Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Der Sold des Sultans

Mehmed der Eroberer und seine Kanoniere.

Als der türkische Sultan Mehmed II. nach seinem Regierungsantritt 1451 damit begann Konstantinopel einzuschließen und sich seinen Beinamen "der Eroberer" zu verdienen, meldete sich beim Kaiser der bedrohten Stadt ein Mann mit großen Plänen und exorbitanten Forderungen. Er nannte sich Urban und stammte aus Siebenbürgen. Riesige Geschütze wollte er gießen und die Türken damit zu Grunde richten. Doch in Konstantinopel kannte man genug dieser Abenteurer, die ohne Geld im Hafen ankamen und versuchten mit großen Versprechungen ihr Glück zu machen. Anscheinend machte auch Urban keinen besonders zuverlässigen Eindruck. Wahrscheinlich war er ziemlich abgerissen, ein Versprengter der ungarischen Armeen, ohne Mittel für die Heimreise. Geschützgießer waren zwar gesuchte Spezialisten und Urban forderte einen entsprechend hohen Preis für seine Dienste, aber die Berater des Kaisers hielten ihn für einen Scharlatan. Da man an Söldnern knapp war, stellte man ihn trotzdem ein, allerdings für eine wesentlich geringere Summe, die dann auch noch von korrupten Beamten zum Großteil unterschlagen wurde.

Konstantinopel 1453 Urban war empört und schlich sich aus der Stadt ins Lager des Sultans. Mehmed schätzte die neuen Waffen, war aber zu ihrer Herstellung immer noch auf christliche Gefangene und Renegaten angewiesen. Also wurde Urban gleich mit Geschenken überhäuft und festlich bewirtet. Dann fragte ihn der Sultan, ob er Geschütze von einer ausreichenden Größe für die Mauern von Konstantinopel herstellen könnte. Urban behauptete Geschütze für Steinkugeln beliebiger Größe gießen zu können, womit man nicht nur die Mauern Konstantinopels, sondern auch die Babylons in Staub verwandeln könnte. Der Sultan war begeistert und versorgte ihn reichlich mit Geld, Hilfskräften und großen Mengen an Erz. Nach drei Monaten war das Monstrum fertig. Zwei Stunden waren nötig, um einen Schuss abzufeuern, aber jede der Steinkugeln wog zwölf Zentner.

Die erste Probe sollte bald erfolgen. Zur Sperrung des Bosporus hatte Mehmed die Festung Rumeli Hissari bauen lassen. Dort wurde das Riesengeschütz platziert. Als eine venezianische Galeere die türkischen Aufforderungen zum Beidrehen wie üblich missachtete, wurde sie mit einem einzigen Schuss zertrümmert. Als Mahnung ließ Mehmed die gefangenen Venezianer hinrichten. Bald darauf begann die eigentliche Belagerung Konstantinopels. Mit 40 Ochsengespannen wurde Urbans Geschütz in Stellung gebracht. Wo es dann seine zerstörerische Arbeit an den Mauern und Türmen begann. Der Pulverdampf verbreitete sich über die Stadt und das Donnergrollen eines Schusses soll über Kilometer weit zu hören gewesen sein. Der griechische Chronist Michael Dukas schrieb, dass Urban, wenn man ihm nur ein Viertel des Lohns bezahlt hätte, den er vom Sultan empfing, der Stadt eine äußerst wichtige Hilfe gewesen und den Türken gleichzeitig der wichtigste Teil ihrer Rüstung entzogen worden wäre. So aber leistete Urban nun einen wesentlichen Beitrag zur Zerstörung Konstantinopels.

Aber Urbans Karriere war kurz. Nach kurzem Einsatz zerplatzte die Riesenkanone und riss ihn dabei in Stücke. Der Sultan ließ daraufhin eine neue gießen. Wahrscheinlich taten dies nicht die Türken. So leicht war die schwierige Kunst nicht zu erlernen. Aber im Heer des Sultans dienten tausende von beutelüsternen Renegaten: Griechen, Serben, Italiener, Ungarn und Deutsche. Darunter waren auch einige erfahrene Geschützgießer. Die griechischen Chronisten erwähnten sie aber nur als namenlose Masse, als "Franken". Bekannt wurde nur Urban, durch seinen Aufenthalt in Konstantinopel und sein Riesengeschütz. Für die anderen Geschützgießer war es relativ einfach nach Urbans Vorgaben Ersatz zu schaffen. Damit nicht genug, gossen sie zahlreiche kleinere Geschütze und Steinbüchsen. Michael Dukas schrieb, dass ein Schuss aus diesen Steinbüchsen zwei gepanzerte Männer samt Schild durchschlagen habe. Sie waren zwar unhandlich und hatten eine äußerst geringe Feuergeschwindigkeit, waren in ihrer Wirkung aber trotzdem um vieles verheerender als Pfeile und Speere.

Der Kampf um Konstantinopel wurde dennoch weitgehend mit den Waffen des Mittelalters ausgetragen. Die Angreifer stürmten mit Leitern und setzten Katapulte und Belagerungstürme ein. Wo es der Untergrund erlaubte trieben sie Stollen unter die Türme, um sie zum Einsturz zu bringen. Man kann annehmen, dass auch hier fränkische Ingenieure im Einsatz waren - Bergbauspezialisten aus dem Harz, Tirol, Böhmen und Ungarn. Namentlich erwähnt wurde nur einer: der deutsche Ingenieur Johannes Grande, der auf griechischer Seite kämpfte. Über seine genaue Herkunft und seine Person ist nichts bekannt. Er muss allerdings eine wichtige Position - eventuell als Festungsbaumeister - in Konstantinopel gehabt haben. Denn während der Belagerung vertraute man ihm die Verteidigung der Nordmauer an, die ohne den Schutz von Vorwerken besonders durch Minen bedroht war.

Der Minenkrieg war heimtückisch und nervenaufreibend. Wenn der Stollen groß genug war, wurden die Stützpfeiler verbrannt und die einstürzenden Mauern begruben die Verteidiger unter sich. Diese achteten deshalb mit größter Wachsamkeit auf das Geräusch der Spitzhacken und Meißel und stellten Wasserschüsseln auf, um an einem leichten Kräuseln der Oberfläche rechtzeitig Erschütterungen zu erkennen. Wurde auf diese Weise eine Mine entdeckt, grub man einen Gegenstollen und versuchte die Belagerer auszuräuchern. Grande war ein Spezialist in diesem unterirdischen Krieg. Dukas berichtet: "Ein gewisser Johannes aber, ein Deutscher, der in Kriegskünsten sehr erfahren war, und auch die Bereitung des flüssigen Feuers verstand, bemerkte dieses Vorhaben, und grub eine Gegenmine, füllte sie mit flüssigem Feuer, ganz kunstgerecht, und als die Türken voller Freude kamen, um durch ihren Gang in die Stadt einzudringen, da legte er selbst die Lunte an das Feuer, das in der Gegenmine bereit lag, die er gegraben hatte, und verbrannte die meisten von ihnen, und machte ihre Anschläge zunichte."

Aber der Fall von Konstantinopel war nicht aufzuhalten. Als der Sultan seinen Kriegern alle Beute und Menschen in der Stadt versprach und für sich selbst nur die leeren Häuser forderte, stürmten die Türken und ihre christlichen Hilfstruppen die zerschossenen Wälle. Über den Kampf, den Tod des Kaisers und die anschließende Plünderung gibt es ausreichend Literatur. Über das weitere Schicksal von Johannes Grande ist dagegen nichts bekannt. Wenn er in den harten Straßenkämpfen nicht erschlagen worden ist, kann man wohl annehmen, dass er ihm Dienst des Sultans sein Auskommen gefunden hat.

türkische Kanoniere Urban war anscheinend mehr Gießer als Kanonier, denn er hatte dem Sultan gesagt, dass er seinen riesigen Mörser nicht selbst ausrichten könne. Die Mörser stellten als Wurfgeschütze die höchsten Anforderungen an die Kanoniere: Abschusswinkel, Ladung und Windrichtung mussten genau beachtet werden. Dennoch sollte man Urbans Leistung nicht unterschätzen. Der Guss eines Riesengeschützes war eine technische Höchstleistung. Das Eisen musste in mehreren Öfen gleichzeitig geschmolzen werden und die Form einem immensen Druck standhalten. Außerdem war Eisen nicht gleich Eisen. Die Türken versorgten ihn zwar mit dem Rohstoff, doch Urban musste entscheiden, ob es zu viel Kohlenstoff enthielt und damit zu hart und zu spröde war, oder ob es zu weich war. Zu hartem Eisen konnte man einen Teil des Kohlenstoffs in Hochöfen entziehen. Je größer die geschmolzene Metallmasse war, desto mehr bestand die Gefahr, dass sich beim Guss Blasen bildeten und das Geschütz unbrauchbar machten. War das Werk geglückt benötigte man riesige Kräne, Flaschenzüge und Wägen mit Ochsengespannen, um die gewaltige Masse zu bewegen.

Bei diesen Arbeiten muss man sich Urban den Abenteurer und skrupellosen Söldner vorstellen. Gekleidet in prächtige türkische Gewänder, Leibwachen und Dolmetscher an seiner Seite, kommandierte er ein zahlreiches Heer von Sklaven und Arbeitern, überwachte den Bau der Öfen, prüfte das Metall, trieb Zimmerleute an, schimpfte, schrie und machte immer wieder beim Sultan Eindruck. Er saß in keiner fertig eingerichteten Werkstatt mit gut ausgebildeten Hilfskräften. Alles, was er mitgebracht hatte, befand sich in seinem Kopf. Die Türken gaben ihm Arbeitskräfte, Erz, Lehm, Steine und Holz. Daraus ein funktionsfähiges Riesengeschütz zu formen, grenzte wirklich an Zauberei.

Der auf griechischer Seite kämpfende Johannes Grande beherrschte sicher auch nur einzelne Teilbereiche des Gewerbes. Da er nicht im Zusammenhang mit Geschützen erwähnt wird und die Griechen jeden erfahrenen Gießer eingesetzt hätten, kann man annehmen, dass er davon nichts verstanden hat. Eventuell war er ein ehemaliger Bergmann, wofür seine Erfahrung im Minenbau spricht. Wahrscheinlich war er aber auch Feuerwerker, also ein Spezialist für die Zubereitung von Pulver und Sprengstoffen. Man könnte einwenden, dass es keine große Kunst sei, aus Schwefel, Salpeter und Holzkohle Pulver zu mischen und dieses zur Explosion zu bringen. Aber Feuerwerker konnten viel mehr. Sie verstanden sich auf die Mischung zahlreicher sehr modern anmutender Mittel. Ein um 1420 entstandenes Feuerwerksbuch gibt einen schönen Überblick davon. Neben der Herstellung von Salpeter und Knollenpulver werden Brandgeschosse, Rauchbomben, Feuerpfeile und sich bei Nässe selbst entzündende Sprengsätze aus ungelöschtem Kalk beschrieben. Es ist nicht bekannt über welches Wissen Johannes Grande verfügte. Da ihm die Griechen aber den Einsatz des, als Staatsgeheimnis gehüteten griechischen Feuers, kann man annehmen, dass er ihren Technikern um einiges überlegen war.

Geschüschtzmeister Feuerwerker, Gießer und Kanoniere waren gesuchte Spezialisten, die an den Fürstenhöfen Europas hohen Sold erwarten konnten. Aber die festen Stellen waren schnell besetzt, und wenn gerade ein Feldzug zu Ende war, musste sich mancher nach einer neuen Pfründe umsehen. Dabei mussten sie sich natürlich zuerst einmal selbst anpreisen, und man nimmt an, dass die ersten Feuerwerksbücher hauptsächlich als Empfehlungsschreiben in eigener Sache geschrieben wurden. Deshalb ergab es sich praktisch von selbst, dass auch immer wieder einige ihr Glück im Dienst des Sultans versuchten. Das zog zwar die ewige Verdammnis nach sich, bei der zu erwartenden fürstlichen Entlohnung hat das aber wie so oft die richtigen Söldnernaturen kaum abgeschreckt. "Den Turban nehmen" war eine gängige Redewendung, für den Übertritt zum Islam. Einige kamen auf venezianischen Galeeren nach Konstantinopel, Alexandria, Beirut oder in die Häfen am schwarzen Meer. In all diesen Häfen lebten Christen, Moslems, Juden, Armenier und Kopten nebeneinander. Es waren ideale Plätze, um die Fronten zu wechseln. Manch einer wird sich gezielt auf den Weg gemacht haben, um für gutes Gold in die Dienste des Sultans zu treten. Andere blieben zurück, brauchten ihr Geld auf und suchten ein neues Auskommen. Die ersten türkischen Geschütze wurden von Italienern gegossen, die immer zahlreich im türkischen Sold zu finden waren. Doch bald folgten ihnen Franzosen, Böhmen und Deutsche.

Für die meisten führte der Weg über den Balkan und die Gefangenschaft. Die Herstellung von Salpeter, Pulver, Steinkugeln und Geschützen lag auf dem Balkan fest in den Händen von Ausländern. Vor allem die Ungarn stützten sich bei ihren Abwehrkämpfen gegen die überlegenen Türken stark auf Kanoniere aus Böhmen und dem Reich. Als der ungarische Reichsverweser Johann Hunyadi 1448 auf dem Amselfeld in einer zweitägigen blutigen Schlacht von der türkischen Übermacht geschlagen wurde, hielten seine deutschen und böhmischen Kanoniere die Wagenburg im Zentrum bis zum bitteren Ende. Wer dem Gemetzel der Janitscharen entging kam in Gefangenschaft. Da die Türken stark an Sklaven interessiert waren, machten sie immer weit mehr Gefangene als ihre christlichen Gegner. Von den überlebenden Kanoniere wird allerdings kaum einer auf den Galeeren geendet sein, denn sie waren zu wertvoll für den Sultan. Auch Hunyadis Sohn Mathias Corvinus kämpfte weiter gegen die Türken, aber auch er musste Niederlagen einstecken und verlor tausende von Gefangenen.

Die Türken lernten von ihren Gegnern und versuchten immer mehr dieser abendländischen Spezialisten in ihre Dienste zu ziehen. Gegen gute Bezahlung lieferten die Venezianer gerne Kanonen und Fachkräfte, und auch einzelne Abenteurer wechselten dafür den Glauben und die Fronten. Aber damit war der riesige Bedarf an Gießern, Ausbildern und auch einfachen Hakenschützen nicht zu decken. Der Großteil wurde deshalb unter den Kriegsgefangenen rekrutiert, die anscheinend regelrecht nach Fachleuten durchsucht wurden. Von einem solchen Schicksal berichtet in recht dürftigen Worten der Büchsenmeister Jörg von Nürnberg. Er war wahrscheinlich 1456 von Ulrich von Cilly Herzog Stephan Kosoco von Bosnien zur Unterstützung geschickt worden. Neben ihm arbeitete dort noch ein Bosnier, der vorher schon in türkischen Diensten gestanden hatte. Auf dem Balkan waren die Grenzen schwimmend. Auch die christlichen Kleinfürsten kämpften manchmal gegen die Türken und dann wieder mit ihnen. So verbündete sich auch der rebellische Sohn des Herzogs mit dem Sultan und fiel mit türkischen Truppen in seine Heimat ein. Wie üblich wurde das Land verwüstet und die Bevölkerung in die Sklaverei verschleppt. Auch Jörg erlitt mit seiner gesamten Familie dieses Schicksal. Doch als Büchsenmeister wurde er schnell aus der Gefangenschaft erlöst. Er schreibt: da wurde "ich maister jörg mit weib und kindern gefangen vn gefurt fur den türcken (Sultan) vnd da er erhört dz ich ein büchsenmaister was liess er mich leben vn macht mir guten solt."

Über Jahre beteiligte sich nun Jörg im guten Sold des Sultans an den Kämpfen auf dem Balkan zwischen Bosniern, Ungarn, Türken, Albanern und Venedig. Er sah zahllose brennende Dörfer und Städte, das Hinschlachten und Pfählen von Tausenden zur Vergeltung, Siege und Niederlagen. Von seinen eigenen Verdiensten schweigt er verständlicherweise. Dennoch scheinen sie nicht unbeträchtlich gewesen zu sein, denn nach einigen Jahren nahm er an Kriegszügen nach Armenien, an den Euphrat und auf der Krim teil. Die Osmanen expandierten an allen Fronten und gaben nun ihrerseits die neue Technologie weiter, zum Teil im friedlichen Austausch mit befreundeten Mächten, aber auch wie im Westen durch Schmuggler und Renegaten. Bald fanden sich türkische Gießer und Kanoniere von Marokko über Ägypten bis nach Sumatra und sogar im feindlichen Persien. Vor allem die Mogul-Eroberer Indiens verdankten ihnen viel. Unter ihnen haben sich vielleicht auch einige von Jörgs gelehrigen Schülern befunden. Es ist auch gut möglich, dass damals schon der eine oder andere deutsche Büchsenmeister als Gefangener, Überläufer oder als Gastgeschenk bis nach Delhi gelangte.

Jörg selbst begleitete den Sultan einmal zu einem Treffen mit einem verbündeten indischen Fürsten. Die Türken erhielten Elefanten und Kamele als Geschenke, die Inder dagegen Kanonen, die ihnen bisher unbekannt waren wie Jörg feststellt. Wenn Jörg nicht so eine Koryphäe auf seinem Gebiet gewesen wäre, hätte er bei dieser Gelegenheit vielleicht auch den Herrn gewechselt. Aber der Sultan hielt offensichtlich große Stücke auf ihn. Denn als 1480 eine neue Großoffensive gleichzeitig gegen Rhodos, Nauplia und Alexandria geplant wurde, schickte er Jörg in geheimer Mission nach Alexandria. Als Fachmann und offensichtlich auch Vertrauter des Sultans sollte er sich das Land und seine Befestigungen ansehen, um festzustellen, was er benötigen würde, um es zu erobern. Doch in Alexandria suchte Jörg Kontakt zu Franziskanermönchen, die ihn auf eine venezianische Galeere schmuggelten, mit der er nach Italien entkam. Was ihn zu diesem Schritt veranlasste ist unklar. Vielleicht waren es Intrigen am Hof in Konstantinopel, oder er fürchtete nach über 20 Dienstjahren in der Türkei tatsächlich um sein Seelenheil; an der Bezahlung kann es jedenfalls nicht gelegen haben. Dass er seine Familie in der Türkei zurücklassen musste, scheint ihn nicht bekümmert zu haben, denn er verliert kein Wort darüber. Möglicherweise war seine Frau verstorben, die Töchter mit Janitscharenoffizieren verheiratet und die Söhne zu braven türkischen Büchsenmeistern geworden. Jörg selbst fand schnell wieder eine Stellung und trat in die Dienste des Papstes, wo er sein "Tractat von den türcken" verfaßte. Dass er bei diesem neuen Herrn seine früheren Leistungen stillschweigend überging und statt dessen mehr über die Grausamkeiten und heidnischen Bräuche der Türken schrieb versteht sich von selbst.

Belagerung von Rhodos Während Jörg wieder ins christliche Abendland zurückgekehrt war, begann 1480 der Großangriff auf die Johanniterfestung Rhodos. Auch hier stößt man auf einen deutschen Renegaten in einer bedeutenden Stellung. Die türkische Artillerie stand unter der Leitung von Meister Georg aus Meißen, der damit ungefähr die Aufgabe erfüllte, für die Jörg in Alexandria vorgesehen war. Doch anders als dieser zeigte sich Georg als äußerst dankbarer Diener seines neuen Herrn. In Konstantinopel stand er beim Sultan in höchstem Ansehen. Er soll sich damit gebrüstet haben, viele tausend Christen umgebracht zu haben und dass keine Mauer seinen Geschützen widerstehen konnte. Vor den Wällen der belagerten Stadt goss er Geschütze und leitete das Bombardement. Neben ihm hatten noch andere Renegaten das türkische Ingenieurwesen und die Artillerie auf den neuesten Stand gebracht. Laufgräben und Minenstollen wurden fachmännisch gegen die Mauern vorgetrieben, die gleichzeitig einem furchtbaren Bombardement ausgesetzt waren. Bereits in den ersten Tagen wurden allein neun Türme zerstört. Der Großmeister D’Aubusson berichtete, dass täglich bis zu tausend Kugeln abgefeuert wurden.

Am 28.Mai sah die Wache in der Dämmerung einen Mann am Graben stehen und rufen. Ein Ritter, der in Konstantinopel als Gefangener gewesen war, erkannte Meister Georg. Er wurde eingelassen und von einem deutschen Ritter befragt. Dabei sagte er aus, dass er heimlich Christ geblieben sei und nun den Rittern beistehen wolle. Einige der Johanniter waren dafür, ihn sofort hinzurichten. Aber D’Aubusson war jede Verstärkung willkommen. Georg sollte jetzt das Feuer auf die türkischen Batterien lenken, die ihm ja bestens bekannt waren. Zur Kontrolle ließ ihn D’Aubusson jedoch ständig von sechs Rittern bewachen. Mit der Zeit fiel auf, dass er die Geschütze des Ordens immer an den Stellen des Walls platzierte, die er als Fachmann für besonders schwach hielt. Die Türken nahmen diese daraufhin gezielt unter Feuer. Aber auch die Ordensritter unterhielten Spione im türkischen Lager. Pfeile mit Botschaften, die vor Georg warnten, wurden über die Mauer geschossen. Als sich der Verdacht immer mehr erhärtete wurde Georg verhaftet. Auf der Folter gestand er, stets ein treuer Anhänger des Sultans gewesen zu sein. D’Aubusson ließ ihn hängen. Ein deutscher Pilger, der kurz darauf nach Rhodos kam schreibt darüber: "Sie sprechen, das der büchsenmaister gar ein gnedigen Herrn an dem türckischen keyser gehabt hab vnd gar reilich von Im begabt worden sey, er hab auch weyb vnd kynd zu Constantinopell gehabt".

Rhodos konnte noch einmal gehalten werden, aber der Balkan wurde Ende des 15. Jahrhunderts von den Türken überrannt. In den Türkenkriegen der Habsburger kamen wieder zahllose Deutsche in türkische Gefangenschaft. Aber viele kamen auch freiwillig. Sie flohen vor Schulden, dem Gesetz oder wollten den engen Zunftbeschränkungen entkommen. Die Türkei erschien oft als ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Den Tüchtigen standen Tür und Tor offen. Vor allem Gießer, Uhrmacher und Goldschmiede waren in Konstantinopel gesuchte Leute. Unter den türkischen Feldherren befanden sich Griechen, Albaner, Polen, Rumänen, Russen, Italiener, Kroaten, Bosnier und Deutsche. Ein Grazer, der den Namen Ahmed angenommen hatte, befehligte die Janitscharen beim Sturm auf Stuhlenweißburg und brachte es schließlich bis zum Großvesir. In der Schlacht bei Mohacs 1526 sollen die Artilleristen in Soleimans Armee zu guten Teilen italienische und deutsche Überläufer gewesen sein.

Die Gießer und Kanoniere, die freiwillig oder als Gefangene in türkische Dienste traten, lebten in einem für europäische Verhältnisse unvorstellbaren Luxus. Hier waren sie wirkliche Herren. Sie kleideten sich in kostbare Stoffe, besaßen komfortable Wohnungen, Sklaven, Diener und Frauen. Für sie gab es nur wenige Gründe in die finsteren und schmutzigen mitteleuropäischen Städte zurückzukehren. Man kennt weder ihre Namen noch ihr Schicksal, nur spärliche Nachrichten verraten ihre Bedeutung und ihre Existenz. So berichtete zum Beispiel ein französischer Reisender, dass er 1550 in der Gießerei von Konstantinopel 40 bis 50 deutsche Gießer beobachtet habe.

© Frank Westenfelder  


 
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