Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Das "Fußvolk" im Irak

Rich man’s war and poor man’s fight.

Bücher zum Söldnerthema Betrachtet man sich Bücher die neuerdings zur Thematik der Militär- oder Sicherheitsfirmen im Irak erscheinen, so sieht man auf den Coverabbildungen immer den gleichen Typus: ehemalige Angehörige westlicher Sondereinheiten. Es dreht sich um das gleiche Personal, das auch in Söldnerfilmen - angefangen von den Billig- und Primitivvarianten bis hin zu den besseren Produktionen wie "Proof of Life" oder "Blood Diamond" - die Szene dominiert. Nun mag es noch angehen, dass sich Hollywood in allererster Linie an den Präferenzen seines westlichen Publikums orientiert, wenn jedoch "kritische" Literatur den selben Geschmack bedient, so ist das mehr als bedenklich.

Die Presse treibt es oft noch schlimmer. Hier ist zwar manchmal etwas von Söldnern aus Lateinamerika, Südafrika, Nepal, Serbien oder Fidschi zu lesen, doch nur um sofort in die üblichen Klischees zu verfallen. Man kann dann lesen, dass ehemalige Folterknechte Pinochets, Ceaucescus, des südafrikanischen Apartheidregimes oder Veteranen von Todesschwadronen aus Kolumbien und Serbien nun im Irak ihrem sinistren Handwerk nachgehen. Gerne wird dann auf den Tod des Südafrikaners Francois Strydom verwiesen, der früher in der berüchtigten Einheit "Koevoet" gedient hatte. Journalisten der spanischen Zeitung "El Pais" ließen sich in einer Hotelbar Bagdads von einem Serben beeindrucken, der mit zunehmendem Alkoholpegel immer mehr Moslems in Sarajewo erschossen haben wollte und nun im Irak einen Job suchte.

Ganz ohne Zweifel gibt es eine ganze Reihe solcher Personen, die inzwischen im Irak ihr Glück versuchen, dennoch leiden die Artikel an den üblichen Skandal heischenden Übertreibungen. Irgendwie erinnern sie an die Berichterstattung über die Kriege in Indochina und dem Kongo, im denen ständig von Veteranen der Waffen-SS gemunkelt wurde. In der Fremdenlegion waren diese eher selten, und im Kongo gab es keinen einzigen, weshalb sich Kongo-Müller der ungeteilten Aufmerksamkeit der Weltpresse erfreuen durfte. Journalisten übersehen auch allzu gerne, dass Söldner oft enorme Aufschneider sind und mit Vorliebe die eigene Biographie mit einigen erfundenen Missionen und Leichen ausschmücken. Man hält sich hier an das italienische Motto: "Wenn es schon nicht wahr ist, so ist es doch zumindest gut erfunden."

Vor allen Dingen erinnert uns aber die Perspektive der Medien an die mittelalterlicher Chroniken - Geschichte wiederholt sich zwar nicht, funktioniert aber immer wieder gerne nach ähnlichen Prinzipien. In diesen Chroniken findet man leicht die Namen illustrer Fürsten, die in fremden Diensten Ruhm und Ehre suchten - vom Geld wird nur selten berichtet -; von der großen Masse der einfachen Knechte ist dagegen kaum etwas zu erfahren. Nur manchmal ist pauschal von "bösem Volke aus allen Ländern" zu lesen. Wenn man es etwas genauer wissen möchte, entdeckt man, dass dieses Volk sehr oft aus den ärmsten Regionen Europas stammte: der Bretagne, den Pyrenäen, Wales, den Alpen, oder Schottland. Reine Armut reichte natürlich nicht ganz aus; die potentiellen Rekruten sollten auch möglichst kriegerisch und waffengewohnt sein.

Dass das Geschäft im Irak zur Zeit immer noch nach ähnlichen Mechanismen abläuft belegt die Arbeit der "U.N. Working Group on the Use of Mercenaries" (UNWG), die im Juli 2005 ihre Arbeit aufgenommen hat und seither die Anwerbung und Verwendung von Söldnern weltweit untersucht. In ihren Berichten ist weder von amerikanischen Special Forces, noch von serbischen Scharfschützen die Rede, sondern vom banalen Alltag der Söldnerwerbung. Die Arbeitsgruppe besuchte so entlegene Länder wie Hondoras, Ecuador, Peru, Chile und Fidschi, da dort die Hauptrekrutierungsgebiete vermutet werden. Wahrscheinlich muss sie sich in nächster Zeit auch noch nach Nepal, Kolumbien und Uganda bewegen.

Man mag es vielleicht für einen Skandal halten, dass arme Schweine aus der 3. Welt, die sich höchstwahrscheinlich nie ein Auto leisten konnten, für das Rohöl der reichen Länder den Kopf hinhalten. Wir denken, dass Söldnergeschichte fast immer so war. Was uns aber dennoch gewaltig stört ist die Ignoranz der Journalisten und Autoren, die auf möglichst billige Weise den Publikumsgeschmack bedienen. Zeitungen berichten bevorzugt über Söldner ihrer Nationalität - der "Stern" konnte sogar eine deutsche Firma ausfindig machen -, und konzentrieren sich ansonsten auf den von Hollywood geprägten Typus. Die meisten Leser wissen deshalb noch nicht einmal, dass diese Leute überhaupt existieren. Und wenn dann tatsächlich mal ein paar in die Nachrichten gelangen, da sie einem Attentat zum Opfer gefallen sind, kann sich der westliche Leser damit trösten, dass es sich ja nur um faschistische Killer aus Südafrika oder Chile gehandelt habe.

Westliches Personal mit Spezialausbildung dominierte im ersten Jahr fast komplett die Szene. Der Krieg galt als gewonnen und US-amerikanische und britische PMCs rangelten um lukrative Regierungsaufträge. Mächtige Firmen mit viel politischem Einfluss wie Kellog Root & Brown, DYNCORP, MPRI, Blackwater, Control Risk, oder AmorGroup, die den Kuchen unter sich aufteilen wollten hatten bereits Monate zuvor ihren Personalbestand aufgestockt und konnten unter zahlreichen Bewerben auswählen (Selbst wir bei Kriegreisende - eine rein historische Seite - erhielten damals so viele emails, dass wir das eine oder andere Platoon hätten vermitteln können).

Anschlag auf einen Konvoi Aber die Lage änderte sich schnell. Als sich Ende 2003 im Irak die Anschläge häuften und die ersten Ausländer entführt wurden, gingen die Preise für gut ausgebildete Ex-Soldaten durch die Decke - Tagessätze von über 1.000$ waren keine Seltenheit - und neue Sicherheitsfirmen schossen wie Pilze nach einem warmen Herbstregen aus dem Boden. Das Problem verschärfte sich dadurch, dass Spezialkräfte nur in sehr kleinen Gruppen und über längere Zeit ausgebildet werden. Die Zahl die später auf dem Söldnermarkt zur Verfügung steht ist relativ klein und begrenzt. Im Irak benötigte man aber Tausende - Tendenz rasant steigend. In ihrer Not begannen die Firmen, sich gegenseitig Personal abzuwerben. Außerdem waren sie damit konfrontiert, dass sich manchmal gerade die besten Mitarbeiter mit einigen Kameraden selbständig machten. Ein Direktor von Blackwater beschrieb die Situation so: "wir suchten in allen Winkeln der Welt nach Profis."

Die Rettung für Blackwater kam in Gestalt von José Miguel Pizarro, ein Chilene, der auch die US-Staatsbürgerschaft besaß und in Lateinamerika als Vertreter großer US-Rüstungsfirmen tätig war. Pizarro war ein Anhänger Pinochets und besaß hervorragende Kontakte zum chilenischen Militär. Als er mit Blackwater Verbindung aufnahm und Firmengründer Erik Prince von US-Instrukteuren chilenische Kommandos versprach, antwortete ihm dieser: "Wenn Sie mir nur einen Navy Seal aus Chile besorgen können, ist es mir die Sache wert." Anfang 2004 kamen dann die ersten 60 Ex-Seals aus Chile nach Nord Carolina und erhielten dort von Blackwater ihr Abschlusstraining, bevor sie in den Irak geschickt wurden.

Weitere folgten und Pizarro wurde schnell zu einem der ganz Großen im Söldnergeschäft mit Lateinamerika. Seine Firma Red Táctica eröffnete Rekrutierungsbüros und inserierte in Tageszeitungen in Chile, Uruguay, Peru, Ecuador und anderen Ländern. Auch andere US-Firmen hatten inzwischen das große Reservoir im Süden entdeckt und eröffneten Zweigstellen oder gründeten Tochterfirmen. Dabei benützten sie auch nicht selten Pizarros Kontakte. Ein Beispiel für die personellen und institutionellen Verflechtungen sind die Ereignisse im Herbst 2005 in Honduras. Die erst kurz zuvor gegründete US-PMC Triple Canopy hatte einen Großauftrag im Irak bei der Bewachung von Anlagen und diplomatischem Personal an Land gezogen. Eine eigens dafür in Honduras gegründete Tochterfirma - Your Solution Inc - warb das notwendige Personal in Chile und Mittelamerika an.

Chilenen in Honduras bei ihrer Ausreise Den letzten Schliff sollten die Rekruten dann in der Militärbasis Lepaterique in der Nähe von Tegucigalpa erhalten. Die Leitung hatte ein gewisser Marina Óscar Aspe, der zuvor schon für Pizarros Red Táctica gearbeitet hatte. Das Lager selbst hatte in Honduras einen äußerst schlechten Ruf, da die CIA dort in den 80er Jahren honduranische Soldaten im Antiguerillakampf ausgebildet hatte und Contras für den Krieg in Nicaragua. Man kann also davon ausgehen, dass es bei der Organisation des Ganzen zu einer kameradschaftlichen Zusammenarbeit zwischen CIA, honduranischem Militär, Pizarro und der PMC Triple Canopy gekommen war. Als im September dann die Zeitung "La Tribuna" auf ihrer Titelseite brachte, dass Honduras chilenische Söldner ausbilde, wollte natürlich niemand davon gewusst haben. Your Solutions wurde aufgefordert, seine Aktivitäten einzustellen und umgehend das Land zu verlassen. Da sich Nicaragua jedoch weigerte, die Söldner aufzunehmen, genehmigte man ihnen schließlich noch 15 Tage, um ihr Training abzuschließen und anschließend in den Irak auszureißen.

In Peru, wo ebenfalls viel rekrutiert wird, läuft die Sache noch viel offensichtlicher. Dort organisierte das Geschäft für Triple Canopy die lokale Firma "Gun Supply", die auch die Armee mit Munition beliefert. Gegen harte Dollars übernahm dann die Armee gleich selbst die Ausbildung der Söldner, ohne den Verteidigungsminister zu fragen. Dennoch gab es, auch nachdem die Vorgänge publik geworden waren, kein Verbot seitens der Regierung. "Sie wissen, dass es eine Möglichkeit ist zu arbeiten," sagte der Geschäftsführer von Gun Supply. "Du machst es, oder du lässt es; so einfach ist das. Tausend Dollar monatlich sind eine Menge Geld in Peru."

Damit kommen wir zum entscheidenden Grund, für das große Interesse der PMCs am lateinamerikanischen Söldnermarkt: durch den niedrigen Lebensstandard und die große Menge ehemaliger Soldaten, die sich oft genug für einen Hungerlohn als "guachimán" (watchman) vor einem Nobelviertel oder einem Supermarkt durchschlagen müssen, lassen sie die Preise geradezu unglaublich drücken. Hatte Blackwater den Chilenen noch 4.000$ Dollar im Monat bezahlt, so erhielten später geworbene Kolumbianer nur noch 2.500$ und ganz am Schluss kamen die Peruaner mit 1.000$ monatlich - das waren 5,75$ pro Stunde! Aber auch Chilenen, die später geworben wurden und keine besondere Spezialausbildung besaßen, erhielten nur noch um die 1.000$ monatlich.

Die PMCs können problemlos für jeden dieser Billigsöldner ein Vielfaches abrechnen und dennoch ihre Dienste wesentlich preiswerter anbieten. Man hat dort schnell begriffen, dass man zur Bewachung der ausgedehnten Anlagen, Besetzung der zahllosen Checkpoints oder als Fahrer im Konvoi keine Rangerausbildung braucht. Es reicht wenn die Angeworbenen mit Waffen umgehen können, gute Nerven haben und nicht zuletzt die Härten des Dienstes ertragen. Dieser ist ohne Zweifel gefährlich. Wachen werden aus vorbeirasenden Autos beschossen und ständig muss man mit Bombenanschlägen rechnen. Das zehrt an den Nerven; dazu kommt das Wachestehen in glühender Sonne und Patrouillen mit gut 15 Kg Gepäck. Gerade für die Indios aus den Anden und die Chilenen ist die ungewohnte Hitze oft der schlimmste Feind. Während ihre viel besser bezahlten Kameraden aus den USA und Europa alle drei Monate einen Monat Heimaturlaub auf Firmenkosten genießen, bleiben die Lateinamerikaner normalerweise für ein ganzes Jahr. Deshalb gilt die Langeweile oft als der zweitschlimmste Feind. Viele können ihre Stützpunkte nicht verlassen, und so verbringen sie dort ihre dienstfreie Zeit mit Alkohol und Satelliten-TV, warten darauf, sich wieder als Zielscheiben auf die Straße zu stellen.

Internetseite Dennoch herrscht kein Mangel an Freiwilligen. Wenn die Subunternehmen der großen US-PMCs in Lateinamerika annoncieren, finden sich meistens hunderte ein. Viele suchen auch über dubiose Internetseiten einen "Job" im Irak. Bei drückender Armut und einer hohen Arbeitslosigkeit erscheint der Söldnerdienst als eine der ganz wenigen Möglichkeiten, dem Elend zu entkommen. Der normale Weg wäre die Emigration, doch der Zugang in die USA wird immer enger und schwieriger. Auf die Frage, ob ihm für seine Dienste eine Bleiberecht in den USA in Aussicht gestellt wurde, antwortete ein chilenischer Söldner: "Leider nicht. Wenn sie das anbieten würden, wäre ich in der Lage, gratis in den Krieg zu ziehen."

Während lateinamerikanische Staaten als Lieferanten auf dem Söldnermarkt relativ neu sind und ohne den enormen Bedarf im Irak vielleicht nie als solche in Erscheinung getreten wären, gibt es auch die ganz traditionellen Anbieter, die praktisch von der ersten Stunde an mit dabei waren. An erster Stelle stehen hier natürlich die nepalesischen Gurkhas, von denen einige tausend in den Reihen der britischen Armee im Irak dienen, aber auch viele von PMCs wie der britischen ArmorGroup oder der US-Firma Custer Battles unter Vertrag genommen worden sind. Sie übernehmen ähnliche Aufgaben wie die Söldner aus Lateinamerika, werden aber deutlich besser bezahlt, da sie sehr oft eine solide Ausbildung in der britischen Armee oder mehrere UN-Missionen hinter sich haben, und nicht zuletzt einen hervorragenden Ruf genießen, was sich bei Söldnern schon immer in bare Münze umsetzen ließ.

Wesentlich weniger bekannt sind dagegen die Söldner aus Fidschi, das man normalerweise nur mit paradiesischen Südseeinseln in Verbindung bringt. Dennoch haben die Männer aus Fidschi mit den Gurkhas eine Menge gemeinsam. Bis ins späte 19. Jahrhundert pflegten sie den Ruf wilder und tapferer Krieger - eine Tradition, die bis heute das Selbstverständnis vieler Männer bestimmt. In beiden Weltkriegen kämpften viele als Freiwillige in Einheiten der britischen Armee, die dann, als Ende des 20. Jahrhunderts die Rekruten knapp wurden, ganz offiziell damit begann in Fidschi zu werben. Inzwischen dienen etwa 2.000 als britische Soldaten im Irak und stellen damit einen hohen Anteil des "britischen" Kontingents.

Als die große "Söldnerakademie" für Fidschi erwiesen sich jedoch die UN-Missionen. Obwohl das kleine und bettelarme Land nur Streitkräfte von 3.500 Mann unterhält, befand sich nach Möglichkeit immer ein Bataillon im UN-Einsatz - man rechne dies mal für europäische Streitkräfte hoch! Für die Regierung ist dies eine wichtige Devisenquelle und zudem eine Möglichkeit ihre Soldaten mit einem Zusatzeinkommen zu versorgen. Die Bedeutung dieses Gesichtspunkts wird durch eine ganze Reihe Militärputsche schlecht bezahlter Militärs unterstrichen. Im Auftrag der UN dienten Soldaten von Fidschi auf dem Sinai, Zypern, Namibia, dem Kosovo, Zimbabwe, Bougainville, Ost-Timor, den Salomonen und dem Libanon. Die Probleme begannen immer dann, wenn die Soldaten heimkehrten und keine neue Mission in Aussicht stand. Als zum Beispiel 2002 der Vertrag für das relativ starke Kontingent im Libanon auslief, mussten viele Soldaten entlassen werden, und Teile eines Bataillons wurden als Wachleute an eine lokale Supermarktkette vermittelt.

Soldat aus Fidschi im Irak Für viele ehemalige Soldaten war es deshalb fast eine Erlösung, als sich die Lage im Irak verschlechterte und die Werbungen begannen. Als erste verstärkten die Briten ihre Bemühungen. Offiziell ist Großbritannien ja der wichtigste Verbündete der USA und beschäftigt keine Söldner; dennoch weiß es die Regierung zu schätzen, wenn sich in den Leichensäcken, mit denen diese Politik letzten Endes bezahlt wird, anschließend keine Briten sondern Ausländer befinden. Gleich nach der Army kamen die PMCs; zuerst britische Firmen wie Global Risk Strategies, ArmorGroup und Sabre International Security. Aber auch US-Firmen wie Triple Canopy oder Skylink ließen nicht lange auf sich warten

Der Sold liegt je nach Ausbildung und Gefahrenzulage mit 1.500-3.000$ deutlich über dem der Peruaner. Doch der Preis ist hoch. Viele Söldner aus Fidschi arbeiten als Konvoifahrer, wo es immer wieder durch Sprengfallen und Raketenangriffe zu Verlusten kommt. Bis Ende 2006 zählte das kleine Land über 200 Gefallene. In Fidschi unterscheidet man dabei nicht groß, ob es sich bei den Toten um Angehörige des UN-Kontingents im Irak, um britische Soldaten oder um Angestellte einer PMC gehandelt hat. Schließlich waren alle als Krieger ins Ausland gezogen, um Geld zu verdienen, mit dem sie ihre Familien unterstützen wollten. Inzwischen haben die Überweisungen der im Ausland dienenden Söldner, die Einnahmen aus der immer schlechter gehenden Zuckerindustrie überrundet und liegen damit hinter dem Tourismus auf Platz zwei der Devisenquellen.

Die Existenz vieler Familien, manchmal sogar ganzer Dorfgemeinschaften hängt von den Verdiensten der "Gastarbeiter" im Irak ab. Selbst wenn die Männer nicht zurückkommen, sind Versicherungsprämien von weit über 100.000$ sehr viel Geld für die abgelegenen Dörfer. Tausende haben sich deshalb als potentielle Rekruten in die Wartelisten der britischen Armee und diverser Söldnerfirmen eingetragen. Die Regierung duldet die Werbungen wohlwollend; für sie ist es eine Methode die schnell wachsende Bevölkerung mit Arbeit zu versorgen und gleichzeitig dringend benötigte Devisen zu erhalten. So sagte der Arbeitsminister 2005: "Die Regierung weiß, dass immer mehr Männer nach Kuwait oder Irak gehen, und das ist eine gute Sache, weil es die Arbeitslosen mit Arbeit versorgt. Es ist eine der Lösungen für die steigende Arbeitslosenrate im Land."

Es ist das alte Lied. Wie einst aus den schweizer Bergen kommen auch heute wieder die Söldner aus den von Armut, Krieg und Überbevölkerung geplagten Gebieten. Selbst in Uganda, wo seit langem ein besonders blutiger Bürgerkrieg wütet, wird seit einigen Jahren geworben. Die Menschen dort sind an die Schrecken des Krieges gewöhnt, haben nicht viele Alternativen und sprechen gut Englisch. Ein jüngerer Bruder des Präsidenten hat dort eine eigene Sicherheitsfirma gegründet, über die er dann die Großabnehmer im Irak mit dem notwendigen Menschenmaterial versorgen kann - früher nannte man das "Soldatenhandel".

’Arbeitsamt’ in Lateinamerika Der Bedarf ist groß, und so wundert es nicht, dass ständig neue Firmen entstehen und sich arme Staaten als Zulieferer etablieren möchten. 2007 schätzte die Los Angeles Times die Zahl der Söldner im Irak auf 180.000 und damit deutlich höher als die der offiziellen US-Streitkräfte (160.000). Unter diesen Söldnern dienen angeblich 21.000 US-Bürger, 43.000 Ausländer und 118.000 Iraker. Die Iraker stehen ganz unten in der Hierarchie und müssen sich meistens mit einer Bezahlung von 600$ monatlich zufrieden geben. Man mag darüber diskutieren, ob es sich bei ihnen und den Nordamerikanern um "richtige Söldner" handelt. Unserer Ansicht nach, sollte man auf beide Gruppen verzichten, da sie zu den Krieg führenden Nationen gehören und somit zumindest eine hypothetische Dienstpflicht besteht. Andererseits sollte man die britischen Soldaten aus Südafrika, Nepal, Fidschi und Jamaika doch eher zu den Söldnern rechnen.

Die große Masse dieser Söldner kommt wie gesagt aus sehr armen Ländern, deren Einwohner seit langem ihr Glück als Emigranten in der Fremde suchen und wo der Lebensstandard so niedrig ist, dass es sich lohnt für 1.000$ im Monat sein Leben zu riskieren. Sicher befinden sich auch Leute mit einer kriminellen Vergangenheit darunter, aber die Folterknechte Pinochets haben sich wahrscheinlich längst auf ihren Pfründen zur Ruhe gesetzt, und unter den Südafrikanern dominieren Schwarze. Ehemalige Kommunisten wie Serben oder Rumänen haben in den uramerikanisch geführten PMCs keine guten Aussichten. Statt im Dienst irgendwelcher finsterer Tyrannen haben deshalb die meisten Söldner im Irak, die überhaupt Erfahrung haben, diese im Dienst von UN-Missionen gewonnen.

Im Gegensatz zu ihren Kollegen westlicher Provenienz, die gerne in Autobiographien und Fernsehinterviews auf sich aufmerksam machen, handelt es sich bei den Söldnern aus der Dritten Welt um einfache Leute. Anstatt von Adrenalin, ihrem ersten "Kill" oder anderen Heldentaten zu schwafeln, erzählen sie von der Hitze, der Langeweile und immer wieder vom überreichen Essensangebot der US-Kantinen. Aber genau dadurch wirken sie viel echter. Natürlich fehlt ihnen als einfachem "Fußvolk" der Glamour der Fahrenden Ritter mit den schicken Waffen und Sonnenbrillen, und deshalb wird sie Hollywood auch in keinem Film verwenden. Dennoch ist ihr Dienst normalerweise wesentlich härter - so fehlen z.B. der regelmäßige Heimaturlaub und die Ruhepausen in Luxushotels -, ihr Sold beträgt einen Bruchteil, ihre Ausrüstung ist schlechter und ihre Verlustraten oft höher. Die 200 Toten, die Fidschi mit einer Bevölkerung von etwa 900.000 bis Ende 2006 hatte, mögen manchen nicht viel erscheinen. Berechnet man sie jedoch pro Kopf und stellt sie den USA gegenüber (Bevölkerung ca. 300 Millionen), so entspräche das weit über 60.000 Gefallenen. Und unter diesen Umständen hätte die US-Army wahrscheinlich längst fluchtartig den Irak verlassen.

Wikipedia Allerdings interessiert das niemanden. Söldner sterben eben meistens anonym, aber genau darum beschäftigt man sie ja. Diese Ignoranz wird leider inzwischen auch von der guten Wikipedia verbreitet, die auch wir sonst gerne zu Rate ziehen. Dort werden in dem Artikel zu Blackwater (August 2007) alle sechs US-Amerikaner, die bei dem Abschuss eines Helikopters ums Leben kamen, mit Namen und Herkunft gelistet. Von den drei Bulgaren der Crew werden immerhin noch die Namen angegeben - es waren ja zumindest Europäer. Zusätzlich wird noch erwähnt, dass auch zwei Bordschützen aus Fidschi ums Leben kamen; wie sie hießen scheint irrelevant. Wir finden es zwar keine besonders gute Idee, wenn manche Leute aus der Wikipedia eine Art Heldengedenkstätte machen wollen, möchten aber hier zumindest die Namen der zwei gefallenen Bordschützen anführen: Es waren der Ex-Polizist Waisea Jim Atalifo und Timoci Lalaqila ein ehemaliger Soldat. Nur zwei der Söldner, die in einem fremden Krieg starben und von denen niemand etwas wissen wollte. Sie waren so fremd, dass Atalifos Leichnam zuerst sogar in die USA geschickt wurde. Wahrscheinlich hielt irgendein Cargomanager Fidschi für einen Vorort von Los Angeles - "What the hell is Fiji?".



BIP pro Kopf verschiedener Nationen im Jahr 2006

USA44.000$
Chile12.700$
Peru6.600$
Fidschi6.200$
Uganda1.900$
Nepal1.500$


© Frank Westenfelder  


 
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