Jörg von Ehingen
Ein fahrender Ritter sucht Abenteuer.
Ein richtiger Ritter musste Reisen (im ursprünglichen Sinne des Wortes
von Kriegszug) und Abenteuer bestehen. Und je mehr das Rittertum im Spätmittelalter
ökonomisch in Bedrängnis geriet und militärisch an Bedeutung
verlor, desto mehr gewannen die alten Werte an Bedeutung. Ritterromane
erfreuten sich immer größerer Beliebtheit, und viele Adlige
nannten ihre Söhne nach den Helden der Alexander- oder Artusromane.
Aber wie so oft, wenn sich Vorstellung und Realität auseinander bewegen,
wurde es immer schwieriger, die Schauplätze echter Abenteuer und ruhmreicher
Heldentaten zu finden. Es gab zwar fast konstant irgendwelche Kleinkriege
und Fehden; doch beim Viehraub und dem Abbrennen einiger Bauernhöfe
war nun einmal nicht viel Ehre zu gewinnen. Einen gewissen Ersatz boten
Turniere und ritterliche Zweikämpfe, und einige, die es sich leisten
konnten, zogen als Turnierchampions durch halb Europa oder führten
einen ausgiebigen Briefwechsel, um würdige Partner für einen
ehrenvollen Zweikampf zu finden.
Einen sehr hohen Stellenwert hatten auch Pilgerreisen zum Heiligen Grab
in Jerusalem und zum Katharinenkloster auf dem Sinai. Besonders wichtig
bei allen Reisen war der Besuch fremder Fürstenhöfe, der huldvolle
Empfang und als Krönung sozusagen die besondere Auszeichnung durch
spezielle Geschenke oder die Verleihung von Orden, die zunehmend in Mode
gekommen war. Die beste Gelegenheit, bei der man viele dieser erstrebten
Dinge kombinieren konnte, war ein Kreuzzug oder zumindest ein kurzer überschaubarer
Feldzug, der im Namen eines Königs oder des Christentums geführt
wurde. Das Problem in der Mitte des 15. Jahrhunderts war nur, dass diese
wunderbaren Kriege, die es in den guten alten Zeiten gegeben haben sollte,
von der Bildfläche verschwunden waren. Der letzte richtige Kreuzzug
hatte 1396 bei Nicopolis in einem Desaster geendet; der Deutsche Orden,
der fast alljährlich eine Art Abenteurerurlaub für den europäischen
Adel veranstaltet hatte, führte einen langwierigen Krieg gegen Polen
und die eigenen Bürger; selbst die Hussitenkriege, in denen das Rittertum
eine wenig glanzvolle Rolle gespielt hatte, waren vorbei; in Italien hatten
längst knallharte Profis das Geschäft übernommen, und in
Frankreich lag der Hundertjährige Krieg in seinen letzten Zügen.
Natürlich war die Suche nach Krieg und Abenteuer nicht einfach
ein leerer Wahn des Adels. Auf diesen Reisen sammelten sie Erfahrungen,
lernten höfisches Verhalten und Fremdsprachen und knüpften Beziehungen.
Nicht zuletzt sollten sie als geborene Berufssoldaten etwas vom realen Krieg
mitbekommen, was Turniere und Zweikämpfe nicht vermitteln konnten.
Ganz nebenbei sammelten sie dann noch den Stoff für spätere Geschichten,
was in dieser an Unterhaltungsmedien nicht gerade reichen Zeit äußerst
wichtig war. Viele, die bei Hofe empfangen werden wollten oder dort gar
ein Amt anstrebten, sollten nicht nur reich an Erfahrungen sein, sondern
auch davon erzählen können. Die spätmittelalterliche "Aventiure"
hatte zwar durchaus realitätsferne und verblasene Züge, diente
aber dennoch als eine Vorform der späteren Kavalierstour oder der
Bildungsreise der Vorbereitung auf spätere Ämter.
Im Idealfall waren diese fahrenden Ritter natürlich keine Söldner,
da sie auf eigene Kosten reisten und für ihre Dienste auch keinen
Sold empfingen. Beim Deutschen Orden in Preußen hatte man immer genau
zwischen bezahlten Söldner und "Gästen" unterschieden. Nur die
letzteren konnten damit rechnen beim Hochmeister an der Tafel zu sitzen
und die begehrten Auszeichnungen zu empfangen. Dennoch ist die Unterscheidung
nicht so einfach. Es versteht sich von selbst, dass sich beides immer mehr
untrennbar vermischte. So nahmen viel fahrende Ritter Sold, um ihre Reisekasse
aufzubessern, oder machten einige der reichen "Geschenke" zu Geld. Zudem
sollte der abstrakte Ruhm dann ja oft später in Form einer gut dotierten
Stelle kapitalisiert werden. Selbst der Deutsche Orden, der immer so viel
Wert auf Etikette gelegt hatte, umwarb im Dreizehnjährigen Städtekrieg
Söldnerführer mit den höchsten Ehrungen. Zudem ist es gerade
aus heutiger Sicht, wo der Söldner als Negativfigur dem hehren Idealisten
entgegen gestellt wird, kaum einzusehen, warum man jemanden schlechter
beurteilen sollte, der sich seine Weltreise erarbeitet, als den, der von
Papa mit dem entsprechenden Kleingeld ausgestattet wird. Es ist sogar anzunehmen,
dass der "Arbeitende" der Realität des normalen Lebens etwas näher
kommen wird.
Einer dieser Söhne aus guter Familie, die es nicht nötig hatten
ihr Schwert gegen schnöden Sold zu vermieten, war der 1428 geborene
schwäbische Ritter Jörg von Ehingen. In seinem Buch "Reisen in
die Ritterschaft" berichtet er ausführlich von den Abenteuern, die
ein Adliger am Ende des 15.Jahrhunderts erwarten konnte. Dabei wird deutlich,
dass es gar nicht so einfach war, einen richtigen Krieg zu finden, und
Ehingen musste zum Teil weite vergebliche Wege auf sich nehmen, um echte
Abenteuer zu erleben. Er reiste nach Jerusalem und beteiligte sich unterwegs
an den Kaperfahrten der Johanniter auf Rhodos. Später kämpfte
er in Nordafrika vor Ceuta und beteiligte sich anschließend an einem
Kriegszug gegen Granada. Zu einem guten Teil verdankte er es sicher diesen
Reisen, dass er später im Dienst des Herzogs von Württemberg
Karriere machen konnte.
Ehingens Vater war ein wohlhabender Adliger, der großen Wert auf
eine standesgemäße Ausbildung seines Sohnes legte. Deshalb schickte
er ihn mit drei Pferden an den Hof Herzogs Albrecht von Österreich.
Dort gab es jedoch wenig Möglichkeiten sich hervorzutun und mit Ruhm
zu bedecken. Eine erste Chance bot sich dem jungen Ehingen mit der Krönung
König Ladislaus', die mit einem besonders prächtigen Fest in
Prag gefeiert wurde. Die mächtigen Fürsten des Reichs erschienen
mit zahlreichem Gefolge. So auch Herzog Albrecht mit 500 Pferden. Ehingen
schrieb seinem Vater und bat ihn um eine standesgemäße Ausrüstung.
Dieser wollte, dass sich der Sohn, wie es sich gehörte, in allen ritterlichen
Dingen bewährte. Also ließ er sich nicht lumpen und Ehingen
konnte stolz notieren: "Also ward ich mit einem ganzen Harnisch und Küraß,
auch mit Hengsten, Pferden, Knechten, Kleidern und anderem ritterlich und
wohl ausgerüstet." Nach ausgiebigen Turnieren und Ritterspielen wurden
zahlreiche Knappen von ihren Herren zum Ritter geschlagen. Herzog Albrecht
belohnte damit fünf aus seinem Gefolge, unter ihnen Ehingen.
Damit war das Wichtigste erledigt. Doch ein Ritter, der etwas auf sich
hielt, sollte auch einige Reisen und Kriegsabenteuer vorweisen können.
Der Vater wollte nicht, dass der Sohn "an der Fürsten Höf und
in Herbergen" untätig herumsaß. Einige Jahrzehnte vorher wäre
jetzt eine nette kleine Heidenfahrt beim Deutschen Orden in Preußen
gefolgt. Doch dieses beliebte Abenteuer des Adels war leider entfallen.
Aber der Vater wusste Rat; er hatte davon gehört, dass die Johanniter
auf Rhodos im kommenden Frühjahr einen "trefflichen" Zug gegen die
Türken planten. Dieser Zug ließe sich außerdem mit dem
Ausflugsziel schlechthin - dem Besuch von Jerusalem - verbinden, wozu der
Vater zu seinem großen Bedauern selbst nie gekommen war.
Der Sohn nahm sich den Rat zu Herzen, ließ sich von Herzog Albrecht
beurlauben und zog neu gerüstet nach Venedig. Dort war er unter einer
ganze Reihe von Rittern aus Frankreich und Spanien der einzige Deutsche.
Gemeinsam fuhren sie nach Rhodos, wo sie vom Hochmeister der Johanniter
dankend empfangen wurden. Zum großen Feldzug gegen die Türken
kam es zwar nicht, aber Ehingen hatte ausreichend Gelegenheit sich in "mancherlei
Händel auf Wasser und auf Land" im Krieg zu üben. Elf Monate
beteiligte er sich am einträglichen Kaperkrieg des Ordens, bevor er
vom Hochmeister mit reichen Geschenken, darunter einem Dorn aus der Krone
von Christus, verabschiedet wurde. Mit einem Empfehlungsschreiben des Hochmeisters
fuhr er von Rhodos nach Zypern und von dort über Tyros nach Jerusalem.
Damit wäre es eigentlich genug gewesen, doch Ehingen wollte wie
viele Reisende seiner Zeit, die Pilgerfahrt nutzen, um sich weitere Länder
anzusehen. Er traf einen Mönch aus Basel und beschloß mit ihm
gemeinsam Babylon und das Katharinenkloster auf dem Berg Sinai zu besuchen.
Sie kamen nach Damaskus, wurden aber von Arabern gefangen genommen und
mussten sich freikaufen. Dadurch von den Gefahren einer Landreise überzeugt
fuhren sie mit dem Schiff nach Alexandria. Ehingen war sichtlich beeindruckt
vom Hafen, dem Nil, den starken Befestigungen der Stadt und den vielen
Mameluckensöldnern des Sultans. Auf der Rückfahrt starb sein
Reisegefährte. Ehingen hatte damit die größten Gefahren
des Reisens kennen gelernt - Gefangenschaft und Krankheit.
1454 war er wieder in der Heimat am Hofe Herzog Albrechts. Er war jetzt
26 Jahre alt und wurde aufgrund seiner Reisen und Abenteuer als erfahrener
Ritter hoch geachtet. Der Herzog machte ihn zu seinem obersten Kämmerer
und ließ sich oft von seinen Reisen erzählen, von den fremden
Fürsten und den exotischen Städten. Doch Ehingen war
voller Unruhe und wollte zu neuen Abenteuern aufbrechen. Aber leider musste
er feststellen: "Und in den Zeiten begab sich keine Handlung oder kriegerischer
Aufruhr bei keinem König oder Fürsten, so weit ich es in Erfahrung
bringen konnte. Es war guter Friede in allen Reichen der Christenheit."
Also verbrachte er seine Zeit bei Hofe mit Turnieren, Stechen, Tanzen und
anderen Dingen im Bewusstsein, dass sein Vater Müßiggang bei
Jung und Alt für ein großes Laster gehalten hatte. Am Hof lernte
er den jungen Ritter Jörg von Ramsyden aus Salzburg kennen. Dieser
wandte sich voller Begeisterung an den bekannten Ehingen und bat ihn, ihn
auf der nächsten Reise mitzunehmen und ihn dabei in allen wichtigen
Dingen zu unterrichten.
Das gab anscheinend den Ausschlag. Ehingen beschloss, Krieg hin oder
her, mit dem jungen Ramsyden loszuziehen. Da dieser auch aus einer wohlhabenden
Familie kam, konnten sie sich entsprechend ausrüsten. Sie hatten zehn
Pferde, viel Gepäck, einen Herold und einen Sackmann. Von Herzog Albrecht
und König Ladislaus ließen sie sich eine ganze Reihe von Empfehlungsschreiben
ausstellen, denn man konnte ja noch nicht wissen, wo ein Krieg zu finden
sein würde. Zuerst zogen sie an den Hof von Karl VII. von Frankreich.
Doch dieser war mit dem Wiederaufbau seines verwüsteten Landes beschäftigt
und hatte wenig im Sinn mit Turnieren und Kriegen. Während die beiden
wieder gelangweilt bei Hofe saßen "kam eine treffliche Botschaft
von dem König von Spanien", der einen Krieg gegen die Mauren in Granada
vorbereitete. Sofort machten sich die beiden mit dem Segen und einigen
Geschenken König Karls auf den Weg. Leider mussten sie in Pamplona
erfahren, dass der Krieg mit Granada schon beendet war.
Aber in Pamplona wusste man Rat: der König von Portugal sollte
gerade einen Kriegszug nach Afrika planen. Erleichtert zogen sie weiter
nach Lissabon, wo sie hocherfreut aufgenommen wurden. König Alfons
sorgte wie einst der Deutsche Orden bestens für seine ausländischen
Kriegsgäste, denn Portugal setzte bei seinen Eroberungen in Afrika
fest auf die Hilfe von abenteuernden Kreuzfahrern. Schon Oswald von Wolkenstein
hatte von seiner Aufnahme am portugiesischen Hof geschwärmt. Auch
Ehingen berichtet begeistert: "Uns ward so viel Ehre erwiesen und Freuden
bereitet, wie es vorher bei keinem König oder Fürsten je geschah."
Sie durften die Königin und ihre Damen in ihren Gemächern besuchen,
es gab Tänze, Jagden, Bankette, Pferderennen, Ringen, Werfen, Zweikämpfe
zu Fuß und zu Pferd, Massenkämpfe und andere Ritterspiele. Vor
allen beim Weitwurf mit schweren Steinen erregte der bärenstarke Ramsyden
als echter Sohn der Alpen großes Aufsehen.
Nachdem sie einige Zeit mit Lustbarkeiten und der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten
verbracht worden war, kam die Nachricht, dass die Mauren die Stadt Ceuta
bedrohten. König Alfons schenkte jedem der beiden Rittern ein Pferd
und ihren Knechten Kettenhemden. Dann wurde das Heer nach Ceuta transportierte.
Vor der Stadt lag bereits ein riesiges maurisches Heer. Die Belagerung
begann mit Schanzarbeiten und Beschießungen. Auf christlicher Seite
kamen bereits Handfeuerwaffen, so genannte "Steinbüchsen", zum Einsatz,
durch die eine Menge Mauren erschossen wurden. Die Mauren hatten vor allem
Bogen aus Stahl und Eibenholz, Armbrüste aber auch einige Steinbüchsen.
Jeder, der sich auf der Mauer zeigte, wurde beschossen. Währenddessen
wühlten sich die Sappeure hinter großen Schilden immer näher
an die Mauern. Die Gräben lagen voller Leichen, deren Gestank die
Luft verpestete. Bevor neue Verstärkungen aus Portugal eintreffen
konnten, versuchten die Mauren den Sturm. Drei Tage berannten sie von früh
morgens bis in die Nacht die Wälle. Es kam zu Einbrüchen und
harten Kämpfen. Schließlich gaben die Angreifer auf und zogen
ab.
Die Christen verfolgten die abziehenden Mauren. Bei Kämpfen mit
der Nachhut verlangte ein starker maurischer Ritter nach einem Christen
zum Zweikampf. Das Gefecht wurde eingestellt und Ehingen ritt dem Mauren
entgegen. Nach einem schwierigen Kampf zu Pferd und zu Fuß konnte
er seinen Gegner töten und die letzten Mauren flohen. Ehingen wurde
als Held gefeiert, und beim Einzug in Ceuta wurden der Kopf des Mauren
und dessen Schild vor ihm hergetragen. Es mag sein, dass Ehingen diese
Ereignisse in seinen Erinnerungen später ein wenig aufpoliert hat.
Erfunden hat er sie jedenfalls nicht, denn seine Anwesenheit und die von
Ramsyden in Ceuta wird auch in einem anderen Reisebericht überliefert.
Nach einigen Monaten kehrte er jedenfalls hoch geehrt mit seinem Gefährten
nach Portugal zurück. Dort hielten sie sich wieder bei Hof auf, bis
aus Kastilien die Nachricht von einem neuen Krieg gegen Granada kam. König
Alfons entließ sie gegen das Versprechen wiederzukommen und gab ihnen
ein Empfehlungsschreiben an den kastilischen König mit.
Beim Zug gegen Granada kam es wie so oft in der Zeit zu keiner großen
Schlacht. Man schlug sich in kleinen Gefechten und Scharmützeln. Ansonsten
war es ein dreckiger Krieg, in dem kleine Städte und Burgen erstürmt
und das Land der "Heiden" grausam verwüstet wurde. Die Mauren wussten,
was sie erwartete und wehrten sich verzweifelt. "Darum mussten wir die
Städtlein und Kastelle zum Großteil stürmen und erschlugen
die Heiden alle, die Knechte hatten den Befehl, Weib und Kind tot zu schlagen,
was auch geschah." Schreibt Ehingen unverblümt über diese Art
der Kriegführung. Da das maurische Heer den Weg nach Granada blockierte,
begnügten sich die Christen mit der Verwüstung des Landes. "Wir
zogen also neben Granada durch das Königreich und zerstörten,
verbrannten und schlugen tot, was wir fanden, und besonders beim Abzug
ließen wir nichts aufrecht stehen, es wurde alles verwüstet."
Beim Sturm auf eine kleine Stadt wurde Ehingen durch einem Schleuderstein
am Schienbein verwundet und diese Wunde heilte bis in sein Alter nicht
mehr richtig.
Nachdem die Arbeit verrichtet war, wurde wieder ausgiebigst bei Hof
gefeiert. Zum Abschied wurden den beiden Rittern die höchsten spanischen
Orden verliehen, dazu erhielt jeder ein Pferd und 300 Dukaten. Fast schon
wie ein Buchhalter notiert Ehingen den Wert seiner Geschenke. So erhielten
sie zum Beispiel beim Abschied in Portugal ein goldenes Tuch, das 200 Dukaten
Wert war, ein rotes Samttuch, 100 Ellen schwarzen Samt, außerdem
jeder einen Hengst und 300 Dukaten. Auf der Rückreise verkauften sie
einige der Tücher für 500 Dukaten. Manches hatte einen mehr ideellen
Wert und wurde von ihm aufbewahrt, andere Sachen wurden oft gleich zu Geld
gemacht. Es war also Sold, der als "Geschenk" verbrämt bezahlt und
auch erwartet wurde. Ehingen war nicht arm und man will ihm gerne glauben,
dass es ihm vor allem um seine Ritterschaft ging. Doch die Reisen und die
notwendige Ausrüstung waren teuer. Zur direkten Vergütung der
Unkosten und der von Ehingen diskret verschwiegenen Beute kam außerdem,
dass sich der erworbene Ruhm auch in einer Stellung bei Hofe bezahlt machen
konnte. Sicher aufgrund seiner Reiseerfahrungen fand Ehingen nach seiner
Heimkehr im diplomatischen Dienst des Herzogs von Württemberg Verwendung
und stieg dort schnell auf, bis er schließlich als Berater zu dessen
rechter Hand und zum reichsten Adligen des Landes wurde.
Ehingens Reisen in die Ritterschaft waren in vielem vorbildlich. Mit
Turnieren, Empfängen bei Königen, Kämpfen gegen die Heiden,
der Pilgerfahrt nach Jerusalem und der Ordensverleihung wurde praktisch
der ganze Kanon abgearbeitet, den ein Ritter in seinem Leben vollbringen
konnte - ähnliche Stationen finden sich auch bei Kreuzpeck und Wolkenstein.
Zahlreiche Ritterromane bemächtigten sich des Themas und fügten
gelegentlich den Kampf gegen Drachen und die Befreiung von Jungfrauen hinzu.
Das Kriegertum dieser spätmittelalterlichen Söldner und Abenteurer
erstarrte immer mehr in formelhaften Ritualen und romantischen Hirngespinsten.
Ehingen hebt sich einerseits davon ab, wenn er vom Gestank der Leichen
in den Gräben vor Ceuta und den Massakern in Granada berichtet. Andererseits
bleibt er fest in dieser formelhaften Welt verhaftet. Er erwähnt zwar
die Büchsenschützen, die vor Ceuta auf beiden Seiten viele Leute
erschossen, legte aber viel mehr Wert auf den völlig anachronistischen
Zweikampf mit dem maurischen Ritter. All die Empfänge und Ritterspiele
geben der harten Kriegswirklichkeit etwas abgehobenes, irreales. Man kann
sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Berufskrieger seit den
Zeiten der Großen Kompanie deutlich den Boden unter den Füßen
verloren hatten. Männer wie Roger di Flor, Werner von Urslingen, Fra
Moriale und Konrad von Landau wollten ihr Glück machen und dazu war
ihnen jedes Mittel recht. Doch was taten Ehingen und Ramsyden, die wohlhabenden
Söhne aus gutem Haus? Sie tanzten, spielten und warteten sehnsüchtig
auf einen Krieg.