"
der den Söldneraspekt von AMISOM manchmal in den Vordergrund rückt. Der
Journalist Robert Young Pelton, einer der besten Kenner der undurchsichtigen Szene am
Horn von Afrika, bezeichnet das ganze Unternehmen sogar leicht spöttisch als
"Rent-A-Ugandan".
Da in Uganda, Burundi und auch Sierra Leone erst vor kurzer Zeit lange, blutige
Bürgerkriege beendet worden sind, leiden alle diese Länder unter einem großen überschuss ehemaliger Kämpfer, die entweder schlecht bezahlt beim Militär ausgehalten werden, oder völlig mittellos auf der Straße stehen. Dadurch steigt nicht nur die Kriminalitätsrate, sondern auch das Risiko eines neuen Bürgerkrieges oder Militärputsches. Der Krieg in Somalia ist deshalb für diese Länder auch eine Art Demobilisierungs- und Reintegrationsprogramm.
In Uganda, wo man die längste Erfahrung auf diesem Gebiet hat, rekrutieren US Sicherheitsfirmen seit Jahren billiges Personal für Einsätze im Irak und in Afghanistan. Trotz des Risikos gibt es stets mehr als genug Bewerber, darunter auch viele ehemalige Kindersoldaten. Einige der Erfolgreicheren haben inzwischen eigene ugandische Firmen eröffnet, die das gewünschte Personal dann noch billiger - z.T. für 400 Dollar im Monat - anbieten.
Der Weltspiegel in der ARD brachte dazu im November vergangenen Jahres die sehenswerte Dokumentation: "Uganda - Afrikanische Söldner in der US-Armee". Obwohl es natürlich sehr zu begrüßen ist, dass dieses meistens völlig ignorierte Thema endlich einmal einem größeren Publikum präsentiert wird, ist es dennoch etwas bedauerlich, dass wieder einmal private Sicherheitsfirmen den Buhmann spielen müssen. Im Vergleich mit Mogadischu ist der Dienst bei Sicherheitsfirmen im Irak oder in Afghanistan eine Art Erholungsurlaub. Der große Unterschied ist nur, dass im Fall von Somalia das eigene Vaterland seine Söhne feilbietet und die UN das Ganze dann mit dem Gütesiegel "Peacekeeping" absegnen. Söldnerdienste sind es aber hier wie dort.
Dieser Artikel erschien erstmals am 19.2.2013 bei Telepolis.