Die Hugenottenkriege
Das Grab des deutschen Adels.
Wie in allen Religionskriegen, die Europa von der Mitte des 16. Jahrhunderts
bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges erschütterten,
ging es auch in den Hugenottenkriegen in Frankreich (1562-1598) nur vordergründig
um die richtige Konfession. Viel mehr kämpfte der Adel um seine ständischen
Freiheiten und Privilegien gegen den Ausbau der zentralistischen Landesherrschaft.
Vor allen Dingen fanden sich aber immer neue Koalitionspartner, um die
übermächtige Dominanz des habsburgischen Spaniens zu brechen.
Die Auseinandersetzung konzentrierte sich lange auf die Niederlande, wo
die nördlichen Provinzen in ihrem achtzigjährigen Freiheitskampf
(1568-1648) schließlich ihre Unabhängigkeit erreichten.
Da die französischen Könige verständlicherweise so ihre
Probleme mit der katholisch-spanischen Allianz hatten, und die Hugenotten
nur über sehr begrenzte Ressourcen verfügten, waren die Hugenottenkriege
immer eine Art Nebenkriegsschauplatz. Wenn es ihre Möglichkeiten erlaubten
schickten die Niederländer und Königin Elisabeth von England
den Hugenotten Geld und manchmal sogar Truppen, um dadurch die Spanier
dazu zu zwingen ihre Kräfte zu teilen und von wichtigeren Zielen abzuziehen.
Die Art des von ausländischen Mächten sporadisch alimentierten
Stellvertreterkrieges führte nicht nur dazu, dass die Hugenottenkriege
in eine ganze Reihe zeitlich begrenzter Konflikte zerfielen, sondern auch
unglaublich schlecht finanziert waren. Jede Partei nutzte die oft nur versprochenen
Hilfsgelder um möglichst viele Truppen zu werben, mit denen dann eine
schnelle Entscheidung erzwungen werden sollte. Da Erfolg und Sold regelmäßig
ausblieben, begannen die Söldner zu plündern, so dass viele große
Unternehmungen bald zu reinen Raubzügen degenerierten. Hier kam dann
noch der Fanatismus des Religionskrieges verstärkend hinzu.
Die französische Armee bestand bereits vor dem Ausbruch der Kämpfe
zu guten Teilen aus fremden Söldnern. So veranschlagt eine Spezialstudie
ihren Anteil bei der großen Heerschau 1558 in der Picardie mit 70%.
Das Rückgrat des Heeres bildeten zwar immer noch die schweren gepanzerten
Lanzenreiter, die Gendarmes der alten Ordonanzkompanien; die Infanterie
war dagegen völlig vernachlässigt worden und absolut kein Gegner
für Schweizer oder Landsknechte, die deshalb hier die große
Masse stellten. Aber auch die Gendarmes reichten längst nicht mehr,
um die Aufgaben der Kavallerie zu erfüllen. Aus diesem Grund wurden
hauptsächlich die so genannten Schwarzen Reiter, die "Reitres", in
deutschen Fürstentümern geworben, die dann auch die Mehrheit
der Kavallerie bildeten.
Durch die Hugenottenkriege wurde dieser Trend weiter verstärkt.
Die königlich-katholische Partei verzichtete zwar sehr schnell auf
den Einsatz von Landsknechten zu Gunsten der Schweizer, da sich diese als
weit überlegen erwiesen hatten, und erhielt auch spanische Infanterie
aus Flandern. Den Hugenotten blieb dagegen lange keine Alternative zu den
Landsknechten. Manchmal erhielten sie zwar auch kleinere Kontingente aus
England, doch meistens beschränkte sich Elisabeth darauf mit ihrem
Geld die Werbung deutscher Söldner zu finanzieren. Immer wichtiger
wurden jedoch für beide Parteien die Schwarzen Reiter, die mit ihrem
disziplinierten Pistolenfeuer nicht nur Schlacht entscheidend sein konnten,
sondern auch für weiten Truppenmanöver und Beutezüge ideal
geeignet waren.
Die Voraussetzungen für die Werbung waren hervorragend. Da sich
die deutschen Lande in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts einer
langen Periode relativen Friedens erfreuten und der Adel weiterhin ökonomisch
in der Krise steckte, bestand an Freiwilligen kein Mangel. Obwohl die protestantischen
Kurfürsten gegenüber den Hugenotten auf Neutralität bedacht
waren, um den Frieden im Reich nicht zu gefährden, gab es doch genügend
kleinere Fürsten und Adlige, die sogar bereit waren auf eigene Kosten
Truppen aufzustellen, um ihren Glaubensbrüdern zu helfen. Natürlich
sollten sich diese Investitionen später lohnen, und ohnehin reichten
sie bestenfalls bis zur ersten Musterung.
Das Provisorische dieser Aktionen wird dadurch unterstrichen, dass es
in den insgesamt acht Hugenottenkriegen lediglich zu sechs größeren
Schlachten kam. Wesentlich charakteristischer sind dagegen die ungezählten
Scharmützel, Belagerungen, Raubzüge und Überfälle.
Und immer wieder führten deutsche Adlige wie die Grafen von Nassau,
Wolfgang von Zweibrücken, Fabian von Dohna, der Pfalzgraf Johann Kasimir
oder Christian von Anhalt neue Heere aus Reitern und Landsknechten nach
Frankreich. Die blutigen Schlachten aber viel mehr noch Kleinkriege, Hinterhalte,
Streitereien im Lager, Hunger und Seuchen forderten ihren Tribut. Bald
bezeichnete man deshalb Frankreich auch als das "Grab des deutschen Adels".
Wir möchten nun zwei dieser Feldzüge etwas genauer betrachten;
den von 1587 unter Fabian von Dohna und den von 1591 unter Christian von
Anhalt. Sie vermitteln nicht nur ein eindrucksvolles Bild von den Hugenottenkriegen
und der im Gegensatz zur "großen Landsknechtszeit" weniger bekannten
Kriegsführung im späten 16. Jahrhundert, sondern geben durch
die persönlichen Aufzeichnungen Dohnas auch einen Einblick in die
Welt der kleineren Adligen, die ihr Glück in der Fremde suchten und
dann bei den berüchtigten schwarzen Reitern landeten.
Fabian von Dohna stammte aus einer alten brandenburgischen Adelsfamilie
und wurde 1550 in Stuhm geboren. Nach dem frühen Tod der Eltern übernahm
Fabians ältester Bruder Achatius die Verwaltung der Familiengüter.
Die drei anderen Söhne suchten wie viele Adlige Kriegsdienst im Ausland.
Heinrich fiel auf polnischer Seite 1562 in den livländischen Kriegen,
Abraham kam aus den Hugenottenkriegen krank nach Hause und starb, Hans
verletzte sich tödlich bei einem Jagdunfall in Holstein und Friedrich
ertrank in Dänemark. Fabian der jüngste kam unter die Vormundschaft
von Achatius. Dieser schickte ihn an den Hof des Markgrafen von Brandenburg,
und dann zum Studium nach Straßburg. Dort saß er mit seinen
14 Jahren mit einigen anderen Söhnen des märkischen Adels. Zu
Hause hatte man sie mit einem Diener und gutem Zehrgeld ausgestattet und
war froh sie für einige Jahre los zu sein.
Ohne Aufsicht ließ der Lerneifer natürlich bald nach, dafür
wurde das Geld um so schneller ausgegeben. Dohna klagte später, dass
er in "böse Gesellschaft" geraten sei "und mit dem Gelde, das ich
aus Unverstand mehr, als aus Mutwillen verzehret, hette man drey praeceptores
unterhalten können." Als die Studenten wegen der Pest von Straßburg
für einige Monate nach Frankfurt wechselten, geriet er "vollends gar
in die Schwemme und in ein wüstes Leben." Mehrmals musste er seinem
Bruder schreiben und um mehr Geld bitten. Trotzdem hinterließ er
in Straßburg eine Menge Schulden und fürchtete den Zorn des
Bruders. Der musste jedoch erst einem wichtigeren Problem nachgehen: Ihm
war zu Ohren gekommen, dass Fabian "ein Weib genommen" habe. Es ist unklar,
ob Fabian das Gerücht entkräften konnte, oder ob man die Sache
mit Geld aus der Welt schaffen konnte. Jedenfalls hielt es Achatius für
angebracht den Tunichtgut nach Italien abzuschieben.
In Italien traf er wieder auf eine Reihe junger deutscher Adliger. Sie
besuchten Neapel, Florenz und Rom, feierten mit Musik und Wein. Bald musste
er zurück in Heimat, um Geld zu holen. Doch als auch das aufgebraucht
war, blieb ihm nichts anderes übrig, als dem schönen Land endgültig
Lebewohl zu sagen. "Daheimen musst ich ein Zeitlang verharren mit mechtigem
grossen Verdruss. Dieweil ich aber kein Geld hatte, wußte auch keines
aufzubringen, mußte ich Patienz haben, dann die Zeit der arrenda
meiner Güter war noch nicht aus, und das Geld, dessen nicht viel war,
war schon verthan."
Er war jetzt Mitte Zwanzig, konnte italienisch, französisch und
etwas Latein, litt an chronischem Geldmangel und Langeweile. Er wollte
reisen und etwas erleben. Viele seiner Alters- und Standesgenossen waren
in einer ähnlichen Situation. Ein Krieg erschien da als Lösung
aller Probleme. Doch Kriege waren nicht immer so einfach zu finden. Als
er endlich von einem geplanten Zug in die Niederlande hörte, lieh
er sich von seinem Bruder Geld und machte sich mit vier Pferden auf den
Weg. Aber der Krieg in den Niederlanden erwies sich schnell als leeres
Gerücht. Dohna hörte von einem anderen Kriegszug, den der Pfalzgraf
Johann Kasimir nach Frankreich plane. Er zog nach Frankfurt und knüpfte
Kontakte. Am Hof des Pfalzgrafen wurde zwar fleißig konspiriert aber
das Geld reichte nicht. Währenddessen lag Dohna mit Pferden und Gesinde
in Frankfurt und machte Schulden. Bald war er so weit "alles zu Gelde zu
machen, und den Rhein hinab zu fahren und mich unter die Landsknechte zu
mischen." Aber man machte ihm Hoffnungen auf einen neuen Feldzug nach Frankreich.
Endlich war es so weit. Man befahl Reiter und Landsknechte nach Zutphen
zur Musterung. Dort fanden sich dann 6.000 Reiter und 10 Fähnlein
Landsknechte zusammen. Aber der Sold ließ auf sich warten. Dohna
war inzwischen in das engere Gefolge des Pfalzgrafen aufgerückt, so
dass in Courtray wenigstens gut für sein leibliches Wohl gesorgt wurde.
Das einfache Kriegsvolk war da schon schlechter dran; es lebte vom Ersparten,
machte Schulden und plünderte im Umland. Als der Pfalzgraf nach England
reiste, um bei Königin Elisabeth Geld loszueisen, kam es zur Meuterei.
Die Spanier hatten die protestantische Armee von Anfang an mit Misstrauen
beäugt und Werber ins Lager geschickt. Nach der Abreise des Pfalzgrafen
ließen sich viele Reiter und Landsknechte von ihnen abwerben oder
zur Heimkehr bewegen, und in kurzer Zeit löste sich das Heer von selbst
auf.
Da ihn aber zu Hause nichts erwartete, blieb Dohna am Hof des Pfalzgrafen
"zwar nicht mit stattlicher Besoldung, (dann er vermocht es nicht) aber
sonsten gehalten, nicht wie ein Diener." Nach und nach wurde er dort zum
Kenner der protestantischen Diplomatie: Verhandlungen mit hugenottischen
Abgesandten und deutschen Fürsten, Besuche von Land- und Reichstagen
und immer wieder Versuche Geld für einen neuen Krieg aufzutreiben.
Zwischendurch ließ er sich einmal von seinem Bruder Achatius dazu
überreden, sich an den livländischen Kriegen des polnischen Königs
Stephan Bathory zu beteiligen. Bei der langwierigen Belagerung von Pleskau
(Pskow) lernte Dohna dann erstmals den Krieg kennen. Er beobachtete den
Einsatz der Artillerie, das Vorantreiben von Laufgräben und beteiligte
sich am Sturm auf die Breschen. Noch mehr lernte er beim Kleinkrieg im
Hinterland und durch die Beobachtung der internationalen Mischung im Feldlager.
Dort befanden sich neben Polen, Ungarn und Kosaken auch zahlreiche deutsche
und schottische Söldner.
Pskow konnte nicht genommen werden. In dem armen Land gab es nicht viel
zu plündern und Bathory zahlte nur unregelmäßig. Letztendlich
lag Dohna in Riga und machte wieder Schulden. Denn er musste nicht nur
sich selbst versorgen, sondern auch sein persönliches Gefolge. Das
wurde teuer. "Ich schickte all mein Gesinde von mir; denn sie hetten mich
zum Bettler gefressen", schreibt er. Ein vorläufiger Frieden entband
ihn dann seiner Verpflichtungen und er kehrte wieder an den Hof des Pfalzgrafen
zurück, nicht ohne seinem Bruder vorher heftige Vorhaltungen gemacht
zu haben.
Abgesehen von einer kurzen Episode im Kölner Krieg verbrachte er
Jahre am Hofe und mit der Verwaltung seiner Güter, bis 1587 endlich
die Aufstellung eines großen Heeres zur Unterstützung der Hugenotten
beschlossen wurde. Einige protestantische Fürsten aber vor allem die
Königin von England hatten Geld gegeben, um diesen Feldzug auf den
Weg zu bringen. Man versammelte 6.000 Reiter, ein Regiment Landsknechte
und drei Regimenter Schweizer. Im Elsass stießen dann noch Truppen
der Hugenotten dazu. Dohna wurde dem französischen Oberbefehlshaber
als Vertreter der Deutschen an die Seite gegeben, da er das uneingeschränkte
Vertrauen des Pfalzgrafen besaß.
Von Anfang an war der Feldzug schlecht geplant. Deutsche und Franzosen
lagen ständig im Streit über die Ziele; Regen verwandelte die
Wege in Morast; der Nachschub blieb aus, und Sold gab es sowieso keinen.
Langsam und plündernd bewegte sich das Heer durch das Elsass und durch
Lothringen. Katholische Reiter unter dem Herzog von Guise folgten dem Tross
und machten Nachzügler und einzelne Streifscharen nieder. Die Katholiken
verhandelten mit den unzufriedenen Schweizern und konnten sie mit einer
Zahlung zum Abzug bewegen. Kaum waren die Schweizer weg, wurde das Heer
von Guises Reitern bei Chartres überfallen. Neben vielen Landsknechten
und Reitern ging dabei der ganze Tross verloren. Danach begann der Rückzug.
Ständig verfolgt von Guises Reitern schleppte sich das Heer entlang
der Loire nach Burgund. Nässe, Hunger und Seuchen waren ständige
Begleiter. Kranke und Verwundete mussten zurückgelassen werden und
wurden von der ausgeplünderten Bevölkerung oder Guises Reitern
massakriert. Schließlich boten nur noch Verhandlungen einen Ausweg.
Die Katholiken erlaubtem dem immer noch gefürchteten Gegner freien
Abzug. So dass Dohna schließlich mit 2.000 Mann Genf erreichte. Das
war der erbärmliche Rest des einst stolzen Heeres von über 30.000.
Doch auch diese Katastrophe tat dem Zustrom an Söldnern nach Frankreich
keinen Abbruch. Kleine Gruppen folgten ständig den Werbern oder zogen
selbständig über die Grenze. Zu einem großen Feldzug kam
es erst wieder 1591 unter der Führung von Christian von Anhalt, als
nach langwierigen Versuchen das notwendigste Geld zusammen gekommen war.
Unter den vielen adligen Hauptleuten befand sich auch Dohna. Dieses Mal
plünderten und brannten die Reiter schon beim Anmarsch durch die protestantischen
Gebiete des Reichs. Da noch kein Sold ausbezahlt worden war, blieben auch
die Abwerbeversuche katholischer Agenten nicht ohne Erfolg. Das einzige
Mittel, um die zügellosen Gewalttätigkeiten und Desertionen einzudämmen,
wäre die Musterung gewesen. Erst mit dem ersten Sold und dem Fahneneid
begann die Befehlsgewalt. Aber diesen Termin wollten die Auftraggeber natürlich
möglichst weit hinausschieben.
Ständig fanden sich mehr Söldner im Gebiet von Mainz ein und
wurden zu einer immer größeren Plage für die Bevölkerung.
Am Tag der Musterung zählte man 5.500 Reiter, 6.000 Landsknechte,
3.000 Wallonen und über 1.000 Schanzgräber; dazu kam die Artillerie
und ein riesiger Tross. Eine endlose Karawane von Planwagen, kleinen Karren,
Maultieren, Packpferden und schwer beladenen Fußgängern folgte
dem Heer. Invaliden und Vagabunden schlossen sich dem Tross an, um durch
Betteln ihr armseliges Leben zu fristen oder am Rande der Heerstraßen
selbst etwas Beute zu machen. Da für die Heeresfolger keine Verpflegung
geliefert wurde, konnten sie sich nur mit Dienstleistungen oder Raub ernähren.
Meist wurden sie als "Bagage" oder "Canaille" verachtet. Ein deutscher
Heerführer dieser Zeit entwirft kein sehr vorteilhaftes Bild von ihnen:
"Wan man heutiges Tages ein Regiment Teutsches Kriegsvolck wirbt / hastu
dreytausend Mann / so wirstu gewiß vier tausend Huren vnd Jungen
finden / vnd das abgefeimte leichtlosest Gesindlein / was nirgends in Landen
vnd Staetten bleiben will /das laufft dem Krieg zu / ist alles gut genug.
Da hoeret man vnter demselbigen Gesindlein solches fluchen / schweren /
zotten / mausen / packen / stehlen / pluendern / Haeuser vnd Kisten fegen
/ vnd andere leichtfertige / lose / boese Haendel / davon vor unsern Zeiten
/ so es ein heidnischer Kriegsmann hette gsehen / solte er erstarret seyn."
Im August begann endlich der Marsch nach Frankreich. Wieder weichte
Regen die Straßen auf und der Tross kam nur langsam von der Stelle.
Bereits am Anfang mussten einige Wagen und Geschütze zurücklassen
werden, da die Bespannung nicht ausreichte. Sobald lothringisches Gebiet
erreicht war, fielen die Söldner völlig enthemmt über die
Bevölkerung her. Höfe und Dörfer wurden niedergebrannt,
die Menschen misshandelt oder erschlagen. Christian von Anhalt ließ
zwar den einen oder anderen Übeltäter hängen, meistens waren
aber keine Verantwortlichen zu ermitteln. Sicher hat auch kein Vorgesetzter
allzu intensiv nach ihnen gesucht. Deutsche und Wallonen gerieten beim
Plündern aneinander und lieferten sich regelrechte Gefechte. Vor Metz
meuterte ein wallonisches Regiment, um endlich seinen Sold zu erhalten.
Da kein Geld vorhanden war, verließen die Wallonen das Heer und zogen
auf eigene Faust plündernd nach Norden, wobei allerdings die meisten
von wütenden Bauern erschlagen wurden.
Ein großes Problem war die Versorgung mit Lebensmitteln, da die
Einwohner die Ernte bereits an sichere Plätze gebracht hatten. Die
Verteidiger dieser Burgen und Schlösser waren anfangs bereit, sich
durch die Herausgabe von Lebensmitteln die eigene Sicherheit zu erkaufen.
Nachdem die Söldner in ihrer Mordlust und Gier jedoch mehrere dieser
Besatzungen samt Frauen und Kindern massakriert hatten, musste viel Zeit
für langwierigen Belagerungen aufgewendet werden. Im September stieß
König Heinrich zum Heer, doch auch er hatte außer guten Worten
nichts dabei. Die Truppen streiften marodierend durchs Land und verlangten
immer aufrührerischer nach Geld. Im September lockte man sie dann
mit der Aussicht auf die Plünderung des reichen Rouen in die Normandie,
ohne allerdings zu erwähnen, dass die Stadt bereits für frühere
Subsidien an die englische Königin verpfändet war.
Inzwischen hatte der Herbst begonnen und vor allem die Fußtruppen
litten sehr unter Kälte und Hunger. Jeder Nachzügler oder schlecht
bespannte Wagen wurde von den katholischen Reitern geschnappt. Im Oktober
kam es zur offenen Meuterei eines ganzen Regiments. Die Landsknechte verjagten
ihre Offiziere und machten sich auf den Weg in die Niederlande. Da man
fürchtete, dass sie dort von den Spaniern in Dienst genommen werden
könnten, wurden sie sofort verfolgt und mit viel Zureden und etwas
Gewalt zur Umkehr gezwungen. "Darnach liess man etliche henken, da wurden
sie wieder fromm," schreibt Dohna. Obwohl seit Monaten ohne Sold, hatten
die Knechte kein Recht ihrerseits den Dienst aufzukündigen. Die einzige
Chance, ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, wäre eine groß
angelegte Meuterei gewesen. Doch dazu war das Heer zu uneinig. Die Reiter
erhielten mehr Sold als die Landsknechte und diese mehr als die Wallonen.
Durch die Spannungen unter den verschiedenen Truppenteilen blieben den
Kommandeuren immer genug Söldner, um einzelne Regimenter wieder zum
Gehorsam zu zwingen.
Die Belagerung von Rouen begann im Winter. Nach langen Verhandlungen
hatte König Heinrich wenigstens den Sold für einen Monat bezahlt.
Aber es war kalt und Lebensmittel knapp und teuer. Feldlager im Winter
waren fast immer erbärmliche Stätten, deren Elend jedes Vorstellungsvermögen
übersteigt. Hunger und Seuchen zerstörten in diesen Lagern weitaus
mehr Heere als die mörderischen Schlachten. Die Landsknechte hausten
unter undichten Zeltplanen, andere hatten kleine Hütten aus Reisig
und Stroh. Warme Kleidung besaßen nur die Reichsten; viele hatten
weder Decken noch Mäntel und gingen auch im Winter barfuß. Geregelten
Nachschub gab es praktisch nie.
Bei Belagerungen und Feldzügen durch Landstriche, in denen es nicht
viel zu plündern gab, war der Hunger das größte Problem.
Manchmal verhungerten tausende in den Lagern oder entlang der Marschwege
durch ausgesogenes Gebiet. Die vom Hunger geschwächten und eng zusammengepferchten
Menschen waren für Seuchen besonders anfällig. Hitze, Nässe,
Kälte und Ungeziefer trugen das ihre dazu bei. Viele Söldner
waren chronisch krank, litten an Tuberkulose, Rheuma, Syphilis, Krätze
oder an alten Verwundungen. Ruhr, Hungertyphus oder die als Bräune
bezeichnete Diphtherie rafften tausende hinweg. Besonders verheerend waren
Pocken, Pest und im Süden die Malaria. Aber es mussten keine großen
Seuchen sein. Oft genügte eine einfache Erkältung, um den ausgezehrten
Knechten auf ihren fauligen Strohlagern den Rest zu geben. Zuerst starben
allerdings die Heeresfolger, die Invaliden, Frauen und Kinder.
Während die Reiter bei ihren Streifzügen immer noch die Chance
hatten etwas aufzutreiben, trugen die Landsknechte die Hauptlast der Kämpfe
in den Laufgräben und um die Schanzen. Als Ende Februar ein Ausfall
der Belagerten nahezu alle bisherigen Erfolge zunichte machte, hatten wieder
die Landsknechte die schwersten Verluste. Verzweifelt versuchte Heinrich
Geld aufzutreiben, um die Söldner zum Aushalten zu bewegen. Doch es
reichte noch nicht einmal für einen Sold. Man versuchte die Söldner
bei der Umrechnung der Währungen zu betrügen und zum Teil mit
überteuerten Stoffen zu bezahlen, was die Stimmung im Lager nicht
besserte. Das gesamte Umland war ausgeplündert und Lebensmittel kaum
noch zu bekommen. Unter den ausgehungerten und frierenden Knechten grassierten
Seuchen. Selbst die Offiziere waren inzwischen verschuldet und hatten einen
Großteil ihrer Habe verkauft. Da nützte es wenig, dass es in
der Stadt noch schlimmer aussah. Als dann noch im April ein spanisches
Heer anrückte, wurde die Belagerung aufgegeben.
Die beiden gegnerischen Heere durchstreiften daraufhin die Normandie
und lieferten sich kleinere Gefechte. Zu einer richtigen Schlacht waren
die demoralisierten Deutschen jedoch nicht mehr zu bewegen. Schließlich
zog man in die Champagne, wo das Heer dann im Juli entlassen wurde. Nicht
einmal drei Monate waren bezahlt worden, für den Rest erhielten die
Söldner Schuldverschreibungen, die allerdings später nur zu geringen
Teilen eingelöst wurden. Die Verluste waren dieses Mal nicht ganz
so verheerend wie bei Dohnas erstem Feldzug und hatten vor allem die Landsknechte
getroffen, die allerdings bis zu zwei Drittel ihres Bestandes verloren
hatten.
Landsknechte entschieden keine Schlacht mehr. Sie waren zum billigen
Fußvolk geworden, das vor allem bei Belagerungen gnadenlos verheizt
wurde. Die notwendigen Massen konnten aber weder regelmäßig
bezahlt noch anständig versorgt werden. 100.000 Gulden waren im Spätmittelalter
für Urslingens Große Kompanie noch eine äußerst reiche
Beute gewesen. Jetzt warb man Zehntausende an, aber unterhalten konnte
sie auf Dauer niemand. Die Kosten des Kriegszuges unter Christian von Anhalt
beliefen sich fast auf drei Millionen Gulden.