Der Guglerkrieg
Die Freien Kompanien in der Schweiz.
Als der Hundertjährige Krieg 1369 erneut aufflammte, wurde er von französischer Seite hauptsächlich mit
bretonischen Söldnern unter dem erfahrenen Haudegen Bertrand du Guesclin geführt. In wenigen
Jahren konnte er die Engländer aus der Normandie, der Bretagne und dem Poitou vertreiben. Nachdem die erschöpften
Parteien 1375 in Brügge wieder einmal Frieden geschlossen hatten, war den Engländern auf dem Kontinent nur Calais,
Bordeaux und Bayonne mit etwas Hinterland geblieben.
Das war zwar ein großartiger Erfolg, doch wie so oft sah sich Frankreich mit dem Frieden dem Problem mit den
unbeschäftigten Söldnern konfrontiert. Die Bretonen hatten zwar größtenteils für Frankreich
gekämpft, galten aber als die brutalsten und gierigsten in diesem nicht gerade sehr sensiblen Gewerbe. Die meisten
sammelten sich nördlich von Avignon und den päpstlichen Besitzungen bei Pont-Saint-Esprit. Da vom Papst wenig Widerstand
aber Geld zu erwarten war. Den politisch Verantwortlichen war klar, dass die Situation bald außer Kontrolle geraten
würde, da durch die Demobilisierung ständig neue Söldner eintrafen. Die Bretonen stellten die Mehrheit; es gab aber
auch Gascogner, Genuesen und eine starke Kompanie Waliser unter Owen von Wales (Owain Lawgoch),
der Ansprüche auf den Thron von Wales erhob und im Exil für Frankreich gekämpft hatte.
Sowohl der König wie auch der Papst waren bereit große Summen zu bezahlen um das Problem möglichst weit weg
zu schaffen. Die Frage war nur wohin. Hier kam nun Graf Enguerrand de Coucy ins Spiel. Als hoher franzöischer Adliger
aber auch Schwiegersohn des englischen Königs hatte er sich nicht am Krieg in Frankreich beteiligt, sondern als
Söldnerführer in Italien gekämpft. Zur fraglichen Zeit war er in einen alten Erbschaftsstreit mit den Habsburgern
verstrickt und suchte nach einer Möglichkeit seine Forderungen mit Gewalt durchzusetzen. Froissart schreibt dazu: "Der
König, der diese Kompanien irgendwo haben wollte nur nicht in seinem Königreich, stimmte dem Vorschlag gerne zu. Er
lieh oder gab [Coucy] – ich weiß es nicht genau – 60.000 Francs um diese Gesellen los zu werden."
Da ihnen der Weg nach Süden durch andere Truppen versperrt worden war, hatten sich die Söldner von Pont-Saint-Esprit
inzwischen langsam nach Norden in Bewegung gesetzt. Sie zogen durch das Rhônetal Richtung Lyon eine breite Spur der
Vernichtung hinter sich lassend. Dabei schlossen sich ihnen weitere Kompanien an, so dass ihre Zahl schließlich auf
4-5.000 Schwerbewaffnete angeschwollen war. Dazu kamen wie üblich tausende von Heeresfolgern, die ihre Dienste anboten
oder einfach versuchten im Kielwasser eines großen Heeres ihr Glück zu machen. Im Juli fielen sie in Burgund ein
und begannen mit der Verwüstung der Weinberge, um auf diese Weise von den Betroffenen Schutzgeld zu erpressen.
Ende August begann Coucy von Paris aus mit den Hauptleuten zu verhandeln und nahm schließlich das ganze Heer unter
Vertrag. Insgesamt schloss er mit 25 Hauptleuten mit mindestens 4.000 Schwerbewaffneten Soldverträge. Der von Owen
von Wales ist erhalten. Owen verpflichtete sich 400 Lanzen zu stellen. Für den Anmarsch sollte der übliche Sold
bezahlt werden, im Feindesland sollten sich die Söldner durch Eroberungen selbst entschädigen. Owen sollte
monatlich 400 Francs erhalten, sein Vetter u Stellvertreter 100. Auch die Verteilung von Lösegeldern wurde genau geregelt.
Bei Gefangenen, die über 200 Francs wert waren, sollte Coucy ein Drittel erhalten. Alles darunter konnte Owen behalten.
Anstatt jedoch nun möglichst schnell in den Aargau zu ziehen, wo der Habsburger Besitz lag, den Coucy erobern wollte,
teilte sich das Heer in die einzelnen Kompanien, die dann langsam plündernd nach Lothringen aufbrachen. Das war
wahrscheinlich notwendig, da sich die Söldner aus dem Land ernährten und auf dem Weg schon etwas Beute machen wollten.
In Lothringen hatte sich die Bevölkerung weitgehend in die Städte geflüchtet. Da sie jedoch um die Weinernte
fürchteten, waren die Bürger von Metz bereit, den Söldnern 35.000 Francs für ihren Abzug zu bezahlen.
Der Bischof von Metz zahlte 16.000 Francs um sein Bistum vor größeren Schäden zu bewahren.
Während Coucy in seiner Heimat ein eigenes Heer sammelte, schrieb er Briefe an die Reichsstädte im Elsass, dass er
ihr Gebiet in friedlicher Absicht durchziehen wollte, da er nur gegen die Habsburger Krieg führe. Doch das nützte
wenig, denn inzwischen waren die Söldner Ende September über die Zaberner Steige ins Elsass eingefallen. Aber auch
hier hatte sich ein Großteil der Bevölkerung in die Städte retten können. Der Adel saß in seinen
Burgen, da gegen eine Armee dieser Größenordnung Widerstand unmöglich schien. Lediglich einmal überfiel
ein größere Gruppe von Bauern bei Marlenheim einige Söldner, wurde aber gnadenlos abgeschlachtet.
Die Söldner blieben über einen Monat im Elsass und warteten auf Coucys Ankunft. Zu ihrem Leidwesen fanden sie keine
Möglichkeit den Rhein zu überqueren, und die Städte verweigerten Schutzgeldzahlungen, da die Ernte bereits
eingebracht war. So hielten sie sich so gut es ging an den Dörfern schadlos, machten Gefangene und versuchten von diesen
Lösegelder zu erpressen. Diejenigen, die gar nichts bezahlen konnten, wurden manchmal einfach erschlagen. Die
Söldner zogen mehrmals an Straßburg vorbei, versuchten aber keinen Angriff. Lediglich die Kleinstadt Wangenburg
konnten sie durch einen Überraschungscoup in ihre Hand bekommen. Schließlich waren Straßburg, die elsässer
Reichstädte und der Bischof doch bereit 30.000 Gulden für ihren Abtug zu bezahlen.
Nachdem Coucy Mitte November mit Verstärkungen von circa 1.500 Lanzen eingetroffen war, setzte sich das Heer langsam nach
Süden in den Sundgau in Bewegung. Hier kamen sie nun erstmals in habsburgisches Gebiet. Doch Herzog Leopold hatte sich
nach Breisach auf die andere Rheinseite zurückgezogen. Von dort versuchte er seine alten Gegner die Schweizer als
Bundesgenossen zu gewinnen. Ansonsten ließ er alles, was man nicht in die befestigten Plätze schaffen konnte
verbrennen, um den Söldnern die Möglichkeit zu nehmen, sich aus dem Land zu ernähren.
Für die Söldner – sie wurden von den Einheimischen inzwischen allgemein Gugler genannt wegen ihrer spitzen
Helme, die an Kapuzen (Gugel) erinnerten – wurde es tatsächlich schwierig sich zu versorgen. Sie zogen also weiter
nach Basel und lagerten ein paar Tage erfolglos vor der Stadt. Danach überquerten sie die Birs um über die
nördlichen Ausläufer des Jura in den Aargau einzufallen. Da die Versorgung inzwischen schwierig war, teilte Coucy
das Heer in mehrere Gruppen. Eine zog über den Col de Pierre Pertuis und versuchte die Stadt Biel einzunehmen. Nachdem
der Angriff gescheitert war, zogen sie gegen Büren. Doch auch hier wurden alle Angriffe energisch abgeschlagen.
Coucy selbst führte eine andere Gruppe über den Hauenstein, wobei er auf dem Weg das Städtchen Waldenburg
eroberte. Anschließend lag der Aargau offen vor ihnen. Die Habsburger hatten sich vollständig zurückgezogen
aber fast alles, was den Söldnern von Nutzen sein konnte in Sicherheit gebracht oder verbrannt.
Es war inzwischen Mitte Dezember und feste Unterkünfte waren dringend notwendig. Es gelang den Guglern zwar einige Burgen
zu erobern aber die Versorgung wurde zunehmend kritisch. Froissart schreibt: "Sie fanden nichts. Sie litten den ganzen
Winter große Not und wussten nicht, wo sie Lebensmittel für sich selbst oder Futter für ihre Pferde suchen
sollten, die an Kälte, Hunger und Krankheiten starben."
Um ausreichend Unterkünfte und Nahrung zu finden, musste Coucy seine Truppen fast über den gesamten Aargau verteilen.
Bei ihren Raubzügen gerieten die Gugler dadurch zwangsläufig mit den Schweizern aneinander Deren Besitz war von dem
der Habsburger nicht immer klar zu trennen, was die hungrigen Gugler aber ohnehin nicht interessierte. Allerdings waren die
Schweizer andere Gegner als die Bauern im Elsass. Sie verfügten über disziplinierte und kampferprobte Aufgebote, mit
denen sie gegen Raubritter und lokale Gegner auszogen. 1315 hatten sie sogar ein starkes Habsburger Ritterheer vernichtend
geschlagen.
Als eine größere Truppe Gugler in Luzerner Gebiet einbrach und dort in dem zerstörten Ort Buttisholz lagerte,
sammelte sich in Luzern eine Gruppe junger Männer um gegen die Gugler zu ziehen, und verließen schließlich
gegen die ausdrückliche Anweisung des Rates die Stadt. Ihnen schlossen sich bald andere Gruppen aus Unterwalden und dem
Entlebuch an. Am 19. Dezember überfielen sie mit etwa 600 Mann die Gugler in Buttisholz, erschlugen einige hundert und
verbrannten eine größere Gruppe, die in einer Kirche Zuflucht gesucht hatte. Dann kehrten sie triumphierend mit
reicher Beute zurück.
Es war sicher nicht zuletzt die Beute, die man bei den seit Monaten plündernden Guglern machen konnte, die andere Schweizer
zur Nachahmung ermunterten. Eine Gruppe Gugler, die sich in dem Kloster Gottstatt bei Biel einquartiert wurden in der
Weihnachtsnacht überfallen und musste sich nach schweren Verlusten zurückziehen.
Da die Habsburger bei ihrer Taktik der verbrannten Erde Klöster verschont hatten, waren sie bei den Guglern als Unterkunft
sehr beliebt. Sie waren fest gebaut, geräumig und wahrscheinlich waren auch noch einige Lebensmittel zu finden. Coucy
selbst hatte an zentraler Position in dem Zisterzienserkloster St. Urban sein Hauptquartier eingerichtet, und Owen von Wales,
einer seiner wichtigsten Unterführer besetzte mit einer starken Kompanie das Kloster Fraubrunnen in der Nähe von Bern.
Als die Berner davon erfuhren, zögerten sie nicht lange, sondern rückten am Abend des 26. Dezembers mit starker
Mannschaft aus. Beim Kloster angekommen warteten sie bis am frühen Morgen und griffen dann überraschend an. Sie
erschlugen viele Gugler im Schlaf und steckten das Kloster in Brand. Owen gelang es einen Teil seiner Männer zu sammeln
und es kam zu einem heftigen Gefecht im brennenden Gebäude und im Kreuzgang, bei dem ein Anführer der Berner, der
Metzgermeister Hannes Rieder, erschlagen wurde. Doch schließlich konnten sich Owen und einige seiner Gefährten nur
durch retten. Zurück blieben 800 tote Gugler und ihr ganzer Besitz.
Die Berner erlitten bezeichnenderweise ihre schwersten Verluste, da einige von ihnen zurückgeblieben waren um in dem
brennenden Kloster nach weiterer Beute zu suchen. Dabei wurden sie am Vormittag von anderen herbeigeeilten Guglern überrascht
und getötert. Insgesamt sollen sich aber die Berner Verluste auf ganze 26 Mann belaufen haben.
Kampf im Kloster Fraubrunnen
Obwohl die Gesamtverluste der Gugler nicht so schlimm waren, wurden durch diese Niederlagen ihre Raubzüge stark
eingeschränkt. In dem verwüsteten Land war aber ohnehin kaum noch was zu finden. Enttäuscht forderten die
Söldner immer lauter den Rückzug nach Frankreich, womit Anfang Januar begonnen wurde. Es wurde ein schrecklicher
Marsch. Bei eisiger Kälte und ohne ausreichende Verpflegung wurde wieder das Jura überquert. Dann ging es an Basel
vorbei zurück ins ausgeplünderte Elsass. Pferde verendeten und Nachzügler wurden gnadenlos von den Bauern
erschlagen. Das Heer nahm deshalb auch nicht mehr den Weg über Zabern und Lothringen, sondern zog direkt über Belfort
nach Burgund.
Der König von Frankreich schickte gleich eine neue Armee an die Grenze um ihnen die Überquerung von Saône und
Rhône zu verwehren. So zogen sie auf der Westseite langsam nach Süden, bis sie im Frühjahr 1376 wieder nach und
nach in Pont-Saint-Esprit eintrafen. Nach diesem Desaster hatten sicher einige genug und versuchten in ihre Heimat
zurückzukehren. Doch die meisten wussten einfach nicht wohin und hofften auf einen neuen großen Krieg. Ihre
Geduld wurde nicht lange auf die Probe gestellt, denn bald darauf wurden sie vom Papst für seine Kriege in Italien in Sold
genommen, und Ende Mai führten die Bretonen Jean de Malestroit und Sylvester Budes die Söldner von Pont-Saint-Esprit
nach Italien, wo die "Bretonischen Kompanien" schnell durch ihre Grausamkeit berüchtigt werden sollten.