Fremdenlegionäre in Indochina
Nur raus aus dem kaputten Deutschland.
Um den Einsatz der Deutschen in der Fremdenlegion während des
Indochinakrieges ranken sich viele Legenden. Am beliebtesten sind solche
vom überwältigen Anteil der Deutschen, unter denen sich zahllose
Angehörige von Wehrmacht und Waffen-SS befunden haben sollen. Deutsche
Zeitungen überboten sich mit ihren Schätzungen und der Spiegel
– auch damals schon am großen Spektakel interessiert – berichtete
1949 von 40.000 deutschen Fremdenlegionären in Indochina. Das war
ungefähr da Doppelte aller Legionäre vor Ort. Peter Scholl-Latour
kolportierte dann noch 1979 effekthascherisch in seinem Buch "Der Tod im
Reisfeld": "Die Fremdenlegionäre jedoch, zu achtzig Prozent Deutsche,
seien zum Sterben angetreten wie in einer mythischen Gotenschlacht." War
die deutsche Presse hauptsächlich daran interessiert ihren Lesern
den Indochinakrieg als eine Art Unternehmen mit überwiegend deutscher
Beteiligung zu verkaufen, so vermarkteten sich im Ausland Geschichten von
alten Nazis und SS-Veteranen hervorragen. Typisch für diese beliebten
Schauermärchen ist ein Machwerk unter dem Titel: "Devil’s Guard. The
Incredible Story Behind the French Foreign Legion’s Nazi Battalion in Indochina."
Erst in neuerer Zeit wurde dieses Bild durch die Studien von Douglas Porch
und besonders Eckhard Michels von solchen Legenden befreit.
Als man in Frankreich fast sofort nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
bemerkte, dass ein Krieg um den Besitz von Indochina nicht zu vermeiden
wäre, wurde die Fremdenlegion dabei entscheidend mit in die Planung
einbezogen. Das Problem war nur, dass ihr Bestand inzwischen katastrophale
Tiefstände erreicht hatte. Dazu kam, dass viele Legionäre ihre
Dienstzeit längst überschritten hatten und bei Kriegsende entlassen
werden mussten. Was lag also näher, als unter den hunderttausenden
von Kriegsgefangenen zu rekrutieren, die sich in den Händen der Alliierten
befanden. Mit den ersten Werbungen wurde bereits Anfang 1944 in Nordafrika
begonnen – zuerst nur unter Italienern und Österreichern, zwischen
die sich sicher auch einige Deutsche geschmuggelt haben werden, um dem
Elend der Lager zu entkommen. Nach und nach wurden dann wieder Werbebüros
in Frankreich eröffnet und dann der deutschen Kapitulation auch in
den französischen Besatzungszonen in Deutschland und Österreich.
Potentielle Freiwillige gab es genug. Europa war voll von DPs (Displaced
Persons) – Flüchtlingen, ehemaligen Kriegsgefangenen und Soldaten,
Nazi-Kollaborateuren und Zwangsarbeitern, von denen viele nicht in ihre
Heimat zurück konnten oder wollten. Es scheint so, dass sich zumindest
unter der ersten Welle eine größere Anzahl von SS-Männern
befand, denn es ist mehrfach von Narben an der Stelle der Blutgruppen-Tätowierung
die Rede. Allerdings bemühte sich die Legion relativ bald darum, ehemalige
Angehörige von SS, Gestapo und SD auszusondern und abzulehnen. Das
war allein schon deshalb nötig, da sich die Zeitungen, vor allem natürlich
die französischen, mit Vorliebe auf dieses Thema stürzten. Die
Ablehnung beschränkte sich aber vorwiegend auf Deutsche und so fanden
nicht wenige europäische Freiwillige der Waffen-SS einer sicheren
Unterschlupf in der Fremdenlegion. Besonders beliebt war dieser Ausweg
bei französischen Nazi-Kollaborateuren, die gleich nach Kriegsende
über 50% der Rekruten stellten.
Doch die Welle der Kollaborateure war schnell verebbt und so blieben
den Werbern hauptsächlich die Gefangenenlager. Die Situation dort
war erbärmlich genug. Unterbringung und Verpflegung waren oft katastrophal,
es mangelte an Kleidung, Medikamenten, und die Sterblichkeitsrate war erschreckend.
Es ist aber übertreiben, wenn behauptet wird, dass Frankreich auf
diese Weise Druck ausgeübt habe, um an die notwendigen Rekruten zu
kommen. Direkt nach dem Krieg war die Versorgungslage in ganz Frankreich
erbärmlich, und die Kriegsgefangenen standen sicher nicht ganz oben
auf der Prioritätenliste. Dennoch kann man davon ausgehen, dass die
Situation von den Werbern reichlich ausgenutzt wurde. In manchen Lagern
erschienen sie fast täglich und priesen die Annehmlichkeiten der Legion.
Bunte Plakate mit Palmen und Kamelen taten ein übriges. Ein ehemaliger
Fallschirmjäger, der in einem Hungerlager in Südfrankreich saß,
berichtet dass direkt neben dem Zaun ein Legionärscamp eingerichtet
war, in dem täglich Corned Beef und Kartoffeln gebraten wurden. "Bis
wir uns schließlich sagten: ob du nun hier gleich verreckst oder
erst später in Indochina, das ist doch ein kleiner Unterschied." Es
waren aber vor allem sehr junge Soldaten, die erst kurz vor Kriegsende
eingezogen worden waren und die keine Familien hatten. Wahrscheinlich lockte
sie auch noch mehr die Abenteuerlust. Die Älteren dagegen nahmen meistens
lieber die Strapazen der Gefangenschaft auf sich, als noch einmal in den
Krieg zu ziehen. Sie hatten einfach genug.
Da sich der Krieg in Indochina schnell ausweitete, benötigte Frankreich
immer mehr Nachschub. Erschwerend kam hinzu, dass an eine Verwendung von
Wehrpflichtigen in Übersee nicht zu denken war. Auch die Verpflichtung
von französischen Freiwilligen hielt sich in äußersten
Grenzen. Da Franzosen vorwiegend in der Verwaltung und bei technischen
Einheiten eingesetzt wurden, ruhte die Hauptlast der Kämpfe auf Kolonialtruppen
aus Nord- und Schwarzafrika und der Fremdenlegion. Durch die Verwendung
fremder Söldner – die Afrikaner waren eigentlich auch nichts anderes
– sparte Frankreich nicht nur das Blut seiner Bürger, sondern auch
eine Menge Sold, Pensionen und Witwenrenten, da Afrikaner und Legionäre
viel schlechter bezahlt wurden. Der Einsatz der Kolonialtruppen hatte allerdings
den Nachteil, dass dadurch die Freiheitsbewegungen in den entsprechenden
Ländern immer mehr Rückenwind bekamen. Im Laufe des Krieges verloren
die Kolonialtruppen viel von ihrer anfänglichen Zuverlässigkeit
und die Fremdenlegion musste immer mehr Aufgaben übernehmen.
1945 hatten sich in Indochina nur erbärmliche Reste des 5. R.E.I.
(Régiment Etranger d’Infanterie) befunden, die dann durch immer
neue Einheiten auf etwa 20.000 Mann gebracht wurden. Dieser Aufbau und
der Ausgleich der blutigen Verluste konnte nur durch enorme Rekrutierungen
geleistet werden. Bald war auch in den Gefangenenlagern nicht mehr viel
zu holen, als sich die Lage dort gebessert hatte und die Entlassung immer
wahrscheinlicher wurde. Bereits 1950 nach der ersten schweren Niederlage
bei Cao Bang befanden sich nur noch relativ wenige Weltkriegsveteranen
in den Reihen der Fremdenlegion. Viele waren gefallen, und ein Großteil
der Überlebenden war nach Ablauf der fünfjährigen Dienstzeit
in die Heimat zurückgekehrt. Geblieben waren nur die eingefleischten
Soldaten, die sich ein Leben als Zivilist nicht mehr vorstellen konnten.
Immer mehr Söldner wurden benötigt, aber entgegen vieler Zeitungsberichte
mussten die Werber keinen Zwang anwenden, um auf ihre Zahlen zu kommen.
Es gab ganz im Gegenteil immer viel mehr Freiwillige als gebraucht wurden.
Zumindest theoretische Probleme machte dagegen der immer höhere Anteil
der Deutschen. Traditionell achtete die Fremdenlegion auf ein relativ ausgewogenes
Verhältnis der Nationalitäten - 20% einer bestimmten Nation galten
als Maximum. Als jedoch ganz Osteuropa hinter dem eisernen Vorhang verschwand
entwickelte sich das vom Krieg zerstörte Westdeutschland immer mehr
zum Hauptlieferanten an Söldnern; bezeichnenderweise gefolgt von Italien.
Unter dem Druck der Verhältnisse akzeptierte die Legion dann einen
Anteil von 40% Deutschen, der auf dem Höhepunkt des Krieges in einigen
Einheiten auf bis zu 60% steigen konnte. Allerdings wurden nicht die 80%
erreicht, von denen manchmal zu lesen ist.
Die Masse der neuen Rekruten stellten dagegen blutjunge Kerle, die vorher
nur beim Jungvolk oder der HJ eine Uniform getragen hatten. Nur wenigen
Jugendlichen konnte das zerbombte Deutschland etwas bieten, und so haben
die Biographien der Fremdenlegionäre der fünfziger Jahre einige
Gemeinsamkeiten. Fast alle kamen aus den unteren sozialen Schichten; viele
vagabundierten ohne Eltern durch die Städte, lebten von kleinen Diebstählen
und Schwarzhandel, oder schlugen sich mit Gelegenheitsarbeiten durch. Sie
hatten Hunger, trugen zerschlissene Hosen, und ihre Zukunft erschien so
trist wie die zerstörten Städte. "Ich wollte nur raus, raus,
raus aus dem kaputten Deutschland", erzählte Hans-Friedrich G., der
bereits einige Jugendstrafen wegen Landstreicherei und Schwarzhandel hinter
sich hatte. In Landau meldete er sich dann zur Fremdenlegion und stellte
begeistert fest: "Es gab jede Menge zu essen, à volonté,
soviel ich wollte. Fleisch, Fleisch und nochmals Fleisch."
Aufgewachsen waren sie mit dem Heldenkult des Dritten Reiches, aber
auch jetzt noch redeten die Älteren meistens über den Krieg.
"Wir Junge habe das aufgenomme wie trockene Schwämm’. Wir ware richtig
versesse drauf, etwas zu erfahre, wir wollte auch in die Uniform, auch
zum Militär," erzählte Horst A. aus Mannheim. Als Jugendliche
hatten sie die Reiseberichte und Afrikaerlebnisse von Stanley, Schliemann
oder Lettow Vorbeck verschlungen, dazu die Abenteuerheftchen von Rolf Thoring.
Afrika und Asien waren Synonyme für exotische Abenteuer, Reisen und
eben die Fremdenlegion, deren Werbeplakate genau an diese Sehnsucht appellierten.
Die deutsche Presse, die mit schönen Fotos vom "Heroischen Einsatz
deutscher Soldaten gegen die rote Pest" berichtete, und "Eine Frau für
fünf Piaster" oder "für eine Flasche Schnaps" in Aussicht stellte,
regte die Phantasie ebenfalls beträchtlich an. Dieses Fernweh erinnert
stark an die deutschen Söldner, die nach dem Dreißigjährigen
Krieg im Dienst der VOC nach Ostindien gegangen waren. Auch sie waren in
einem verwüsteten Land aufgewachsen, wo die allgemeinen Wertvorstellungen
noch stark von alten Soldaten geprägt worden waren. Langgediente deutsche
Soldaten konnte man damit nicht locken; sie ließen sich bestenfalls
anwerben, um den Hungerlagern zu entkommen. Die Jungen dagegen, die den
Krieg nur aus Wochenschauen und Erzählungen kannten, wurden zu den
bevorzugten Opfern der Legionärsromantik. Viele waren sogar noch minderjährig
und ließen sich mit falschen Angaben einschreiben, und nur ganz selten
war einer Mitte zwanzig oder älter.
Wenn auch die überwiegende Mehrheit aus ärmsten Verhältnissen
kam, so dominierte doch die Abenteuerlust bei der Entscheidung ausgerechnet
in der Fremdenlegion einen Ausweg zu suchen. Bereits bei der Ausbildung
in Algerien maulten die ersten "hoffentlich knallt es endlich, damit wir
endlich was erleben," berichtet ein Legionär, um dann die Stimmung
so zusammenzufassen: "Jeder wollte nach Indochina. Egal was passiert. Hauptsache
schnell. Nur raus aus Algerien." Die Umstände waren nie so günstig
gewesen. War früher der Dienst in Indochina als eine Art Vergünstigung
nur bewährten Legionären vorbehalten, so wurden jetzt fast alle
möglichst schnell in den Einsatz geschickt. Unter dem Druck der Verhältnisse
wurde die Ausbildung von 20 auf 7 Wochen verkürzt.
Verglichen mit dem Stumpfsinn des Garnisonsdienstes in Algerien hatte
Indochina einiges zu bieten. Statt der der üblichen 10 Tage Urlaub
gab es 30, und der betrug mit den ganzen Zulagen ungefähr das siebenfache.
Auch die bei den Polizeiaktionen anfallende Beute und das Geld, das bei
Personenkontrollen beschlagnahmt werden konnte, waren nicht zu verachten.
Außerdem waren Legionäre schon immer Meister im "Organisieren"
gewesen und so fanden viele Ausrüstungsgegenstände und Versorgungsgüter
ihren Weg auf den Schwarzmarkt. Einige besondere Talente verkauften sogar
ganze LKW-Ladungen amerikanischer Ausrüstungsgüter, darunter
auch Waffen und Munition. Vor allen Dingen war Indochina aber billig und
so konnten sich die Legionäre in der Etappe ganz anders als in Nordafrika
ein relativ angenehmes Leben erlauben. Viele lebten fest mit einer vietnamesischen
Geliebten, einer so genannten Congai, zusammen. Die Congais führten
den Legionären in eigens gemieteten Wohnungen den Haushalt, sondern
begleiteten sie nach Möglichkeit auch auf ihren Einsätzen. Diejenigen,
die sich keine feste Congai leisten konnten oder wollten, hielten sich
zumindest einen "boy", der die unangenehmen Arbeiten in der Garnison übernehmen
musste. Ein französischer Offizier, der als Neuling den Legionären
einen Putzeinsatz befehlen wollte, erntete nur Gelächter.
Trotzdem war es für die Legionäre von Anfang an ein heimtückischer,
brutaler Krieg gegen einen Feind der nicht zu fassen war. Zuerst schien
es eine der üblichen Polizeiaktionen zu werden. Die Rebellen waren
kaum ausgebildet und nur mangelhaft ausgerüstet; in einigen Gebieten
kämpften sie sogar noch mit Pfeil und Bogen. Aber nach dem Sieg der
Kommunisten in China wurde es schnell schlimmer. Jetzt erhielten die Vietminh
Waffen und General Giap konnte in sicheren Lagern jenseits der Grenze ganze
Divisionen ausbilden. Der französische Generalstab zeichnete sich
unter anderem dadurch aus, dass er den Gegner sträflich unterschätzte,
und die Fremdenlegion musste wieder einmal beweisen, dass sie gut zu sterben
verstand. Die oft beschriebene Heldengeschichte der Fremdenlegion, die
vor allem auch eine Geschichte ihrer Niederlagen ist, erreichte in Indochina
ihren Höhepunkt. In kleinen isolierten Stützpunkten hielt sie
die berüchtigte Route Coloniale 4 entlang der chinesischen Grenze
nach Cao Bang. Als endlich mit der Evakuierung von Cao Bang begonnen wurde,
war es längst zu spät. Von den Legionären kehrten nur einzelne
Versprengte zurück. Das erste Fallschirmjägerbataillon, das die
hoffnungslose Lage noch wenden sollte, wurde vollständig aufgerieben.
Bei letzten und entscheidenden Schlacht um Dien Bien Phu, hatten die
Kolonialtruppen aus Algerien und dem Senegal inzwischen bereits jede Motivation
verloren, und allein die französischen Fallschirmjäger und die
Legionäre verteidigten die Festung, die nur in der Phantasie der Generäle
zu halten war. Selbst als die Katastrophe für jeden absehbar war,
wurden immer noch Verstärkungen mit dem Fallschirm abgesetzt. Zwischen
Leichenbergen kämpften die Legionäre verzweifelt um zerschossene
Bunker und eingestürzte Laufgräben. Der von Rollet kultivierte
Totenkult trug jetzt seine Früchte. Doch die Legionäre opferten
sich nicht für Frankreich, sondern für einen abstrakten Ehrbegriff,
für vage Ideen von einem zweckfreien Soldatentum, und für die
Legion, die inzwischen Heimat und Familie ersetzte. Dass sich hierzu ganz
besonders die orientierungslosen, dafür aber mit militärischen
Wertvorstellungen überfrachteten, Deutschen besonders eigneten, versteht
sich von selbst.
Doch die großen Gefechte waren seltene Ausnahmen. Normalerweise
sicherten die Legionäre kleine Stützpunkte in einem riesigen
Gebiet. Sie gerieten bei Patrouillen in Hinterhalte, oder sollten unzugängliche
Gebiete von Feinden säubern. Schnell mussten sie dabei feststellen,
dass ihre romantischen Vorstellungen mit der brutalen Realität
des Krieges, auch wenn dieser unter Palmen stattfand, wenig gemeinsam hatten.
Doch einige lebten sich mit überraschender Leichtigkeit ein, akzeptierten
die Härten der Ausbildung und fühlten sich glücklich als
Landsknechte. "Wenn Soldtag war, haben wir zusammen gehurt und gesoffen,
und es herrschte Jubel, Trubel, Heiterkeit, solange das Geld reichte,"
berichtete Hans-Friedrich G. über seine Zeit in Algerien. Von seinem
späteren Einsatz in Indochina schwärmte er regelrecht: "Wenn
ich daran denke, dass ich mit freiem Oberkörper rumgelaufen bin, ein
Seidentuch locker um den Hals gewickelt, auf dem Kopf meinen Dschungelhut
und über der Schulter meine Maschinenpistole, dann kann ich nur sagen:
Es war schön, es war wunderbar."
Hans-Friedrich G. war eine unverwüstliche Kriegsgurgel; er ertrug
Haftstrafen und Verwundungen ohne weiter zu klagen. Stolz berichtet er,
dass er zwischen Leichen sitzend seelenruhig gegessen habe, oder wie um
ihn herum seine Kameraden fielen. Als erfahrener Schwarzhändler hatte
er in Indochina seine kleinen Nebenverdienste und plünderte Zivilisten
bei Personenkontrollen aus. Auch mit dem grausamen Kleinkrieg hatte er
keine Probleme - eher im Gegenteil. Die "Pazifizierungsaktionen" vermittelten
ihm ein Gefühl der Macht und echter Männlichkeit: "Carte blanche
war für uns das Größte. Alles niedermachen. Selbstverständlich
zündeten wir zunächst die cannejas an. Das Schilf brannte wie
Zunder. Dann knallten wir alles nieder, was uns vor die Füße
kam. [...] Verbrannte Erde, ganz klar. Aber wir durften das, ohne bestraft
zu werden. Wir sahen das nicht so eng und unsere Offiziere genausowenig.
Die machten es uns sogar vor." Das Erstaunliche an diesen Aussagen ist
eigentlich nur ihre Offenheit.
Der Krieg in Indochina wurde von beiden Seiten mit unglaublicher Brutalität
geführt. Die Vietminh verstümmelten Verwundete oder folterten
Gefangene bestialisch zu Tode. Bei den Vergeltungs- und Pazifizierungsaktionen
wurde die Fremdenlegion zu einem der wichtigsten Werkzeuge der französische
Armee. Was man normalen französischen Soldaten nicht zumuten wollte,
wurde gerne ihr übertragen. Sie trug zwar die Hauptlast der schweren
Kämpfe, wurde aber auch gezielt als Terrortruppe eingesetzt. Ganze
Dörfer wurden von den Legionären ausgerottet; sie plünderten,
folterten, vergewaltigten, massakrierten Frauen und Kinder. Es waren keine
Einzelfälle. Fast in jedem Bericht ehemaliger Legionäre ist davon
zu lesen, und in Europa wurden die Kriegsverbrechen der Fremdenlegion in
Büchern und auf Veranstaltungen angeklagt. Sie hatte eine lange Tradition
in diesen Dingen und sich bei der Eroberung der französischen Kolonien
im 19. Jahrhundert nicht anders verhalten. Damals war es allerdings nichts
ehrenrühriges gewesen, afrikanische oder asiatische Städte und
Dörfer samt ihrer Bevölkerung auszutilgen. Jetzt überließ
man den "schmutzigen" Krieg den farbigen Kolonialtruppen und der Fremdenlegion
- den Söldnern.
Der von den Generälen in einem Partisanenkrieg als notwendig erachtete
Grad an Verrohung und Brutalität konnte nach dem Zweiten Weltkrieg
von Wehrpflichtigen nicht mehr gefordert werden, ohne in der Heimat einen
Skandal auszulösen. Natürlich war es nach wie vor nicht besonders
schwierig diesen Grad unter länger dienenden Kampftruppen zu erreichen.
Die französischen, britischen oder holländischen Fallschirmjäger
und die amerikanischen Marines und Green Berets, die der Fremdenlegion
in Vietnam später folgten, unterschieden sich in der Brutalität
ihres Vorgehens nur wenig von dieser. In Europa schrieb man diese Dinge
gerne den "SS-Schergen" in der Legion zu, obwohl es zu dieser Zeit nur
noch einige wenige gewesen sein können. Es ist deshalb interessant,
wie gerade die jungen Träumer auf diese ungewohnten Gewaltorgien reagierten.
Im Gegensatz zu den Legionärserinnerungen des späten 19. Jahrhunderts
ist in denen der fünfziger Jahre überraschen viel von schrecklichen
Exzessen zu lesen. Es erscheint paradox, dass ausgerechnet in einer Zeit
davon berichtet wird, als sie nicht mehr von höchster Ebene sanktioniert,
sondern eher als Kriegsverbrechen geächtet wurden. Eine Erklärung
liegt sicher darin, dass die Legionäre während der kolonialistischen
Expansion nur selten von ihrem Gewissen geplagt wurden - Farbige zu töten
war kein Mord -; zudem waren sie in der glücklichen Lage, den schlecht
informierten Lesern in der Heimat einiges vormachen zu können. Die
Legionäre der fünfziger Jahre wussten dagegen, dass sie eigentlich
Unrecht begingen und wurden auch manchmal danach gefragt. Sie reagierten
mit Trotz, indem sie vor allem die Grausamkeiten der Vietminh anprangerten,
was dann völlig unreflektiert in einigen Büchern über die
Fremdenlegion wiedergegeben wird. Das wichtigste war aber, dass sie selbst
ständig mit ihrer eigenen Verrohung konfrontiert waren, und dabei
verfielen die meisten auf eine alt bewährte, äußerst einfache
Methode: sie machten das Grauen zu ihrem Geschäft.
Nur der war ein Mann und ein richtiger Legionär, der wie Hans-Friedrich
G. ungerührt zwischen Leichen seinen Kaffee kochte. Wem beim Morden
schlecht wurde, der war ein "Futschi" oder ein "Syphilist", wie Schwächlinge
und Zivilisten im Legionärsjargon genannt wurden. Sprüche wie:
"Die Männer in ein Loch reingejagt, Handgranate drauf - vergessen,"
oder: "und dann voll reingehalten, bis keiner mehr Piep sagte. Immer drauf
gehalten. 150 Stück haben wir umgenagelt," entsprachen zwar sicher
der Realität, sollen aber ganz besonders die coole Grundhaltung des
professionellen Killers demonstrieren. Diejenigen, denen es beim Töten
nicht schlecht wurde, die dabei größte Härte demonstrierten,
gaben in der Legion den Ton an und erfreuten sich des Wohlwollens ihrer
Vorgesetzten. Ein Legionär erzählte beeindruckt von einem Kameraden,
der die Köpfe von Kleinkindern an Panzerplatten zerschmetterte und
bei den Offizieren völlige Narrenfreiheit genoss. Gerade auf die jungen
Rekruten wirkten solche Vorbilder verheerend Wenn ein Fallschirmjäger
schreibt: "Junge Frauen, die Kinder an der Brust, kamen uns mit flehendem
Ausdruck entgegen. Manchmal flehten sie umsonst," so soll dabei das Bild
von erbarmungslosen Kriegern mit Gesichtern und Herzen aus Granit gezeichnet
werden.
In der Legion zählte nur Männlichkeit, und das war Härte,
Härte gegen sich selbst und gegen andere, und jeder, der respektiert
werden wollte, musste sich diesem Kult fügen. In diesen Zusammenhang
passt auch, was der britische Legionär Adrian Liddell Hart aus der
Anfangszeit des Indochinakrieges berichtet: "Viele waren früher in
der SS. Aber noch mehr gaben an, früher in der SS gewesen zu sein.
Mitgliedschaft in der SS gehörte wohl zum guten Ton bei den deutschen
Legionären."