Schweizerschlachten
In Italien trafen Schweizer Reisläufer und Landsknechte aufeinander.
In Italien schlugen die Landsknechte ihre wildesten und legendärsten
Schlachten. Dort hatten sie ihre große Zeit, die später von
Liedern und Legenden verklärt wurde. Ihre berühmtesten Hauptleute
wie Georg von Frundsberg, Sebastian Schärtlin, Wilhelm von Fürstenberg
oder Marx Sittich von Ems hatten dort Karriere gemacht. Was danach kam,
war eigentlich schon Niedergang. In den italienischen Kriegen gerieten
die Landsknechte an ihre schrecklichsten Gegner, ihre alten Lehrmeister
- die Schweizer Reisläufer. Die Schweizerschlachten in Italien zählen mit zu
den blutigsten Gemetzeln, die sich Söldnerheere je geliefert haben.
Kein Ritterheer hatte sich je mit solcher Wut und Erbarmungslosigkeit geschlagen
wie diese Haupkonkurrenten um das Gold der Fürsten. Es hatte vorher
schon viel Neid gegeben. Die Landsknechte galten als die schlechteren Schweizer
und erhielten geringeren Sold und weniger Beute. Doch der Neid reicht nicht
allein als Erklärung für diesen grenzenlosen Haß. Söldner
hatten schon immer bunt gemischt den verschiedensten Herren gedient und
dabei gerade für die Professionellen in den Reihen der Gegner oft
viel Verständnis gezeigt.
Das zerstückelte Italien wurde am Ende des Mittelalters zum Zankapfel
der neuen Territorialstaaten Frankreich, Spanien, Habsburg und zeitweilig
sogar der Schweiz. Einzelne Landsknechtsfähnlein dienten zwar schon
länger im französischen Sold als Unterstützung der Schweizer.
Ihre Bedeutung stieg jedoch schlagartig, als es 1510 zum Bruch zwischen
Frankreich und der ebenfalls expandierenden Schweiz kam. Um den Verlust
seiner Eliteinfanterie auszugleichen ließ der König von Frankreich
verstärkt im Reich werben. Bald verfügte er über einige
Regimenter. Das stärkste war die "Schwarze Bande", die ihm der Herzog
von Geldern zugeführt hatte. Ihren Namen soll sie aufgrund ihrer schwarzen
Fahnen und Rüstungen erhalten haben. Wenn man aber bedenkt, daß
ein guter Teil von ihnen aus Geldern dem alten Wirkungsgebiet der Schwarzen Garde
kam, ist es nicht unwahrscheinlich, daß einige ihrer Veteranen
Fahnen und Ruf ihres berühmten alten Verbandes mit nach Frankreich
genommen hatten. Unter den Hauptleuten lassen sich allerdings keine Gemeinsamkeiten
nachweisen. Diese kamen hauptsächlich aus Süddeutschland, wie
die Schwaben Hans von Brandeck und Wolf von Lupfen oder ihr Fähnrich
der Augsburger Patriziersohn Georg Langenmantel.
Die erste schwere Bewährungsprobe der Schwarzen Bande war die Schlacht
bei Ravenna 1512 gegen die Spanier. Die Spanier verließen sich weder
auf die Kavallerie, noch auf den rohen Ansturm der Gewalthaufen und hatten
deshalb eine feste Stellung hinter einem Graben bezogen. Die Spießer
aus der Picardie und die gascogner Armbrustschützen der Franzosen
erlitten bei ihrem Angriff von Gewehr- und Geschützfeuer schwere Verluste
und wurden abgeschlagen. An anderer Stelle erkämpften sich 5.000 Landsknechte
den Übergang über den Graben. Ihr Hauptmann Jakob von Embs wurde
dabei erschossen. Sein Nachfolger Fabian von Schlaberndorf, angeblich ein
Riese von Gestalt, nahm eine Lanze mit beiden Händen und drückte
damit die Spieße der Spanier nieder. Er wurde dabei niedergestochen
aber die Landsknechte drangen in die Stellung ein. In dem folgendem Handgemenge
wüteten die spanischen Schwertkämpfer furchtbar in ihren Reihen,
und sie wurden wieder über den Graben zurückgeworfen. Erst als
ein Flankenangriff der französischen Reiterei Entlastung brachte und
die französische Artillerie die spanische Stellung schwer erschüttert
hatte, griffen Landsknechte, Gascogner und Picarden noch einmal gemeinsam
an, überwanden den blutgetränkten Graben und zwangen die Spanier
zum Weichen.
Ein Jahr später standen sie den für Mailand kämpfenden
Schweizern bei Novara gegenüber. Die Schweizer blieben bei ihrer alten
Taktik und überfielen das französische Heer noch bevor es richtig
zur Aufstellung gekommen war. Die Infanterie aus der Gascogne und Navarra
suchte ohne Widerstand ihr Heil in der Flucht. Auch die adlige Reiterei
der berühmten Gens d'Armes brachte sich größtenteils in
Sicherheit. Nur die Landsknechte hielten bei den Geschützen aus. Doch
es kam nicht zu mehr als ein oder zwei Salven, dann prallten die Gewalthaufen
aufeinander. Die Schwarze Bande hielt eine Zeit lang stand, dann unterlag
sie dem Ansturm der unbesiegten Schweizer. Diese metzelten erbarmungslos
alles nieder, und nur wenige Landsknechte konnten sich retten. Aber auch
die Schweizer hatten mit weit über tausend Mann größere
Verluste als in allen ihren bisherigen Schlachten zusammen.
Novara war die letzte, schon nicht mehr zeitgemäße Schweizerschlacht.
Die taktische Zusammenarbeit von Infanterie, Artillerie und Kavallerie
und die Bedeutung einer festen Stellung sollte sich dem rohen Ansturm als
überlegen erweisen. 1515 bei Marignano war es dann soweit. Die Schweizer
hatten sich inzwischen zu Herren Mailands gemacht und Franz I. war entschlossen
sie von dort zu vertreiben. Die Hauptmasse seines Heeres bildeten über
20.000 Landsknechte, darunter die wieder auf 6.000 Mann verstärkte
Schwarze Bande. Hinzu kamen die Gens d'Armes, eine mächtige Artillerie
und einige tausend gascogner Armbrustschützen. Die Schweizer waren
gerade ungefähr so stark wie die Landsknechte und verfügten nur
über wenige Geschütze und keinerlei Reiterei. Aber im unerschütterlichen
Glauben an die eigene Unbesiegbarkeit zögerten sie nicht das überlegene
französische Heer anzugreifen.
Das Zentrum der französischen Schlachtordnung bildeten 72 hinter
einem Graben aufgestellte Geschütze, die von den Landsknechten gedeckt
wurden. Auf sie richtete sich der Angriff der Schweizer. Aber die Stückkugeln
schlugen tiefe Lücken in die dichtgedrängten Haufen und die Armbrustbolzen
der Gascogner lichteten zusätzlich die Reihen. Trotzdem überwanden
sie den Graben und warfen sich auf die Landsknechte, deren Namen sie an
diesem Tag auszulöschen gelobt hatten. Aber die Landsknechte schlugen
sie wider Erwarten zurück und gingen selbst zum Angriff über.
Die Schweizer zerschlugen den Haufen und drängten erneut über
den Graben. In einem blutigen Ringen wurden die Landsknechte zurückgedrängt
und die Schweizer bemächtigten sich einiger Geschütze. Da trat
der französische König und mit ihm viele Adlige in die Reihen
der schwarzen Bande und führte sie zum Gegenangriff. Während
der mörderische Nahkampf um die Geschützte tobte, attackierten
die Gens d'Armes die Schweizer von den Flanken. Als es ihnen endlich gelang
einen Gewalthaufen zu zersprengen, brach der Angriff zusammen. Aber der
Kampf ging weiter bis in der Dunkelheit Freund und Feind nicht mehr zu
unterscheiden waren.
In der Nacht lagerten die Heere dicht beieinander. Tausende von Toten
bedeckten das Schlachtfeld, man hörte das Geschrei und Gewimmer der
Verwundeten. Das Wasser in den Bächen soll so blutig gewesen sein,
daß es niemand trinken wollte. Trotz ihrer Verluste stürmten
die Schweizer an nächsten Tag gleich wieder gegen die Geschütze.
Noch einmal wiederholte sich das Gemetzel vom Vortag. Schweizer und Landsknechte
rangen um jeden Handbreit Boden, während die Schützen und Reiter
die Ordnung der Gewalthaufen zu erschüttern versuchten. Bei jeden
neuen Angriff riß das Artilleriefeuer furchtbare Lücken in die
Haufen der Schweizer, danach liefen sie sich an den Spießen der Landsknechte
fest. Unbeirrt stürmten sie immer wieder. Erst als französische
Verstärkungen eintrafen zogen sie sich zurück. Weit über
die Hälfte von ihnen, mindestens 12.000 blieb tot auf dem Schlachtfeld.
Die Werbungen für Frankreich waren allerdings nur in der Anfangszeit
unproblematisch, als der deutsche Kaiser noch zu seinen Bündnispartnern
zählte. Als Maximilian jedoch das Lager wechselte und damit der jahrzehntelange
Dauerkonflikt zwischen Habsburg und Frankreich begann, befahl er den deutschen
Hauptleuten den französischen Dienst zu verlassen und heimzukehren.
Nur wenige fügten sich dieser Anweisung. Das "Vaterland" war ihnen
unbekannt und auch der Kaiser konnte nicht allen eine fest besoldete Stelle
versprechen. Jakob von Embs ignorierte den Brief Maximilians und fiel kurz
darauf bei Ravenna. Die Landsknechte in französischem Sold wurden
daraufhin mit Acht und Bann belegt und die Reichsbehörden versuchten
weitere Werbungen zu unterbinden. Aber trotz der angedrohten Strafen und
Kontrollen an den Grenzen, lockten die französischen Sonnenkronen
ständig neue Landsknechte nach Frankreich. Sie kamen als einzelne
Abenteurer, in Fähnlein und ganzen Regimentern. Selbstherrliche Fürsten,
vertriebene und geächtete Adlige warben Truppen und führten sie
heimlich über die Grenze. Bald konnte sich die Schwarze Bande mit
vielen illustren Namen schmücken. Der vornehmste unter ihnen war der
verbannte letzte Sproß des Hauses York, der eigentliche englische
Thronfolger, Richard de la Pole, der die Schwarze Bande seit 1521 führte.
In der größten Landsknechtsschlacht der Epoche bei Pavia
war es dann so weit, und die Schwarze Garde stand gemeinsam mit den Schweizern
den Spaniern und Landsknechten des Kaisers gegenüber. Pavia wurde
zum größten Triumph der kaiserlichen Landsknechte unter Georg
von Frundsberg und zum grausamen Ende der Schwarzen Bande. Zu ihrem Unglück
konnten die Franzosen ihre Truppenteile nur nacheinander in die Schlacht
führen. So wurden zuerst ihre Reiter von den kaiserlichen Schützen
zerstreut und als die 6.000 Mann starke Schwarze Bande anrückte wurde
sie von den zwei ungefähr gleich starken Gewalthaufen in die Zange
genommen. Die kaiserlichen Landsknechte haßten ihre Kollegen im französischen
Sold fast noch mehr als die Schweizer und waren nicht gewillt Pardon zu
geben. Viele kannten sich und hatten in anderen Schlachten unter derselben
Fahne gekämpft. Einige waren sogar verwandt. So kämpften der
Vetter von Wolf von Lupfen und der Bruder von Karl zu Orttenburg bei den
Kaiserlichen. Aber es gab keine Absprachen wie bei den Schweizern, die
den Kampf gegeneinander immer vermieden hatten. Es gab nur wilden Haß.
Kurz bevor sie aufeinanderstießen trat Langenmantel vor die Front
und forderte Frundsberg zum Zweikampf. Die kaiserlichen Landsknechte schrien
empört auf und hieben ihn in Stücke. Seinen Arm als Siegeszeichen
erhoben drangen sie auf die Schwarze Bande ein. Der Kampf war kurz und
erbarmungslos. Der Großteil der Schwarzen Bande und die meisten ihrer
Hauptleute wurden erschlagen. So ihr Führer Richard de la Pole, der
Herzog von Lothringen, der Graf von Nassau und über 50 deutsche Adlige.
Nur einige wenige wie der alte Hans von Brandeck und Wolf von Lupfen wurden
schwer verwundet gefangen genommen. Als endlich die Schweizer kamen, war
bereits alles vorbei. Erstmals in ihrer Geschichte suchten die Schweizer
jetzt ihr Heil in der Flucht; aber auch von ihnen entkamen nur wenige.
Ein Franzose bemerkte später bedauernd: "wie anders wäre die
Schlacht verlaufen, wenn unsere Schweizer wie die Landsknechte gekämpft
hätten." Das war sicher falsch, denn die Schweizer hätten angesichts
der Übermacht auch nur noch den Heldentod sterben können.
Die Gefangenen wurden später von Franz I. freigekauft und durch
neue Werbungen verstärkt. Der Graf Vaudémont führte bald
wieder 6.000 nach Italien. Fast alle fanden ihr Ende 1528 bei dem unglücklichen
Feldzug gegen Neapel. Sie starben an der Pest oder unter den Spießen
und Kugeln der kaiserlichen Landsknechte und Arquebusiere. Dort fielen
dann auch Hans von Brandeck und Wolf von Lupfen.
Wohl nirgendwo in der Söldnergeschichte wird der Schrecken und
das Grauen einer Schlacht so deutlich wie bei den Gemetzeln in Italien.
Landsknechte und Schweizer kämpften in bis zu 50 Gliedern tiefen Gewalthaufen.
Vorne standen die Pikeniere mit ihren fünf Meter langen Spießen,
dahinter kamen die Hellebardenträger und Schwertkämpfer mit langen
Zweihändern. Das erste und oft auch das letzte Glied bildeten gepanzerte
Doppelsöldner. Der Zusammenprall zweier Gewalthaufen war furchtbar.
Der alte Frundsberg umschrieb es in einfachen Worten so: "Wo unter den
langen Wehren etliche Glieder zu grund gehen, werden die Personen, die
dahinter stehen, etwas zaghaft." Wenn die Spieße und Hellebarden
im Gedränge nicht mehr bewegt werden konnten, wütete man mit
kurzen Schwertern, die aus gutem Grund "Katzbalger" genannt wurden, "Mordäxten",
Messern, Zähnen und bloßen Händen. Selbst die Schwerverwundeten
wehrten sich manchmal noch bis zum letzten Atemzug. So berichtet Schärtlin,
daß er einmal von einem Schweizer durch den Fuß gestochen wurde,
den er vorher mit einem Fausthammer niedergeschlagen und als tot liegengelassen
hatte. Viele wurden von der schiebenden Masse aber auch einfach erdrückt
oder zu Tode getrampelt. Richtig mörderisch wurde es, wenn einer der
Gewalthaufen anfing zu wanken. Dann gab es bald kein Halten mehr. Meistens
gelang nur ganz wenigen die Flucht; der überwiegende Teil wurde gnadenlos
abgeschlachtet.
Alles kam also darauf an, standzuhalten und den gegnerischen Haufen
möglichst schnell zum Weichen zu bringen. Dabei kam es nicht auf die
Fechtkünste des Einzelnen an - dreinschlagen konnte jeder - sondern
auf das Selbstvertrauen der eigenen Leute und die Furcht des Gegners. Die
Schweizer hatten den Glauben an die eigene Unbesiegbarkeit über Generationen
kultiviert, aber auch mit Terror die Moral ihrer Feinde untergraben. Schon
bei ihren ersten Einfällen in Italien hatten sie Angst und Schrecken
verbreitet, weil sie, ganz anders als die Condottieri, den sogenannten
"bösen Krieg" führten, bei dem entgegen der ritterlichen Praktiken
keine Gefangenen gemacht wurden. An diesem Grundsatz hielten sie so eisern
fest, daß sie sogar manchmal Gefangene allen Abmachungen zum Trotz
noch nach der Schlacht erschlugen. Eine Kriegsvorschrift der Berner brachte
es auf den Punkt: "Wir wölten gern den eren nach, das jederman erstochen
und niemand gevangen were; das wurd allweg den schrecken in unsern vinden
meren und unser guet lob behalten."
Solange sie ein Monopol auf diese Gewalthaufen hatten und nicht gegeneinander
antraten überrannten sie fast jeden Gegner mit relativ geringen Eigenverlusten.
Das änderte sich erst als die Landsknechte auf dem Markt erschienen.
Deren kurzes Standhalten 1513 bei Novara bezahlten sie mit bislang unbekannt
hohen Blutzoll. Gut zwei Jahre später hielten die Landsknechte die
französische Artilleriestellung bei Marignano und zwangen damit die
Schweizer zum ersten Rückzug ihrer Geschichte. Als die Schweizer im
französischen Dienst 1522 bei Bicocca auf die kaiserlichen Landsknechte
und Spanier unter Frundsberg stießen, forderten sie ungestüm
den Angriff. Angesichts der vorzüglichen feindlichen Stellung war
es eigentlich Wahnsinn, aber sie wollten mit aller Gewalt den Mythos ihrer
Unbesiegbarkeit wieder herstellen. Dem zaudernden französischen Feldherren
warfen sie Feigheit vor und stürzten sich ohne das Eintreffen der
Artillerie abzuwarten in wildem Haß auf ihre Erzfeinde. Sie wurden
unter schrecklichen Verlusten geschlagen. Drei Jahre später flohen
sie bei Pavia, nachdem die Schwarze Bande vernichtet worden war. Es war
ein Kampf um Selbstvertrauen. Und genau hier ist sicher die Hauptursache
für den gegenseitigen Haß zu suchen. Landsknechte und Schweizer
waren ihre jeweiligen Angstgegner.
Heldenhafte Angriffe gehören zumeist in den Bereich der Legende,
und dort wo es tatsächlich einmal dazu kam, war der Angreifer eigentlich
immer sicher, den Gegner beim ersten Zusammenprall in die Flucht zu schlagen.
Als diese Gewißheit nicht mehr gegeben war gingen die Gewalthaufen
nur noch ungern aufeinander los. Wenn die Angst vor dem Wall aus blanken
Eisen zu groß war, drohte man, fuchtelte mit den Waffen und schlug
ein wenig mit Schwertern und Hellebarden nach den Spießen. Die Landsknechte
waren berüchtigt dafür, daß sie sich nur zögernd schlugen,
wenn sie auf beiden Seiten etwa gleich stark waren. Aber auch Reiter beließen
es fast immer bei Drohgebärden. Ein Landsknecht überlieferte
ein typisches Scharmützel zwischen Fußvolk und spanischen Reitern:
"Ihr Officier kam weit vor seiner Reiterei her auf uns zu gallopieret,
vermeinet gewißlich, uns mit seiner Lanzen zu erschrecken. Als er
sich aber zu uns näherte und auf der unsrigen Zurufen nicht stillhalten
wollte und ohngefähr noch drei Piquen lang von uns war, wurde er aus
dem ersten Glied solchergestalt mit drei Kugeln empfangen, daß er
zur Erden fiel. Als nun die Reiterei nahe genug kam, wurde von etlichen
Gliedern Feuer unter sie gegeben, welches sie nicht lange vertragen konnten,
sondern gingen alle durch". Aus diesem Zaudern der Krieger vor dem selbstmörderischen
Angriff erklärt sich auch der große Erfolg der Schützen
in dieser Zeit. Die schweren und unhandlichen Hakenbüchsen hatten
zwar eine wesentlich langsamere Schußfolge als Armbrust oder Bogen,
konnten aber mit ihren circa 30 Gramm schweren Geschossen Harnische bis
auf 150 Meter durchschlagen. Von den Spießträgern geschützt,
wurden die Arquebusiere immer mehr zu den eigentlichen Kämpfern.
Der Zusammenprall zweier Gewalthaufen war also eher die Ausnahme. Meistens
versuchte man sich zuerst Mut zu machen und wartete auf Anzeichen der Schwäche
beim Gegner. Man rief sich Beschimpfungen zu, drohte, schwenkte die Waffen
und besonders gerne Teile von erschlagenen Gegnern. Bei Bicocca rief ein
schweizer Oberst als er Frundsberg erkannte: "ee du allter böswicht,
fynd ich dich do! Hat dein Leben noch kain endt? Du muest hie sterben von
meine hennt." Oft waren es archaische, ja geradezu animalische Rituale,
mit denen man sich selbst Mut machen und den Feind einschüchtern wollte.
Als die Landsknechte bei Marignano einen Angriff der Schweizer abgeschlagen
hatten, schnitten sie einem gefallenen Schweizer Hauptmann den Bauch auf
und schmierten mit seinem Körperfett ihre Spieße. Einen anderen
zerhackten sie, brieten und fraßen die Stücke. Dazu gab es Salat
aus einer eroberten grünen schweizer Fahne. Natürlich alles demonstrativ
im Angesicht des Gegners. Das Rittertum hatte als relativ abgeschlossene
Kriegerkaste solche uralten Rituale fast bis zur Unkenntlichkeit verfeinert.
Im einfachen Fußvolk traten sie wieder geballt hervor. Es ist anzunehmen,
daß sich Almogavaren, Brabanzonen oder vergleichbare Truppen ähnlich
verhalten hatten. Belegt sind solche Szenen allerdings erst von Schweizern
und Landsknechten.
Man könnte darüber streiten ob sich in Schweizern und Landsknechten
altgermanisches Brauchtum erhalten hat, oder ob Krieger in der ständigen
Spannung zwischen Angst und Überheblichkeit nicht immer wieder
ähnliche Rituale
entwickeln. Es wäre ein Streit um graduelle Wichtungen, denn
wahr ist sicher beides. Gerade die des öfteren berichtete Verwendung
des "Schmeers", des Fettes der Erschlagenen, kam über das Mittelalter
aus älteren Zeiten. Man schrieb ihm magische Wirkungen zu, und die
Henker betrieben mit dem Schmeer von Hingerichteten schon seit langem ein
einträgliches Nebengeschäft. Andererseits liegt in der Beliebtheit
von Amuletten, Trophäen, Wahrsagerei und Magischem zwar etwas atavistisches,
aber etwas das vom Kriegsvolk anscheinend stets wieder aufs neue entdeckt
wird. Also etwas, das das Gewerbe zwangsläufig mit sich bringt. Besonders
auffällig ist dies an den überdimensionierten Schamkapseln, mit
denen die Landsknechte ihre Männlichkeit zur Schau stellten. Sie erinnern
sicher nicht zufällig an die Penisköcher papuanischer Kopfjäger.
Ähnlich ist es mit den großen Landsknechtstrommeln. Ihr Gebrauch
kam aus dem Orient und war vorher in den europäischen Heeren unbekannt.
Die Landsknechte waren von dem rhythmischen Dröhnen fasziniert und
machten sie zu einem festen Bestandteil ihrer Kultur. Die Schweizer wiederum
verwendeten weit hallende Schlachthörner, wie den "Stier von Uri",
"die Kuh von Schwyz" oder "das Kalb von Unterwalden", die möglicherweise
aus germanischer Tradition kamen. Auch die von den Schweizern zuerst eingeführte
typische Kleidung, mit all ihrer primitiven Protzerei und ihrem lästigen
Pomp hat wenige Vorbilder. Sie war ein Ausdruck der Angeberei der Krieger.
Stolz schrieb ein Landsknecht, daß man ihn und seine Gesellen in
Spanien für "wilde Männer" gehalten hätte. Wilde Männer
waren finstere Märchengestalten, mit denen man Kindern Angst machte.
Bei all diesen teilweise archaischen Vorlieben für mystisches,
Schrecken erregendes Auftreten ist es unwahrscheinlich, daß der Name
der Schwarzen Garde allein auf eine zufällige schwarz-weiße
Einkleidung zurückzuführen ist. Vor allem, da kurz danach die
Schwarzen Banden im Dienst Frankreichs auftraten. Bezeichnenderweise wählten
nicht die frommen Knechte Frundsbergs, die für Kaiser und Reich kämpften,
diese Farbe, sondern die vom Kaiser mit Acht und Aberacht belegten, im
Sold des Feindes stehenden. Schwarz war die mystisch mächtige Farbe
des Todes. Europa wurde immer wieder von der Pest, dem "schwarzen Tod",
heimgesucht, die Magie galt als "schwarze Kunst", Henker trugen manchmal
schwarze Amtskleidung. All dies sind keine neuzeitlich nihilistisch-romantische
Verklärungen, wie etwa Florian Geyers "schwarzer Haufen". Es waren
wohlbekannte Symbole dieser Zeit. Tod und Teufel waren schwarz, und es
paßt dazu, wenn von der Schwarzen Bande berichtet wird, daß
sie gesagt haben sollen: "Gott könne nit mehr regieren, er wär'
zu alt und darumb hätte er ihnen das Regiment empfohlen".