Deutsche Söldner
Deutsche Legenden.
Seit einiger Zeit geistert eine Legende durch die Deutschen Medien,
es ist die von den vielen deutschen Söldnern im Irak oder möglicherweise
sogar weltweit. Anscheinend ist bei Söldnerfirmen wie Dyncorp oder
Blackwater deutsche Wertarbeit gefragt. Und haben nicht gerade wir Deutschen
eine äußerst lange Tradition in dem Geschäft? Von den Landsknechten
Frundsbergs, über die verkauften Hessen, bis zur Fremdenlegion und
Kongo-Müller?
Das Problem dabei ist leider, dass man nicht viel findet, wenn man sich
wirklich für den Job interessiert. Sucht man in den einschlägigen
Foren, entdeckt man viel Geschwätz, eine Menge so genannter "Wannabees"
(Möchtegern-Söldner), die verzweifelt einen Job suchen, aber
nur ganz, ganz wenige, die wirklich mal einen echten Contract in der Tasche
hatten. Ich erinnere mich noch gut daran: als die ersten Söldnergeschichten
über den Irak durch die Presse gingen, erhielt ich einige emails von
Leuten, die einen Job im Irak suchten (Kriegsreisende war damals ja schon
einige Zeit online und so wurde ich als Historiker von der Gegenwart eingeholt).
Allerdings meldeten sich nicht nur potentielle Söldner bei mir,
sondern auch Journalisten. Die suchten wiederum Söldner, natürlich
echte mit Irakerfahrung und Kerben im Revolvergriff, für ein Interview.
Als ich denen dann erklärte, dass es im Irak kaum deutsche Söldner
geben könne und sie doch besser etwas über Immigranten in den
westlichen Armeen bringen sollten, wollten sie nichts davon wissen.
Tja, und irgendwann kamen dann doch die Geschichten über die Deutschen
im Irak. Der erste richtige Reißer war glaube ich im Stern: "Die
Hunde des Krieges" (Oktober 2005) hieß der Artikel reißerisch
und gleich danach ging es weiter: "Olaf, Dirk und Norman verdienen ihr
Geld beim Einsatz Im Irak. Sie eskortieren Ingenieure oder schieben Wache
zum Schutz der Armee. Sie fahren wie die Teufel und schießen auch
so - drei Deutsche im Dienst des Pentagons." Das Ganze war wie beim Stern
üblich mit einigen Hochglanzfotos schön aufgemacht.
Im Februar 2006 folgte das ZDF mit der Sendung "Deutsche Söldner
im Irak". Dort wurde dann von Dirk und Norman berichtet, zwei deutschen
Männern, die ihr Geld im Irak verdienten. Irgendwie kam mir das schon
bekannt vor. Über ein Jahr später berichtete schließlich
die FAZ (Mai 2007). "Profiteure des Kriege" hieß der Artikel marktschreierisch
und begann dann in einem Stil, den man eher von SOF-Magazine als von der
guten alten FAZ gewohnt ist: "Blutbeschmierte Panzer und romantische Sonnenaufgänge,
verkohlte Leichname und Männer in Schutzwesten, die stolz ihre Sturmgewehre
in die Höhe recken, die Augen hinter verspiegelten Sonnenbrillen verborgen.
‚Das ist die Realität eines ganz normalen Jobs’, sagen die Männer.
Gunny, Norman und Dirk, die Nachnamen tun nichts zur Sache." Der FAZ erschienen
dann wohl auch Fotos wie im Stern etwas zu lasch und so wurde der Artikel
mit Bildern aus Filmen wie "Die Wildgänse", "Blood Diamond", "Red Scorpion"
usw. dekoriert. (Ich frage mich übrigens im Ernst, warum nicht einige
Leser ihr FAZ-Abo kündigen, wenn sie so einen Dreck lesen müssen.)
So was nennt man dann investigativen Journalismus. Zum Glück gab
es ja Dirk und Norman, die wie die Teufel schießen und zwischen blutbeschmierten
Panzern ihren Sold verdienen. Dennoch wird manchen Leuten so langsam gedämmert
haben, dass im Irak nicht allzu viele Kongo-Müllers unterwegs sind.
Die Rettung für alle Freunde des Spektakels kam dann durch den "Bundeswehr-Experten
und Kriegsreporter" Franz Hutsch mit einem echten Knüller. "Exportschlager
Tod. Deutsche Söldner als Handlanger des Krieges," heißt das
Buch, das viele Skandalreporter von ihren Nöten erlöste. Denn
dort kann man dann lesen, dass "4.000 Deutsche" weltweit unterwegs sind,
wie "in der Branche geschätzt" wird.
Wer aber, bitte schön, ist denn hier die "Branche", wer schätzt
hier? Einige Schwätzer an der Theke, Verschwörungstheoretiker
oder Herr Hutsch persönlich? Seit Jahren konnte die geballte Medienmacht
des deutschen Journalismus nicht viel mehr als Dirk und Norman vorweisen,
und plötzlich gibt es Tausende? Im Gegensatz zu vielen, die das Buch
inzwischen geradezu als "Beweis" zitieren, suchte ich darin selbst nach
Belegen. Ich fand Benny, der im Irak dient, Jens, der dort gefallen ist,
Uli und Kornelius in Afghanistan. Viel mehr ist da nicht. Ach ja, dann
sind da noch die Gotteskrieger (ein gutes Drittel des Buchs), ein deutscher
Konvertit, ein paar Türken und Marokkaner, die noch nicht mal einen
deutschen Pass haben. Bei allem Wohlwollen (schließlich bin ich über
jede seltsame Geschichte froh), kann ich in Gotteskriegern keine deutschen
Söldner erkennen.
Selbst wenn man aber aus Mohamed Atta, seinen Freunden von der Hamburger
Zelle und anderen radikalen in Deutschland wohnenden Islamisten deutsche
Söldner macht, kommt man immer noch auf keine großen Zahlen.
Deshalb ist dann bei Hutsch auch noch von hunderten von deutschen Söldnern
in Ex-Jugoslawien zu lesen. Dem mag tatsächlich so gewesen sein. Doch
Jugoslawien hatte ja den riesigen Vorteil, dass dort praktisch jeder Spinner
eingestellt wurde, der sich ein Zugticket nach Zagreb leisten konnte. Mit
Professionalität hatte die Sache wenig zu tun, vor allen Dingen ist
sie aber längst Geschichte.
Doch dann liefert Hutsch tatsächlich noch einen Hinweis. Er hat
entdeckt, dass sich immer mehr Soldaten beim Ausscheiden aus der Bundeswehr
eine Fortbildung in der Sicherheitsbranche bezahlen lassen. "Eine
Steigerung von 84,5 Prozent – und ein Indiz für den Bedarf an Söldnern
aus Deutschland." Allerdings muss ich mich hier fragen, ob Hutsch, der
als ehemaliger Bundeswehroffizier die Verhältnisse ja kennen sollte,
wirklich so blauäugig ist oder seine Leser mit Absicht verschaukelt.
Schließlich muss man keinen investigativen Journalismus betreiben,
um diesem "Skandal" auf die Spur zu kommen. Man muss lediglich Google ein
wenig mit den Suchbegriffen "Sicherheitsfirmen", "Bundeswehr", "Fortbildung"
usw. bemühen. Dann entdeckt man sehr schnell dass Firmen wie Securitas
bei der Bundeswehr regelrechte Werbeveranstaltungen abhalten, und jede
Menge andere Firmen bieten die passenden Kurse an, um mit Steuergeldern
ehemalige Soldaten für das Wach-und-Schließ-Gewerbe zu qualifizieren.
Im Uni-Spiegel war zum Beispiel bezüglich Bundeswehr zu lesen: "Der
Dienst bei der Bundeswehr dagegen ist vor allem bei Sicherheitsfirmen gefragt.
‚Wenn junge Männer und Frauen bei der Bundeswehr waren, dann ist das
mitunter ein Pluspunkt’, erklärt Arnd Gesatzki von der Sicherheitsfirma
Securitas, die deutschlandweit 14.600 Mitarbeiter beschäftigt - vom
Warenhausdetektiv bis zum Geldtransport-Fahrer."
Wachpersonal also und Türsteher, das Leben ist schon banal, aber
damit verkauft man keine Zeitungen und schon gar keine Bücher. Ich
möchte in diesem Zusammenhang nur an zwei Spiegel-Titel dieses Jahres
erinnern. Im ersten - Nr.18 - wurden eindeutige Parallelen zwischen der
aktuellen Wirtschaftskrise und dem Ende der Weimarer Republik gezogen.
Ich meine dem betreffenden Redakteur sollte es die Schamesröte ins
Gesicht treiben, wenn er jemals etwas dem Elend damals gelesen haben sollte.
In Nr.19 wurde dann die Schweinegrippe zum "Weltvirus" erklärt. Das
ist nicht nur alles pure Phantasie, sondern auch gezielte Panikmache. Auf
die selbe Weise wird dann das Thema Söldner behandelt. Als der Spiegel
2004 "US-Söldner im Irak Die Folterer von Bagdad" spektakulär
auf der Titelseite trug war im gesamten Heft von Söldnern so gut wie
nichts zu lesen. So werden Mücken zu Elefanten, aus nichts werden
Titelthemen und aus Dirk und Norman tausende deutscher Söldner.
Denn Dirk und Norman waren ja tatsächlich echt und wirklich im
Irak. Durch den Presserummel wurde auch ihr alter Arbeitgeber die Lübecker
"Bodyguard Academy" zur bekanntesten deutschen "Söldnerfirma". Und
die Bodyguard Academy bildet aus, stellt Personenschutz, unternimmt "High-risk-Operationen"
und arbeitet in Ländern wie Kolumbien, Venezuela, den Philippinen
und einigen afrikanischen Ländern. Also kann man zumindest auf diesem
Weg Söldner werden? Ich sehe mir die Homepage der Bodyguard Academy
an (Dez. 2009) und finde dort tatsächlich einen Menüpunkt "Jobs".
Dort entdecke ich dann: "Wir suchen dringend: Kaufhausdetektive/Doormann
-gerne Neueinsteiger. Ausbildung und Vermittlung durch die BA. Kostenübernahme
durch ARGE, Arbeitsagentur, BFD oder andere Träger möglich."
Anscheinend habe ich die selben Söldner wie Franz Hutsch gefunden.
Besonders verhängnisvoll an der angeblich kritischen Berichterstattung
ist jedoch, dass praktisch alle fleißig an der Legende von den 1.000$/Tag
mitstricken (Hutsch steigert sie sogar auf 1.800$). Man sollte sich vielleicht
einmal fragen, was denn ein deutscher Exsoldat soviel mehr zu bieten hat
als ein Gurkha, der trotz Kampferfahrung und hervorragender Englischkenntnisse
nur einen Bruchteil erhält. Diese Traumgehälter mögen in
der wilden Anfangszeit tatsächlich hier und da bezahlt worden sein,
inzwischen sind jedoch Bruchteile üblich. Journalisten sind aber leider
süchtig nach großen Zahlen, weil diese so schöne Schlagzeilen
machen, und die wenigen interviewten Söldner (falls sie denn wirklich
echt waren) werden auch ganz gerne mit ihrem Sold geprotzt haben. Welcher
harte Profi gibt denn schon gerne zu, dass er viel weniger verdient und
noch niemanden gekillt hat?
Mit den maßlos übertriebenen Berichten von den Traumgehältern
im Irak verführen die Medien jedoch nicht nur so manchen dazu sein
Glück in dem Geschäft erst zu versuchen, sie locken auch eine
ganz besondere Art von Abzockern auf den Plan. Wo so viel Geld zu erwarten
ist, muss man auch schulen, ausbilden und zertifizieren. Mancher Möchtegern-Söldner
hat ja noch etwas Gespartes, die ausscheidenden Zeitsoldaten haben Abfindungen
und dann gibt es noch das Arbeitsamt, das auch immer gerne die Unkosten
für Weiterbildungen übernimmt. Inzwischen ist gerade in Deutschland
eine regelrechte Branche entstanden, die mit der Ausbildung von Söldnern
wunderbare Geschäfte macht. Diese "Söldner" erhalten dann schöne
Zeugnisse und Zertifikate (man kann sich schon denken, was man damit machen
kann), einen echten "Job" im Irak hat jedoch kaum einer gesehen, ganz zu
schweigen von den legendären 1.000$/Tag. Meistens wird die bereits
angesprochene Ebene "Kaufhausdetektive/Doormann" nicht verlassen.
Natürlich ist das gerade im historischen Kontext nicht ohne eine
gewisse Ironie. Früher gab es in den Niederlanden die so genannten
"Zielverkooper" (die Seelenverkäufer), die Söldner für die
Kolonien anwarben. Und wenn dann heute einer genug von dem Gold, das im
Irak ja nur so auf der Straße liegt, gelesen hat, wenn er genug dieser
Fotos mit den harten Jungs und den coolen Sonnenbrillen gesehen hat, tja
wenn er dann endlich bereit ist in guter alter Landsknechtstradition seine
Seele zu verschachern, dann muss er feststellen, dass man die gar nicht
will, sondern nur sein Geld.
Dennoch bleibt die Frage, wie denn die Realität deutscher Söldner
hinter der von den Medien errichteten Nebelwand aussieht. Und hier habe
ich bei Kriegsreisende den großen Vorteil, dass ich keinen Chefredakteur
davon überzeugen muss, dass der Untergang des Abendlandes kurz bevor
steht, um eine Geschichte zu bringen. Mir reicht oft genug das Schicksal
eines einzigen Söldners um davon zu berichten. Auch wenn es banal
ist schreckt mich das nicht ab, denn das war das Leben von Soldaten meistens.
So weiß z.B. jeder Militärhistoriker, dass Krankheiten und Langeweile
(Suff, Streit und Selbstmord) meistens weit mehr Opfer forderten als der
Feind.
Um zu berichten, wie man tatsächlich als Deutscher Söldner
wird und in den Irak kommt, habe ich ein längeres Interview mit "Gerry"
geführt. Natürlich wurde der Name wie man so schön sagt
von der Redaktion geändert, dennoch tut er etwas zur Sache, denn mir
liegen Ausweis, Vertrag und eine ganze Reihe von Fotos vor. Ich respektiere
es allerdings, dass Gerry im Artikel anonym bleiben will. Er erzählt
sachlich von der Arbeit im Irak, von seinen Gründen, ohne mich mit
Geschwätz von blutbeschmierten Panzern und romantischen Sonnenaufgängen
zu nerven.
Anders als die meisten seiner Generation ging Gerry 1992 nach dem Abitur
zum Bund. Dort verpflichtete er sich und wurde Fallschirmjäger. Das
heißt, er gehörte nicht zu denen, die bei der Bundeswehr hauptsächlich
ihren Bierbauch pflegen und ansonsten bis zur Pension eine ruhige Kugel
schieben wollen. Gerry wollte keinen langweiligen Bürojob, sondern
was erleben. Also meldete er sich für Auslandseinsätze: 1993
Somalia, die Mission wurde abgeblasen, 1994 Ruanda, auch diese Mission
kam über das Planungsstadium nicht hinaus, 1995 bei Einsatz in Bosnien
war Gerry auf dem Uffz-Lehrgang und 1999 als viele ins Kosovo gingen auf
dem Offizierslehrgang. Gleichzeitig ging es aber auch mit der Karriere
nicht besonders voran, da die Bundeswehr mehrmals verkleinert wurde.
Also kam im Jahr 2000 der Abschied und die Eingliederung ins zivile
Leben. Gerry gelang der Absprung besser als vielen; er bekam einen netten
Bürojob bei IBM, bei dem er Reisen durfte, sich nicht überarbeiten
musste und auch noch ganz brauchbar verdiente. Bleibt die Frage, ob so
etwas einen jungen Mann, einen Ex-Fallschirmjäger, der sich für
alle möglichen Auslandseinsätze gemeldet hat, ausfüllt.
Tim Spicer spricht in seiner Autobiographie verächtlich vom "Idle
Civvy", Rolf Steiner bezeichnet seine Zivilistenjahre als "graue Periode".
Fast immer wenn über Söldner diskutiert wird, wird automatisch
auf deren Geldgier verwiesen; das Streben nach Gewinn ist sozusagen ein
entscheidendes Definitionskriterium. Dabei wird einfach ignoriert, dass
schon immer pure Abenteuer- oder Reiselust gerade bei jungen Männern
ein oft viel entscheidenderes Motiv war.
Es wundert mich deshalb nicht, dass Gerry bei IBM unzufrieden war, viel
Sport machte, von der Fremdenlegion träumte und Kontakte zu Gleichgesinnten
suchte. Doch entgegen vieler Gerüchte wird man nicht so einfach Söldner.
Die wenigen echten, gut bezahlten Jobs sind heiß begehrt. Zudem wimmelt
die Szene von Schwätzern und Schaumschlägern, die sich mit erfundenen
Geschichten in den Vordergrund drängen. Als Einsteiger braucht man
deshalb gute Verbindungen zu Leuten, die bereits im Geschäft sind.
Dabei ist außerdem zu beachten, dass der internationale Markt fast
vollständig von den USA beherrscht wird, an die sich die Briten als
Juniorpartner angehängt haben. Kleinere Nischen werden noch von Israel
und Frankreich besetzt, wobei letzteres von seinen guten Beziehungen zu
seinen Exkolonien profitiert.
Die Deutschen haben sich durch ihre Abstinenz im Irakkrieg und ihre
Zurückhaltung in Afghanistan bei amerikanischen Militärs nicht
gerade beliebt gemacht. Dazu kommt, dass diese mit deutschen Bescheinigungen
und Zertifikaten nur wenig anfangen können. Selbst beim einfachsten
Marine, wissen sie dagegen sofort, was er kann und was nicht. Auch Gerry
musste bald feststellen, dass er selbst als ehemalige Fallschirmjägeroffizier
nicht besonders gefragt war. Man merkt ihm heute noch diesen Frust an,
wenn er sagt: "Generell spielen die alten Regiments Netzwerke (speziell
bei Briten) eine wichtige Rolle bei der Besetzung von Posten. Da wir Deutschen
in diesen Netzwerken nur peripher oder gar keine Rolle spielen, ist es
um so schwerer für unsereins dort einen Fuß in die Tür
zu bekommen. Und trotz der Tatsache, dass deutsche Ex-Soldaten meistens
intelligenter und gebildeter sind, sind wir nur 3. Wahl und bekommen weniger
Geld für 3 mal bessere Leistung. Wir waren halt nicht in der ‚richtigen’
Einheit, haben nicht mit den ‚richtigen’ Kameraden zusammen im Dreck gelegen
und sind nicht mit den ‚richtigen’ Kameraden durch die Puffs und Bars gezogen.
Und unser deutscher Akzent verrät dies von Beginn an."
Dennoch gelang es Gerry, sich dem Gewerbe sozusagen über einen
Umweg anzunähern. Ein Freund vermittelte ihn an ein SatKom Unternehmen,
das Mitarbeiter für Servicearbeiten in Krisengebieten wie Afghanistan,
Pakistan, Sri Lanka und dem Sudan suchte. Dabei handelte es sich zwar um
keinen Söldnerjob, dennoch musste sich Gerry als ehemaliger Offizier
manchmal auch um anfallende Sicherheitsfragen kümmern. Wichtiger war
aber noch, dass er bei Arbeiten in Afghanistan mit Mitarbeitern von DynCorp,
Erinys, Saladin u.a. in Kontakt kam. Man erwies sich kleine Gefälligkeiten
und ging sicher auch mal was trinken. Ihm öffnete sich sozusagen der
"Kleine Dienstweg".
Als ihn das SatKom Unternehmer 2004 wegen schlechter Geschäfte
entlassen musste, wäre für Gerry über diese Kontakte der
Einstieg bei DynCorp möglich gewesen. Allerdings stand ihm nun sein
Privatleben im Weg; er hatte kurz vorher geheiratet und war Vater geworden.
Seine Frau war nicht bereit sich mit den relativ kurzen Urlaubszeiten anzufreunden,
ganz zu schweigen von der ständigen Angst den Partner und Vater ihres
Kindes zu verlieren. Gerry beugte sich ihren durchaus nachvollziehbaren
Argumenten und versuchte sesshaft zu werden, dieses mal als Selbständiger.
Er scheiterte, wie so mancher vor ihm, der sich in einer ähnlichen
Situation befunden hatte. Nach gut zwei Jahren war die Ehe gescheitert,
das Ersparte weg, und Gerry wahrscheinlich ziemlich am Ende.
Gerry war zwar wieder auf dem Markt, aber die losen Kontakte zu DynCorp
usw. hatten sich auch verflüchtigt. Allerdings hatte er inzwischen
begriffen, wie wichtig genau solche Kontakte sind um ins Geschäft
zu kommen. Er engagierte sich deshalb sofort mit viel Enthusiasmus in dem
Internetportal
www.arbeiten-in-krisengebieten.de, das zu dieser Zeit aufgebaut
wurde. Seine Einschätzung, deckt sich übrigens mit der, die ich
bei gelegentlichen Besuchen im Laufe der Jahre gewonnen habe: "Es ist richtig,
dass sich dort Deutschsprachige aus dem Business austauschen, allerdings
werden 95% (vielleicht sogar mehr) nie einen Fuß in die Tür
bekommen. Deutsche sind Exoten in der Branche. Ich schätze dass es
derzeit vielleicht 3 Dutzend (inkl. Österreicher) von uns weltweit
gibt. Und man kennt sich." (War nicht mal von Tausenden die Rede?)
Mit über die besten Kontakte unter den Deutschen verfügen
anscheinend ehemalige Fremdenlegionäre, bei denen es sich oft um ehemalige
Bundeswehrsoldaten handelt, die wohl auch eher Abenteuerlust als der Aussicht
auf materiellen Gewinn in die Fremde getrieben hat. Dennoch sollte niemand
glauben, dass man allein durch fleißiges Posten bei arbeiten-in-krisengebieten.de
zu einem Job kommt. Es gibt genug angebliche Ex-KSK, Ex-GSG9 und Ex-irgendwas.
Diejenigen, die einen Kontakt vermitteln können, müssen ja auch
auf ihren eigenen Ruf achten, wie gesagt, die Szene ist sehr überschaubar
und man kennt sich.
Gerry kam schließlich mit einem britischen Kameraden in Kontakt
und bekam über diesen einen Job im Irak. Seine Qualifikationen waren
ja auch nicht die schlechtesten. Dennoch musste er erst einmal jemanden
davon überzeugen. Heute arbeitet er vorwiegend im Bereich Kommunikation,
aber auch als Ausbilder und im PSD-Bereich. Für ihn ist es geradezu
ein idealer Beruf. Zur Motivation als "Söldner" zu dienen meint er:
"Die Bezahlung ist dabei sicherlich ein gewichtiger Grund, viel wichtiger
ist aber die Art zu leben, in der Welt rumzukommen und in einem militärisch
geprägten Umfeld zu leben. Abenteuerlust ist ein entscheidender Faktor;
dieser war es auch der mich zum Militär getrieben hat. Das ganze Gelaber
von Vaterlandsliebe, Staatsbürger in Uniform ist nur Beiwerk, mit
dem man sich zwar identifiziert, das aber nicht ausschlaggebend für
die Berufswahl ist."