Das "Fußvolk" im Irak
Rich man’s war and poor man’s fight.
Betrachtet man sich Bücher die neuerdings zur Thematik der Militär-
oder Sicherheitsfirmen im Irak erscheinen, so sieht man auf den Coverabbildungen
immer den gleichen Typus: ehemalige Angehörige westlicher Sondereinheiten.
Es dreht sich um das gleiche Personal, das auch in Söldnerfilmen -
angefangen von den Billig- und Primitivvarianten bis hin zu den besseren
Produktionen wie "Proof of Life" oder "Blood Diamond" - die Szene dominiert.
Nun mag es noch angehen, dass sich Hollywood in allererster Linie an den
Präferenzen seines westlichen Publikums orientiert, wenn jedoch "kritische"
Literatur den selben Geschmack bedient, so ist das mehr als bedenklich.
Die Presse treibt es oft noch schlimmer. Hier ist zwar manchmal etwas
von Söldnern aus Lateinamerika, Südafrika, Nepal, Serbien oder
Fidschi zu lesen, doch nur um sofort in die üblichen Klischees zu
verfallen. Man kann dann lesen, dass ehemalige Folterknechte Pinochets,
Ceaucescus, des südafrikanischen Apartheidregimes oder Veteranen von
Todesschwadronen aus Kolumbien und Serbien nun im Irak ihrem sinistren
Handwerk nachgehen. Gerne wird dann auf den Tod des Südafrikaners
Francois Strydom verwiesen, der früher in der berüchtigten Einheit
"Koevoet" gedient hatte. Journalisten der spanischen Zeitung "El Pais"
ließen sich in einer Hotelbar Bagdads von einem Serben beeindrucken,
der mit zunehmendem Alkoholpegel immer mehr Moslems in Sarajewo erschossen
haben wollte und nun im Irak einen Job suchte.
Ganz ohne Zweifel gibt es eine ganze Reihe solcher Personen, die inzwischen
im Irak ihr Glück versuchen, dennoch leiden die Artikel an den üblichen
Skandal heischenden Übertreibungen. Irgendwie erinnern sie an die
Berichterstattung über die Kriege in Indochina und dem Kongo, im denen
ständig von Veteranen der Waffen-SS gemunkelt wurde. In der Fremdenlegion
waren diese eher selten, und im Kongo gab es keinen einzigen, weshalb sich
Kongo-Müller der ungeteilten Aufmerksamkeit der Weltpresse erfreuen
durfte. Journalisten übersehen auch allzu gerne, dass Söldner
oft enorme Aufschneider sind und mit Vorliebe die eigene Biographie mit
einigen erfundenen Missionen und Leichen ausschmücken. Man hält
sich hier an das italienische Motto: "Wenn es schon nicht wahr ist, so
ist es doch zumindest gut erfunden."
Vor allen Dingen erinnert uns aber die Perspektive der Medien an die
mittelalterlicher Chroniken - Geschichte wiederholt sich zwar nicht, funktioniert
aber immer wieder gerne nach ähnlichen Prinzipien. In diesen Chroniken
findet man leicht die Namen illustrer Fürsten, die in fremden Diensten
Ruhm und Ehre suchten - vom Geld wird nur selten berichtet -; von der großen
Masse der einfachen Knechte ist dagegen kaum etwas zu erfahren. Nur manchmal
ist pauschal von "bösem Volke aus allen Ländern" zu lesen. Wenn
man es etwas genauer wissen möchte, entdeckt man, dass dieses Volk
sehr oft aus den ärmsten Regionen Europas stammte: der Bretagne, den
Pyrenäen, Wales, den Alpen, oder Schottland. Reine Armut reichte natürlich
nicht ganz aus; die potentiellen Rekruten sollten auch möglichst kriegerisch
und waffengewohnt sein.
Dass das Geschäft im Irak zur Zeit immer noch nach ähnlichen
Mechanismen abläuft belegt die Arbeit der "U.N. Working Group on the
Use of Mercenaries" (UNWG), die im Juli 2005 ihre Arbeit aufgenommen hat
und seither die Anwerbung und Verwendung von Söldnern weltweit untersucht.
In ihren Berichten ist weder von amerikanischen Special Forces, noch von
serbischen Scharfschützen die Rede, sondern vom banalen Alltag der
Söldnerwerbung. Die Arbeitsgruppe besuchte so entlegene Länder
wie Hondoras, Ecuador, Peru, Chile und Fidschi, da dort die Hauptrekrutierungsgebiete
vermutet werden. Wahrscheinlich muss sie sich in nächster Zeit auch
noch nach Nepal, Kolumbien und Uganda bewegen.
Man mag es vielleicht für einen Skandal halten, dass arme Schweine
aus der 3. Welt, die sich höchstwahrscheinlich nie ein Auto leisten
konnten, für das Rohöl der reichen Länder den Kopf hinhalten.
Wir denken, dass Söldnergeschichte fast immer so war. Was uns aber
dennoch gewaltig stört ist die Ignoranz der Journalisten und Autoren,
die auf möglichst billige Weise den Publikumsgeschmack bedienen. Zeitungen
berichten bevorzugt über Söldner ihrer Nationalität - der
"Stern" konnte sogar eine deutsche Firma ausfindig machen -, und konzentrieren
sich ansonsten auf den von Hollywood geprägten Typus. Die meisten
Leser wissen deshalb noch nicht einmal, dass diese Leute überhaupt
existieren. Und wenn dann tatsächlich mal ein paar in die Nachrichten
gelangen, da sie einem Attentat zum Opfer gefallen sind, kann sich der
westliche Leser damit trösten, dass es sich ja nur um faschistische
Killer aus Südafrika oder Chile gehandelt habe.
Westliches Personal mit Spezialausbildung dominierte im ersten Jahr
fast komplett die Szene. Der Krieg galt als gewonnen und US-amerikanische
und britische PMCs rangelten um lukrative Regierungsaufträge. Mächtige
Firmen mit viel politischem Einfluss wie Kellog Root & Brown, DYNCORP,
MPRI, Blackwater, Control Risk, oder AmorGroup, die den Kuchen unter sich
aufteilen wollten hatten bereits Monate zuvor ihren Personalbestand aufgestockt
und konnten unter zahlreichen Bewerben auswählen (Selbst wir bei Kriegreisende
- eine rein historische Seite - erhielten damals so viele emails, dass
wir das eine oder andere Platoon hätten vermitteln können).
Aber die Lage änderte sich schnell. Als sich Ende 2003 im Irak
die Anschläge häuften und die ersten Ausländer entführt
wurden, gingen die Preise für gut ausgebildete Ex-Soldaten durch die
Decke - Tagessätze von über 1.000$ waren keine Seltenheit - und
neue Sicherheitsfirmen schossen wie Pilze nach einem warmen Herbstregen
aus dem Boden. Das Problem verschärfte sich dadurch, dass Spezialkräfte
nur in sehr kleinen Gruppen und über längere Zeit ausgebildet
werden. Die Zahl die später auf dem Söldnermarkt zur Verfügung
steht ist relativ klein und begrenzt. Im Irak benötigte man aber Tausende
- Tendenz rasant steigend. In ihrer Not begannen die Firmen, sich gegenseitig
Personal abzuwerben. Außerdem waren sie damit konfrontiert, dass
sich manchmal gerade die besten Mitarbeiter mit einigen Kameraden selbständig
machten. Ein Direktor von Blackwater beschrieb die Situation so: "wir suchten
in allen Winkeln der Welt nach Profis."
Die Rettung für Blackwater kam in Gestalt von José Miguel
Pizarro, ein Chilene, der auch die US-Staatsbürgerschaft besaß
und in Lateinamerika als Vertreter großer US-Rüstungsfirmen
tätig war. Pizarro war ein Anhänger Pinochets und besaß
hervorragende Kontakte zum chilenischen Militär. Als er mit Blackwater
Verbindung aufnahm und Firmengründer Erik Prince von US-Instrukteuren
chilenische Kommandos versprach, antwortete ihm dieser: "Wenn Sie mir nur
einen Navy Seal aus Chile besorgen können, ist es mir die Sache wert."
Anfang 2004 kamen dann die ersten 60 Ex-Seals aus Chile nach Nord Carolina
und erhielten dort von Blackwater ihr Abschlusstraining, bevor sie in den
Irak geschickt wurden.
Weitere folgten und Pizarro wurde schnell zu einem der ganz Großen
im Söldnergeschäft mit Lateinamerika. Seine Firma Red Táctica
eröffnete Rekrutierungsbüros und inserierte in Tageszeitungen
in Chile, Uruguay, Peru, Ecuador und anderen Ländern. Auch andere
US-Firmen hatten inzwischen das große Reservoir im Süden entdeckt
und eröffneten Zweigstellen oder gründeten Tochterfirmen. Dabei
benützten sie auch nicht selten Pizarros Kontakte. Ein Beispiel für
die personellen und institutionellen Verflechtungen sind die Ereignisse
im Herbst 2005 in Honduras. Die erst kurz zuvor gegründete US-PMC
Triple Canopy hatte einen Großauftrag im Irak bei der Bewachung
von Anlagen und diplomatischem Personal an Land gezogen. Eine eigens dafür
in Honduras gegründete Tochterfirma - Your Solution Inc - warb das
notwendige Personal in Chile und Mittelamerika an.
Den letzten Schliff sollten die Rekruten dann in der Militärbasis
Lepaterique in der Nähe von Tegucigalpa erhalten. Die Leitung hatte
ein gewisser Marina Óscar Aspe, der zuvor schon für Pizarros
Red Táctica gearbeitet hatte. Das Lager selbst hatte in Honduras
einen äußerst schlechten Ruf, da die CIA dort in den 80er Jahren
honduranische Soldaten im Antiguerillakampf ausgebildet hatte und Contras
für den Krieg in Nicaragua. Man kann also davon ausgehen, dass es
bei der Organisation des Ganzen zu einer kameradschaftlichen Zusammenarbeit
zwischen CIA, honduranischem Militär, Pizarro und der PMC Triple Canopy
gekommen war. Als im September dann die Zeitung "La Tribuna" auf ihrer
Titelseite brachte, dass Honduras chilenische Söldner ausbilde, wollte
natürlich niemand davon gewusst haben. Your Solutions wurde aufgefordert,
seine Aktivitäten einzustellen und umgehend das Land zu verlassen.
Da sich Nicaragua jedoch weigerte, die Söldner aufzunehmen, genehmigte
man ihnen schließlich noch 15 Tage, um ihr Training abzuschließen
und anschließend in den Irak auszureißen.
In Peru, wo ebenfalls viel rekrutiert wird, läuft die Sache noch
viel offensichtlicher. Dort organisierte das Geschäft für Triple
Canopy die lokale Firma "Gun Supply", die auch die Armee mit Munition beliefert.
Gegen harte Dollars übernahm dann die Armee gleich selbst die Ausbildung
der Söldner, ohne den Verteidigungsminister zu fragen. Dennoch gab
es, auch nachdem die Vorgänge publik geworden waren, kein Verbot seitens
der Regierung. "Sie wissen, dass es eine Möglichkeit ist zu arbeiten,"
sagte der Geschäftsführer von Gun Supply. "Du machst es, oder
du lässt es; so einfach ist das. Tausend Dollar monatlich sind eine
Menge Geld in Peru."
Damit kommen wir zum entscheidenden Grund, für das große
Interesse der PMCs am lateinamerikanischen Söldnermarkt: durch den
niedrigen Lebensstandard und die große Menge ehemaliger Soldaten,
die sich oft genug für einen Hungerlohn als "guachimán" (watchman)
vor einem Nobelviertel oder einem Supermarkt durchschlagen müssen,
lassen sie die Preise geradezu unglaublich drücken. Hatte Blackwater
den Chilenen noch 4.000$ Dollar im Monat bezahlt, so erhielten später
geworbene Kolumbianer nur noch 2.500$ und ganz am Schluss kamen die Peruaner
mit 1.000$ monatlich - das waren 5,75$ pro Stunde! Aber auch Chilenen,
die später geworben wurden und keine besondere Spezialausbildung besaßen,
erhielten nur noch um die 1.000$ monatlich.
Die PMCs können problemlos für jeden dieser Billigsöldner
ein Vielfaches abrechnen und dennoch ihre Dienste wesentlich preiswerter
anbieten. Man hat dort schnell begriffen, dass man zur Bewachung der ausgedehnten
Anlagen, Besetzung der zahllosen Checkpoints oder als Fahrer im Konvoi
keine Rangerausbildung braucht. Es reicht wenn die Angeworbenen mit Waffen
umgehen können, gute Nerven haben und nicht zuletzt die Härten
des Dienstes ertragen. Dieser ist ohne Zweifel gefährlich. Wachen
werden aus vorbeirasenden Autos beschossen und ständig muss man mit
Bombenanschlägen rechnen. Das zehrt an den Nerven; dazu kommt das
Wachestehen in glühender Sonne und Patrouillen mit gut 15 Kg Gepäck.
Gerade für die Indios aus den Anden und die Chilenen ist die ungewohnte
Hitze oft der schlimmste Feind. Während ihre viel besser bezahlten
Kameraden aus den USA und Europa alle drei Monate einen Monat Heimaturlaub
auf Firmenkosten genießen, bleiben die Lateinamerikaner normalerweise
für ein ganzes Jahr. Deshalb gilt die Langeweile oft als der zweitschlimmste
Feind. Viele können ihre Stützpunkte nicht verlassen, und so
verbringen sie dort ihre dienstfreie Zeit mit Alkohol und Satelliten-TV,
warten darauf, sich wieder als Zielscheiben auf die Straße zu stellen.
Dennoch herrscht kein Mangel an Freiwilligen. Wenn die Subunternehmen
der großen US-PMCs in Lateinamerika annoncieren, finden sich meistens
hunderte ein. Viele suchen auch über dubiose Internetseiten einen
"Job" im Irak. Bei drückender Armut und einer hohen Arbeitslosigkeit
erscheint der Söldnerdienst als eine der ganz wenigen Möglichkeiten,
dem Elend zu entkommen. Der normale Weg wäre die Emigration, doch
der Zugang in die USA wird immer enger und schwieriger. Auf die Frage,
ob ihm für seine Dienste eine Bleiberecht in den USA in Aussicht gestellt
wurde, antwortete ein chilenischer Söldner: "Leider nicht. Wenn sie
das anbieten würden, wäre ich in der Lage, gratis in den Krieg
zu ziehen."
Während lateinamerikanische Staaten als Lieferanten auf dem Söldnermarkt
relativ neu sind und ohne den enormen Bedarf im Irak vielleicht nie als
solche in Erscheinung getreten wären, gibt es auch die ganz traditionellen
Anbieter, die praktisch von der ersten Stunde an mit dabei waren. An erster
Stelle stehen hier natürlich die nepalesischen Gurkhas, von denen
einige tausend in den Reihen der britischen Armee im Irak dienen, aber
auch viele von PMCs wie der britischen ArmorGroup oder der US-Firma Custer
Battles unter Vertrag genommen worden sind. Sie übernehmen ähnliche
Aufgaben wie die Söldner aus Lateinamerika, werden aber deutlich besser
bezahlt, da sie sehr oft eine solide Ausbildung in der britischen Armee
oder mehrere UN-Missionen hinter sich haben, und nicht zuletzt einen hervorragenden
Ruf genießen, was sich bei Söldnern schon immer in bare Münze
umsetzen ließ.
Wesentlich weniger bekannt sind dagegen die Söldner aus Fidschi,
das man normalerweise nur mit paradiesischen Südseeinseln in Verbindung
bringt. Dennoch haben die Männer aus Fidschi mit den Gurkhas eine
Menge gemeinsam. Bis ins späte 19. Jahrhundert pflegten sie den Ruf
wilder und tapferer Krieger - eine Tradition, die bis heute das Selbstverständnis
vieler Männer bestimmt. In beiden Weltkriegen kämpften viele
als Freiwillige in Einheiten der britischen Armee, die dann, als Ende des
20. Jahrhunderts die Rekruten knapp wurden, ganz offiziell damit begann
in Fidschi zu werben. Inzwischen dienen etwa 2.000 als britische Soldaten
im Irak und stellen damit einen hohen Anteil des "britischen" Kontingents.
Als die große "Söldnerakademie" für Fidschi erwiesen
sich jedoch die UN-Missionen. Obwohl das kleine und bettelarme Land nur
Streitkräfte von 3.500 Mann unterhält, befand sich nach Möglichkeit
immer ein Bataillon im UN-Einsatz - man rechne dies mal für europäische
Streitkräfte hoch! Für die Regierung ist dies eine wichtige Devisenquelle
und zudem eine Möglichkeit ihre Soldaten mit einem Zusatzeinkommen
zu versorgen. Die Bedeutung dieses Gesichtspunkts wird durch eine ganze
Reihe Militärputsche schlecht bezahlter Militärs unterstrichen.
Im Auftrag der UN dienten Soldaten von Fidschi auf dem Sinai, Zypern, Namibia,
dem Kosovo, Zimbabwe, Bougainville, Ost-Timor, den Salomonen und dem Libanon.
Die Probleme begannen immer dann, wenn die Soldaten heimkehrten und keine
neue Mission in Aussicht stand. Als zum Beispiel 2002 der Vertrag für
das relativ starke Kontingent im Libanon auslief, mussten viele Soldaten
entlassen werden, und Teile eines Bataillons wurden als Wachleute an eine
lokale Supermarktkette vermittelt.
Für viele ehemalige Soldaten war es deshalb fast eine Erlösung,
als sich die Lage im Irak verschlechterte und die Werbungen begannen. Als
erste verstärkten die Briten ihre Bemühungen. Offiziell ist Großbritannien
ja der wichtigste Verbündete der USA und beschäftigt keine Söldner;
dennoch weiß es die Regierung zu schätzen, wenn sich in den
Leichensäcken, mit denen diese Politik letzten Endes bezahlt wird,
anschließend keine Briten sondern Ausländer befinden. Gleich
nach der Army kamen die PMCs; zuerst britische Firmen wie Global Risk Strategies,
ArmorGroup und Sabre International Security. Aber auch US-Firmen wie Triple
Canopy oder Skylink ließen nicht lange auf sich warten
Der Sold liegt je nach Ausbildung und Gefahrenzulage mit 1.500-3.000$
deutlich über dem der Peruaner. Doch der Preis ist hoch. Viele Söldner
aus Fidschi arbeiten als Konvoifahrer, wo es immer wieder durch Sprengfallen
und Raketenangriffe zu Verlusten kommt. Bis Ende 2006 zählte das kleine
Land über 200 Gefallene. In Fidschi unterscheidet man dabei nicht
groß, ob es sich bei den Toten um Angehörige des UN-Kontingents
im Irak, um britische Soldaten oder um Angestellte einer PMC gehandelt
hat. Schließlich waren alle als Krieger ins Ausland gezogen, um Geld
zu verdienen, mit dem sie ihre Familien unterstützen wollten. Inzwischen
haben die Überweisungen der im Ausland dienenden Söldner, die
Einnahmen aus der immer schlechter gehenden Zuckerindustrie überrundet
und liegen damit hinter dem Tourismus auf Platz zwei der Devisenquellen.
Die Existenz vieler Familien, manchmal sogar ganzer Dorfgemeinschaften
hängt von den Verdiensten der "Gastarbeiter" im Irak ab. Selbst wenn
die Männer nicht zurückkommen, sind Versicherungsprämien
von weit über 100.000$ sehr viel Geld für die abgelegenen Dörfer.
Tausende haben sich deshalb als potentielle Rekruten in die Wartelisten
der britischen Armee und diverser Söldnerfirmen eingetragen. Die Regierung
duldet die Werbungen wohlwollend; für sie ist es eine Methode die
schnell wachsende Bevölkerung mit Arbeit zu versorgen und gleichzeitig
dringend benötigte Devisen zu erhalten. So sagte der Arbeitsminister
2005: "Die Regierung weiß, dass immer mehr Männer nach Kuwait
oder Irak gehen, und das ist eine gute Sache, weil es die Arbeitslosen
mit Arbeit versorgt. Es ist eine der Lösungen für die steigende
Arbeitslosenrate im Land."
Es ist das alte Lied. Wie einst aus den schweizer Bergen kommen auch
heute wieder die Söldner aus den von Armut, Krieg und Überbevölkerung
geplagten Gebieten. Selbst in Uganda, wo seit langem ein besonders blutiger
Bürgerkrieg wütet, wird seit einigen Jahren geworben. Die Menschen
dort sind an die Schrecken des Krieges gewöhnt, haben nicht viele
Alternativen und sprechen gut Englisch. Ein jüngerer Bruder des Präsidenten
hat dort eine eigene Sicherheitsfirma gegründet, über die er
dann die Großabnehmer im Irak mit dem notwendigen Menschenmaterial
versorgen kann - früher nannte man das "Soldatenhandel".
Der Bedarf ist groß, und so wundert es nicht, dass ständig
neue Firmen entstehen und sich arme Staaten als Zulieferer etablieren möchten.
2007 schätzte die Los Angeles Times die Zahl der Söldner im Irak
auf 180.000 und damit deutlich höher als die der offiziellen US-Streitkräfte
(160.000). Unter diesen Söldnern dienen angeblich 21.000 US-Bürger,
43.000 Ausländer und 118.000 Iraker. Die Iraker stehen ganz unten
in der Hierarchie und müssen sich meistens mit einer Bezahlung von
600$ monatlich zufrieden geben. Man mag darüber diskutieren, ob es
sich bei ihnen und den Nordamerikanern um "richtige Söldner" handelt.
Unserer Ansicht nach, sollte man auf beide Gruppen verzichten, da sie zu
den Krieg führenden Nationen gehören und somit zumindest eine
hypothetische Dienstpflicht besteht. Andererseits sollte man die britischen
Soldaten aus Südafrika, Nepal, Fidschi und Jamaika doch eher zu den
Söldnern rechnen.
Die große Masse dieser Söldner kommt wie gesagt aus sehr
armen Ländern, deren Einwohner seit langem ihr Glück als Emigranten
in der Fremde suchen und wo der Lebensstandard so niedrig ist, dass es
sich lohnt für 1.000$ im Monat sein Leben zu riskieren. Sicher befinden
sich auch Leute mit einer kriminellen Vergangenheit darunter, aber die
Folterknechte Pinochets haben sich wahrscheinlich längst auf ihren
Pfründen zur Ruhe gesetzt, und unter den Südafrikanern dominieren
Schwarze. Ehemalige Kommunisten wie Serben oder Rumänen haben in den
uramerikanisch geführten PMCs keine guten Aussichten. Statt im Dienst
irgendwelcher finsterer Tyrannen haben deshalb die meisten Söldner
im Irak, die überhaupt Erfahrung haben, diese im Dienst von UN-Missionen
gewonnen.
Im Gegensatz zu ihren Kollegen westlicher Provenienz, die gerne in Autobiographien
und Fernsehinterviews auf sich aufmerksam machen, handelt es sich bei den
Söldnern aus der Dritten Welt um einfache Leute. Anstatt von Adrenalin,
ihrem ersten "Kill" oder anderen Heldentaten zu schwafeln, erzählen
sie von der Hitze, der Langeweile und immer wieder vom überreichen
Essensangebot der US-Kantinen. Aber genau dadurch wirken sie viel echter.
Natürlich fehlt ihnen als einfachem "Fußvolk" der Glamour der
Fahrenden Ritter mit den schicken Waffen und Sonnenbrillen, und deshalb
wird sie Hollywood auch in keinem Film verwenden. Dennoch ist ihr Dienst
normalerweise wesentlich härter - so fehlen z.B. der regelmäßige
Heimaturlaub und die Ruhepausen in Luxushotels -, ihr Sold beträgt
einen Bruchteil, ihre Ausrüstung ist schlechter und ihre Verlustraten
oft höher. Die 200 Toten, die Fidschi mit einer Bevölkerung von
etwa 900.000 bis Ende 2006 hatte, mögen manchen nicht viel erscheinen.
Berechnet man sie jedoch pro Kopf und stellt sie den USA gegenüber
(Bevölkerung ca. 300 Millionen), so entspräche das weit über
60.000 Gefallenen. Und unter diesen Umständen hätte die US-Army
wahrscheinlich längst fluchtartig den Irak verlassen.
Allerdings interessiert das niemanden. Söldner sterben eben meistens
anonym, aber genau darum beschäftigt man sie ja. Diese Ignoranz wird
leider inzwischen auch von der guten Wikipedia verbreitet, die auch wir
sonst gerne zu Rate ziehen. Dort werden in dem Artikel zu Blackwater (August
2007) alle sechs US-Amerikaner, die bei dem Abschuss eines Helikopters
ums Leben kamen, mit Namen und Herkunft gelistet. Von den drei Bulgaren
der Crew werden immerhin noch die Namen angegeben - es waren ja zumindest
Europäer. Zusätzlich wird noch erwähnt, dass auch zwei Bordschützen
aus Fidschi ums Leben kamen; wie sie hießen scheint irrelevant. Wir
finden es zwar keine besonders gute Idee, wenn manche Leute aus der Wikipedia
eine Art Heldengedenkstätte machen wollen, möchten aber hier
zumindest die Namen der zwei gefallenen Bordschützen anführen:
Es waren der Ex-Polizist Waisea Jim Atalifo und Timoci Lalaqila ein ehemaliger
Soldat. Nur zwei der Söldner, die in einem fremden Krieg starben und
von denen niemand etwas wissen wollte. Sie waren so fremd, dass Atalifos Leichnam
zuerst sogar in die USA geschickt wurde. Wahrscheinlich hielt irgendein Cargomanager
Fidschi für einen Vorort von Los Angeles - "What the hell is Fiji?".
BIP pro Kopf verschiedener Nationen im Jahr 2006
USA | 44.000$ |
Chile | 12.700$ |
Peru | 6.600$ |
Fidschi | 6.200$ |
Uganda | 1.900$ |
Nepal | 1.500$ |