Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Von Tempsky

Offizier, Goldsucher und Abenteurer.

Durch einige Geschichten von Jack London geistert ein gewisser "Von". Nur ganz am Rande ist von ihm die Rede: ein Rancher auf Hawaii, ein Abenteurer der Südsee. Gräbt man ein bisschen nach, stößt man auf einen Louis von Tempsky einen Großgrundbesitzer auf Hawaii, mit dessen Tochter Armine, einer Schriftstellerin, London befreundet war. Beim Ursprung so mancher Familienlegende, die London wahrscheinlich beeindruckt haben, handelt es sich um Gustavus Ferdinand von Tempsky einen ehemaligen preußischen Offizier, der in Kalifornien, Australien und Neuseeland nach Gold suchte und dazwischen sein Glück als Söldner versuchte.

von Tempsky Tempsky war dabei eigentlich noch nicht einmal besonders ungewöhnlich für seine Zeit. Während französische und ganz besonders britische Offiziere der Langeweile des Garnisonsdienstes oder ihren privaten Problemen in den Kolonialdienst entfliehen konnten, gab es für ihre preußischen Kollegen kaum Alternativen. So erstaunt es nicht, dass Mitte des 19. Jahrhunderts eine relativ große Zahl von ihnen um den Globus vagabundierte, natürlich gemeinsam mit denen aus österreichischen, italienischen oder dänischen Diensten. Ganz zu schweigen von den vielen Schweizern, die nach dem Ende des Fremdendienstes, völlig ohne Karrierechancen waren. Was Tempsky von vielen seiner Standesgenossen unterschied, war dass er nicht nur seinen adligen Dünkel spazieren trug, sondern sich auch auf neue Situationen einstellen konnte. Das zeigte er vor allem in den Maori-Kriegen als einer der führenden Offiziere der neuseeländischen "Forest Rangers". Diese Einheit, durchaus modernen Special-Forces vergleichbar, hatte man aus im Kleinkrieg erfahrenen Männern gegründet, um die Maoris im Busch zu bekämpfen, wo ihnen das reguläre Militär hoffnungslos unterlegen war.

Die Maoris waren vielleicht die tapfersten Krieger, denen sich die Briten bei der Eroberung des Empires gegenübergesehen haben. Trotz ihrer geringen Zahl hielten sie sich bis 1872 und erreichten auch dann noch so günstige Konditionen, wie sie kein unterworfenes Volk in dieser Zeit erhalten hat. Während dieser Kämpfe waren Tempsky und die von ihm ausgebildeten Männer einige der wenigen, die es mit diesen geborenen Kriegern im Busch aufnehmen konnten und ihnen sogar etwas Respekt abnötigten. Dennoch liegt es nicht in unserem Interesse, Tempskys "Heldentaten" breitzutreten. Es geht uns viel mehr darum, wie und warum der Spross einer polnisch-preußischen Offiziersfamilie im neuseeländischen Busch sein Ende fand, umgeben von barbarischen Wilden, die ihre kannibalistischen Riten feierten.

Gustavus Ferdinand von Tempsky wurde 1828 im schlesischen Liegnitz geboren. Der Familienname leitet sich vom polnischen Tempcz bei Danzig ab. Wie viele westpolnische Adelsfamilien heirateten auch die Tempskys oft deutsche Frauen und entwickelten sich zu typisch preußischen, besser noch "ostelbischen Junkern". Seit Generationen standen sie im preußischen Militärdienst. Einer hatte als Oberst unter Friedrich dem Großen gedient, und auch Gustavus’ Vater und älterer Bruder waren preußische Offiziere. Er selbst wurde, wie in diesen Zeiten üblich bereits als Kind nach Berlin auf die Militärschule geschickt. Mit 16 hatte er dann als Fähnrich sein erstes Kommando. Das Regiment lässt sich heute zwar nicht mehr feststellen, aber wahrscheinlich diente er mit seinem Bruder bei den Gardefüsilieren.

Allerdings war der Militärdienst damals alles andere als abwechslungsreich. Abgesehen von einigen Manövern und den damit verbundenen Empfängen und Bällen, erschöpfte er sich in stupider Routine, und auch die Beförderungen, das "Avancement" ließen Jahre auf sich warten. Zudem war Tempsky viel aufgeschlossener als die meisten seiner Standesgenossen, denen es reichte, ihre reichlich bemessene Freizeit mit Spiel, Alkohol und Frauen zu füllen. Er interessierte sich für Musik, Literatur und vor allem Malerei. Er besuchte nicht nur Konzerte und Museen, sondern spielte auch ein Instrument und schrieb und malte ganz anständig. Man kann also mit gutem Recht annehmen, dass ihm der Garnisonsdienst wenig zu bieten hatte. Andererseits gab es auch für abenteuerlustige junge Männer seiner sozialen Schicht wenig Alternativen.

Aber auch andere Männer fühlten sich damals unterfordert und sahen sich nach neuen Betätigungsfeldern für ihre Talente um. Zu ihnen gehörte Ernst von Bülow, der an einem Kolonisationsprojekt an der Mosquito-Küste arbeitete. Zu diesem Zeitpunkt betrieb zwar keiner der deutschen Klein- und Mittelstaaten irgendeine Form der Kolonialpolitik, dennoch waren dubiose Projekte mit Auswanderern groß in Mode. Skrupellose Geschäftemacher versprachen armen Kolonisten Land und Reichtum, in internen Kreisen salbaderten sie dann von der Größe Deutschlands und ihrem Dienst am Volk. In Wirklichkeit sahen sie sich aber selbst als Herzöge oder Gouverneure neuer riesiger Provinzen, die von fleißigen Auswanderern bewirtschaftet wurden. Von den Schwierigkeiten der Kolonisation hatten sie dabei nicht die geringste Ahnung; sie suchten nur freie Stellen auf der Landkarte. Zahllose wurden auf diese Weise ins Elend geschickt. Besonders beliebt für solche Projekte war hier Lateinamerika - z.B. Brasilien, Mittelamerika oder Texas, da sich hier nach dem Abzug der Spanier die neuen Mächte noch nicht sehr stark etabliert hatten.

Bülow hatte für sich die Karibikküste Nicaraguas entdeckt. Die dort lebenden Indianer waren nicht nur arm, sondern auch sehr kriegerisch und deshalb von den Spaniern nie unterworfen worden. Später hatten sich dort Bukaniere von Jamaika eingenistet, die sich, als der Seeraub nicht mehr, auf den Handel mit Tropenhölzern verlegten. Dadurch bestand seit langem ein starker britischer Einfluss, und so wurde in London darüber nachgedacht vergessenen Teil der Welt dem Empire einzuverleiben. Diese Pläne gewannen an Bedeutung, da viele kluge Leute vor dem Bau des Panamakanals in Nicaragua die beste Landverbindung zwischen Atlantik und Pazifik sahen. Da das Projekt dennoch möglichst wenig kosten sollten, ernannten die Briten den obersten Häuptling der Indianer zum "Mosquitokönig" und versorgten ihn mit Waffen und einem britischen Konsul.

San Juan del Norte Das größte Problem war jedoch der Mangel an europäischen Siedlern als Schutz gegen die Ansprüche Nicaraguas und der USA, die Mittelamerika zunehmend als ihr Einflussgebiet betrachteten. In der potentiellen "Hauptstadt" Bluefileds lebten neben einigen Weißen - unter ihnen der schottische Holzhändler James Stanislaus Bell - lediglich 600 Indianer, Schwarze und Mulatten. Hier kam nun Bülow ins Geschäft. Er versprach den Briten Kolonisten und erhielt dafür großzügige Landversprechungen. Dabei war natürlich klar, dass man in der neuen Provinz auch Verwalter und Offiziere benötigen würde. Zu diesem Zweck wurden dann Tempsky und noch einige andere preußische Offiziere angeworben. Er war gerade 20 Jahre alt und scheint in diesem Projekt seine große Chance gesehen zu haben, dem öden Garnisonsdienst zu entkommen. Dort an fernen, exotischen Gestaden winkten nicht nur Abenteuer, sondern auch Reichtum und Karriere. So kam er 1848 zusammen mit etwa 100 preußischen Kolonisten an, die bei Bluefields den Vorort Carlsruhe gründeten.

Um die Passage über den Isthmus zu kontrollieren, mussten die Briten aber auch den Fluss San Juan und die Hafenstadt San Juan del Norte ihrer projektierten Kolonie angliedern; dort standen aber Truppen Nicaraguas. Bald begannen die Auseinandersetzungen. Die Kolonisten mussten eine "Prussian Company" bilden, in der auch Tempsky diente. D.h. er musste mit den Kolonisten exerzieren. Allerdings konnte man bei den bescheidenen Kräfteverhältnissen in Mittelamerika keine blutigen Schlachten erwarten. Durch die Anwesenheit eines britischen  Kriegsschiffes wurde San Juan del Norte kampflos besetzt und in Greytown umbenannt. Als Briten dann abzogen und nur einen kleinen Polizeiposten zurückließen, "eroberten" es Nicaraguaner zurück. Die einzigen Verletzungen erhielt dabei die britische Flagge, die der nicaraguanische Oberst mit ein paar Schüssen durchlöcherte. Diese wüste Ehrverletzung war nun der Grund für ein massiveres britisches Eingreifen. Eine Kompanie Infanterie wurde gelandet, um den ganzen Fluss zu erobern. Die preußische Miliz wurde zwar zu Hause gelassen, aber Tempsky schloss sich dem Unternehmen an, in dem er sein erstes kriegerisches Abenteuer sah.

Dieses Mal leisteten die Nicaraguaner zumindest an einer Stelle Widerstand; die Briten mussten sich den Weg freikämpfen und hatten sogar zwei Gefallene und mehrere Verwundete. Daraufhin räumten die Nicaraguaner jedoch die kleinen Forts am Fluss gegen freien Abzug, und die Briten konnten sogar San Carlos am Nicaraguasee ohne Widerstand besetzen. Den eigentlichen Feind lernten sie erst danach kennen: das Gelbfieber. Innerhalb weniger Wochen verloren sie ca. 150 Mann und hatten noch viel mehr Kranke. Schließlich mussten sie sich zurückziehen. In der preußischen Kolonie gab es ähnliche Probleme. Alle litten stark unter Moskitos, Malaria und Gelbfieber griffen um sich. Viele starben und die Restlichen waren oft krank. In einem Bericht heißt es: "Es gab nicht genug Gesunde, um die Toten zu beerdigen." Das ganze Unternehmen war ein Desaster. Die Überlebenden suchten bald nach anderen Möglichkeiten und zerstreuten sich in Mittelamerika. Einige wie der ehemalige Husarenleutnant Bruno von Natzmer schlossen sich später William Walker an.

Wesentlich gravierender war aber, dass sich die Spannungen zwischen London und Washington verschärften. Die Briten entschlossen sich daraufhin das Terrain zu räumen und lediglich ganz inoffiziell die Truppen des Mosquitokönigs auszubilden. Da Tempsky inzwischen eine enge Beziehung mit Emelia Bell, der Tochter des schottischen Holzhändlers, hatte und sich mit Heiratsplänen trug, nahm er den Job an. Also drillte er nun die Indianer auf preußische Manier. Das war dort sicher alles andere als angebracht. Aber Tempsky war kein sturer Kommisskopf, sondern für vieles offen. Deshalb lernte er viel von den Indianern bei den Streifzügen im Dschungel. Für ihn wurde es eine Art Grundausbildung im Guerillakrieg, die ihm später noch viel nützen sollte. Inzwischen interessierte sich jedoch die Wallstreet in Person von Cornelius Vanderbilt für die Transitroute in Nicaragua. Um leichter zu den Goldfeldern in Kalifornien zu kommen, gründete Vanderbilt die "Transit Company" und versuchte die Briten aus Nicaragua ganz zu vertreiben. Durch seinen politischen Einfluss wurde 1850 das Clayton-Bulwer-Abkommen unterzeichnet, in dem Briten auf die Mosquitoküste verzichteten. Damit war auch Tempskys Karriere als Instrukteur vorbei.

San Francisco Ohne festes Einkommen hatten sich seine Heiratspläne vorerst zerschlagen. Kein Wunder also, dass er sich vom Goldfieber anstecken ließ. Er beschloss, nach Kalifornien zu gehen, um reich zurückzukehren. Im Sommer 1850 kam er in San Francisco an. Es war eine wilde, chaotische Stadt; im Hafen lagen hunderte verlassener Schiffe, deren Besatzungen zu den Goldfeldern desertiert war. Allerdings war die Goldsuche nicht so einfach, und so diente Tempsky bald in der privaten Truppe des Schweizers John Sutter. Auf dessen ausgedehnten Ländereien war das erste Gold gefunden worden, und nun versuchte er verzweifelt seinen Besitz gegen die anstürmenden Massen der Goldsucher zu verteidigen. Es gab Schießereien und wahrscheinlich wurde auch der eine oder andere "Viehdieb" gehängt. Aber es war ein hoffnungsloses Unterfangen. Die Goldsucher durchwühlten seinen Grund, fällten seine Bäume und schossen sein Vieh. Nachdem Sutter bankrott war, wusch Tempsky wieder Gold. Hier lernte er das "Bowieknife" schätzen, die Hauptwaffe der Goldsucher bei Streitereien. Es war ein hartes Leben. Tempsky, inzwischen sicher ein erfahrener Kämpfer, wurde mehrmals überfallen und ausgeraubt; einmal rettete er nur knapp sein Leben. Bald schloss er sich wieder einer bezahlten Schutztruppe an, die den mexikanischen Banditen Joaquim Murietta jagte. Danach suchte er wieder nach Gold. Doch das wenige, das er fand, rann ihm durch die Finger.

Nach drei Jahren hatte er genug. Emelia wartete immer noch auf ihn, und so machte er sich über Mexiko auf den Rückweg nach Bluefields. Auch die Reise war nicht ohne Gefahren. Es gab Überfälle durch Indianer und Banditen. Dennoch nutzte Tempsky die Gelegenheit Land und Leute ausgiebig kennen zu lernen. Neun Monate verbrachte er in Mexiko und sieben in Guatemala. Im Juni 1855 war er dann wieder in Bluefields. Er war nun zwar reich an Erfahrungen aber immer noch ohne Geld. Dennoch war die Hochzeit nicht mehr aufzuhalten, die in Anwesenheit des Mosquitokönig gefeiert wurde. Um etwas zu verdienen, trat Tempsky dann in die Firma seines Schwiegervaters ein, wo er als Holzfäller für Mahagoni und Brennholz für die Flussdampfer schlug. Nach einem Jahr wurde sein erster Sohn - Randal - geboren. Als jedoch der nordamerikanische Einfluss an der Küste immer stärker wurde, beschloss die Familie nach Schottland zurückzukehren. Die Anfänge dort waren nicht schlecht. Tempsky besuchte mit seiner Familie seine Eltern in Preußen und publizierte in London seinen Reisebericht über Mittelamerika. Doch das brachte alles kein Geld, und so wurden seine Aussichten zunehmend trostloser. Was sollte ein Ex-Offizier und Goldsucher in England anfangen. Die Geburt seines zweiten Sohnes, den er nach seinem Vater Louis nannte, verschärfte die Situation weiter. Auch seiner Frau gefiel es im grauen Schottland nur wenig.

Deshalb zögerten sie nicht lange, als ein in Australien Cousin seiner Frau von dortigen Goldfunden schrieb. Für Tempsky war klar, dass er dort mit seinen Schürferfahrungen schnell sein Glück machen könnte. Nach langer Seereise trafen sie schließlich in Melbourne ein. Sie kamen auf dem Höhepunkt des Goldrausches. Aber auch hier lagen die Goldklumpen nicht auf der Straße. Der Unterschied zu Kalifornien bestand hauptsächlich darin, dass nun seine das harte Lagerleben in Hütten und Zelten teilen musste. Durch die Geburt seiner Tochter Lina wurde die Lage nicht besser. Tempsky fand nur wenig Gold und musste nebenbei als Erntehelfer arbeiten um die Familie durchzubringen. Deshalb bemühte er sich auch darum, die Leitung einer geplanten Expedition zur Durchquerung des Kontinents zu bekommen. Vielleicht zu seinem Glück wurde nichts daraus, denn die so genannte "Burke und Wills Expedition" endete 1860 in einem völligem Desaster.

Maori Krieger Mit der Zeit wurde die Goldsuche für die kleinen Schürfer, die nicht viel Kapital investieren konnten, immer schwieriger. Als sie dann von neuen Goldfunden in Neuseeland erfuhren, fiel ihnen der Entschluss leicht. Sie packten ihre wenigen Habseligkeiten und gingen wieder auf die Reise; eine neue Jagd nach dem Glück. 1862 landeten sie in Coromandel (auf der anderen Seite der Bucht bei Auckland). Auch hier war die Arbeit hart. Im Unterschied zu Australien regnete es häufig, und so wühlten die Goldsucher im Schlamm. Tempsky scheint aber zumindest genug zum Leben gefunden zu haben. Das Problem waren hier die Maoris, auf deren Land die besten Minen lagen und mit denen es zunehmend Probleme gab. Die Maoris wollten es verständlicherweise nicht einfach hinnehmen, dass die Goldsucher ihr Land verwüsteten, ihr Wild schossen und im Suff ihre Frauen belästigten. Die Spannungen verschärften sich, es gab einzelne Überfälle und Morde, bis dann 1863 der Krieg ausbrach.

Wie in allen diesen Kolonialkriegen des späteren 19. Jahrhunderts waren auch die Maoris letzen Endes ohne jede Chance. Die britische Armee konnte tausende ins Feld schicken, verfügte über Artillerie und Kriegsschiffe. Zudem kämpften viele Stämme auf britischer Seite. Wegen alter Streitigkeiten, Geld und Vorrechten schickten sie ihre Krieger. Dennoch waren die Maoris äußerst gefährliche Gegner, und sie waren nicht so dumm, sich den Briten, die seit Waterloo wenig an ihrer Taktik geändert hatten, in offener Feldschlacht zu stellen. Die Maoris führten deshalb vorwiegend einen Guerillakrieg, in dem sie den starken Kräften auswichen, kleinere Abteilungen überfielen und die langen Nachschubwege bedrohten. Die Landschaft Neuseelands mit ausgedehnten Regenwäldern, zahlreichen Flussläufen und Sümpfe war hierzu hervorragend geeignet.

Bald wurde deutlich, dass man den Maoris allein mit den Mitteln der konventionellen Kriegsführung nicht so schnell beikommen würde. Tempsky begriff, dass hier seine Erfahrungen von der Mosquitoküste, Kalifornien und seinen ausgedehnten Reisen von großem Nutzen sein würden. Außerdem muss man natürlich sehen, dass er mit der Goldwäscherei nach wie vor wenig verdiente und hier wieder einmal eine Möglichkeit sah, regelmäßig Geld zu verdienen und Karriere zu machen. Als deshalb damit begonnen wurde eine Miliz aufzustellen, bot er der Regierung an, eine eigene Kompanie aus Goldsuchern aufzustellen, die für den Krieg in schwierigem Gelände besonders gut geeignet seien. Da jedoch der angebotene Sold so niedrig war, dass kaum jemand die Goldfelder verlassen wollte, zerschlug sich das Projekt. Aber Tempsky war dennoch fest entschlossen am Krieg teilzunehmen und begleitete deshalb die Armee freiwillig als Journalist und berichtete für verschiedene neuseeländische Zeitungen.

Auch von offizieller Seite kam man schließlich zu der Einsicht, dass man ein spezielles Korps für den Buschkrieg und vor allem zur Aufklärung benötigte. Man begann mit der Werbung von Freiwilligen für eine Kompanie "Forest-Ranger". Da die Regierung nun wesentlich besser bezahlte, fanden sich schnell genug Freiwillige, aus denen eine Kompanie unter der Führung eines Captain Jackson gebildet wurde. Tempsky war allerdings nicht beleidigt, sondern schloss sich sofort dieser Kompanie als Kriegsberichterstatter an. Bereits beim ersten Ausmarsch lernte er gleich das wesentliche kennen: strapaziöse Märsche, endlosen Regen, Kälte und Hunger. "Nur der Rum hielt uns am Leben. Alles war so nass, und es war äußerst hart, die Flüsse und Bäche zu durchqueren und ohne Feuer zu lagern. Wenn wir bei der Verfolgung des Feindes lagerten, war es oft zu unsicher ein Feuer zum Kochen oder Wärmen anzuzünden, weil wir nie wussten, ob wir dadurch eine feindliche Salve auslösen würden. So legten wir uns einfach hin, wie wir waren: nass und kalt. Und wir wären gestorben ohne den Rum." Berichtete später einer der Teilnehmer.

Ranger im Kampf mit Maoris Tempsky hatte in seinem Leben genug im Freien campiert und im Schlamm gewühlt; er fühlte sich in seinem Element. Immer vorne mit dabei tat er sich besonders bei der Aufklärung hervor und wurde mehrmals lobend erwähnt. Bald erhielt er eine Stelle als Fähnrich, musste dazu aber die britische Staatsbürgerschaft annehmen. Seine Nebentätigkeit als Kriegsberichterstatter hatte außerdem den Vorteil, dass er sozusagen die PR der Truppe durch Artikel wesentlich fördern konnte, und natürlich auch die eigene. Über den Buschkrieg schrieb er geradezu lyrisch: "Es ist fremd im Busch zu kämpfen - geheimnisvoll: blauer Rauch, grüne Blätter, vielleicht ein schwarzer Kopf. Schreie, herausfordernd, die Seelen zerreißend. Vielleicht hörst du sie - ja, du kannst sie hören, wie sie gleich nebenan mit dir sprechen, cool und vertraut, aber du siehst nichts".

Die Maoris waren im Wald zu Hause und nutzten alle seine Vorteile aus. Aber Tempsky war ihnen dort durchaus gewachsen. Mit der Zeit verdiente er sich ihren Respekt und sie nannten ihn "Manu-rau" (Viele Vögel), da er im Busch nicht zu greifen war. Er verhinderte mehrere Hinterhalte, wurde zum Captain befördert und mit Aufstellung einer zweiten Kompanie Ranger beauftragt. Er schrieb über seine Männer: "Ich hatte zwei Schwarze, die vorher auf Kriegsschiffen gefahren waren, einer davon war ein ehemaliger Preisboxer. Ich hatte Männer mit einer ausgezeichneten Bildung und solche, die so unwissend waren, wie die Erde, auf der sie gingen". Unter ihnen waren alle Nationalitäten vertreten. Tempsky nennt Engländer, Waliser, Schotten, Iren, Deutsche und Italiener. Er unterrichtete sie im Nahkampf mit dem langen Bowieknife, das er meisterhaft beherrschte und zielsicher werfen konnte. Es diente im Nahkampf zum Abblocken von Hieben, vor allem jedoch im Busch und zum eingraben bei überraschenden Feuergefechten. Die Ranger waren überzeugt, dass "Von", wie sie in respektvoll nannten, einen Eingeborenen bis auf eine Meile riechen konnte. Allgemein wird er als beeindruckende Gestalt beschrieben, mit langem lockigem Haar, und manchmal trug er - nicht frei von Eitelkeiten - zur Uniform eine rote Seidenschärpe.

Als die Kämpfe südlich von Auckland zu einem Ende kamen, hätte er seinen Abschied nehmen können. Er war inzwischen Major und so standen ihm 400 acres Land und ein Grundstück in der Stadt als Abfindung zu. Er hatte jedoch wenig Lust zur Farmarbeit und außerdem kein Kapital. Deshalb ging er im April 1865 weiter nach Süden, wo bei New Plymouth gegen die Hauhau-Maoris gekämpft wurde. Durch seine Artikel war er inzwischen sehr populär und wurde bei einer Reise nach Wellington vom Premierminister empfangen und als Held gefeiert. Nachdem Anfang 66 wieder Frieden geschlossen worden war, nahm er seinen Abschied und ließ sich in Auckland nieder, wo seine Kinder zur Schule gehen konnten. Das zugewiesene Land konnte er für 600 Pfund verkaufen, wodurch die Familie erst einmal keine drückenden Geldsorgen mehr hatte. Er schrieb einige längere Artikel über den Krieg und malte einige Bilder von den Kämpfen, die heute noch in Neuseeland zu den bekanntesten dieser Art zählen.

Tempskys Tod Doch die ruhige Zeit währte nicht lange. Im Land herrschte eine hohe Arbeitslosigkeit, und nachdem sich Tempsky vergeblich um eine Stelle im Staatsdienst beworben hatte, sicherte er sich wieder ein Claim. Neue Goldfunde verschlechterten erneut die Beziehungen zu den Maoris, die wieder einzelne Siedler ermordeten. Als Reaktion wurden die Ranger wieder aufgestellt. Diese mal allerdings als berittene Polizeitruppe unter der Bezeichnung "Armed Constabulary". 1868 übernahm Tempsky die Führung einer Kompanie, wahrscheinlich froh, nun doch nicht nach Gold schürfen zu müssen. Es ging wieder gegen die Hauhau-Maoris bei New Plymouth, die einen neuen charismatischem Häuptling folgten. Dieser war gleichzeitig Priester und setzt sich für eine Wiederbelebung der alten Kulte, auch des rituellem Kannibalismus ein. Die Kämpfe nahmen an Härte zu und konzentrierten sich schließlich auf das Maori Dorf "Te Ngutu-o-te-Manu". Im September gerieten dort zwei Kompanien Armed Constabulary und eine Kompanie verbündeter Maoris in einen schweren Hinterhalt. Nach den ersten Verlusten flohen viele der neuen Rekruten. Tempsky wollte noch den Widerstand organisieren und erhielt dabei einen Kopfschuss. Einige seiner Männer versuchten seine Leiche zu bergen, mussten sich aber nach weiteren Verlusten ebenfalls zurückziehen.

Zwanzig tote Weiße waren zurückgeblieben und die Maoris feierten ihren großen Sieg. Augenzeuge wurde der amerikanische Deserteur Kimble Bent, der sich den Maoris angeschlossen hatte. Ihr größter Triumph war der Tod von "Manu-rau". Sie legten seinen Leichnam auf einen großen Scheiterhaufen und platzierten die anderen Toten um ihn herum. Lediglich einen behielten sie für ihr rituelles Mahl. Die Krieger tanzten mit geschwärzten Gesichtern und als der Scheiterhaufen brannte, schickte der Häuptling die Gefallenen mit einer Rede in den ewigen Schlaf. Ein neuseeländischer Historiker schreibt über die Szene: "Wie der Rauch eines brennenden Wikingerschiffes, eines Bestattungsschiffes, so erhob sich der schwarze Rauch in der Mitte des grünen Waldes. Und so, in wildem Hauch, auf unverfälschte heroische Art, verabschiedet von heidnischen Skalden und tätowierten Recken gingen die gefallenen weißen Männer von Te Ngutu-o-te-manu". Obwohl diese Sätze sicher etwas schwülstig klingen, kann man annehmen, dass sie dem Krieger Tempsky als Nachruf gefallen hätten.

© Frank Westenfelder  


 
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