Bob Denard
In geheimer Mission.
In kaum einem Buch oder Artikel neueren Datums zum Thema Söldner
wird darauf verzichtet, zumindest kurz den Namen "Bob Denard" fallen zu
lassen. Inzwischen ist er zu einer Art Paradebeispiel, geradezu zum Inbegriff
für das Gewerbe geworden. Er ist einer der ganz alten Veteranen, der
schon an den inzwischen legendären Kämpfen im Kongo beteiligt
war. Im Gegensatz zu seinen alten Kameraden wie Black Jack Schramme oder
Mad Mike Hoare ist es aber um ihn nie ganz ruhig geworden. In einer Zeit
als Söldner praktisch völlig aus den Medien verschwunden waren
- die wenigen, die es noch gab, fristeten eine unspektakuläre Existenz
in belgischen Bars oder durchforsteten "Soldier of Fortune" nach obskuren
Anzeigen - putsche sich der alte Bob Denard mit ein paar Dutzend Mann auf
den Komoren an die Macht. In diesen ereignisarmen Jahren erschien er dadurch
manchem als die Verkörperung von Kiplings "Der Mann, der König
sein wollte".
Aber auch nachdem er von französischen Fallschirmjägern in
seinem Inselparadies verhaftet worden war, blieb er durch eine ganze Reihe
von Prozessen weiterhin in den Schlagzeilen. Vielen Beobachtern erschien
er als ein Relikt einer vergangenen Epoche, das durch das Ende des Kalten
Krieges überflüssig geworden war. Obwohl er in mehrere Staatsstreiche,
Waffenhandel und Morde verstrickt war, fand er dennoch gnädige Richter,
die es bei Bewährungsstrafen beließen. Das lag zum überwiegenden
Teil daran, dass er glaubhaft versichern konnte, fast immer im Auftrag
des französischen Staates gehandelt zu haben. In seinem letzten Prozess
sagte er zu seiner Verteidigung, wenn er zu einer "kriminellen Vereinigung"
gehört habe wie behauptet, dann habe auch Ex-Präsident Giscard
d’Estaing dazugehört. Er selbst sei zwar kein Agent gewesen, aber
oft wie ein solcher eingesetzt worden.
Agent war er aber bestenfalls deshalb nicht, da er keine Festanstellung
beim Geheimdienst mit daraus resultierenden Pensionsansprüchen hatte.
Doch welcher richtige Agent hat das schon? Seine Zielvorgaben bis hin zu
relativ genauen Anweisungen bekam er immer von französischen Dienststellen,
die einige seiner Unternehmungen sogar diskret finanzierten. Natürlich
hielten sich die bedeckt. Man sagte vielleicht "das Schwein muss weg" und
nicht "jagen sie ihm eine Kugel in den Kopf", obwohl man ja genau das wünschte.
Denard war kein unabhängiger Söldner im Fremdendienst, sondern
viel mehr ein williges Werkzeug der postkolonialen französischen Afrikapolitik.
Bei der Ausführung der an ihn gestellten Aufgaben zeichnete er
sich nie durch das Führungstalent eines Hoare oder die Tapferkeit
eines Steiner aus. Seine Hauptqualifikationen lagen viel mehr in seiner
Selbstvermarktung und Skrupellosigkeit. Sogar Anthony Mockler, der beste Kenner aber
kein großer Kritiker der damaligen Szene, schreibt mit deutlichem
Widerwillen über ihn. Denard ist deshalb weniger als Person oder seiner
teilweise erfundenen Heldentaten interessant, sondern mehr als das Produkt
eines Ambientes, das Leute wie ihn hervorbrachte und sich ihrer bediente.
Zu einer Zeit als Afrika der einzige Kontinent war, wie ein französischer
Außenminister 1977 sagte, wo Frankreich immer noch "den Lauf der
Geschichte mit ein paar hundert Männern ändern konnte".
Robert Denard wurde am 7. April 1929 in Bordeaux geboren. Sein Vater
schickte ihn auf eine Marineschule, um Disziplin zu lernen und möglicherweise
Karriere zu machen. Im Dienst der Marine kam er dann nach Indochina. Von
den schweren Kämpfen im Norden wird er wenig mitbekommen haben, während
er Patrouillen auf dem Mekong fuhr. Dafür um so mehr von den angenehmen
Seiten des Kolonialdienstes: In schicker Uniform in Saigon flanieren, die
vielen schönen Mädchen - Denard war später berüchtigt
für seinen Frauenverschleiß - und die hervorragenden Verdienstmöglichkeiten
des Schwarzmarktes. Als Weißer und ganz besonders als Soldat, war
man in Indochina ein Herr und man genoss Privilegien, die in Frankreich
unerreichbar waren.
Als er dann 1953 in Marokko von der Marine seinen Abschied erhielt,
zog es ihn jedenfalls nicht zurück in eine kleinbürgerliche Existenz.
Er trat in die Kolonialpolizei ein und erhielt dadurch Kontakte zu Geheimdienststellen
und den Organisationen französischer Kolonisten. Die waren entschlossen
es hier gar nicht so weit wie in Indochina kommen zu lassen und die Unabhängigkeitsbewegung
schon im Keim zu ersticken. Dabei beschränkte man sich nicht nur darauf
politische Aktivisten einzuschüchtern oder zusammenzuschlagen, sondern
folterte oft beim geringsten Verdacht und schreckte auch vor politischem
Mord nicht zurück. Als Polizist saß Denard dabei natürlich
an der richtigen Stelle. Seinen Eifer belegt die Tatsache, dass er wegen
der Beteiligung an Plänen zur Ermordung eines linken französischen
Politikers ins Gefängnis musste. Doch Marokko galt da bereits als
erledigt, niemand wollte die schmutzige Politik vor der Öffentlichkeit
ausbreiten, und außerdem rechnete man anscheinend an höherer
Stelle damit, ihn noch brauchen zu können. So fand er milde Richter
und war nach 14 Monaten wieder frei.
Er kehrte nach Paris zurück und sah keine große Zukunft vor
sich. Er hing in den einschlägigen Bars rum, wo sich ehemalige Kolonialsoldaten
und Pieds Noirs trafen, über das verlorene Indochina und den Niedergang
Frankreichs lamentierten. Den Legenden nach entdeckte er dabei in einer
Zeitung eine Anzeige, mit der ein belgischer Bergbaukonzern Sicherheitspersonal
für den Kongo suchte. Es mag aber auch sein, dass er einfach über
seine alten Kontakte zum SDECE, dem französischen Geheimdienst und
Vorläufer der Sécurité, eine Anfrage erhielt, da man
dort nach geeignetem Personal Ausschau hielt.
Im Kongo hatte sich 1960 praktisch sofort nach Unabhängigkeit das
rohstoffreiche Katanga im Süden unter der Führung Moise Tschombes
für selbständig erklärt. Unterstützt wurde diese Sezession
von der belgischen Union Minière, die dort den Großteil der
Minen besaß. Da Tschombe aber nicht allein auf die belgische Hilfe
vertrauen wollte, bat er auch Frankreich um Hilfe. De Gaulle schickte ihm
mit Commandant Roger Faulques einen alten Veteranen vom 1er REP (Fallschirmjäger
der Fremdenlegion), der dann seinerseits mit Geldern von der Union Minière
weitere Fachkräfte anheuern sollte. Seine besten Söldner fand
Faulques in seinem alten Regiment, da dieses kurz darauf wegen seiner Beteiligung
am Putsch in Algerien aufgelöst wurde. Denard hatte sicher bei
weitem nicht die Erfahrung dieser Ex-Legionäre, dafür verstand
er es um so besser sich selbst in Szene zu setzen, kannte bereits etwas
das politische Intrigenspiel und galt als äußerst charmant.
Jedenfalls war er bald der inoffizielle Stellvertreter von Faulques.
Die wichtigsten Aufgaben der Söldner in Katanga bestanden ja nicht
darin zu kämpfen - was sie sicher auch taten -, sondern darin, die
neue Streitmacht der Katanga-Gendarmen auszubilden, Waffen zu organisieren,
die UN an der Nase herumzuführen und nicht zuletzt von Tschombe den
Sold zu erhalten, da dieser die Schecks von der Union Minière schnellstens
auf seinen eigenen Konten verschwinden ließ. Das waren Angelegenheiten,
mit denen ein Ex-Para der Legion überfordert war, für die Denard
aber der richtige Mann war. Aber auch als die UN dann endgültig die
Geduld verloren und mit geballter Macht gegen die Sezessionisten vorgingen,
bewährte er sich. Da sich Faulques gerade in Frankreich aufhielt,
führte Denard bei der Verteidigung von Kolwezi die französischen
Söldner und soll vor allem die schweren Mörser sehr umsichtig
eingesetzt haben. Es wurde ein äußerst harter Kampf für
die UN. Aber letzten Endes waren die Söldner und Katanga-Gendarmen
der Übermacht nicht gewachsen, und so zogen sie sich nach einigen
weiteren Gefechten nach Angola zurück.
Während der Kämpfe und noch mehr der Intrigen um Katanga hatte
Denard eine Menge gelernt. Vor allen Dingen aber war er bekannt geworden.
Er war nun jemand, der einige der richtigen Leute kannte und an den man
sich wenden konnte. Es dauerte deshalb nicht lange bis Faulques mit einem
neuen Job an ihn herantrat. Im Jemen war ein Bürgerkrieg ausgebrochen,
in den Präsident Nasser von Ägypten massiv mit Truppen eingegriffen
hatte. England, Frankreich und Saudi-Arabien unterstützten die Royalisten
der Gegenseite. Allerdings nur inoffiziell und ganz diskret mit Geld, Waffen
und Instrukteuren. Verglichen mit Katanga war es keine große Sache.
Es befanden sich nie mehr als 50 Söldner im Jemen, deren Tätigkeit
sich zudem völlig auf die Ausbildung beschränkte. Dennoch war
der Dienst um vieles härter. Das Klima war unerträglich, es gab
keine Beute, keinen Alkohol und keine Frauen. Er wird deshalb nicht geklagt
haben, als der Auftrag beendet wurde, nachdem Saudi-Arabien seine Zahlungen
eingestellt hatte.
Um Arbeit musste er sich dennoch keine Gedanken machen. Im Osten des
Kongo hatten sich 1964 die von China unterstützten Simbas erhoben.
Als der Aufstand immer weiter um sich griff übergab General Mobutu
einfach seinem alten Rivalen Tschombe die Macht und dieser holte sofort
wieder seine alten Helfer ins Land: Die Belgier und Katanga-Gendarmen unter
Schramme, die Südafrikaner und Briten unter Hoare und mit etwas Verspätung
die Franzosen unter Denard.
Das schnelle Niederschlagen des Simba-Aufstandes war ein Erfolg von
Schramme und in allererster Linie von Hoares Blitzkriegtaktik. Von Denard
war dabei wenig zu hören. Er rückte erst wieder in den Vordergrund,
nachdem Mobutu an die Macht zurückgekehrt damit begann, sich der ersten
Söldner zu entledigen - u. a. wurde Hoare entlassen. Bei der folgenden
Verschwörung der Söldner zu Gunsten ihres alten Gönners
Tschombe waren Denard und Schramme dann die Hauptakteure. Man kann jedoch
davon ausgehen, dass sie nicht ganz allein auf sich gestellt entschieden.
Mobutu erhielt seine Hauptprotektion aus den USA, die auch den Krieg gegen
die Simbas finanziert hatten. Dadurch gerieten natürlich die belgisch-französischen
Interessen ins Hintertreffen, was wiederum grünes Licht aus Brüssel
und Paris für die Putschisten bedeutete.
Dennoch war der Putsch von 1967 miserabel organisiert, und die Söldner
zeichneten sich mehr durch ihren Elan als durch gute Planung aus. Als erstes
wurde Tschombe - wahrscheinlich auf Betreiben der CIA - schon bei der Anreise
entführt. Die Söldner ließen sich davon nicht abhalten.
Es gelang ihnen zwar, Stanleyville zu erobern, aber ihre anderen Vorstöße,
mit denen sie den Nordosten des Kongo unter ihre Kontrolle bringen wollten,
wurden abgeschlagen. Denard wurde verwundet - allerdings kaum so schwer
wie manchmal behauptet - und mit einigen anderen Verletzten nach Rhodesien
ausgeflogen. Während Schramme sich nach Bukavu an der Grenze zu Ruanda
zurückzog und dort die Stellung hielt, wollte Denard - schnell wieder
hergestellt - in Angola eine neue Streitmacht formieren und dann zur Entlastung
in Katanga einfallen, wo er auf starken Zulauf von Katanga-Gendarmen hoffte.
Es gelang Denard zwar in Angola etwa 100 weiße Söldner und
ein paar Dutzend Gendarmen zu sammeln, Fahrzeuge und zusätzliche Waffen
waren aber nicht zu bekommen. Er ließ sich dadurch nicht aufhalten.
Die Truppe begann ihre Invasion mit Fahrrädern - auch das eine später
immer gerne erzählte Anekdote. Die Fahrräder waren aber das kleinere
Problem. Als sich bald darauf tatsächlich größere Zahlen
ehemaliger Gendarmen einfanden, konnte man sie nicht bewaffnen. Man verlor
einige Tage mit nutzlosen Diskussionen. Bei dem Versuch eine Militärbasis
mit dem dringend notwendigen Material zu erobern, geriet die Kolonne dann
in einen Hinterhalt. Obwohl es nur drei Verwundete gab, verlor Denard die
Nerven und befahl den Rückzug nach Angola, wobei es dann die einzigen
Gefallenen gab, als sie in den Hinterhalt ihrer eigenen Nachhut liefen.
Dadurch war auch Schrammes Position in Bukavu unhaltbar geworden und er
musste sich nach Ruanda absetzen.
Das Kongoabenteuer war beendet, und Denard ging nach Gabun, wo er eine
Stelle als technischer Berater von Präsident Omar Bongo erhielt. Dieser
unterhielt allerbeste Beziehungen zu Frankreich, erhielt Schwarzgelder
in Millionenhöhe von der französischen Ölfirma "Elf", und
war auch gerne bereit sein Land als Basis für die Geheimoperationen
des SDECE zur Verfügung zu stellen. Für seine persönliche
Sicherheit sorgte eine Präsidentengarde, die zum Großteil aus
Ex-Legionären des 1er REP bestand. Denard gehörte nicht zu dieser
Truppe, sondern stand für die besonderen Aufgaben des Präsidenten
und des SDECE bereit. Er unternahm viele "Geschäftsreisen" zwischen
Paris und Westafrika, pflegte Kontakte, handelte mit Waffen und schmiedete
den einen oder anderen Putschplan. Sozusagen nebenbei soll er auch kleinere
Schmutzaufgaben organisiert haben, wie z.B. zwei Auftragsmorde an Liebhabern
der Präsidentengattin in Miami und Frankreich. Offiziell hatte er
eine Farm bei Libreville und beschäftigte sich mit Im- und Export.
Als Frankreich dann 1968 im Biafrakrieg die Sezessionisten unterstützte,
entwickelte sich Gabun schnell zu einer wichtigen Drehscheibe für
die Versorgungsflüge und Denard wird auch hier seinen Teil verdient
haben. Den äußerst kurzen Einsatz der französischen Söldner
in Biafra leitete dagegen sein alter Chef Faulques. Die folgenden Jahre
verliefen relativ ruhig. Angeblich arbeite Denard an zwei Operationen,
um Libyens Präsidenten Gaddafi zu stürzen. 1974 analysierte er
ein paar Wochen die Lage im Kurdengebiet, aber ein iranisch-irakisches
Abkommen entzog dem Projekt den Boden.
Es war deshalb nichts Ungewöhnliches, als man 1975 an ihn herantrat
den Präsidenten der Komoren Ahmed Abdallah durch einen gewissen Ali
Soilih zu ersetzen, der Paris genehmer erschien. Die Komoren, eine winzige
Inselgruppe vor Ostafrika, waren erst seit einigen Monaten unabhängig
und verfügten lediglich über eine Streitmacht von ein paar hundert
Mann, denen es ziemlich gleichgültig war, wer ihren Sold bezahlte.
Mit der nötigen Unverfrorenheit konnten ein paar entschlossene Männer
hier alles erreichen. Denard kam mit weniger als einem Dutzend Söldner
auf die Komoren, wo sich ihnen einige Anhänger von Soilih anschlossen.
Nach einer kurzen Schießerei war alles erledigt und die Komoren hatten
einen neuen Präsidenten. Abdallah - der alte - wurde mit einem guten
Schmerzengeld nach Paris ins Exil geschickt.
Zurückgekehrt nach Gabun und moralisch durch den leichten Erfolg
gestärkt, war Denard nun bereit für größere Aufgaben.
Er musste nicht lange warten. Der kurz zuvor in Angola ausgebrochene Bürgerkrieg
erschien französischen Stellen als gute Gelegenheit sich in dem Chaos
der außerhalb Angolas liegenden Ölenklave Cabinda zu bemächtigen.
Im Herbst 1975 drang Denard mit einigen Söldnern vom Kongo her in
die kleine Provinz ein und ließ einen Lokalpolitiker eine Unabhängigkeitserklärung
im Radio verlesen. Doch die neue "Republik" existierte nur wenig länger
als einen Tag. Dann kamen Truppen der angolanischen MPLA mit kubanischer
Unterstützung und setzten dem Spuk ein Ende. Die Söldner hatten
sich natürlich rechtzeitig in den Kongo abgesetzt.
Das nächste große Projekt wurde dann 1976 zum Sturz von Mathieu
Kérékou dem Präsidenten von Benin geschmiedet. Dieser
lag nicht nur im Streit mit einigen seiner Nachbarstaaten, sondern hatte
auch damit begonnen französische Firmen zu verstaatlichen. Unter der
diskreten Schirmherrschaft Frankreichs fand sich deshalb eine breite Koalition
aus der Elfenbeinküste, Togo, Gabun und Marokko zusammen, um der Herrschaft
des "kommunistischen" Kérékou ein Ende zu setzen. Die Durchführung
der notwendigen Operation sollte Präsident Bongos Mann für Spezialaufgaben
übernehmen: Bob Denard.
In Kotonu der Hauptstadt von Benin war zwar ein Bataillon der Armee
stationiert, in Palast des Präsidenten hielten sich aber nur einige
Leibwächter auf. Deshalb plante Denard nach der Einnahme des Flughafens
mit einer Gruppe den Palast zu stürmen und den Präsidenten zu
"neutralisieren", während eine zweite Gruppe die Rundfunkstation übernehmen
sollte, wo dann der neue Präsident - man hatte einen Kandidaten im
Exil aufgetrieben - eine Ansprache an sein Volk halten würde. Dadurch
wäre bereits alles vorbei, bevor die Armee zum Einsatz kommen könnte.
Da mit einem gewissen Widerstand zu rechnen war, hielt Denard eine etwas
größere Gruppe und zusätzliche Ausbildung für notwendig.
Marokko stellte zu diesem Zweck eine alte Militärbasis bei Marrakesch
zur Verfügung. Dort exerzierte Denard dann mit etwa 60 weißen
Söldnern - darunter mindestens ein Dutzend Ex-Legionäre. Später
erhielt er noch einige schwarze Exilanten, aus Benin und Guinea, um der
Operation einen afrikanischen Anstrich zu geben. Mitte Januar 1977 war
alles zum Einsatz bereit. Zuerst flog die Gruppe von Marokko nach Libreville
in Gabun und bestieg dort eine alte DC7 aus Rhodesien, die von einem schwedischen
Söldnerpiloten (ein Biafra-Veteran) geflogen wurde. Als die Maschine
am frühen Morgen in Kotonu landete und die Söldner wild um sich
schießend auf das Flugfeld stürmten, leistete verständlicherweise
niemand Widerstand.
Nach der Eroberung des Flughafens stießen beide Gruppen in die
Stadt vor, und damit begannen dann die Probleme. Die Rundfunkstation, die
so wichtig war, befand sich nicht dort, wo sie sein sollte, wodurch die
erste Gruppe samt Kandidaten und Ansprache ziellos durch die Stadt irrte.
Als die andere Gruppe den Palast erreichte, beschoss sie diesen erst einmal
ausgiebig mit Bazookas und Granatwerfern, um so die Leibwächter des
Präsidenten zur Kapitulation zu zwingen. Doch diese erwiderten das
Feuer, wobei ein Söldner getötet wurde. Wesentlich verhängnisvoller
war jedoch, dass sich Kérékou gar nicht in seinem Palast
aufhielt, obwohl er dort angeblich immer schlief. Während der Schießerei
rief er nun von der Rundfunkstation aus Volk und Armee zum Widerstand gegen
die Invasoren auf.
Bald zeigten sich erste Gruppen von Macheten schwingenden Zivilisten
auf den Straßen und auch die Armee machte sich von ihrer Kaserne
aus auf den Weg. Denard befahl den Abbruch des Unternehmens und die Söldner
zogen sich aus allen Rohren feuernd zum Flugplatz zurück, bestiegen
ihre DC7 und flogen wieder ins sichere Gabun. Bei ihrer überstürzten
Flucht ließen sie nicht nur zwei Gefallene (es gab auch 6 tote Einheimische)
und eine Menge Waffen zurück, sondern auch eine Aktentasche voll wichtiger
Dokumente, was dann alles später von Benin im Triumph der Weltöffentlichkeit
präsentiert wurde. Es gab einen großen internationalen Skandal,
und für Denard war es von großem Vorteil, dass er im sicheren
Gabun auf Tauchstation gehen konnte.
Die Ursachen des Fehlschlages lagen vor allem in mangelhafter Planung,
schlechter Kommunikation während der Aktion und selbstverschuldeten
Zeitverschwendungen. Viele Söldnerführer wären danach erledigt
gewesen. Nicht so Denard. Zu seinem Glück benötigte man in Frankreich
jemanden für einen Schauplatz, wo er sich bestens auskannte: die Komoren.
Dort hatte sich der von ihm ins Amt geputschte Präsident Soilih als
"Linker" entpuppt. Er predigte den Sozialismus, wandte sich von Paris ab
und begann damit, den Islam aus dem öffentlichen Leben zurückzudrängen.
Einige oppositionelle Moslems wurden gefoltert und ermordet, weshalb ihn
manche in maßloser Übertreibung als "Pol Pot des indischen Ozeans"
bezeichneten. Der SDECE wollte ihn deshalb wieder durch Ex-Präsident
Ahmed Abdallah ersetzen. Und wer war dazu besser geeignet als der Mann,
der ihn vorher gestürzt hatte?
Denard wurde also wieder mit einem Putsch beauftragt. Er kaufte ein
Schiff für "ozeanographische Studien", das dann in Frankreich ausgerüstet
wurde. Bei der etwa 50 Mann starken Söldnertruppe handelte es sich
hauptsächlich um die Veteranen des Benincoups. Ein kleine Gruppe von
ihnen ging schon in Frankreich als "Techniker" an Bord. Der Rest flog auf
die Kanaren und stieg in Las Palmas zu. Es wurde eine sehr lange Fahrt,
die fast noch an Proviantproblemen gescheitert wäre. Aber dann lief
alles hervorragend. Die Söldner landeten im Mai 1978 nachts in Schlauchbooten
in der Hauptstadt, nahmen nach einer kurzen Schießerei - ein verwundeter
Söldner, ein toter Bodyguard - den Präsidentenpalast, und Soilih
wurde "auf der Flucht" erschossen. Da die Regierung sehr unpopulär
war, kapitulierten die kleinen Garnisonen kampflos und die Bevölkerung
begrüßte die Söldner jubelnd als Befreier.
Vom eigenen Erfolg berauscht und sicher auch von der Schönheit
der tropischen Inseln angetan, beschloss Denard, diese als eine Art privates
Lehen, sozusagen als Altersruhesitz zu betrachten. Er war fast 50, und
hatte er nicht viele Jahre im Dreck und bei schlechtem Essen im Dienst
Frankreichs verbracht, ohne dafür jemals mit offizieller Anerkennung
oder einer Pension rechnen zu dürfen? Kurz und gut, Abdallah wurde
zwar Präsident aber Denard wurde als Verteidigungsminister und Kommandeur
der Präsidentengarde zur grauen Eminenz im Hintergrund.
Die Komoren erwiesen sich für die Söldner nicht nur wegen
ihrer Landschaft und schönen Frauen als Paradies. Im Besitz eines
eigenen Staates konnte man ungeniert mit Waffen handeln, Pässe ausstellen
und Geld waschen. Denard schwärmte gerne von der "Schweiz des indischen
Ozeans". Die Söldner hatten neben ihren Stellen in der Präsidentengarde
einträgliche Posten als Sicherheitsberater oder Manager in den Luxushotels,
wo die reichen Südafrikaner abstiegen. Viele hatten mehrere Frauen,
aber schließlich war es ja ein islamisches Land. Denard kam sogar
auf sieben. Um seine Integration zu unterstreichen, konvertierte er zum
Islam, pilgert nach Mekka und trug fortan den Namen Colonel Said Mustapha
M’hadju.
Es waren goldene Zeiten. Südafrika finanzierte die Präsidentengarde
und stellte auch Personal für das Offizierskorps, da es im Gegenzug
eine Lauschstation betreiben durfte, um den Schiffsverkehr nach Mocambique
zu überwachen. Natürlich gab es manchmal kleine Probleme. So
revoltierten 1987 einige der einheimischen Unteroffiziere der Präsidentengarde,
da sie auch an den Privilegien beteiligt werden wollten. Der Aufstand wurde
schnell niedergeschlagen. Aber Denard ließ anschließend hart
durchgreifen. Es wurde gefoltert und viele landeten im Gefängnis.
Als nach einigen Monaten ein neuer Inselrevolutionär namens Bouana
Idi mit einer kleinen Truppe, versuchte das Gefängnis zu stürmen,
war die Garde bereits informiert und lag im Hinterhalt. Einige Rebellen
wurden erschossen und Idi gefangen. Ein paar Tage später erhielt seine
Familie dann seinen verstümmelten Körper in einem Plastiksack.
Weit mehr als innere Unruhen musste Denard die Mächte fürchten,
die ihm seinen Aufstieg ermöglicht hatten. Die Stimmung änderte
sich mit dem Ende des Kalten Krieges. In Südafrika war man plötzlich
am Frieden interessiert und strich die Subventionen, und die sozialistische
Regierung Mitterrand in Frankreich betrachtete Söldner als äußerst
unschönen Anachronismus. Davon ermutigt begann Präsident
Abdallah plötzlich eigene Wege zu gehen. Seine Familie fühlte
sich durch die Pfründen der Söldner in ihren Geschäften
behindert und sah nicht ein, warum man den Kuchen mit den Ausländern
teilen sollte. Denard hatte die Veränderungen der Weltlage wahrscheinlich
ignoriert und war der Ansicht, dass sich fast jedes Problem mit einer Kugel
lösen lasse. Präsident Abdallah wurde jedenfalls 1989 ermordet.
Angeblich von einem seiner Leibwächter, der dann umgehend von einem
Söldner - einem gewissen Jean-Paul Guerrier - erschossen wurde. Damit
waren Präsident und Attentäter tot und die Sache erledigt.
In Frankreich war man aber nicht gewillt, diese Schmierenkommöde
weiter hinzunehmen und schickte die Fallschirmjäger. Denard hatte
sich mit seinen Söldnern verschanzt und konnte freien Abzug nach Südafrika
aushandeln. Aber auch Südafrika war nicht mehr das Söldnerrefugium
von einst, und so stellte er sich 1993 der französischen Justiz und
wurde wegen des Putschversuchs in Benin zu fünf Jahren Gefängnis
auf Bewährung verurteilt. Seine Zeit schien vorbei.
Inzwischen aber lief die Wirtschaft auf den Komoren unter dem neuen
Präsidenten Mohamed Djohar immer schlechter. Die Korruption erreichte
immer größere Ausmaße; es gab Hungersnöte und kam
schließlich zu offenen Rebellionen. Es mag sein, dass nun einige
übereifrige Mitarbeiter des französischen Geheimdienstes Denard
zu verstehen gaben, dass die Regierung mit der Lage auf den Komoren sehr
unglücklich sei. Jedenfalls pfiff er auf sein Bewährungsauflagen
und schiffte sich 1995 mit einigen Getreuen noch einmal ein, um sein Paradies
(für sich) zu retten. Auch dieses Mal lief alles wie am Schnürchen,
Polizei und Militär ergaben sich kampflos, die Bevölkerung jubelte,
und ein neuer Präsident übernahm offiziell die Regierungsgeschäfte.
Denard hatte inzwischen zumindest so viel gelernt, dass er den alten am
Leben ließ.
Es nützte nichts. Paris schickte bereits nach wenigen Tagen wieder
die Fallschirmjäger, die Denard nun verhafteten den neuen Präsidenten
aber im Amt beließen, was zu denken geben sollte. Denards Zeit war dennoch
abgelaufen. In den
folgenden Jahren sollte er hauptsächlich Anwälte und Richter
beschäftigen. 1999 wurde er schließlich wegen des Mordes an
Präsident Abdallah angeklagt. Da aber die Belastungszeugen tot oder
flüchtig waren, wurde er freigesprochen. 2005 wurde in dem Prozess
wegen des Putsches 1995 noch einmal alles aufgerollt. Er war nur noch manchmal
anwesend, da er inzwischen an Alzheimer erkrankt war. Dabei verfolgte er
dann mit Tränen in den Augen die Aussagen zweier seiner sieben Frauen
und mehrerer seiner acht Kinder, die erklärten, er sei immer "ein
fürsorglicher Vater" gewesen - man kennt das. Das Gericht gelangte
schließlich zu der Auffassung, dass er auch bei diesem letzten Putsch
immer mit Wissen und Duldung des französischen Geheimdienstes gehandelt
habe. Angesichts seiner Krankheit beließ man es wieder bei einer
Bewährungsstrafe von fünf Jahren. Es spielte ohnehin keine Rolle mehr,
da er die Urteilsverkündigung im Juli 2007 nur um 3 Monate überlebte.