Gaddafis Islamische Legion
vom Tschad bis nach Darfur
Die Ursache für viele Schwierigkeiten, die Muammar al-Gaddafi seinen
Mitmenschen verursachte, ist wahrscheinlich in seinem maßlosen Ehrgeiz
zu suchen und dann in der fehlenden Geduld und Sprunghaftigkeit, mit denen
er seine Ziele verfolgte. An Fantasie und großen Plänen fehlte
es ihm nicht. Er wollte alle arabischen Staaten vereinen, dem Islam neue
Länder gewinnen und der gesamten Welt seinen Stempel aufdrücken.
Unter seiner Regie wurde versucht Libyen mit Ägypten, dem Sudan, Tunesien,
Marokko, Syrien, dem Tschad und einer ganzen Reihe anderer Länder
zu vereinigen. Sehr oft endeten die groß gefeierten Föderationen
dann mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen oder sogar offenem
Krieg, wenn die auserwählten Partner bemerkten, dass Gaddafi, dem
alles nicht schnell genug gehen konnte, gleichzeitig Umsturzversuche in
ihren Ländern unterstützte. Die arabischen Regierungschefs begriffen
schnell, dass die brüderlichen Umarmungen des Colonels tödliche
Folgen haben konnten.
Wie viele junge Offiziere seiner Generation war Gaddafi (er hatte sich
1969 an die Macht geputscht) von der revolutionären Stoßkraft
des Sozialismus tief beeindruckt und versuchte deshalb seine eigene Version
von einem "islamischen Sozialismus" zu verwirklichen. Diese Ideen fasste er in
seinem "Grünen Buch" zusammen, das als eine Art Mao-Bibel der arabischen
Welt gedacht war. Da das bevölkerungsarme Libyen seinen mächtigen
Nachbarn Algerien und Ägypten - über Tunesien hielt Frankreich
seine schützende Hand - militärisch nicht gewachsen war, lag
es nahe die Verbreitung seiner Ideen mit der Hilfe revolutionärer
Gruppen und subversiver Kräfte voranzutreiben. Geld hatte er reichlich,
und so entwickelte sich Libyen zum wichtigsten Helfer zahlreicher Terrorgruppen
von Palästina bis nach Indonesien. Es blieb aber nicht bei der Hilfe
für islamische Terroristen, auch gut katholische Gruppen wie die spanische
ETA oder die irische IRA fanden in Libyen Zuflucht und materielle Hilfe.
Allerdings ließen sich diese Gruppen kaum kontrollieren und nahmen
nur selten direkte Befehle entgegen. Zur Durchführung libyscher Großmachtpläne
benötigte Gaddafi eine eigene ihm direkt unterstellte Organisation
und gründete deshalb 1972 die "al-Failaka al-Islamiya", die "Islamische
Legion". Es mag sein, dass er dabei ein wenig die französische Fremdenlegion
im Auge hatte, die überall dort so ruhmreich gekämpft hatte,
wo Frankreich eigenes Blut hatte sparen wollen. Wahrscheinlich schwebte
ihm aber auch so etwas wie die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg
vor. Tapfere Idealisten aus allen arabischen Ländern sollten nun für
seine Ziele sterben.
Der Gedanke war sicher nicht ganz verkehrt. Denn Dank seiner reichen
Ölvorkommen war Libyen zwar der mit Abstand reichste nordafrikanische
Staat, hatte aber viel zu wenig Personal, um das mit den Ölmilliarden
angeschaffte Gerät zu bemannen. So verfügte die libysche Armee
Mitte der 70er Jahre nur über 300 Besatzungen für die 2.500 Panzer,
die in ihren Depots vergammelten. Libyen war generell knapp an Menschen
und wie in vielen Ölstaaten hielten zigtausende Gastarbeiter die Wirtschaft
am laufen. Der Militärdienst war besonders unpopulär, und so
lag es auf der Hand auch hier auf Ausländer zurückzugreifen.
Leider hatte die ganze Sache eine großen Haken: es gab kaum echte
Freiwillige. Bin Laden und Al Qaida lagen noch in ferner Zukunft, und nur
ganz wenige Araber waren bereit, für Gaddafis hochfliegende Pläne
ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Es gab allerdings noch ein anderes Reservoir.
Wegen mehrerer starker Dürreperioden waren viele Halbnomaden der Sahelzone
aus Mali, Niger, dem Tschad und dem Sudan nach Libyen gekommen und fristeten
nun in Flüchtlingslagern ein erbärmliches Leben. Dazu kamen politische
Exilanten, die in ihrer Heimat vergeblich um mehr Autonomie gekämpft
hatten. Außerdem machten sich ständig Westafrikaner auf den
langen Weg durch die Sahara, um in Libyen Arbeit zu finden.
Unter diesen armen Teufeln rekrutierte man nun das Gros der Islamischen
Legion. Einige konnte man sicher damit gewinnen, indem man ihnen versprach,
sie würden einmal als siegreiche Befreier in ihre Heimatländer
zurückkehren. Doch die meisten kamen wie so oft in der Söldnergeschichte
wegen regelmäßiger Bezahlung und Essen. Normalerweise verschwieg
man den angehenden Legionären außerdem ihre eigentliche Bestimmung.
Und mancher, der nur einen Job gesucht hatte, fand sich plötzlich
in einem Trainingslager in der Wüste wieder. Falls es dennoch an Rekruten
fehlte, griff die Polizei bei Straßenkontrollen einfach ausreichend
Immigranten auf, und stellte sie dann vor die Alternative: Abschiebung
oder Eintritt in die Islamische Legion.
Da Libyen in den ersten Jahren von Gaddafis Regierung zumindest offiziell keinen
Krieg führte, ging der Aufbau nur langsam voran. Einzelne Gruppen wurden zwar
in den Tschad und zur Unterstützung der Palästinenser in den Libanon
geschickt, ansonsten konnte man sich aber in Ruhe der Ausbildung widmen.
Allerdings scheint sich diese - was durch die späteren Kampfeinsätze
unterstrichen wird - im Wesentlichen auf ideologische Schulung und die
Lektüre des Grünen Buches beschränkt zu haben. Die abstruse
Mischung aus Islam und Sozialismus würzte man dabei mit einer gehörigen
Portion Rassismus, wobei die Araber zum auserwählten Volk stilisiert
wurden, das allen anderen haushoch überlegen war. Diese rassistische
Ideologie richtete sich zwar vordergründig gegen Israel und den dekadenten
Westen, diente wohl aber in erster Linie dazu, arabische - das hieß
natürlich libysche - Großmachtträume am Südrand der
Sahara zu fördern.
Bei den Legionären, die sich für Araber halten konnten, fielen
diese Gedanken sicher auf fruchtbaren Boden. Dennoch war der Dienst in
den einsamen Wüstencamps hart und von tödlicher Langeweile. Das
zeigte sich, als sich die Spannungen mit dem einstigen Bundesbruder Ägypten
im Juni 1977 zu einem Grenzkrieg ausweiteten. Die Ägypter erteilten
den Libyern eine deutliche Lektion. Sie bombardierten einige Stützpunkte
und überfielen in einem Kommandounternehmen einige grenznahe Ausbildungslager
der Legion, da sie sicher nicht zu Unrecht vermuteten, dass dort Terroristen
für den Einsatz in Ägypten ausgebildet würden. Von den Gefangenen
baten anschließend viele um politisches Asyl, und einige arbeiteten
sogar in Kairo für die antilibysche Propaganda im Rundfunk.
Zum ersten größeren Einsatz der Legion kam es anderthalb
Jahre später in Uganda. Da Idi Amin Moslem war, hatte ihn Gaddafi
von Anfang an mit Militärberatern und Material unterstützt, da
er hoffte auf diese Weise das mehrheitlich christliche Land für den
Islam zu gewinnen. "Kaiser" Bokassa erfreute sich übrigens ebenfalls
dieser brüderlichen Hilfe, nachdem er Moslem geworden war. Im Herbst
1978 fiel Idi Amin dann in den Norden Tansanias ein, da dort viele Ugander
Zuflucht gefunden hatten. Nach einigen Anfangserfolgen machten die Tansanier
jedoch mobil, bewaffneten die Exilanten aus Uganda und schlugen Idi Amins
schlecht motivierte Truppen. Damit nicht genug, setzten sie ihnen nach
und marschierten weiter Richtung Kampala.
Gaddafi war natürlich nicht bereit, dabei untätig zuzusehen.
Material hatte er mehr als genug, und bald flogen große Transportmaschinen
T55-Panzer, Artillerie und Katjuscha-Raketenwerfer nach Entebbe. Bei den
notwendigen Truppen sah es dagegen schlechter aus. In Libyen wollte niemand
für Idi Amin irgendwo im afrikanischen Busch sterben. Das erste Kontingent
von 2.500 Mann bestand deshalb nur zum kleineren Teil aus regulären
Truppen, den Rest bildeten Milizionäre und Legionäre, denen man
zur Stärkung der Moral verschwiegen hatte, wohin die Reise ging. Im
März 1979 stießen sie dann südwestlich von Entebbe bei
Lukuya auf die vorrückenden Tansanier. Das Treffen kam für beide
Seiten überraschend, und die Libyer konnten die weit überlegene
Feuerkraft ihrer Panzer und Raketenwerfer mit großem Erfolg einsetzen.
Die Tansanier, die über keine schweren Waffen verfügten, wurden
geschlagen und flohen.
Doch nach diesem schnellen Sieg zeigte sich die Mischung aus Arroganz,
Inkompetenz und mangelnder Motivation, die auch für die späteren
Kriege typisch sein sollte. Die Libyer verzichten nicht nur darauf den
geschlagenen Feind zu verfolgen, sondern auch darauf, ihre eigene Stellung
zu befestigen oder Spähtrupps auszuschicken. So wurden sie dann bereits
nach einem Tag von dem tansanischen Gegenangriff völlig überrascht.
In dem allgemeinen Chaos gelang es ihnen dieses mal nicht ihre Feuerkraft
zur Geltung zu bringen. Als erste suchten die schlecht ausgebildeten Legionäre
und Milizionäre das Weite, und bald floh alles in wilder Auflösung
nach Kampala.
Es galt nun die Hauptstadt zu halten, und Gaddafi schickte weiteres
Material und noch einmal 2.000 Mann, unter denen sich wieder viele Legionäre
befanden. Mit ihren schweren Waffen hätten sie die Tansanier wahrscheinlich
zurückwerfen können. Doch kaum keiner der Libyer und schon gar
nicht die Legionäre wollte hier noch als Held sterben, während
sich die ugandischen Offiziere längst mit voll geladenen Lastwagen
absetzten. Zudem ließ der Präsident von Tansania verbreiten,
dass der Weg nach Osten zum Flughafen und nach Kenia offen gelassen würde
für den Rückzug der Libyer. So gab es letzten Endes nur sporadischen
Widerstand und die Libyer zogen unbehindert nach Kenia ab, von wo sie nach
Libyen ausgeflogen wurden. Trotzdem hatten sie in dem kurzen Krieg etwa
600 Tote und das Dreifache an Verwundeten verloren.
Das ganze Unternehmen war ein Desaster. Es wäre aber falsch, die
Gründe der Legion anzulasten. Die Ursachen lagen weit tiefer. Gaddafi
hatte eine ganze Reihe von Putschversuchen unzufriedener Militärs
niederschlagen müssen. Das Resultat waren umfangreiche Säuberungen,
Exekutionen hoher Offiziere und die Bevorzugung politisch ergebener bei
Beförderungen, wobei nicht gerade die Fähigsten aufstiegen. Zusätzlich
wurden Offiziere ständig versetzt, so dass sie keinen engen Kontakt
zu ihren Untergebenen aufbauen konnten. Der Ausbildungsstand war erschreckend
niedrig, und es fehlte konstant an Personal, um die teuren in der Sowjetunion
angeschafften Waffensysteme Gerät zu bedienen. Verheerend wirkte auch
die zentrale Bedeutung der Ideologie, die eine reale Einschätzung
der Lage unmöglich machte. So hatte Gaddafi einmal großspurig
getönt, dass "Araber niemals von einer Hand voll barfüßiger
Afrikaner geschlagen werden könnten." Das hörte sich im libyschen
Fernsehen sicher gut an, war an der Front dagegen wenig hilfreich. Die
Legion sollte die Zeche dieser Ignoranz bei den Kriegen im Tschad noch
bitter bezahlen.
Im Vielvölkerstaat Tschad kämpften seit Jahren verschiedene
Fraktionen um die Macht. Gaddafi unterstützte die moslemischen Gruppen,
die ihren Rückhalt hauptsächlich unter den Toubou (auch Tubu)
des Tibesti-Gebirges hatten. Dabei ging es ihm aber nicht nur um Hilfe
für die Glaubensbrüder, sondern er versuchte auch alte libysche
Gebietsansprüche auf den nördlichen Aouzou-Streifen durchzusetzen.
Die Rebellen wurden in Südlibyen ausgebildet und mit Infanteriewaffen
versorgt. Zusätzlich kamen aber auch kleinere Einheiten der Islamischen
Legion zum Einsatz. Da sich in ihren Reihen viele Flüchtlinge aus
dem Tschad befanden, konnte man diese Aktionen gut als die von Freiheitskämpfern
ausgeben.
Im Laufe der Jahre wuchs jedoch das libysche Engagement, bis schließlich
einige tausend Mann im Norden standen und feste Basen im Aouzou-Streifen errichteten.
Auf internationalen Druck hin wurden die Kämpfe immer wieder unterbrochen
und man versuchte auf dem Verhandlungsweg zu einer Lösung zu kommen.
1979 konnten dann die beiden Toubou-Rebellenführer Habré und
Goukouni in N’Djamena die Macht übernehmen. Bald kam es jedoch auch
zwischen ihren Truppen zu Zusammenstößen, und Goukouni wurde
mit seinen Anhängern aus der Hauptstadt vertrieben. Obwohl Moslem
war Habré sehr antilibysch eingestellt und dachte gar nicht daran
Gaddafis Ansprüche auf den Aouzou-Streifen anzuerkennen. Dieser schloss
daraufhin mit Habrés Konkurrenten Goukouni, der offiziell als Präsident
galt, ein Freundschaftsbündnis und schickte Truppen in großer
Zahl.
Neben gut 7.000 Mann der libyschen Armee kamen nun auch 7.000 Legionäre
zum Einsatz. Für diese Masse konnten natürlich bei weitem nicht
ausreichend Freiwillige geworben werden. In Libyen ging man deshalb in
großem Stil dazu über Arbeitsimmigranten und Flüchtlinge
mit Täuschung und Zwang zu rekrutieren und ohne Ausbildung an die
Front zu werfen. Die französische Zeitung Le Monde schrieb darüber:
"Das Expeditionskorps von 15.000 Mann, das in den Tschad geschickt worden
war, war eine sehr gemischte Gruppe, von äußerst begrenzten
strategischen Fähigkeiten und wenig Motivation. Einige waren Berufssoldaten,
dazu eine große Zahl schlecht ausgebildeter Reservisten; der Rest
Ausländer. Araber oder Afrikaner, Söldner, die sich selbst verachteten;
arme Teufel, die nach Libyen auf der Suche nach Arbeit gekommen waren und
mit mehr oder weniger Gewalt dazu gezwungen worden waren sich zu melden
und nun in einer unbekannten Wüste kämpfen sollten."
Für weiteren Nachschub sorgten die libyschen Volksbüros, die
in befreundeten Staaten unterhalten wurden und nun in großem Stil
damit begannen Söldner zu rekrutieren. Man warb dabei nicht nur in
arabischen Staaten, sondern auch in Westafrika, Bangladesch und Pakistan.
Mit der Wahrheit nahm man es dabei nicht so genau. Viele "Freiwillige"
unterzeichneten Arbeitsverträge und dachten, sie würden in der
Ölindustrie gutes Geld verdienen. So sollen 1981 einige tausend Pakistaner
als Gastarbeiter nach Libyen geholt worden sein, um dann im Tschad zu kämpfen.
Trotz dieser Mängel hatten Habrés Truppen den libyschen
Flugzeugen und Panzern nichts entgegen zu setzen. Sie mussten sich geschlagen
in den Sudan zurückziehen, setzten aber von dort aus den Kampf fort.
Gaddafi konnte nun seinen ersten großen Sieg feiern und verkündete
kurz darauf die Vereinigung des Tschad mit Libyen. Allerdings kam die Arroganz
der Besatzer bei der Bevölkerung nicht gut an. Die Libyer bevorzugten
in allem die arabische Minderheit und versuchten das Land radikal zu arabisieren.
Besonderen Unwillen erregte, dass zur Vereinigung der "untrennbaren Völker"
im Norden einheimische Frauen mit libyschen Soldaten verheiratet wurden.
Dabei verstand sich von selbst, dass Toubou-Männer dafür natürlich
niemals libysche Frauen erhielten. Diese Praxis wurde mit gutem Grund als
rassistisch empfunden, und ein GUNT-Kämpfer klagte: "sie verachten
uns, es ist unerträglich... Sie heiraten unsere Frauen, aber geben uns
nie eine der ihren."
Bald kam es zu schweren Kämpfen zwischen der von Goukouni geführten
GUNT und der Islamischen Legion, die den Großteil der Besatzungstruppen
stellte. Die Legion hatte dabei schwere Verluste sowohl im Gefecht wie
auch durch Desertionen. Schwerer wog allerdings der politische Druck der
afrikanischen Staaten, und als dann auch noch Goukouni den Abzug der Libyer
forderte, zogen sich diese Ende 1981 in den Aouzou-Streifen zurück.
Die inneren Kämpfe und die allgemeine Unzufriedenheit nutzte Habré
zu einem Einfall in den Osttschad. Gestärkt durch neue Allianzen eroberte
er die Hauptstadt N’Djamena, den ganzen Süden und schließlich
sogar die strategisch wichtige Oase Faya-Largeau im Norden, so dass die
GUNT völlig ins Tibesti-Gebirge zurückgedrängt wurde. Dies
provozierte im Juni 1983 eine neue Offensive der Libyer mit der GUNT. Die
Legion war daran nur gering beteiligt, da anscheinend erst noch die schweren
Verluste von 1981 ersetzt werden mussten. Die Kämpfe konzentrierten
sich auf Faya-Largeau, das mehrmals den Besitzer wechselte. Habré
reorganisiert die verschiedenen Milizen nun als FANT, die ausgesprochen
gut kämpfte. Dennoch konnte eine libysche Großoffensive nur
durch massives französisches Eingreifen abgewehrt werden. Entscheidender
war aber, dass sich durch die Präsenz französischer Kampfflugzeuge
die Libyer nicht mehr am Himmel sehen ließen.
Da die Franzosen aber auf keinen Fall einen langwierigen Krieg wünschten,
einigten sie sich schließlich mit Gaddafi auf einen gegenseitigen
Truppenabzug. Die Franzosen gingen, und die Libyer bauten Wadi Doum im
Aouzou-Streifen zu einer gewaltigen Militärbasis aus. Die Zeit drängte.
Denn die FANT wurde immer stärker. Frankreich lieferte Milan-Panzerabwehrraketen,
die USA Boden-Luft-Raketen und schnelle Toyota-Geländewagen, wodurch
die FANT enorm an Mobilität gewann. Außerdem liefen nun auch
im Norden immer mehr GUNT-Kämpfer zur FANT über, da der Kampf
gegen Libyen zunehmend als nationale Angelegenheit betrachtet wurde.
Im Februar 1986 fühlte sich Gaddafi stark genug und startete eine
Großoffensive mit über 10.000 Mann - GUNT, Libyer und Legionäre
-, hunderten von Panzern und zahlreichen Flugzeugen. Nach ersten Rückschlägen
schickte er nur weitere Truppen und noch mehr Material. Doch die Lage hatte
sich grundlegend geändert. Mit Hilfe der schnellen Toyotas kehrte
die FANT zur Taktik des ihr vertrauten Wüstenkrieges zurück.
Die schwerfälligen Panzerkolonnen der Libyer wurden überraschend
an den Flanken angegriffen, einzelne Einheiten isoliert und aufgerieben.
Diese reagierten darauf mit den traditionellen Methoden, die ihnen ihre
sowjetischen Instrukteure beigebracht hatten: starkes Artilleriefeuer und
massierte Angriffe mit Panzern. Aber die Toyotas entzogen sich schnell
und waren schwer zu treffen; außerdem wirkten die Milan-Raketen verheerend.
Der verlustreiche Krieg war in Libyen alles andere als populär
und so musste die Islamische Legion möglichst viel des Kanonenfutters
stellen, das nun im Tschad verheizt wurde. Wieder ließ Gaddafi kräftig
die Werbetrommel rühren. Auf einer großen internationalen Konferenz
sozialistischer Staaten in Tripolis warb er für seine Sache, und in
den Volksbüros versprach man den Armen der Dritten Welt Ruhm und Reichtum.
Angeblich kamen 500 Legionäre aus Dschibuti und 2.000 aus dem Sudan
für den "Heiligen Krieg". In eher christlichen westafrikanischen Staaten
wie Ghana und Benin wurde dagegen unter dem Banner des Sozialismus geworben.
Aus Benins Hauptstadt Kotonu flog Aeroflot regelmäßig vorwiegend
jugendliche Rekruten nach Libyen.
Als in Pakistan und Bangladesch nicht schnell genug das benötigte
Menschenmaterial zusammenkam, verfielen die Werber auf Indien. Die Religion
spielte längst keine Rolle mehr. Die Presse berichtete im April 1986
von langen Warteschlangen vor dem libyschen Volksbüro in Neu-Delhi.
Tausende Arbeitslose, verarmte Landarbeiter und Slumbewohner waren von
Anzeigen angelockt worden, die einen Monatssold von 833-1.666 Dollar versprachen.
Besonders gesucht wurden Ex-Soldaten, Techniker und Piloten, aber auch
andere waren willkommen. Einer der Wartenden sagte: "Hier verhungere ich.
Wenn ich in Libyen sterbe, haben wenigstens meine Kinder genug zum Überleben".
Libyen verkaufte die Aktion als Solidarität der Inder gegen den US-Imperialismus.
Schließlich beendete aber die indische Regierung die Werbungen auf
Druck der USA.
An der verfahrenen Situation im Tschad konnten die direkt an die Front
geworfenen Legionäre nichts ändern. Von der GUNT liefen nun ganze
Truppenteile zum Gegner über, so dass es schließlich zum offenen
Kampf zwischen ihr und den Libyern kam. Gaddafi ließ daraufhin die
Lager und Siedlungen seiner einstigen Waffenbrüder mit Napalm und
wahrscheinlich auch Giftgas bombardieren. Die Lage der libyschen Truppen
verschlechterte sich dennoch rapide. Ohne ihre einheimischen Verbündeten
bewegten sich ihre Kolonnen praktisch blind durch das Land, und igelten
sich immer stärker in ihren Stützpunkte ein, die mit Minenfeldern,
Erdwällen, eingegrabenen Panzern, Artillerie, Landebahnen und Depots
zu imposanten Festungen ausgebaut worden waren.
Die mächtigste dieser Anlagen war Wadi Doum. Dort hatten sich an
die 7.000 Mann mit mehreren hundert Panzern hinter ausgedehnten Minenfeldern
verschanzt. Der FANT gelang es Anfang 1987 eine starke Kolonne herauszulocken
und nach und nach in einem mörderischen Gefecht aufzureiben. Eine
Entsatzkolonne aus Wadi Doum erlitt das gleiche Schicksal. Danach folgten
die FANT-Kämpfer den Fliehenden und starteten nachts einen Überraschungsangriff.
Obwohl zahlenmäßig stark unterlegen, ließen sie sich nicht
aufhalten - noch Jahre konnte man die Toyatowracks in den Minenfeldern
sehen. Als sie aber die erste Verteidigungslinie durchbrochen hatten, gab
es für die Libyer kein halten mehr. Viele sollen bei der Flucht von
den eigenen Minen getötet worden sein, und für die anderen war
es ein verzweifeltes Unternehmen durch die unbekannte Wüste die eigenen
Stellungen zu erreichen.
Nach dem Fall von Wadi Doum war der Krieg für Libyen verloren.
Faya-Largeau wurde kampflos geräumt, und die verbliebenen Stützpunkte
im Aouzou-Streifen später aufgegeben oder von der FANT erobert. Die
zerschlagenen und demoralisierten Reste der Islamischen Legion wurden größtenteils
aufgelöst. Einige Einheiten wurden aber in den Sudan geschickt, wo
sie von Darfur aus im Osten des Tschad einfallen sollten. So meldete die
Regierung des Tschad im November 1987 44 getötete Legionäre bei
Kämpfen an der Ostgrenze. Die in Gefangenschaft geratenen Legionäre
wurden von Tschad je nach Stand der diplomatischen Beziehungen in ihre
Ursprungsländer zurückgeschickt, was immer ein schöner Propagandaerfolg
war. Einige wurden auch in den Gefangenenlagern zusammen mit einigen hundert
Libyern von der CIA für künftige Putschversuche gegen Gaddafi
rekrutiert.
Dennoch war die Geschichte der Islamischen Legion noch nicht ganz an
ihrem Ende. Einige konnten in ihre Heimat nicht zurückkehren und manche
hatten sicher auch an dem kriegerischen Leben Gefallen gefunden. Bei diesem
Rest dominierten nun eindeutig arabische Beduinen aus der Sahelzone, darunter
viele Exilanten aus dem Sudan und dem Tschad. Dezent von Gaddafi unterstützt
zogen sie sich in die unwegsame Wüste des nordwestlichen Sudan zurück
und führten dort eine Existenz als Waffenhändler, Schmuggler
und Wegelagerer. Die Regierung des Sudan duldete es, da sie mit den Rebellen
im Süden mehr als genug beschäftigt war und man nie wissen konnte,
ob man diese Gruppe nicht einmal benötigen würde.
Der passende Moment kam 2003, als eine Rebellengruppe in Darfur eine
sudanesische Militärbasis angriff. Die Truppen der Zentralregierung
waren wie gesagt im Süden gebunden, und so rief sie die Milizen der
Janjawiid ins Leben, die nun seit einigen Jahren durch Völkermord
und Vertreibung der schwarzen Bevölkerung weltweit für Schlagzeilen
sorgen. Bei vielen der Janjawiid handelt es sich zwar um Beduinen aus dem
Nordsudan, den harten Kern stellen jedoch die Veteranen von Gaddafis Islamischer
Legion. Die rassistische panarabische Ideologie, mit der man sie über
Jahre gefüttert hatte, trägt nun in Darfur ihre Früchte.