Der Hundertjährige Krieg
Die I. Phase (1339-1389).
"Der Hundertjährige Krieg" (1339-1453) ist eine recht willkürliche
Bezeichnung, unter der erst viel später eine ganze Reihe von kriegerischen
Konflikten zwischen England und Frankreich zusammengefasst wurden. Genauer
betrachtet gehören sie in die lange Reihe der Kämpfe, in denen
die Könige von England versuchten ihren Festlandsbesitz der Kontrolle
der französischen Krone zu entziehen, was diese wiederum mit
allen Mitteln verhindern musste. Die Auseinandersetzungen begannen deshalb
bereits schon in der Zeit Wilhelms des Eroberers und seiner Söhne,
die immer wieder Krieg um die Normandie führten. Als Heinrich II.
Plantagenet - ein Urenkel Wilhelms - dann durch die Heirat mit Eleonore
von Aquitanien seinen Besitz auf halb Frankreich ausdehnte, wurde das Zurückdrängen
von Heinrichs Söhnen Richard Löwenherz und Johann Ohneland zu
einer Überlebensfrage für die französische Krone. Viele
Historiker sprechen in diesem Zusammenhang vom "Ersten Hundertjährigen
Krieg", in dessen Verlauf die Plantagenets schließlich ihren
Besitz bis auf Aquitanien im Südwesten Frankreichs verloren.
Die Kämpfe um den englischen Besitz in Frankreich gingen dennoch
weiter, und nach und nach wurden andere Regionen mit hineingezogen. Bereits
seit dem Ende des 13. Jahrhunderts unterstützte Frankreich die Schotten
in ihrem Freiheitskampf, und England wiegelte die Flamen auf. Diese geschlossenen
strategischen Allianzen sollten den gesamten Hundertjährigen Krieg
mitbestimmen und noch lange darüber hinaus wirksam bleiben. Die Kämpfe
am der schottischen Grenze und in Flandern sind bis ins 16. Jahrhundert
immer auch Nebenkriegsschauplätze des großen englisch-französischen
Konfliktes, als dessen Ende man auch die französische Eroberung von
Calais (1558) betrachten kann. Ihren Anspruch auf den französischen
Thron gaben die Könige von England offiziell erst im Frieden von Amiens
(1802) auf!
Obwohl der Hundertjährige Krieg also in einen weit größeren
Zusammenhang gestellt werden muss, lohnt es sich doch, seine einzelnen
Phasen etwas genauer zu betrachten, da sich hier das Kriegswesen des Spätmittelalters
in seinen verschiedenen Varianten und Entwicklungsstufen so gut wie an
keiner anderen Stelle beobachten lässt. Unter dem gewaltigen Druck
der Ereignisse waren alle Parteien gezwungen, sich auf Veränderungen
bei Taktik und Ausrüstung möglichst schnell einzustellen oder
die bitteren Konsequenzen zu tragen.
Söldner spielten dabei von Anfang an eine starke Rolle und wurden
mit der zunehmenden Professionalisierung der Heere noch wichtiger.
Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang auch die offiziellen
"Friedensphasen", in denen die arbeitslosen Söldner regelmäßig
zum schwersten Problem für Frankreich wurden. Meistens versuchte man
dann - mit mäßigem Erfolg - sie in umliegende Regionen zu "entsorgen".
Konzentriert man sich auf die Verwendung von Söldnern, so erscheint
der Hundertjährige Krieg als ein Mechanismus, eine Art Maschine, die
zuerst langsam, dann aber zunehmend schneller Söldner produziert und
gleichzeitig andere aus den angrenzenden Ländern ansaugt, nur um sie
dann wieder dorthin abzuschieben.
Besonders die englischen Könige, die maximal über ein Lehnsaufgebot
von 5.000 Reitern verfügten - gegenüber ca. 27.000 in Frankreich
-, warben seit Generationen auf dem Kontinent. Flamen und Brabanzonen hatten
immer zahlreich unter Henry I., Stephen, Henry II., Richard und Johann
gedient. Als nun Edward III. einen neuen Waffengang kommen sah, begann
er bereits 1337 mit umfangreichen Werbungen im Reich. Nach langen kostspieligen
Verzögerungen fiel Edward im September 1339 mit einem Heer, das zu
über der Hälfte aus fremden Söldnern bestand, in Nordfrankreich
ein. Da die Franzosen die Schlacht verweigerten, blieben ihm am Ende nur
so gewaltige Schulden, dass er für Jahre von größeren Werbungen
im Ausland Abstand nehmen musste.
In der folgenden Zeit verwendete Edward vor allem englische Truppen
mit einem starken Anteil an Bogenschützen, die den enormen Vorteil
hatten billiger zu sein. Man kann diese Männer, die ihrem König
wenn auch gegen Bezahlung in den Krieg folgten, zwar nicht pauschal als Söldner
bezeichnen, dennoch bildeten gerade sie oft das ideale Reservoir. Natürlich
kehrten viele am Ende eines Feldzuges zurück, aber auch nicht wenige
blieben in Frankreich und lernten dort vom Krieg zu leben.
Einen guten Teil der englischen Streitkräfte stellten zudem die
kriegerischen Gascogner. Viele von ihnen, besonders die mächtige Familie
der d’Albret, hatten lange geschwankt, welcher Seite sie sich anschließen
sollten, und sich dann für England entschieden, da dessen König
weiter weg war. Die Gascogner waren ständig in irgendwelche Fehden
verwickelt und nutzten nun die Gelegenheit um im großen Stil in den
Nachbarprovinzen einzufallen. Waffenstillstände kümmerten sie
nur selten, meistens suchten sie sich dann nur einen neuen Herrn, einen
neuen Streit, um den Krieg in gewohnter Weise weiterzuführen.
Zu der starken Hilfe aus Aquitanien und Flandern, kamen noch eine ganze
Reihe interner feudaler Konflikte in Frankreich wie die Kriege um die Bretagne
(1341-1364), Burgund (1361-1365) und um die Normandie (1353-1378), und
die Dauerfehde zwischen den Grafen von Foix und Armagnac. Bei den Truppen,
die von England zur Unterstützung dieser Fehden und Kleinkriege in die Bretagne
und die Normandie geschickt wurden, handelte es sich ohnehin um Söldner.
Edward übernahm vielleicht die Transportkosten und den ersten Sold,
anschließend wurden sie gelegentlich von ihren neuen Dienstherren
bezahlt, meistens aber lebten sie vom Raub.
Es waren vor allem diese permanenten Kleinkriege, die zur großen
"Söldnerschule" werden sollten. Engländer wie Hugh Calveley und
Robert Knolles lernten in der Bretagne ihr Handwerk. Im Südwesten
tummelten sich mehr die Einheimischen wie der Gascogner Bernard de la Salle,
Angehörige der d’Albret oder Séguin de Badefol aus dem Périgord.
Dazu kamen Basken, die Charles von Navarra geworben hatte, die aber auch von
den Engländern gerne in Dienst genommen wurden. Die Beute zog
weiterhin viele Deutsche an, die fast in jeder englischen Garnison anzutreffen
waren. Bei ihnen handelte es sich aber nicht mehr um mächtige Fürsten
mit gut dotierten Soldverträgen, sondern meistens um namenlose Aufsteiger.
Der König von Frankreich stand zumindest in den ersten Kriegsjahren
vor einer ganz anderen Situation. Zwar hatte auch er sofort im Reich Unterstützung
geworben, sich aber mit wesentlich kleineren Zahlen zufrieden gegeben,
dafür aber dauerhafter illustre Adlige an sich gebunden. König
Johann von Luxemburg kämpfte mit starkem Gefolge bereits 1338 in Aquitanien
und fiel später bei Crécy. Aber auch bei Poitiers stößt
man noch auf ein starkes Kontingent deutscher Adliger. Neben Rittern aus
dem Reich, wozu damals auch Böhmen, Savoyen und die Niederlande zu rechnen waren,
dienten in Frankreich auch gerne Emigranten mit ihrem Gefolge wie der Kastilier
Enrique de Trastámara, der Waliser Owain Lawgoch (auch Ywain le
Gallois) oder der Schotte William Douglas. Sie warben am Königshof
zwar auch um Unterstützung für die Sache in ihrer Heimat, waren
aber im Exil dennoch auf Sold für ihre Dienste angewiesen.
Militärisch weitaus wichtiger als diese ritterlichen Söldner
waren dagegen Verstärkungen bei der Flotte und der Infanterie. Immer
wieder wurden Galeeren und Armbrustschützen von den Doria in Genua
und den Grimaldi in Monaco gemietet. Das grundlegende Problem dabei war
allerdings, dass der französische Adel diesen "minderwertigen" Truppen
keine entscheidende Bedeutung einräumen wollte. Schon in Schlacht
bei Courtrai 1302 hatten die französischen Ritter die genuesischen
Armbrustschützen, die den Kampf sehr erfolgreich eröffnet
hatten, zurückgerufen, um selbst den Sieg zu erringen und waren vernichtend
geschlagen worden. Als die 1337 geworbenen Galeerenbesatzungen dann ihren
Sold nicht erhielten und eine Abordnung zum König schickten, ließ
er diese kurzerhand ins Gefängnis werfen. Daraufhin desertierten viele
und einige Galeeren fuhren nach Hause, wodurch die französische Flotte
bei Sluys entscheidend geschwächt war. Die taktische Verwendung der
genuesischen Armbrustschützen bei Crécy war ein einziges Desaster.
Sie würden überhastet gegen den Feind geworfen und dann vom ungeduldigen
französischen Adel niedergeritten.
Die vernichtenden Niederlagen und der Niedergang Frankreichs haben hier
ihre Hauptursache. Auch die Katastrophe bei Nicopolis 1396 ist in diese
Reihe zu stellen. Dort ging es zwar nicht gegen die englischen Bogenschützen,
dafür aber gegen die disziplinierte Infanterie des Sultans Bayazid.
Gegen den ausdrücklichen Rat erfahrener Krieger bestanden die französischen
Ritter auf dem Frontalangriff - und stürmten wie bei Crécy
ins Verderben. Der Großmeister der Johanniter stellte später
fest: Wir haben die Schlacht durch den Stolz und die Eitelkeit der Franzosen
verloren."
Ganz anders die Engländer. In 50 Jahren Krieg gegen Waliser und
Schotten hatten sie ihre Taktiken den modernen Erfordernissen angepasst.
Von den Walisern hatten sie den Langbogen und von den Schotten die Technik
des Fußkampfes übernommen. Dazu kamen leichte Reiter, so genannte
"Hobelars", die sich besonders bei Aufklärung, kleinen Scharmützeln
und dem Fouragieren bewährten. Sie hatten gelernt Geländevorteile
auszunutzen und schnell zu manövrieren. Die Führung lag normalerweise
in den Händen erfahrener Adliger, deren Befehlen dann auch Folge geleistet
wurde. Entscheidend war das gut geplante Zusammenwirken der verschiedenen
Truppenteile.
Das französische System fand bei Poitiers 1356 zumindest vorläufig
sein Ende. Zahlreiche Adlige waren gefallen und noch mehr mit dem König
in Gefangenschaft geraten. Die englischen und gascogner Söldnerbanden,
die von Calais oder Aquitanien immer ausgedehntere Raubzüge nach Frankreich
unternahmen trafen kaum noch auf gut organisierten Widerstand. Unter diesen
Umständen wurde nun auch von französischer Seite der Krieg immer
mehr selbständigen Söldnerbanden überlassen. An potentiellen
Rekruten fehlte es nicht. Die hohen Lösegelder oder die Verwüstungen
ihrer Ländereien hatten viele Adlige an den Rand des Ruins getrieben,
so dass sie nun versuchten sich als selbständige Kriegsunternehmer
durchzuschlagen.
Wie bei den Engländern war es auch bei den Franzosen der Kleinkrieg
in der Bretagne, der diese Tendenz wesentlich mehr förderte als die
großen Feldzüge. Dort bildeten sich bereits in den 40er Jahren
die bretonischen Kompanien, die zwar manchmal von Charles von Blois oder
dem französischen König in Sold genommen wurden, meistens jedoch
auf eigene Rechnung kämpften. Zur dominierenden Figur unter ihnen wurde
der Bretone Bertrand du Guesclin. In seinen Anfängen war er lediglich
eine Art Räuberhauptmann gewesen und wurde wegen seiner Kriegslisten
mindestens genauso berühmt wie wegen seiner Tapferkeit.
Im Süden machte der entlaufene Kleriker Arnaud de Cervole, von
sich reden. Er stand sehr lose im Dienst Frankreichs, führte aber
zunehmend Krieg auf eigene Rechnung. Ihm gelang es als erstem, viele der
unabhängigen Kompanien zusammenzufassen. 1357 hatte Cervole in der
Dauphiné über 2.000 Mann versammelt, verwüstete mit dieser
"Großen Kompanie" die Provence und erpresste große Summen von
Marseille und dem Papst in Avignon. Danach löste sich diese Kompanie
erst einmal auf.
Für die Söldner war dies kein größeres Problem,
denn die Kompanien waren fast überall auf dem Vormarsch. Die Gascogner
hatten sich längst im Zentralmassiv festgesetzt und stießen
von dort ins Rhonetal vor. Nördlich von Paris hausten Engländer
und Navarresen. Von Westen zogen bretonische Kompanien das Loiretal hoch
Richtung Orleans. Einem anderen Verbund unter Robert Knolles gelang sogar
die Einnahme von Auxerre, wobei immense Beute gemacht wurde. In der Champagne
plünderten Hennegauer, Brabanter und Rheinländer und zogen durch
ihre Erfolge neue Landsleute nach.
Als Frankreich im Mai 1360 dann den Frieden von Brétigny unterzeichnete,
waren die englischen Ansprüche bereits das geringere Problem. Es galt
nun das Land selbst zu befrieden und die Söldner zu vertreiben. Doch
das erwies sich als fast unlösbares Problem. Viele Engländer
dachten gar nicht daran in ihre Heimat zurückzukehren, und die
Navarresen, Gascogner, Bretonen und Deutschen interessierte es ohnehin
wenig, was die Könige wünschten.
Einige zogen in die Bretagne und kämpften dort weiter für
Blois oder Montfort. Die meisten aber schlossen sich zu Freien Kompanien
zusammen und wurden "Routiers", wie man diese selbständigen Söldner
nannte. Nach dem Frieden sammelten sich immer mehr von ihnen nördlich
von Lyon und nannten sich wieder "Große Kompanie". Nun stark genug
trieben sie von Städten und ganzen Regionen Schutzgelder ein. Schließlich
bewegten sie sich langsam Richtung Avignon, wo der Hof des Papstes reiche Lösegelder
versprach. Der Papst belegte sie mit dem Bann und rief zum Kreuzzug gegen
sie auf, lediglich mit dem Effekt, dass große Teile der unbesoldeten
Kreuzritter selbst zu den Routiers überliefen.
In seiner Verzweiflung kam der Papst schließlich auf die Idee
die Routiers zum Kampf um seine Besitzungen in Italien zu verwenden. Mit
neuen Krediten gelang es ihm, etwa 6.000 - vorwiegend Engländer und
Deutsche - unter der Führung von Albert Sterz in Sold zu nehmen und
nach Italien abzuschieben, wo sie wegen ihrer überlegenen Plattenpanzer
als "Weiße Kompanie" bekannt wurden. Unter ihnen befand sich auch
John Hawkwood, der Sterz’ Nachfolger und einer der berühmtesten Condottiere
Italiens werden sollte.
Auf der Suche nach neuen reichen Gebieten bewegte sich die verbliebenen
Teile der Großen Kompanie nun langsam nach Norden Richtung Burgund.
Um diesem Treiben ein Ende zu setzen, sammelte der König von Frankreich
noch einmal, was er an Truppen bekommen konnte; auch eine Kompanie Bretonen
unter Arnaud de Cervole wurde in Sold genommen. Als dieses Heer dann
überraschend im April 1362 bei Brignais geschlagen wurde, machten
die Routiers nicht nur riesige Gewinne durch die Lösegelder, sondern
hatten auch fürs erste keinen Gegner mehr zu fürchten.
Dennoch hätte man ihrer wahrscheinlich auf Dauer Herr werden können.
Aber die inneren Feudalkonflikte sorgten ständig für neue Auftraggeber.
Der Krieg in der Bretagne dauerte an, im Süden kämpften die Grafen
von Foix und Armagnac gegeneinander, und Charles von Navarra versuchte
Ansprüche auf Burgund durchzusetzen - durch seine Besitzungen in der
Normandie wurde auch die mit hineingezogen. Alle Seiten stützten sich
inzwischen hauptsächlich auf die Routiers und führten ihnen durch
die Werbungen und die folgenden Verwüstungen nur neuen Nachschub zu.
Es gab nun praktisch kaum noch eine Provinz, die nicht von den Routiers
durchzogen und ausgeplündert wurde.
Die Lage begann sich ganz langsam zu ändern, als im September 1364
mit der Schlacht bei Auray der Krieg in der Bretagne entschieden wurde.
Charles von Navarra schloss ein gutes halbes Jahr später wieder einmal
Frieden mit der Krone, wodurch den Kämpfen in Burgund und der Normandie
der Nährboden entzogen wurde. Trotzdem wusste man immer noch nicht,
was man mit den nun zunehmend arbeitslosen Söldnern anfangen sollte.
Schließlich kam man auf die gute alte Idee eines Kreuzzuges zurück
- die Idee Jerusalem zu befreien, spielte dabei allerdings bestenfalls
eine kleine Nebenrolle; hauptsächlich ging es darum, die Störenfriede
möglichst weit weg zu schicken. Die große Masse sollte deshalb
unter Arnaud de Cervole durch Süddeutschland und Ungarn gegen die
Türken ziehen. Nachdem etwas Sold bezahlt worden war, setzte sich
im Herbst 1365 tatsächlich eine große Gruppe in Bewegung. Sie
kamen nur bis ins Elsass. Dort hatte sich die Landbevölkerung größtenteils
in die Städte geflüchtet und diese hielten ihre Tore nun fest
verschlossen. Die Rheinbrücken waren abgebrochen und nördlich
Straßburgs wurde das Reichsaufgebot zusammengezogen. Unter diesen
Umständen waren sie bald wieder zurück in Burgund.
Wesentlich erfolgreicher entwickelten sich dagegen die Pläne eines
Kreuzzuges nach Spanien. Das lag erstens näher und zweitens war der
Krieg zwischen Aragon und Kastilien wieder ausgebrochen, so dass der König
von Aragon bereit war, einen guten Teil des Soldes zu übernehmen,
allerdings nicht für den Kampf gegen die Mauren, sondern gegen Pedro
I. von Kastilien. Auch der Papst und der König von Frankreich zahlten
kräftig, um Frankreich von möglichst vielen Söldnern zu
befreien. Die Leitung übertrug man Bertrand du Guesclin, der viele
Bretonen mitbrachte, aber auch seine ehemaligen englischen Gegner waren
unter der Führung von Hugh Calveley zahlreich vertreten. Dazu kamen
viele Gascogner, einige Deutsche und als wichtigste Person Enrique de Trastámara,
der nun als Halbruder Pedros des Grausamen auf den Thron Kastiliens gebracht
werden sollte.
1365 konnte du Guesclin dann über 10.000 Mann nach Aragon führen.
Der Feldzug war ein voller Erfolg. Städte öffneten den vorrückenden
Truppen die Tore, der Adel unterwarf sich Enrique de Trastámara,
der bald als Enrique II. den Thron besteigen konnte. Dem von allen im Stich
gelassenen Pedro blieb nur die Flucht. Der Nachteil für Frankreich
war, dass das Gros der Söldner bald wieder auf dem Rückweg war.
Als ausgesprochener Glücksfall erwies sich deshalb, dass Pedro I.
an den Hof des Schwarzen Prinzen in Bordeaux geflohen war. Es war für
Pedro nicht schwierig, den Prinzen zu einem neuen Feldzug nach Kastilien
zu überreden, da er versprach, für alle Kosten großzügig
aufzukommen.
Da nun unter dem schon legendären Namen des Prinzen geworben wurde,
war der Zulauf enorm. Viele der Heimkehrer eilten sofort zu seinen Fahnen,
aber auch andere, die nach wie vor in den Cevennen saßen, schlossen
sich jetzt an, Robert Knolles kam aus der Bretagne; sogar aus England trafen
neue Kontingente ein, die sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen wollten.
Anfang 1367 führte der Prinz ein prächtiges Heer über die
Pyrenäen. Die folgende Entscheidungsschlacht bei Nájera gilt
zwar als äußerst blutig, die Verluste hatten jedoch hauptsächlich
die Kastilier zu tragen. Die Verluste des Prinzen waren angeblich sehr
gering. Weitaus verhängnisvoller waren dagegen die Krankheiten, die
seinen Truppen in den nächsten Monaten zusetzten, und von denen auch
er selbst sich nicht mehr erholen sollte.
Pedro erhielt also seinen Thron zurück und die Söldner machten
sich leicht geschwächt im Hebst wieder auf den Weg nach Frankreich.
Aber dort hatte man die Zeit genutzt, um sich auf sie vorzubereiten. Man
hatte Truppen geworben - oft ebenfalls unter den Freien Kompanien -,
Städte und Burgen in Verteidigungsbereitschaft versetzt und Flussübergänge
gesichert. So gelang es den königlichen Streitkräften, die übliche
Ausbreitung und das Festsetzen der Söldner zu verhindern. Ohne feste
Basen, von denen sie ihrem Geschäft nachgehen konnten, und konstant
bedrängt schlugen sie sich letztlich in die Normandie durch. Kleinere
Gruppen wurden vernichtet, und immer mehr lösten sich auf.
Ihre Not sollte aber bald ein Ende haben. Der Schwarze Prinz hatte bei seinem
spanischen Abenteuer immense Schulden angehäuft, und Pedro I. dachte
gar nicht daran, seine Versprechen einzulösen. Um nun seinen dringendsten
Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, begann der Prinz in Aquitanien neue
Steuern zu erheben und trieb dadurch seine wichtigsten Lehnsleute - den
Gafen von Armagnac und die d’Albret - ins französische Lager. Während
beide Seiten mit den Werbungen begannen, führte du Guesclin mit Enrique
II. erneut eine größere Söldnertruppe nach Kastilien. Pedro
wurde geschlagen und als Gefangener zur Sicherheit von Enrique sofort eigenhändig
erstochen. Damit waren die Hoffungen des Schwarzen Prinzen auf Rückzahlung
seiner Außenstände zunichte gemacht.
Als der Krieg zwischen Frankreich und England 1369 wieder aufgenommen wurde, sahen
sich die Engländer völlig anderen Gegnern gegenüber. Die
französischen Truppen bestanden nun hauptsächlich
aus erfahrenen Söldnern, Veteranen aus der Bretagne, der Normandie
und der Gascogne. Nach Froissart stand nun sogar die Mehrzahl der Freien
Kompanien auf französischer Seite. Die Führung hatte du Guesclin
als Connetable übernommen, unterstützt von dem Bretonen Olivier
de Clisson. Dieser hatte vorher lange auf englischer Seite gekämpft. Für
diese Profis waren Ruhm und Ehre nebensächlich, in erster Linie wollten
sie gewinnen - im Sinne von "Gewinn machen". Sie ritten deshalb keine schneidigen
Kavallerieattacken gegen einen gut verschanzten Gegner; sie manövrierten,
schnitten einzelne Abteilungen ab und rieben sie auf. 1372 vernichtete
eine kastilisch-genuesische Flotte die englische vor La Rochelle und errang
dadurch die Seeherrschaft im Kanal. In relativ kurzer Zeit verloren die
Engländer fast alle ihre Besitzungen in der Bretagne und der Normandie
und einen Großteil Aquitaniens.
1374 schlossen die erschöpften Gegner wieder einen Waffenstillstand.
Frankreich litt trotz der letzten Erfolge an den schweren Verwüstungen
und musste sich dringend um seine inneren Probleme kümmern. Das gravierendste
waren wieder einmal die Routiers, von diesen hatten viele den Krieg genutzt
um ihr altes Gewerbe wieder aufzunehmen. Dabei gelang es ihnen zwar nicht
mehr, ganze Provinzen zu kontrollieren und auszupressen, aber in abgelegeneren
Gegenden wie dem Zentralmassiv waren sie relativ sicher und hatten guten
Zulauf, der durch den Waffenstillstand wie immer deutlich verstärkt
wurde.
Da traf es sich gut, dass der mächtige Adlige Enguerrand de Coucy,
der sich als Schwiegersohn Edwards III. bislang aus dem Krieg herausgehalten
hatte, eine alte Erbstreitigkeit mit den Habsburgern zu regeln hatte. Coucy
war zwar reich, hätte aber dennoch keinen richtigen Krieg finanzieren
können. Also stellte ihm der französische König eine große
Summe zur Verfügung, um auf diese Weise das Land von den überzähligen
Söldnern zu befreien. Die Werbungen liefen gut, und Coucy rekrutierte
viele von du Guesclins Bretonen, dazu Gascogner, Waliser und sogar einige
englische Kompanien. Ende 1375 schickte er weit über 10.000 Mann ins
Elsass. Nachdem sie das offene Land ausgeraubt hatten und kaum noch Nahrungsmittel
fanden, zogen sie weiter in die Westschweiz, wo die Schweizer einige Gruppen
vernichteten.
Weit schwerer aber als die Verluste im Kampf wogen die durch Kälte
und Hunger auf dem langen Rückmarsch durch das bereits ausgeplünderte
Elsass. Erst nach Monaten traf das stark dezimierte und demoralisierte
Heer im Rhonetal ein. Dort rekrutierte der Papst dann einige bretonische
Kompanien, um seine verlorenen Territorien in Italien zurückzuerobern.
Viele Gascogner zogen etwa um die gleiche Zeit mit Charles von Navarras
Bruder Louis, der durch eine Heirat zu Thronansprüchen auf Albanien
gekommen war, nach Griechenland und schlugen dort die Catalanen, die einst
Roger di Flor in den Orient geführt hatte.
Obwohl England wieder im Bündnis mit dem Herzog der Bretagne und
Charles von Navarra die Offensive im nächsten Jahr noch einmal aufnahm,
war die Niederlage nicht mehr aufzuhalten. Zuerst wurde Charles Navarra
zum Frieden gezwungen und schließlich auch die Bretagne. Entscheidende
Auswirkungen hatte 1382 die Schlacht bei Roosebeke, in der die Flamen vernichtend
geschlagen wurden. England hatte damit seinen wichtigsten Bündnispartner
auf dem Kontinent verloren. In Frankreich konzentrierte man sich deshalb
immer stärker darauf, die Söldner aus dem Land zu schaffen. Auch
hier waren die Chancen günstig. Ab 1378 sorgte das päpstliche
Schisma für neue Kämpfe in Italien, die man mit Truppen versorgen
konnte. Kurz darauf erwarb der Herzog von Anjou Ansprüche auf die
Krone von Neapel, die natürlich auch erst erobert werden wollte. Zuerst
führte er selbst ein Heer in den Süden; 1384 folgte Coucy mit
einem zweiten. Anjou und viele der Söldner starben am Fieber, so dass
nur wenige zurückkehrten.
1390 zogen dann viele der unruhigen Gascogner unter Bertucat d’Albret
und Bernard de la Salle in den Krieg zwischen Mailand und Florenz. Im selben
Jahr finanzierte Genua einen "Kreuzzug" gegen Mahdia bei Tunis, um das
Korsarenproblem in den Griff zu bekommen. Erreicht wurde dabei zwar nichts,
aber in Frankreich konnte man immer zufrieden sein, wenn wieder einige
Söldner in der Fremde verschwanden. Der Kreuzzug nach Ungarn mit der
Niederlage bei Nicopolis 1396 erfüllte trotz aller hehren Ziele eine
ähnliche Funktion.
Ironischerweise war es ausgerechnet das kleinste, oft in diesem Kontext
übersehene Unternehmen, das die größten Folgen hatte. Bei
der Belagerung von Mahdia hatte einer dieser Veteranen - ein gewisser Gadifer
de la Salle aus dem Poitou - den normannischen Adligen Jean de Béthencourt
kennen gelernt. Auf der Suche nach neuen Verwendungsgebieten für ihre
inzwischen wenig gefragten Talente, rüsteten sie schließlich
gemeinsam eine Expedition in La Rochelle aus und begannen 1402 mit der
Eroberung der Kanarischen Inseln, 90 Jahre später wurden die dann
zum Sprungbrett für die Entdeckung Amerikas.