Die englischen Bogenschützen
Legenden um eine "Wunderwaffe".
Zu den beeindruckendsten Ereignissen der Militärgeschichte des Mittelalters
gehören sicher die Siege, die den Engländern mit Hilfe ihrer
Langbogenschützen gegen weit überlegene französische Ritterheere
gelangen. Am Anfang des Hundertjährigen Krieges hatte der englische
König Edward III. bei seinem Einfall in Nordfrankreich 1339 sein Heer
noch mit zahlreichen Rittersöldnern aus dem Reich verstärkt.
Da die Franzosen aber eine Entscheidungsschlacht vermieden und den Engländern
die Einnahme von Städten nicht gelang, waren ausgedehnte Verwüstungen
das einzige Resultat dieser Kriegszüge. Bei der Anwerbung der teuren
Rittersöldner hatte sich Edward jedoch finanziell derart übernommen,
dass er vorerst auf sie verzichten musste. Als er nun zur Entlastungen
seiner südfranzösischen Besitzungen 1346 in die Normandie einfiel,
hatte er neben Rittern aus England und der Gascogne hauptsächlich
Bogenschützen geworben, die aus seiner Sicht vor allem den Vorteil
hatten billiger zu sein. Durch ausgiebige Plünderungen, die wahrscheinlich
zum Teil den Sold ersetzen mussten, gelang es den Engländern schließlich
die Truppen des französischen Königs auf sich zu ziehen. Doch
dieser hatte ein so imposantes Heer zusammengebracht, dass es die Engländer
vorzogen sich mit ihrer Beute nach Flandern in Sicherheit zu bringen.
Als die Verfolger immer näher kamen, wählte Edward eine gute
Verteidigungsstellung auf einem Hügel bei Crecy und erwartete den
Angriff. Die französischen Ritter waren sich des Sieges so sicher,
dass sie nicht versuchten ihre genuesischen Armbrustschützen vernünftig
zum Einsatz zu bringen, oder gar die eigenen Truppen richtig zu positionieren:
Sie griffen direkt aus dem Aufmarsch an, 15 bis 16 mal sollen sie es versucht
haben und wurden dabei regelmäßig von den Bogenschützen
zusammengeschossen. Am Ende bedeckten weit über 1.000 tote Ritter
und hohe Adlige das Schlachtfeld, während die Engländer nur verschwindend
geringe Verluste gehabt hatten. Als das französische Ritterheer 1356
dann noch einmal bei Poitiers und schließlich 1415 bei Azincourt
ähnlich vernichtende Niederlagen hinnehmen musste, war für England
der Hundertjährige Krieg zwar dennoch nicht zu gewinnen, die Welt
aber um eine Legende reicher.
Vor allem bei modernen Geschichtsinteressierten beflügelt der Langbogen
immer wieder die Phantasie. Da mischen sich Vorstellungen von Robin Hood
mit Halbwahrheiten und weitererzählten Anekdoten. Man kann dann lesen,
dass ein Langbogenschütze im Kampf hunderte wenn nicht sogar tausend
Gegner tötete. Die eingefleischten Fans glauben zudem, dass die Pfeile
Kettenhemden und sogar Plattenpanzer durchschlagen konnten. Eine der fatalsten
und immer wieder gern kolportierten Geschichten setzte der Sohn Napoleons
III. in die Welt, als er feststellte, dass ein Bogenschütze in einer
Minute 12 mal über eine Distanz von mehr als 200 Meter schießen
konnte und dabei nur einmal sein Ziel verfehlte. Ein (selbstverständlich)
englischer Historiker hat sich von seiner Begeisterung sogar zu der Behauptung
verstiegen, dass der Langbogen noch im 18. Jahrhundert schlachtentscheidend
hätte sein können, und englische Bogenschützen bei Waterloo
ein Massaker unter ihren Gegnern angerichtet hätten. In der entsprechenden
Publikation des Osprey-Verlags vergleicht der Autor den Langbogen in Durchschlagskraft
und Feuergeschwindigkeit sogar mit dem Lee Enfield Gewehr vom Anfang des
20. Jahrhunderts.
Kommt man bei solchem Geschwafel dann zu der Frage, warum denn irgendwann
auf diese Wunderwaffe verzichtet wurde, kann man lesen, dass vielleicht
die Technik des Bogenbaus verloren gegangen sei oder es an den notwendigen
Rekruten gefehlt habe. Möglicherweise war der Verzicht auch der Ignoranz
einiger Heerführer zuzuschreiben, die nicht einsehen wollten, dass
ein Langbogen einer Arkebuse, mit der man bei geradezu unglaublich langsamer
Feuergeschwindigkeit auch noch meistens das Ziel verfehlte, haushoch überlegen
war. Nun gibt es sicher immer wieder bornierte Heerführer, aber in
den Kriegen der Renaissance wurde so ziemlich alles ausprobiert, was an
neuen Taktiken und Waffen zur Verfügung stand, und die, die nicht
schnell genug lernten, verschwanden meistens sehr schnell von der Bildfläche.
Dennoch steht fest, dass der Langbogen zu seiner Zeit eine sehr effektive
Waffe war. Zudem war er eine typische Söldnerwaffe. Die englischen
Bogenschützen wurden als Söldner angeworben, und nach ihren spektakulären
Erfolgen in den Schlachten des Hundertjährigen Krieges versuchten
auch andere Feldherren ihre Dienste zu kaufen. Es lohnt sich also die Geschichte
dieser Waffe etwas genauer zu betrachten.
Das grundlegende Problem bei Bogenschützen ist, dass sie sehr viel
Training und Erfahrung haben müssen. Man kann sie also nicht schnell
ausbilden, sondern nur dort rekrutieren, wo das Bogenschießen fest
in der Kultur verankert ist. Gerade sesshafte Völker mussten deshalb
Bogenschützen meistens bei ihren nomadischen Nachbarn anwerben. Berühmt
sind hier die nubischen Bogenschützen in den Heeren der Pharaonen.
Die Griechen beschäftigten Skythen und Bogenschützen aus Rhodos,
wo sich diese Kunst anscheinend aus älteren Zeiten gehalten hatte,
denn auch noch die Römer griffen gerne auf diese Spezialisten zurück,
neben denen aus ihren Provinzen im vorderen Orient. Auch bei den Germanen
scheint der Bogen in der Schlacht kaum Verwendung gefunden zu haben. Lediglich
von den Goten wird berichtet, dass sie in größerer Anzahl über
Bogenschützen verfügten, aber auch bei ihnen war der Bogen eine
zweitklassige Waffe des Fußvolkes.
Im Mittelalter wird der Bogen dann zwar immer mal wieder erwähnt,
so wurde er in den karolingischen Kapitularien sogar vorgeschrieben, es
ist jedoch nur ganz selten von seinem Einsatz im Krieg zu lesen. Allerdings
scheinen ihn die Wikinger bei ihren Raubzügen gerne verwendet zu haben,
und möglicherweise gibt es von hier eine Verbindung zu seinem ersten
bedeutenden Einsatz im Mittelalter: der Schlacht bei Hastings 1066. Da
die normannischen Ritter nicht in der Lage waren in die geschlossenen angelsächsischen
Heerhaufen einzudringen, zermürbten sie diese so lange mit dem massiven
Feuer ihrer Bogenschützen, bis sie begannen sich aufzulösen.
Sonst ist allerdings nur von dem Stauferkaiser Friedrich II. bekannt, dass
er in größerem Umfang und mit Erfolg Bogenschützen verwendete.
Er rekrutierte sie unter den immer noch in Sizilien ansässigen Sarazenen,
die dazu in eigenen Militärkolonien angesiedelt wurden.
Interessant dabei ist allerdings, dass sich der Bogen dennoch nie als
Waffe durchsetzte. Sowohl die Nachfolger Wilhems des Eroberers oder Friedrichs
II. haben entweder ganz auf Schützen verzichtet oder lieber Armbrustschützen
verwendet. Ganz anders verhielt es sich allerdings im Osten, wo Byzanz
in seinen Auseinandersetzungen mit den Türken und anderen Reiternomanden
gelernt hatte die Waffen seiner Gegner zu schätzen. In Byzanz wurden
deshalb ständig Kumanen, Patzinaken oder Magyaren als berittene Bogenschützen
angeworben. Die Europäer machten dann bei den Kreuzzügen auch
schnell die Erfahrung, dass Schützen dringend notwendig waren, um
die feindliche Reiterei auf Distanz zu halten. Der bekannteste Kreuzritter
- Richard Löwenherz - kam von dort als eifriger Verfechter der Armbrust
zurück.
Von den Kreuzzügen scheint auf jeden Fall die Armbrust profitiert
zu haben, die eine höhere Durchschlagskraft als der Bogen hatte und
deren Gebrauch vor allem viel einfacher zu erlernen war. Die Armbrust wurde
eine typische Waffe der Städter und Seefahrer und deshalb konnte man
auch in Katalonien, den italienischen Hafenstädten oder am Niederrhein
immer ausreichend Schützen anwerben. Bei den Bogenschützen fehlte
dagegen lange ein entsprechend ergiebiges Rekrutierungsreservoir. Das änderte
sich erst als die Engländer bei der Eroberung von Wales (1278-1284)
mit der dort verbreiteten Version des Langbogens Bekanntschaft machten.
Es wäre hier noch anzumerken, dass in modernen Texten manchmal von
der Bedeutung englischer Bogenschützen während der Kreuzzüge
zu lesen ist. Das ist jedoch völliger Quatsch, da die Engländer
den wirkungsvollen Einsatz des Langbogens erst richtig lernten, als die
Kreuzzüge bereits so gut wie vorbei waren.
Die Waliser galten als wilde Barbaren und hatten sich erfolgreich gegen
Angelsachen und Normannen zur Wehr gesetzt. Mit dem Resultat, dass die
Bevölkerung vom Feudalismus noch relativ unberührt den Umgang
mit ihren traditionellen Waffen noch nicht verlernt hatte – wie in den
Bergen der Schweiz oder Aragons. Sie benutzten den Bogen oft bei
der Jagd aber auch bei den zahlreichen lokalen Fehden, wo er durch die
Armut des Landes eine der wichtigsten Waffen war. Mit der Zeit hatten die
Waliser gelernt den Bogen so aus Eibenstämmen herauszuarbeiten, dass
durch die Kombination von hartem Kernholz und elastischem Splintholz eine
ähnliche Wirkung wie bei dem aus verschiedenen Materialien verleimten
Reflexbogen erzielt wurde.
Als sich nun der englische König Edward I. entschloss seinem Reich
eine neue große Provinz einzuverleiben, sah er sich plötzlich
in einen heimtückischen Kleinkrieg verstrickt. Das Gelände war
oft schwer zugänglich und stark bewaldet und deshalb schlecht für
den Einsatz schwerer Kavallerie geeignet. Vor allem dachten die Waliser
auch gar nicht daran sich den viel besser ausgerüsteten Engländern
zu einer großen Schlacht zu stellen. Sie beschränkten sich auf
Überfälle und zogen sich vor überlegenen Kräften schnell
in Berge und Wald zurück. Und bei dieser Art des Kampfes brachten
sie ihre Langbogen höchst wirkungsvoll zum Einsatz.
Nach den ersten Rückschlägen begann Edward I. selbst damit
Waliser anzuwerben. Anfangs scheint er allerdings mehr ihre Ortskenntnis
und ihre niedrigen Löhne geschätzt zu haben, denn es wurden auch
weiterhin viele Armbrustschützen eingesetzt, die zudem mehr Sold als
die Waliser erhielten. Im Laufe der Jahre lernten die Engländer jedoch
während der zahlreichen Gefechte und Belagerungen gerade die Kombination
aus Rittern und Bogenschützen vorteilhaft einzusetzen. Diese Taktik
erwies sich als so vorteilhaft, dass man auch bald in England damit begann
Langbogen zu bauen und sich in ihrem Umgang zu üben. Nach der vollständigen
Unterwerfung von Wales, wurde das Land selbst zur ergiebigsten Quelle für
anspruchslose erfahrene Bogenschützen.
Edward machte auch bald Gebrauch davon, als er 1292 damit begann Schottland
zu unterwerfen. Die Schotten hatten während ihres Aufstandes gelernt
sich in geschlossenen Spießerhaufen erfolgreich gegen Ritter zur
Wehr zu setzen und 1297 gelang ihnen unter William Wallace sogar ein großer
Sieg, als sie das englische Heer beim Übergang des Stirling überraschen
konnten. Ein Jahr später wurden die schottischen Spießerhaufen
jedoch bei Falkirk so lange von Edwards Walisern zusammengeschossen, bis
sie dem Angriff der Ritter nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Man sollte
bei den Erfolgen des Langbogens in den walisischen und schottischen Kriegen
Edwards jedoch beachten, dass Schotten und Waliser nur über wenige
voll gepanzerte Kämpfer verfügten, einige hatten sicher Panzerhemden
aber die große Masse schützte sich lediglich mit ihren Schilden.
Der Miltärhistoriker Hans Delbrück hat das Problem folgendermaßen
auf den Punkt gebracht, dass Richard Löwenherz die Armbrust favorisierte
und sein Nachfolger Edward dagegen den Langbogen wahrscheinlich daran lag,
dass der erste gegen Ritter kämpfte, der andere aber gegen schlecht
gepanzertes Fußvolk.
Dennoch hatte sich der Langbogen als wirkungsvolle Waffe erwiesen. Viel
wichtiger war aber die Erfahrung die die Engländer in diesen langen
und schwierigen Kriegen im Einsatz kombinierter Waffengattungen gewonnen
hatten. Trotzdem stützte sich Edward III. am Anfang des Hundertjährigen
Krieges zuerst wie gesagt hauptsächlich auf Soldritter und griff erst
auf die Bogenschützen zurück, als er die teuren Ritter nicht
mehr bezahlen konnte. Nach den großen Siegen bei Crecy und Poitiers
änderte sich das natürlich und Bogenschützen waren nun für
Generationen überall auf dem Markt gefragt. Dennoch war der Langbogen
keine Wunderwaffe. Man nimmt zwar an, dass seine Pfeile Anfang des 14.
Jahrhunderts Panzerhemden durchschlagen konnten. Aber auch hier gab es
sicher große Qualitätsunterschiede. Es versteht sich von selbst,
dass z. B. ein Graf, der mit 100 Reitern zu einem Kriegszug erschien, selbst
eine sehr gute Rüstung hatte, während einige seiner ritterlich
gerüsteten Knechte sich mit wesentlich älteren und schlechteren
Modellen zufrieden geben mussten. Auf einem zeitgenössischen Bild
der Schlacht von Mühldorf (1322) sind diese unterschiedlichen Rüstungen
sehr deutlich zu erkennen, vor allem auch die weit verbreiteten konischen
Helme (Barbute), die das Gesicht frei ließen.
Wenn nun wie bei Crecy immer nur einige hundert Ritter eine Stellung
von 6.000 Bogenschützen, die 12 mal pro Minute gefeuert und fast immer
getroffen haben sollen, angriffen, wie konnten diese Ritter dann mehrmals
in die englische Stellung einbrechen, wenn Pfeile so tödlich waren?
In der Schlacht bei Poitiers 1356 griffen die Franzosen hauptsächlich
zu Fuß an, schickten aber zwei Gruppen Berittener, jeweils 200-250
Mann stark, unter Clermont und Audrehem voraus. Die Engländer hatten
sich gut hinter einer für Pferde undurchdringlichen Hecke verschanzt
und verfügten über ca. 2.000 Bogenschützen. Dennoch gelang
es einigen Rittern unter Clermont bis an die Hecke heranzukommen, wo sie
dann in dem engen Weg, den nur maximal fünf Reiter gleichzeitig passieren
konnten von den englischen Men-at-arms niedergemacht wurden. Die andere
Gruppe kam am linken englischen Flügel vorbei. Eine zeitgenössische
englische Chronik berichtet: "Die französischen Reiter waren durch
Eisenplatten und Lederschabracken so gut geschützt, dass die Pfeile
zerbrachen oder in die Luft abprallten, von wo sie wieder auf Freunde wie
Feinde herabfielen." Die Bogenschützen konnten die Reiter erst wirksam
bekämpfen, als ihnen die Pferde die relativ ungeschützten Flanken
als Ziel boten. Die Schlacht musste schließlich in einem harten Kampf
an der Hecke und einem englischen Gegenstoß zu Pferde entschieden
werden.
Der Historiker Jonathan Sumption, den wir für den besten Spezialisten
auf diesem Gebiet halten, kommt abschließend zu dem Urteil: "Der
Langbogen, der der Schlüssel der meisten englischen Siege im 14. Jahrhundert
war, spielte eine vergleichsweise kleine Rolle. Die Bogenschützen
des Prinzen waren sehr effektiv gegen die anfängliche Attacke der
französischen Reiterei und im Endstadium der Schlacht, als die Franzosen
von Audley und dem Captal de Buch den Hügel hinab getrieben wurden.
Aber sie erwiesen sich als wesentlich weniger effektiv gegen die Männer
zu Fuß als gegen Pferde."
Zur Schlacht bei Auray 1364 wird Sumption noch deutlicher: "Die
englischen Bogenschützen, obwohl stark vertreten, trugen fast nichts
zum Ausgang der Schlacht bei. Pfeile waren gegen Männer zu Fuß
nie so effektiv gewesen wie gegen Reiter, deren Pferde ungepanzert waren
und leicht erschreckt werden konnten. Und die Franzosen wurden langsam
besser im Kampf zu Fuß und besser darin sich selbst zu schützen.
Du Guesclin drängte seine schwer gepanzerten Männer in dichte
Reihen unter einen Dach von hoch gehaltenen Schilden nach vorne. Nach Froissart warfen
die Bogenschützen nachdem sie mit ihren Bogen nichts erreicht hatten,
diese weg und stürzten sich ins Getümmel."
Die entscheidende Bedeutung der Bogenschützen war eine taktische.
In einem gut geführten Verband zwangen sie den Gegner auf sein wichtigstes
Kampfmittel zu verzichten: die Stoßkraft der schweren Kavallerie.
Aber auch abgesessen verloren die nun immer schwerer gepanzerten Ritter
viel von ihrer Beweglichkeit - manch einer starb sogar am Hitzschlag unverletzt
in seiner Rüstung. Wenn es zum Nahkampf kam, wurde auch dort von den
Bogenschützen viel erwartet. Mit Schwertern, Messern und Kampfhämmern
rückten sie ihren schwerfälligen Gegnern zu Leibe, anstatt sie
aus kürzester Distanz zusammenzuschießen, was ja mit einem Lee
Enfield Gewehr eine Kleinigkeit gewesen wäre. Man kann also davon
ausgehen, dass ein Ritter gegen Pfeile relativ gut geschützt war und
vor allem bei den neueren Plattenpanzern sicher auf die Pferde gezielt
werden oder aus kürzester Distanz eine Schwachstelle getroffen werden
musste. Gute Rüstungen wurden bezeichnenderweise mit einer Windenarmbrust
auf Beschussfestigkeit getestet. Allerdings kann man sich vorstellen, dass
manche Pfeile vielleicht nur ein paar Zentimeter in den Panzer eindrangen
und dann fest stecken blieben. So etwas sorgt für äußerst
schmerzhafte Wunden.
Es gibt mehrere Berichte, dass Bogenschützen hingerichtet wurden,
weil sie in vor dem Nahkampf geflohen waren. Man wird ihnen also nicht
gerecht, wenn man denkt, sie hätten ihre Gegner wie Hasen schießen
können. Das Schießen war nur ein Teil ihrer Aufgabe, dann mussten
sie als leichte Infanterie ihren Mann stehen. Erst unter guter Führung
und sicher auch mit Glück gewannen sie das Selbstvertrauen, das Infanteristen
in dieser Zeit immer benötigten, wenn sie es überhaupt wagen
wollten, sich den Herren hoch zu Ross entgegenzustellen.
Zu einem guten Teil verdanken die Bogenschützen ihre Erfolge auch
der Arroganz des französischen Adels, der sich am liebsten ohne Taktik
und Disziplin auf den Gegner stürzte. Die Schlachten bei Nájera
(1367) Aljubarrota (1385) zeigten, dass die Kastilier nicht besser waren.
Die blutige Niederlage von Nicopolis während des Kreuzzugs von 1396
war übrigens der gleichen uneinsichtigen Arroganz zu verdanken, und
wird inzwischen gerne unter taktischen Gesichtspunkten mit den englischen
Siegen des Hundertjährigen Krieges verglichen. Auch wenn es der Adel
nur sehr schwer einsehen wollte, hatte die Kriegsführung inzwischen
eine Komplexität erreicht, die ein eingeübtes Zusammenwirken
verschiedener Waffengattungen erforderte. Nachdem die Franzosen ihre Lektion
endlich gelernt hatten, gelang es ihnen 1450 bei Formigny die englischen
Bogenschützen mit nur 2 Feldgeschützen aus ihrer sicheren Position
zu locken und dann niederzureiten. Die Franzosen sollen dabei nur 200-300
Mann verloren haben, obwohl ihnen fast 3.000 Bogenschützen gegenüber
standen.
Als Frankreich und England 1360 dann vorübergehend Frieden
geschlossen hatten, zogen große Gruppen arbeitsloser Söldner
nach Italien und nahmen dabei auch viele der bewährten Bogenschützen
mit. In Italien trafen sie aber nicht mehr auf die ignorante Feudalreiterei
Frankreichs, sondern auf andere professionelle Söldnerkompanien und
so wurden die Engländer auch erst einmal von der Kompanie "Vom Stern"
geschlagen. Der italienische Chronist Filippo Villani lobt bei den Engländern
vor allem die schweren Rüstungen, die sie aus Frankreich mitgebracht
hatten und zum Schrecken ihrer leichter gewappneten Gegner ständig
auf Hochglanz brachten – daher ihr Name "Weiße Kompanie". Über
die "berühmten" Bogenschützen in ihrem Gefolge schreibt er dagegen:
"Man machte die Erfahrung, dass sie besser nächtliche Überfälle
machten und stahlen als das Feld zu behaupten; sie hatten mehr Erfolg durch
die Feigheit unserer Leute als ihre eigene Tapferkeit.
Auch Karl der Kühne warb für seine Kriege tausende englischer
Bogenschützen. Dennoch wurden seine Heere 1476 bei Grandson und Murten
und 1477 bei Nancy vom schweizer Fußvolk einfach überrannt.
Und niemand wird wohl behaupten, dass ein schweizer Fußknecht besser
gepanzert als ein Ritter war. Allerdings war er zu Fuß beweglicher
und weitaus disziplinierter. In der letzten Schlacht der Rosenkriege bei
Stoke 1487 wäre 2.000 Schweizern und Landsknechten fast das gleiche
gegen eine erdrückende Übermacht gelungen. Dennoch sonnte man
sich in England noch lange im Glanz der großen Siege. Als aber Heinrich
VIII. an die alten Erfolge anknüpfen wollte und 1544 in Frankreich
einfiel, musste er feststellen, dass mit seinen weltberühmten Bogenschützen
allein nicht mehr viel auszurichten war. Landsknechte, Spanier und Söldner
aus aller Herren Ländern mussten angeworben werden. Seine Tochter
Elisabeth I. zog dann die Konsequenz und schloss den Bogen per Dekret von
der Musterung aus. Dennoch gab es in England noch 1590 eine literarische
Kontroverse über die Vor- und Nachteile von Bogen und Arkebuse, wobei
der Verteidiger der Arkebuse anführte, es könne ja sein, dass
durch Pfeile die Pferde mehr erschreckt würden, die Männer allerdings
mehr durch Kugeln.