Die Spanier
Zwischen Modernisierung und Stagnation.
Das historische Fundament des heutigen Spaniens ist ganz ohne Zweifel die Reconquista,
wie es an den Wappen einiger der ältesten Provinzen (Autonomias) immer noch zu
erkennen ist. So beziehen die Ketten im Wappen von Navarra auf die Schlacht bei Las Navas
de Tolosa und das Keuz von Asturias geht angeblich sogar auf Don Pelayo zurück, der
mit ihm den Kampf gegen die Mauren eröffnete. In einem jahrhundertelangen Kampf
wurde den Mauren das Land Stück für Stück entrissen und daraus dann die
christlichen Königreiche gebildet, die letztlich zu Spanien verschmolzen.
Auch wenn dieser Gründungsmythos nicht völlig frei erfunden ist, so ist reale
Geschichte doch um einiges komplexer. So gibt es wohl nie die "Guten", die vereint
über Jahrhunderte für die gerechte Sache kämpfen. Wie überall im
feudalistischen Europa stritten sich zuerst einmal konkurrierende Adelscliquen um die
Macht, bevor an einen größeren Krieg zu denken war. Und so kämpften auch
auf der iberischen Halbinsel Moslems viel häufiger gegen Moslems und Christen gegen
Christen als gegen Andersgläubige.
Dies wird bereits überdeutlich beim Zug des fränkischen Heeres unter Karl dem
Großen nach Spanien 778, der später den historischen Hintergrund für das
Rolandslied abgab, dem Urvater aller christlichen Kreuzzugsdichtung. Die Franken waren
nicht aus eigenem Antrieb nach Spanien gezogen, sondern von einigen rebellischen
maurischen Provinzfürsten gegen ihren Oberherrn Abd ar-Rahman I. den Emir von
Cordoba zu Hilfe gerufen worden. Beim Rückzug wurde die fränkische Nachhut in
den Pyrenäen dann nicht etwa arabischen Heerscharen massakriert sondern von
christlichen Basken, die von der Beute angelockt worden waren, höchst wahrscheinlich
aber auch durch arabische Hilfsgelder Motivationshilfen erhalten hatten.
Dass die Moslems einen Großteil der Halbinsel unter ihrer Kontrolle hatten,
führte meistens nur dazu, dass sie sich noch eifriger untereinander bekämpften
als es die Christen im Norden taten. Dennoch gab es einen fundamentalen Unterschied und
dies war die Verfügbarkeit von Gold und damit von Geld. Während die
christlichen Reiche im Abendland wegen Mangel an Edelmetallen fast vollständig zur
Naturalwirtschaft zurückgegangen waren, verfügten die Länder des Islam
nicht nur über eine florierende Wirtschaft sondern hatten auch Zugang zu allen
großen Goldquellen der alten Welt. Arabische Golddinar im Westen oft als "Mancus"
bekannt waren deshalb bis ins Hochmittelalter das wichtigste Zahlungsmittel im Abendland.
Nun hatten die Christen nur wenige Handelsgüter zu bieten, und so war der Solddienst
bald eine der beliebtesten Methoden, um an die heiß begehrten Golddinar zu kommen.
Bald standen zahlreiche Christen aus Navarra, Kastilien, Aragon und Katalonien im Dienst
verschiedener maurischer Fürsten. Von diesen wurden sie wegen ihrer schweren
Bewaffnung geschätzt und vor allem, da sie als Fremde bei den vielen internen
Streitigkeiten als besonders zuverlässig galten. Allerdings hatten die christlichen
Rittersöldner auch keine Probleme gegen ihre Glaubensbrüder zu kämpfen.
Nachdem der um die Jahrtausendwende regierende "Al-Mansur" mit eiserner Hand die internen
Streitigkeiten beendet hatte, verheerte er das christliche Spanien in mehr als 50
Feldzügen. Christliche Söldner stellten dabei immer einen nicht
unbeträchtlichen Teil seiner Heere, und er belohnte sie stets reichlich aus der
anfallenden Beute, und in seinem Feldlager war der Sonntag ein Feiertag, damit seine
vielen Söldner ungestört die Messe zelebrieren konnten.
Als das mächtige Kalifat von Cordoba jedoch nach Al-Mansurs Tod (1002) in zahlreiche
Kleinkönigreiche zerbrach, erreichte der Solddienst im maurischen Spanien
völlig neue Dimensionen. Diese so genannten "Taifa-Königreiche" mieteten sich
für ihre internen Kriege die entscheidende Unterstützung im Norden. Der Bedarf
war nun so groß, dass meistens feste Verträge mit christlichen Herrschern
geschlossen wurden, die einige tausend Krieger liefern konnten. Mit der Zeit entwickelten
sich daraus feste Beziehungen, wobei die christlichen Herrscher im Norden meistens
mehrere maurische Klientelstaaten hatten, denen sie für jährliche
Schutzgeldzahlungen bei Bedarf zu Hilfe kamen. Zum Teil gab es in diesem Geschäft
auch selbstständige Kriegsherren, wie den späteren spanischen Nationalhelden
Rodrigo Díaz de Vivar - besser bekannt als "El Cid" -, der mit einer eigenen
Truppe verschiedenen Taifa-Königen diente, bis er dann so mächtig war, dass er
sich mit Valencia ein eigenes Reich eroberte.
Die christlichen Söldner erfreuten sich schließlich einer solchen
Wertschätzung, dass sie sich auch in den nordafrikanischen Staaten Marokko, Tunis
und Tlemcen zu einer festen Institution entwickelten. Obwohl in diesen Staaten
Rittersöldner aus dem ganzen Abenland dienten, so dominierten jedoch allein schon
wegen der geografischen Lage die von der iberischen Halbinsel. Kastilien und Portugal
versorgten dabei hauptsächlich Marokko, während Aragon und Katalonien mehr
Tunis und Tlemcen belieferten. Bei vielen der Söldner in Nordafrika handelte es sich
jedoch auch um ehemalige Kriegsgefangene, Verbannte, politische Emigranten und einfache
Abenteurer, die dort auf eigene Faust ihr Glück suchten.
Eine herausragende aber auch nicht ganz untypische Gestalt war Heinrich von Kastilien
(1230-1304) ein jüngerer Sohn des kastilischen Königs Ferdinand III. Nachdem er
bei internen Thronstreitigkeiten in Kastilien unterlegen war, musste er ins Ausland
fliehen und verdingte sich schließlich als Söldnerführer in Tunis. Dort
erwarb er große Reichtümer und verfügte über loyale eigene Truppen.
Mit seinen Söldnern mehr aber noch mit seinen Schätzen unterstützte er
dann Karl von Anjou in seinem Kampf um die Krone von Sizilien. Als Lohn war ihm Sardinien
versprochen worden, wodurch er endlich ein eigenes Königreich erhalten hätte.
Da Karl jedoch nach dem Sieg nicht daran dachte sein Versprechen einzulösen,
wechselte Heinrich in den Dienst der Staufer und stellte mit seinen 200 Spaniern
Konradins Elite in der Schlacht bei Tagliacozzo (1268). Seine Männer fielen zum
Großteil an diesem Tag; er selbst kam in Gefangenschaft und saß dann 23 Jahre
im Kerker.
Neben den schweren Panzerreitern, die ganz besonders von den Mauren geschätzt
wurden, entstand im Norden Spaniens noch ein ganz anderer Söldnertypus: der des
leicht bewaffneten Infanteristen. In dem langen Konflikt mit den Mauren, waren
ritterliche Schlachten die ganz seltenen Ausnahmen, dafür kam es aber fast
ständig zu kleinen Scharmützeln, Überfälle und Raubzügen bis
tief ins Hinterland. Dabei bewährten sich vor allem abgehärtete und
anspruchslose Krieger. Hauptsächlich kamen sie aus den Pyrenäen - einer der
ganz großen Söldnerwiegen Europas -, und trugen Kleidung und Bewaffnung von
Hirten: Ledergamaschen, einen Sack für Verpflegung, Wurfspeere und kurze Schwerter,
seltener einen leichten Helm oder gar einen Schild.
Diese wilden Krieger lebten zwar hauptsächlich von ihren Raubzügen in
maurisches Gebiet, als jedoch während der Reconquista die Grenzen immer weiter nach
Süden verschoben wurden, boten sie auch in anderen Ländern in Mitteleuropa ihre
Dienste an. In dem langen Konflikt um Aquitanien zwischen England und Frankreich fanden
sie reichlich Beschäftigung. Als das 3. Laterankonzil 1179 die Verwendung von
Söldnern mit dem Bann belegte, war ausdrücklich von "Aragonesen, Navarresen und
Basken" die Rede. Natürlich waren solche Regelungen auch damals nur schöner
Schein, vor allem, da die Kirche anschließend viele davon im Albigenserkreuzzug
(1209-1229) selbst beschäftigte. Auch in der Schlacht von Courtray (1302) wurden von
den Franzosen spanische Wurfspießschleuderer eingesetzt.
Ihren größten Einsatz hatten sie jedoch als der König von Aragon 1282 in
den Kampf um Sizilien eingriff und dabei einige tausend Almogávares, wie diese
Grenzlandkrieger in Aragon genannt wurden, nach Italien brachte, wo sie in gewohnter
Guerillamanier die Franzosen langsam aber sicher zermürbten. Als schließlich
Frieden gemacht wurde, wollte sie in Aragon allerdings niemand mehr haben und so bildeten
sie die "Große Kompanie" und traten in den Dienst von Byzanz. Nachdem sie wegen
ihrer Raublust bald auch mit den Byzantinern aneinander geraten waren, verwüsteten
sie jahrelang auf eigene Faust Griechenland und eroberten schließlich 1311 das
Herzogtum Athen.
Damit hatten Söldner von der Iberischen Halbinsel im gesamten Mittelmeerraum mehr
als ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten. Als dann 1337 in Frankreich der
Hundertjährige Krieg ausbrach, der für Generationen zum Hauptanziehungspunkt
für Söldner werden sollte, waren Spanier anfangs noch relativ schwach
vertreten. Dies lag hauptsächlich daran, dass man auf der Halbinsel zu der Zeit mit
eigenen Kriegen und Fehden beschäftigt war. Als ein Resultat der
Erbfolgestreitigkeiten kam dann aber 1362 Heinrich von Trastámara, ein illegitimer
Sohn des verstorbenen Königs von Kastilien, nach Frankreich und trat mit seinem
Gefolge in den Dienst der Krone. Der König von Navarra Karl II. suchte dagegen im
Bündnis mit England seine französischen Besitzungen auszubauen und brachte
dadurch zahlreiche Basken nach Frankreich, die schließlich einen
beträchtlichen Teil der Freien Kompanien stellten.
In der zweiten Phase des Hundertjährigen Krieges (1415-53) spielten spanische
Söldner allerdings eine viel wichtigere Rolle. Am bekanntesten war sicher der Baske
Rodrigo de Villandrando der mit seinen gefürchteten Écorcheur jahrelang das
Land ausplünderte und verwüstete. Er hatte im Dienst der Burgunder begonnen,
war dann aber ins königliche Lager gewechselt. Auf dem Höhepunkt seiner Macht
kommandierte er eine Kompanie von 8-10.000 Mann, die sich aus allen Nationalitäten
zusammensetzte im Kern jedoch aus Spaniern bestand. Nachdem sich Villandrando in die
Heimat abgesetzt hatte, übernahm sein Landsmann und Stellvertreter Juan de Salazar
die Kompanie. Wie viele Söldner blieb Salazar nach dem Krieg in Frankreich in wurde
ein Teil des einheimischen Adels.
Auf englischer Seite ist dagegen viel von einem Francois de Surienne, genannt "der
Aragonese" zu lesen. Er war ein früher Spezialist für den Einsatz der
Artillerie und Befestigungen und war ebenfalls in burgundischen Diensten nach Frankreich
gekommen und später zu den verbündeten Engländern gewechselt, für die
er einige tausend Mann in der Bretagne führte. Letzten Endes führten diese
Männer jedoch hauptsächlich Krieg auf eigene Rechung, da sie ihre Truppen nur
mit Beute und Lösegeldern zusammenhalten konnten. 1445 versuchte der
französische König dann mit seiner "Ordonanz", diese chaotischen
Verhältnisse etwas zu regeln und die Freien Kompanien durch feste Bezahlung in ein
stehendes Heer umzuwandeln. Natürlich wurden bei dieser Umstrukturierung Franzosen
bevorzugt, während Ausländer dagegen möglichst in ihre Heimat abgeschoben
wurden. Dennoch wurde eine der 15 Ordonanzkompanien für Spanier reserviert.
Mit dem Hundertjährigen Krieg zeichnete sich militärhistorisch bereits das Ende
des Mittelalters ab. Doch während englische Historiker die Wandlung gerne dem
Langbogen zuschreiben, französische den Ordonanzkompanien und der Artillerie oder
deutsche Schweizer und Landsknechte am Beginn der neuen Zeit sehen, fand die eigentliche
Revolution im fernen Spanien statt. Dort waren 1469 durch die Hochzeit von Isabella von
Kastilien und König Ferdinand von Aragon die beiden mächtigsten
Königreiche vereinigt worden. Nachdem die Katholischen Könige zuerst interne
Widerstände gebrochen hatten, begannen sie 1482 mit der Eroberung von Granada.
Obwohl dieser Krieg sicher auch stark von mittelalterlicher Kreuzzugsideologie
beeinflusst wurde, so wurde er doch für die Zeit auf geradezu unglaublich moderne
Art und Weise geführt. Die militärisch unterlegenen Mauren vermieden offene
Feldschlachten und setzten statt dessen auf das unwegsame Gelände und die gut
befestigten Plätze. Für die traditionellen schweren Panzerreiter gab es deshalb
kaum Verwendung. Viel wichtiger waren dagegen das Fußvolk, das unter den im
Grenzkrieg erfahrenen Milizen der Städte rekrutiert wurde, und die leichte Reiterei,
die stark von den Berbern beeinflusst war. Entscheidend war die Artillerie, für
deren Aufbau französische, burgundische und süddeutsche Spezialisten geworben
wurden. Dennoch zog sich der Krieg zehn Jahre in die Länge und spanische
Militärs lernten hier neben der Bedeutung der Artillerie die von Logistik, Schanzen,
Hinterhalten und schnellen Manövern.
War der Krieg von Granada sozusagen die Grundschule moderner Kriegsführung, so
wurden die italienischen Kriege (1494-1559) zu ihrer Universität. Frankreich, das
inzwischen wieder zum mächtigsten Staat Europas geworden war, hatte die internen
Streitigkeiten Italiens genutzt, um sich das Königreich Neapel einzuverleiben. Das
Rückgrat des französischen Heers waren die schweren Panzerreiter der
Ordonanzkompanien, dazu kam die stärkste Belagerungsartillerie des Abendlandes und
8.000 Schweizer Söldner, deren Siege über Burgund bereits legendär waren.
Dieser geballten Macht eines modernen Territorialstaates hatten die italienischen
Condottieri nichts entgegen zu setzen. Das mächtige Florenz kapitulierte bereits
beim Anmarsch und auch Neapel öffnete schnell seine Tore.
Gegen diese Übermacht schickte Spanien ein kleines Heer unter Gonzalo de
Córdoba. Wie die meisten seiner Männer war de Córdoba ein erfahrener
Veteran des Granadakrieges. Nach einer ersten Niederlage, zu der ihn seine
Verbündeten genötigt hatten, zerschliss er seine Gegner im Kleinkrieg. Um der
überlegenen Kavallerie und den Schweizern gewachsen zu sein, entwickelte er aber
auch eine völlig neue Infanterietaktik. Er verstärkte konsequent die Anzahl der
Schützen und mischte sie mit den Pikenieren. Diese Formationen erhielten die
Bezeichnung "colonella" (Kolonne) und unterstanden einem "Colonel". Während
Schweizer und Landsknechte allein auf den Massendruck ihrer Gewalthaufen setzten und
Schützen nur als Plänkler verwendeten, wurden sie unter de Córdoba zur
entscheidenden Waffe, auch wenn sie lange noch den weitaus kleineren Teil der colonellas
stellten.
In der Schlacht bei Cerignola (1503), einer der ganz großen Meilensteine auf dem
Weg der so genannten "Militärischen Revolution", schlug de Córdoba dann mit
lediglich 8.000 Mann ein französisches Heer von 32.000 und doppelt so viel
Geschützen vernichtend. Die wiederholten Angriffe der französischen schweren
Kavallerie und der Schweizer scheiterten alle am vernichtenden Feuer der Arkebusiere. De
Córdoba wurde als "el Gran Capitán" berühmt und gilt als Vater der
modernen Infanterie, da er im Gegensatz zu manchem genialen Feldherrn ein stabiles
Fundament für dauerhafte Reformen hinterließ. Deshalb setzten andere seine
Arbeit fort, auch nachdem er längst nach Spanien zurückgekehrt war, und die
großen Siege von Bicocca (1522) und Pavia (1522) sind ohne seine Vorarbeit nicht
denkbar.
Es besteht kein Zweifel daran, dass um die Mitte des 16. Jahrhunderts Spanien über
die beste Infanterie der Welt verfügte. Und mit diesem mächtigen Instrument
dominierten die Habsburger dann fast ein ganzes Jahrhundert Europa, schlugen Franzosen,
Türken, Niederländer, Engländer und deutsche Protestanten, eroberten
große Teile Italiens, Portugal und ein riesiges Imperium in Übersee.
Natürlich waren diese Truppen auch im Ausland sehr begehrt, und, wenn es die
politischen Beziehungen zuließen, erlaubte Spanien, dass einzelne Hauptleute mit
ihren Truppen fremde Dienste suchten oder lieferte gegen gute Bezahlung diese gleich
selbst. Trotz seiner Vorliebe für den Langbogen hätte der englische König
Heinrich VIII. In seinen Kriegen gegen Frankreich und Schottland nur wenig ausgerichtet,
wenn ihn nicht spanische Arkebusiere mit der notwendigen Feuerkraft versorgt hätten.
Auch die französischen Katholiken erhielten während der Hugenottenkriege
(1562-98) oft entscheidende Schützenhilfe von spanischen Söldnern, und der
Dreißigjährige Krieg (1618-48) wäre sicher viel früher zu Ende
gegangen, wenn nicht einige der gefürchteten spanischen Tercios die Reihen der
Bayern und Kaiserlichen gestützt hätten.
Es ist leicht verständlich, dass diese enormen Aufgaben Spaniens natürliche
Ressourcen schnell überforderten. Für die verlustreichen Kriege von Nordafrika
bis in die Niederlande, von Portugal bis Ungarn gab es auch im vereinten Spanien nicht
annähernd genug Soldaten. Dazu kam das immense Kolonialreich, das ständig nach
neuen Truppen, Seeleuten und Kolonisten verlangte. All diese Kriege konnten nur dank des
Silbers geführt werden, das sich ab der Jahrhundertmitte in einem anschwellenden
Strom aus den Minen Südamerikas nach Spanien ergoss. Mit diesem Silber wurden nun
nicht nur viele brave spanische Bauern und Handwerker zu Soldaten gemacht, sondern auch
immer mehr Ausländer geworben, vor allem Italiener, Süddeutsche, Wallonen,
Flamen, Iren und Portugiesen. Spätestens in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts
war Spanien vom einstigen Söldnerlieferanten zum Großabnehmer in Europa
geworden.
Doch das Silber aus Südamerika hatte wesentlich fatalere Folgen. Die spanische
Infanterie war einst als eine Art Notlösung entstanden, da man sich die
prächtigen Ordonanzkompanien wie in Frankreich und Burgund nicht leisten konnte. Nun
erstickte das Geld jeden Ansatz zu neuen Reformen. Bürokratie und Korruption
wucherten und die steigenden Preise ruinierten Landwirtschaft und Handel. Und wie immer
kam der Hochmut vor dem Fall. Die zahllosen Siege und Eroberungen förderten ja nicht
gerade kritische Gedanken, und so florierten Intoleranz und Fanatismus. Man muss diese
Zustände nicht von einem modernen bürgerlich-liberalen Standpunkt aus
kritisieren, denn sie erweisen sich für Staaten und deren Militär ganz wertfrei
als fatal. In Spanien vertrieb man zuerst die Juden, die eine wirtschaftliche Elite
gestellt hatten; später dann die Moriskos, die ehemaligen Moslems, die in vielen
Regionen einen beträchtlichen - und fleißigen - Anteil an der Bevölkerung
bildeten. Zum Ausgleich stärkte man die Kirche, deren zigtausend Priester und
Mönche nichts zu Produktivität beitrugen. Da das Silber aus Übersee
für Krieg, Klerus und Günstlinge bei weitem nicht ausreichte, erhöhte man
ständig die Steuern und trieb dadurch immer mehr ins Elend und die Kolonien.
Um 1600 hatte Spanien mehrere Millionen seiner ohnehin nicht sehr großen
Bevölkerung eingebüßt und die Wirtschaft war in einem katastrophalen
Zustand. Das Militär hatte die wegweisenden Oranischen Reformen der
Niederländer weitgehend ignoriert; moderne Schusswaffen wurden schon lange nicht
mehr selbst hergestellt, sondern (meist aus den Niederlanden) importiert. Als dann 1643
die einst unbesiegbaren Tercios auf eine modern geführte französische Armee
trafen, wurden sie von der mobilen Kavallerie abgeschnitten und mit an Reichweite
überlegenen Musketen und Kanonen zusammen geschossen. Die Spanier sollen dabei
tapfer gestorben sein, doch ihr Stolz war schon längst zur Borniertheit geworden. Es
zeugt allerdings von ganz besonderer Dummheit, wenn in modernen spanischen Romanen und
Filmen wie "Alatriste" diese Unfähigkeit zur Reform auch noch glorifiziert wird.
Später überfielen Niederländer, Franzosen und Engländer mit technisch
überlegenen Schiffen die Silberflotten und eroberten Teile des überdehnten
Kolonialreiches. Die spanische Armee war dabei längst zweitklassig geworden und mit
der Verteidigung des Imperiums mehr als überfordert. Unter diesen Umständen
findet man im 18. und 19. Jahrhundert praktisch keine spanischen Söldner mehr in
fremden Diensten, auch diejenigen, die auf eigene Faust Abenteuer oder schnellen Gewinn
suchten, konnten ihr Glück in den Kolonien in Lateinamerika versuchen.
Nachdem die große Zeit spanischer Söldner völlig vorbei war, fällt
der Blick auf das Strandgut, das die großen Imperien immer zurücklassen: auf
die Überläufer, Deserteure und Renegaten. Es hatte dieser Männer immer
gegeben, die als Gefangene in den Dienst des Gegners getreten waren, um ihr Schicksal zu
erleichtern, oder die aus Zorn, Angst oder einfach Hunger desertiert waren. Zum Kampf
gegen die Piraterie unterhielt Spanien an der nordafrikanischen Küste eine ganze
Reihe von Festungen, so genannter "Presidios" wie Ceuta, Oran, Peñón de
Vélez oder La Goleta. "Das Leben in den Presidios konnte nur Mühsal sein. So
nahe am Wasser verfaulen die Lebensmittel, und die Menschen sterben am Fieber. Die
Soldaten hungern das ganze Jahr. [...] Um ihre unerträgliche Schuldenlast
abzuschütteln , desertieren die Soldaten und gehen zum Islam über." So
beschreibt Fernand Braudel die Situation.
Da nur selten Freiwillige für den gefürchteten Dienst in diesen isolierten
Forts gefunden wurden, belog man die Rekruten bezüglich ihrer Verwendung oder
schickte gleich Sträflinge; entlassen wurden sie ohnehin oft erst bei schwerer
Invalidität. Im modernen Spanisch hat das Wort "Presidio" deshalb bezeichnenderweise
einen Bedeutungswandel zu "Zuchthaus" erfahren, und ein "Presidiario" ist kein Soldat
sondern ein Sträfling. Es erstaunt also nicht, dass viele Soldaten letzten Endes
lieber zum Feind überliefen und den Glauben wechselten, als in einem Presidio auf
den Tod zu warten.
Viel mehr als militärische Niederlagen, bei denen auch oft Tausende in
Gefangenschaft gerieten, versorgte der stetige Strom von Deserteuren aus den Presidios
die Maghrebstaaten mit militärisch erfahrenem Personal. Sie wurden dort besonders
als Schützen und Artilleristen besonders geschätzt und trugen wesentlich zur
Modernisierung der Kriegsführung bei. Man sollte auch nicht denken, dass es sich
dabei lediglich um einige wenige handelte. Ahmad al-Mansur (1578-1603) der mächtige
Sultan von Marokko soll ungefähr 4.000 ehemalige Christen - hauptsächlich
spanische Renegaten - in seinem Dienst gehabt haben. Ungefähr 1.500 von ihnen waren
dann 1591 unter der Führung von "Djuder Pascha" entscheidend an der
Eroberung des Sudan beteiligt. Auf Spanische Renegaten stößt man auch immer
unter den Korsaren der Barbareskenstaaten Algier, Tripolis und Tunis. Bereits 1581 waren
zwei Spanier unter den 32 Korsarenkapitänen in Algier. Renegaten wurden hier als
Seeleute und als Kanoniere geschätzt.
Als die Korsaren dann im 19. Jahrhundert endgültig ihre einstige Bedeutung verloren,
stellen spanische Renegaten immer noch den wichtigsten Teil des marokkanischen Heeres.
Einige tausend dienten in der so genannten "renegados legion".und stellten den
Großteil der Artilleristen und Festungsbesatzungen. Beim Krieg zwischen Frankreich
und Marokko (1844) kämpften sie angeblich sehr tapfer, da sie im Fall einer
Gefangennahme keine Gnade zu erwarten hatten. In der Schlacht von Isly standen Spanier an
den marokkanischen Geschützen und beim folgenden Bombardement von Mogador war der
beste Artillerist ein spanischer Renegat namens Omar Ei-Haj. Nach seinem Tod brach der
Widerstand zusammen.
Doch die Renegaten verschwanden nach und nach, wie Marokko und die anderen Maghrebstaaten
ihre Unabhängigkeit verloren. Die Renegaten hatten damit ihr letztes wichtiges
Refugium verloren. Von spanischen Söldnern und Abenteurern ist danach nur noch wenig
zu hören. Spanier stellten zwar immer einen guten Anteil an der französischen
Fremdenlegion, und mit anderen Ex-Legionären kämpften auch einige im Kongo in
den 60er Jahren. Eine etwas seltsame Randerscheinung ist die "Antikommunistische
Fremdenlegion" die General Rafael Trujillo, der Diktator der Dominikanischen Republik,
1959 aufstellte. Sie wurde zu einem Sammelbecken für Rechtsradikale aus aller Welt,
darunter auch zahlreiche Spanier; General Franco schickte sogar einige Veteranen der
Blauen Division als Ausbilder.
Wie in den meisten westeuropäischen Staaten gibt es heute sicher auch die eine oder
andere spanische Firma im Bereich Security-Dienstleistung. Im Allgemeinen ist der
Militärdienst jedoch äußerst unpopulär, so dass sich das
Militär mit Immigranten aus Lateinamerika behelfen muss. Spanische Söldner sind
also äußerst seltene Relikte einer fernen Vergangenheit.