Söldner und Soldaten
niemand lebt vom Sold allein.
Armut und ein entbehrungsreiches, hartes Leben gehörten in der Geschichte
sicher zu den wichtigsten Voraussetzungen um Söldner zu werden, und ganz
ohne Zweifel hat sich bis heute wenig daran geändert. Dennoch sollte man
dabei nicht vergessen, dass es auch immer andere gab, die nicht "der Not
gehorchten", wie man so schön sagte, sondern irgendetwas anderes dort
suchten. Berufsoffiziere wollten Erfahrungen sammeln, Ruhm oder versuchten einfach
der Langeweile des Garnisonsdienstes zu entgehen. Bis ins 20. Jahrhundert war der
Kriegsdienst für normale Menschen bei weitem die einfachste Art zu reisen,
etwas von der Welt zu sehen.
Heute kann man Abenteuerreisen an fast jeden Ort der Welt zu einem erschwinglichen
Preis buchen, den notwendigen Adrenalinschub kann man sich auch beim
Gleitschirmfliegen oder Bungeespringen besorgen. Dennoch gibt es immer noch welche,
die irgendwie den "echten Kick", die Leben und Gesundheit in einem echten Krieg
riskieren wollen. Möglicherweise idiotisch, doch alle modernen Armeen sind auf
solche "Spinner" angewiesen, ohne sie bekäme man wohl nirgends diese
Spezialkräfte und Kommandoeinheiten zusammen, die heute jeder Politiker so
gerne haben möchte.
Das größte Problem dabei ist, dass für diese Eliteeinheiten zwar groß mit
Parolen wie "Leben am Limit" geworben wird, dann aber doch oft keine "echte action"
geboten wird. Vielleicht erinnert sich noch jemand an die geplante Befreiung der
Hansa Stavanger Mannschaft vor der somalischen Küste im Mai 2009. Bei diesem
Unternehmen kam es zu einem solchen Kompetenzgerangel zwischen den Elitekriegern von
KSK und GSG 9 und den zuständigen Ministerien, dass es schließlich ganz abgeblasen
wurde.
Und wenn wieder einmal groß Geldgier und Käuflichkeit von Söldnern betont
werden, sollte man vielleicht einmal daran denken, dass gerade diejenigen aus den
Wohlstandzonen der westlichen Welt oft von ganz anderen Motiven getrieben wird. Und
davon braucht es reichlich. Wenn sich jemand dicke Arme antrainiert, diese
großflächig mit Tattoos schmückt und dann seine Dienste einer dieser
sinistren, skrupellosen Söldnerfirmen anbietet, wird er schnell merken, dass man man
dort (so er diese überhaupt findet) absolut keine Verwendung für ihn hat. Der
Weg zum Söldnerjob führt normalerweise über staatliche Eliteeinheiten, ist
deshalb lang und steinig. Wer das schnelle Geld, den Kick sucht, wird dort nicht weit
kommen, wahrscheinlich nicht einmal den Eignungstest bestehen.
Einiges von diesen Schwierigkeiten und den Motiven, die einen dabei antreiben, illustriert
der Lebensweg von Roland Weinrich (der Name wurde auf Wunsch geƤndert). Vor allem kann man daran jedoch Gemeinsamkeiten
und Unterschiede von Soldaten, Legionären, Söldnern oder wie man diese
Tätigkeiten auch immer nennen möchte illustrieren, da Roland in seiner langen
Karriere als professioneller Militär wirklich einige Uniformen getragen und die
verschiedensten Tätigkeiten ausgeübt hat.
Wie bei vielen hat auch Rolands Faszination für Söldner und Abenteurer ihre
romantischen Wurzeln in der Kindheit, allerdings nicht wie heutzutage üblich beim exzessiven
Gebrauch von Shooter-Spielen, sondern den guten alten Pfadfindern. Ganz im Sinne von
Gründervater Baden-Powell bekam er eine Art vormilitärische Ausbildung und hatte
Spaß daran. Lange Märsche, Übernachten im Freien, Lagerfeueromantik und
natürlich die Kameradschaft von Gleichgesinnten. Auf einer Sommerfahrt ins Elsass und
nach Lothringen besuchte er dann ein kleines Museum der Fremdenlegion in Nancy, und anscheinend
fielen die verstaubten Ausstellungstücke bei ihm auf fruchtbaren Boden.
Wie viele Jungs in diesem Alter wollte er große Reisen unternehmen, ferne Länder
sehen, Abenteuer erleben. Ob er diese Reisen einmal als Biologie, Archäologe oder eben
als Fremdenlegionär unternehmen würde, war ihm nicht so wichtig. Eine Sache dagegen
schon: er würde fit sein müssen, dort irgendwo im den heißen Wüsten und
den tropischen Dschungeln. Also trainierte er viel, übte sich in den verschiedensten
Kampfsportarten, unternahm mit Freunden lange Orientierungsmärsche und vieles mehr.
Jungs machen solcher Dinge, nur lassen sie es dann irgendwann meistens bleiben. Roland war
möglicherweise ein wenig besessener als die anderen, ein wenig sturer, und sicher auch
eher der körperliche Typ, dem Sport einfach besser liegt als Mathematik und Vokabeln.
Und während er so aus seinen sportlichen Leistungen sicher allerhand Selbstbestätigung
ziehen konnte, ging es am Gymnasium langsam abwärts, schließlich konnte er immerhin
noch mit einem Realschulabschluss abgehen.
Damit hatten sich die Träume vom Naturforscher in fremden Kontinenten zerschlagen. Er
interessierte sich zwar für eine Stellung als Tierpfleger und machte dann eine Lehre als
Biologielaborant, dennoch war die Fremdenlegion zur einzig realen Möglichkeit avanciert
seine Träume von Reisen und Abenteuer jemals zu verwirklichen. Das Thema wurde zu einer
echten Besessenheit. Geld, das er von den Eltern für einen Tanzkurs erhalten hatte, wurde
in einen Fallschirmspringerkurs investiert. Dennoch gab es anscheinend noch ein paar Alternativen.
Seinen Plan Kampfpilot zu werden musste er jedoch wegen Farbenblindheit aufgeben, und bei einem
Vorstellungsgespräch bei der Bundeswehr wurde er vor allem nach seinen Plänen für
"danach" gefragt. Dass jemand einfach "nur Soldat" werden wollte, kam nicht so gut an.
Die Lehre plätschert so vor sich hin, alte Freunde bereiten sich aufs Studium vor und
Roland plante den Absprung. In den Weihnachtsferien 1985 erklärte er seinen Eltern, dass
er zu einem kurzen Urlaub nach Belgien wolle, fuhr dann aber mit dem Zug nach Marseille und
eilte dort schnurstracks ins legendäre Rekrutierungsbüro der Fremdenlegion. Doch dort
wurde festgestellt, dass ihm immer noch ein paar Wochen bis zum 18. Geburtstag fehlten. Also
schickte man ihn mit den Worten nach Hause, er solle es in ein paar Jahren noch einmal versuchen.
Die Zeiten, als die Legion praktisch jeden nahm, waren lange, lange vorbei. Trotz dieser herben
Enttäuschung gab Roland nicht auf. Er fuhr nach Paris und schlug sich dort die nächsten
Wochen bei einer Bekannten durch, um sich dann an seinem Geburtstag im dortigen Rekrutierungsbüro
einzufinden.
Seine Hartnäckigkeit zahlte sich aus. Obwohl die Ausbildung bei der Legion sicher
alles andere als ein Zuckerschlecken ist, rechnet er noch heute die folgenden Jahre zu
den schönsten seines Lebens. Nicht wenige der Freiwilligen desertierten in den ersten
Monaten, und auch für ihn war es manchmal sehr hart. Aber er überstand nicht nur
die Grundausbildung, sondern machte auch Karriere. Er kam zu den Paras und damit zur Elite
der Legion. Er war eine Zeit lang in Djibouti und nahm sogar im Tschad am einzigen
Kampfeinsatz der Legion seit vielen Jahren teil. Dort unterstützten sie die Kämpfer
der FANT gegen Gaddafis Truppen und bildeten sie dazu an Milan-Raketen aus. Sie wurden von
Tiefliegern beschossen, besichtigen die ausgebrannten Panzerwracks nach der Schlacht. Sie
sahen die verbrannten Leichen der Libyer und fühlten sich mehr denn je am Leben.
Roland erlebte sicher viele der Abenteuer, von denen er als Junge immer geträumt
hatte. Aber auch Jungs werden manchmal erwachsen, und so nahm er nach sechs Jahren
seinen Abschied. Nach den Sturm- und Wanderjahren wollte er nun seinem Leben eine neue,
solide Richtung geben.
Anscheinend war dies doch nicht ganz so einfach, denn er versuchte es erst einmal mit
einer Art Kompromiss und ging als Zeitsoldat zur Bundeswehr. Möglichrweise dachte
er ja, dass er seinem Hang zum Soldatischen besser bei den nationalen Streitkräften
nachgehen könne. Abenteurer war meistens gute Patrioten gewesen, wenn man ihnen
Gelegenheit dazu bot. Er wurde aber enttäuscht. Obwohl er auch bei der Bundeswehr
als Fallschirmjäger diente, fand er den Dienst verglichen mit der Legion als lasch
und wenig fordernd, sicher auch ein wenig langweilig. Von einigen Kameraden wurde er dagegen
manchmal als "Söldner" oder gar "Vaterlandsverräter" angemacht. Am meisten
nervten ihn jedoch die vielen kleinen Borniertheiten und Schikanen, die in der Bundeswehr
oft an der Tagesordung sind, in der Legion dagegen heute weitgehend unbekannt.
Frustriert beendete er deshalb vorzeitig seinen Dienst nach zwei Jahren. Er war nun
entschlossen sich eine zivile Existenz aufzubauen, heiratete, machte das Abitur nach und
begann BWL zu studieren. Als die einfachste Art sein Studium zu finanzieren erwiesen sich
auf Dauer die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Er war inzwischen Reserveoffizier und
dank seiner hervorragenden Französischkenntnisse als Verbindungsoffizier gesucht.
Da die Bundeswehr auf dem Balkan sehr eng mit französischen Einheiten, darunter nicht
zuletzt der Fremdenlegion, zusammenarbeitete, war ein Oberleutnant und ehemaliger
Legionär natürlich die ideale Besetzung um den Kontakt zu seinen alten Kameraden
zu pflegen. Deshalb war man meistens froh, wenn Roland während der Semesterferien
zur Verfügung stand.
Die AvZ (Auslandsverwendungszuschläge) waren nicht nur für den Studenten Roland
gutes Geld, mancher Zeitsoldat zahlt damit seine Hypothek ab und AvZ-Rechner erfreuen sich
als apps für iPads und iPhones großer Beleibtheit. Der Witz an der Sache ist
allerdings, dass sich Roland nun als braver Soldat bei Friedensmissionen, eigentlich wie ein
Söldner verhielt. In der Fremdenlegion war es den westeuropäischen Freiwilligen
immer wichtig, dass sie nicht wegen des Geldes, sondern aus Abenteuerlust oder anderen,
"idealistischen", Motiven dienten. Die zahlreichen Legionäre aus Osteuropa und der Dritten
Welt, die sich wegen des Soldes oder der Staatsbürgerschaft verpflichten, nennt man
abwertend "Engagé gamelle", nach der Gamelle, dem Essgeschirr der Soldaten. Das heißt,
sie kommen in bester Söldnertradition wegen der Suppe, wegen des Soldes.
Bei seinen insgesamt 11 Auslandseinsätzen verdiente Roland aber nicht nur gut,
sondern sammelte auch wertvolle Erfahrungen über Einätze in Krisengebieten.
Auf der anderen Seite aber kosteten sie ihn schließlich, wie viele Soldaten die Ehe.
2003 war er geschieden und hatte auch sein Studium abgeschlossen. Als sich die Arbeitssuche
als schwierig erwies, gab es so gesehen wenig, das ihn an ein sesshaftes Leben band, und
er dachte zunehmend darüber nach, seiner "eigentlichen Bestimmung" nachzugehen.
Der große Boom der PMCs oder Söldnerfirmen lag zu dieser Zeit aber noch
etwas in der Zukunft, und gute Jobs im Securitybereich waren vor allem für Deutsche
nur sehr schwierig zu bekommen. Roland hielt sich deshalb viel bei der Amicale
(Kameradschaft ehemaliger Fremdenlegionäre) von Saarbrücken auf und suchte
dort Kontakte. Geredet wurde natürlich viel, doch gab es wenig Konkretes. Der
entscheidende Kontakt kam schließlich über den Präsidenten der Amicale
zustande. Dieser kannte aus seiner Dienstzeit in der Legion den Vorsitzenden ehemaliger
britischer Fremdenlegionäre: Tony Hunter-Choat. Hunter-Choat hatte vor vielen Jahren
ebenfalls die Abenteuerlust zur Legion getrieben. Später hatte er dann in der
britischen Armee Karriere gemacht, war lange beim SAS und hatte nach seinem Abschied die
Special Forces des Sultans von Oman kommandiert. Es erstaunt natürlich nicht, dass
eine so bunt schillernde Figur auch beste Kontakte zu Tim Spicer und britischen
Security-Firmen hatte.
Es sind vor allem diese Netzwerke ehemaliger Regimentskameraden, die für einen
Einstieg ins Gewerbe so wichtig sind und die deutschen Kandidaten meistens fehlen. So
war Hunter-Choat gerne bereit, für einen Ex-Legionär einen alten SAS-Kameraden
anzurufen, der inzwischen eine leitende Funktion bei Saladin hatte. Dort nahm man Roland
erst einmal in die Kartei auf. Seine Chance kam dann mit einer Auschreibung, die wie
maßgeschneidert für seine Person war. Die europäische Kommision suchte
Personenschutz für eine Delegation, die nach Burundi reisen sollte. Der Leiter dieser
Gruppe sollte Französisch sprechen und außerdem Offizier in einer europäischen
Armee gewesen sein.
Da Roland diesen Auftrag zufriedenstellend erfüllte, folgten andere. Er organisierte
meistens mit anderen Ex-Legionären den Schutz von Delegationen der europäischen
Kommission in Afghanistan und Haiti. Man sollte hier vielleicht noch anmerken, dass bei solchen
Tätigkeiten neben militärischen Qualifikationen auch eine gewisse Weltläufigkeit,
gute Englischkenntnisse und ein eher diskretes Benehmen wichtig sind; machohaftes Auftreten,
auffallende Tätowierungen und Ähnliches sind dagegen alles andere als hilfreich.
Durch zuverlässiges und diskretes Arbeiten rückte Roland aber nicht nur in der
Kartei von Saladin nach vorne; sondern bekam auch Kontakt zu anderen Firmen und deren
Mitarbeiter. D.h. er baute sein eigenes Netzwerk und brauchte sich bald um Aufträge
keine Sorgen mehr zu machen. Er arbeite oft im Personenschutz, auch im Irak, bildete im
Auftrag des US State Departments Soldaten der neuen Armee der DR Kongo aus, und organisierte
Sicherheitsmaßnahmen großer Konzerne für deren Niederlassungen in Krisenregionen.
Heute arbeitet er auf einer Plattform offshore vor Nigeria und kümmert sich darum,
dass Transportschiffe und Plattformen nicht von Piraten überfallen werden. Nigerias
Ölindustrie ist mehrheitlich in staatlichem Besitz, und der Einsatz von Söldnern
ist gesetzlich verboten. Also ist Roland lediglich ein Berater, der keinerlei Anordnungen
geben darf, von Schießen ganz zu schweigen - strengstens verboten auf einer Bohrinsel.
Hält er ein Eingreifen für notwendig, fordert er ein Schnellboot der nigerianischen
Marine an, das dann erst einmal voll betankt werden muss. Nachdem die Mannschaft auf diese
Weise ihren Sold erhalten hat, ist sie geneigt den Anweisungen des Beraters zu folgen.
Im Allgemeinen ist sein Leben als Contractor, wie man diese Arbeit heute nennt, sicher
interessant. Er reist viel, trifft interessante Menschen und kommt in viele Ecken, die
dem normalen Touristen verschlossen bleiben. Aber echte Action, wie man sie aus dem Kino
kennt? Die erlebte er 2005/06 im Irak. Damals hörte man ständig Schüsse in
Bagdad, die Einschläge von Mörsergranaten und Raketen, kam im Konvoi unter Feuer.
Für viele sicher ein Alptraum; er spricht dennoch mit Nostalgie davon. Natürlich
hat sein Leben viele exotische Reize, schon eine Taxifahrt zum Hafen in Lagos ist ein
Abenteuer, aber der Schichtdienst offshore kann manchmal schon recht langweilig sein.
Ganz im Gegensatz zu den allgemeinen Vorstellungen ist die Arbeit moderner Söldner
eher rational, organisatorisch. Geschossen wird eigentlich nie, und wenn dann auf sie, da
sie ja das Schutzpersonal stellen. Roland meint dann auch, dass ein junger Mann, der echte
Action erleben wolle, heute besser zur regulären Armee gehen sollte.