Von Tempsky
Offizier, Goldsucher und Abenteurer.
Durch einige Geschichten von Jack London geistert ein gewisser "Von". Nur
ganz am Rande ist von ihm die Rede: ein Rancher auf Hawaii, ein Abenteurer
der Südsee. Gräbt man ein bisschen nach, stößt man
auf einen Louis von Tempsky einen Großgrundbesitzer auf Hawaii, mit
dessen Tochter Armine, einer Schriftstellerin, London befreundet war. Beim
Ursprung so mancher Familienlegende, die London wahrscheinlich beeindruckt
haben, handelt es sich um Gustavus Ferdinand von Tempsky einen ehemaligen
preußischen Offizier, der in Kalifornien, Australien und Neuseeland
nach Gold suchte und dazwischen sein Glück als Söldner versuchte.
Tempsky war dabei eigentlich noch nicht einmal besonders ungewöhnlich
für seine Zeit. Während französische und ganz besonders
britische Offiziere der Langeweile des Garnisonsdienstes oder ihren privaten
Problemen in den Kolonialdienst entfliehen konnten, gab es für ihre
preußischen Kollegen kaum Alternativen. So erstaunt es nicht, dass
Mitte des 19. Jahrhunderts eine relativ große Zahl von ihnen um den
Globus vagabundierte, natürlich gemeinsam mit denen aus österreichischen,
italienischen oder dänischen Diensten. Ganz zu schweigen von den vielen
Schweizern, die nach dem Ende des Fremdendienstes, völlig ohne Karrierechancen
waren. Was Tempsky von vielen seiner Standesgenossen unterschied, war dass
er nicht nur seinen adligen Dünkel spazieren trug, sondern sich auch
auf neue Situationen einstellen konnte. Das zeigte er vor allem in den
Maori-Kriegen als einer der führenden Offiziere der neuseeländischen
"Forest Rangers". Diese Einheit, durchaus modernen Special-Forces vergleichbar,
hatte man aus im Kleinkrieg erfahrenen Männern gegründet, um
die Maoris im Busch zu bekämpfen, wo ihnen das reguläre Militär
hoffnungslos unterlegen war.
Die Maoris waren vielleicht die tapfersten Krieger, denen sich die Briten
bei der Eroberung des Empires gegenübergesehen haben. Trotz ihrer
geringen Zahl hielten sie sich bis 1872 und erreichten auch dann noch so
günstige Konditionen, wie sie kein unterworfenes Volk in dieser Zeit
erhalten hat. Während dieser Kämpfe waren Tempsky und die von
ihm ausgebildeten Männer einige der wenigen, die es mit diesen geborenen
Kriegern im Busch aufnehmen konnten und ihnen sogar etwas Respekt abnötigten.
Dennoch liegt es nicht in unserem Interesse, Tempskys "Heldentaten" breitzutreten.
Es geht uns viel mehr darum, wie und warum der Spross einer polnisch-preußischen
Offiziersfamilie im neuseeländischen Busch sein Ende fand, umgeben
von barbarischen Wilden, die ihre kannibalistischen Riten feierten.
Gustavus Ferdinand von Tempsky wurde 1828 im schlesischen Liegnitz geboren.
Der Familienname leitet sich vom polnischen Tempcz bei Danzig ab. Wie viele
westpolnische Adelsfamilien heirateten auch die Tempskys oft deutsche Frauen
und entwickelten sich zu typisch preußischen, besser noch "ostelbischen
Junkern". Seit Generationen standen sie im preußischen Militärdienst.
Einer hatte als Oberst unter Friedrich dem Großen gedient, und auch
Gustavus’ Vater und älterer Bruder waren preußische Offiziere.
Er selbst wurde, wie in diesen Zeiten üblich bereits als Kind nach
Berlin auf die Militärschule geschickt. Mit 16 hatte er dann als Fähnrich
sein erstes Kommando. Das Regiment lässt sich heute zwar nicht mehr
feststellen, aber wahrscheinlich diente er mit seinem Bruder bei den Gardefüsilieren.
Allerdings war der Militärdienst damals alles andere als abwechslungsreich.
Abgesehen von einigen Manövern und den damit verbundenen Empfängen
und Bällen, erschöpfte er sich in stupider Routine, und auch
die Beförderungen, das "Avancement" ließen Jahre auf sich warten.
Zudem war Tempsky viel aufgeschlossener als die meisten seiner Standesgenossen,
denen es reichte, ihre reichlich bemessene Freizeit mit Spiel, Alkohol
und Frauen zu füllen. Er interessierte sich für Musik, Literatur
und vor allem Malerei. Er besuchte nicht nur Konzerte und Museen, sondern
spielte auch ein Instrument und schrieb und malte ganz anständig.
Man kann also mit gutem Recht annehmen, dass ihm der Garnisonsdienst wenig
zu bieten hatte. Andererseits gab es auch für abenteuerlustige junge
Männer seiner sozialen Schicht wenig Alternativen.
Aber auch andere Männer fühlten sich damals unterfordert und
sahen sich nach neuen Betätigungsfeldern für ihre Talente um.
Zu ihnen gehörte Ernst von Bülow, der an einem Kolonisationsprojekt
an der Mosquito-Küste arbeitete. Zu diesem Zeitpunkt betrieb zwar
keiner der deutschen Klein- und Mittelstaaten irgendeine Form der Kolonialpolitik,
dennoch waren dubiose Projekte mit Auswanderern groß in Mode. Skrupellose
Geschäftemacher versprachen armen Kolonisten Land und Reichtum, in internen Kreisen
salbaderten sie dann von der Größe Deutschlands und ihrem Dienst
am Volk. In Wirklichkeit sahen sie sich aber selbst als Herzöge oder
Gouverneure neuer riesiger Provinzen, die von fleißigen Auswanderern
bewirtschaftet wurden. Von den Schwierigkeiten der Kolonisation hatten
sie dabei nicht die geringste Ahnung; sie suchten nur freie Stellen auf
der Landkarte. Zahllose wurden auf diese Weise ins Elend geschickt. Besonders
beliebt für solche Projekte war hier Lateinamerika - z.B. Brasilien,
Mittelamerika oder Texas, da sich hier nach dem Abzug der Spanier die neuen
Mächte noch nicht sehr stark etabliert hatten.
Bülow hatte für sich die Karibikküste Nicaraguas entdeckt.
Die dort lebenden Indianer waren nicht nur arm, sondern auch sehr kriegerisch
und deshalb von den Spaniern nie unterworfen worden. Später hatten
sich dort Bukaniere von Jamaika eingenistet, die sich, als der Seeraub
nicht mehr, auf den Handel mit Tropenhölzern verlegten. Dadurch bestand
seit langem ein starker britischer Einfluss, und so wurde in London darüber
nachgedacht vergessenen Teil der Welt dem Empire einzuverleiben. Diese
Pläne gewannen an Bedeutung, da viele kluge Leute vor dem Bau des
Panamakanals in Nicaragua die beste Landverbindung zwischen Atlantik und
Pazifik sahen. Da das Projekt dennoch möglichst wenig kosten sollten,
ernannten die Briten den obersten Häuptling der Indianer zum "Mosquitokönig"
und versorgten ihn mit Waffen und einem britischen Konsul.
Das größte Problem war jedoch der Mangel an europäischen
Siedlern als Schutz gegen die Ansprüche Nicaraguas und der USA, die
Mittelamerika zunehmend als ihr Einflussgebiet betrachteten. In der potentiellen
"Hauptstadt" Bluefileds lebten neben einigen Weißen - unter ihnen
der schottische Holzhändler James Stanislaus Bell - lediglich 600
Indianer, Schwarze und Mulatten. Hier kam nun Bülow ins Geschäft.
Er versprach den Briten Kolonisten und erhielt dafür großzügige
Landversprechungen. Dabei war natürlich klar, dass man in der neuen
Provinz auch Verwalter und Offiziere benötigen würde. Zu diesem
Zweck wurden dann Tempsky und noch einige andere preußische Offiziere
angeworben. Er war gerade 20 Jahre alt und scheint in diesem Projekt seine
große Chance gesehen zu haben, dem öden Garnisonsdienst zu entkommen.
Dort an fernen, exotischen Gestaden winkten nicht nur Abenteuer, sondern
auch Reichtum und Karriere. So kam er 1848 zusammen mit etwa 100 preußischen
Kolonisten an, die bei Bluefields den Vorort Carlsruhe gründeten.
Um die Passage über den Isthmus zu kontrollieren, mussten die Briten
aber auch den Fluss San Juan und die Hafenstadt San Juan del Norte ihrer
projektierten Kolonie angliedern; dort standen aber Truppen Nicaraguas.
Bald begannen die Auseinandersetzungen. Die Kolonisten mussten eine "Prussian
Company" bilden, in der auch Tempsky diente. D.h. er musste mit den Kolonisten
exerzieren. Allerdings konnte man bei den bescheidenen Kräfteverhältnissen
in Mittelamerika keine blutigen Schlachten erwarten. Durch die Anwesenheit
eines britischen Kriegsschiffes wurde San Juan del Norte kampflos
besetzt und in Greytown umbenannt. Als Briten dann abzogen und nur einen
kleinen Polizeiposten zurückließen, "eroberten" es Nicaraguaner
zurück. Die einzigen Verletzungen erhielt dabei die britische Flagge,
die der nicaraguanische Oberst mit ein paar Schüssen durchlöcherte.
Diese wüste Ehrverletzung war nun der Grund für ein massiveres
britisches Eingreifen. Eine Kompanie Infanterie wurde gelandet, um den
ganzen Fluss zu erobern. Die preußische Miliz wurde zwar zu Hause
gelassen, aber Tempsky schloss sich dem Unternehmen an, in dem er sein
erstes kriegerisches Abenteuer sah.
Dieses Mal leisteten die Nicaraguaner zumindest an einer Stelle Widerstand;
die Briten mussten sich den Weg freikämpfen und hatten sogar zwei
Gefallene und mehrere Verwundete. Daraufhin räumten die Nicaraguaner
jedoch die kleinen Forts am Fluss gegen freien Abzug, und die Briten konnten
sogar San Carlos am Nicaraguasee ohne Widerstand besetzen. Den eigentlichen
Feind lernten sie erst danach kennen: das Gelbfieber. Innerhalb weniger
Wochen verloren sie ca. 150 Mann und hatten noch viel mehr Kranke. Schließlich
mussten sie sich zurückziehen. In der preußischen Kolonie gab
es ähnliche Probleme. Alle litten stark unter Moskitos, Malaria und
Gelbfieber griffen um sich. Viele starben und die Restlichen waren oft
krank. In einem Bericht heißt es: "Es gab nicht genug Gesunde, um
die Toten zu beerdigen." Das ganze Unternehmen war ein Desaster. Die Überlebenden
suchten bald nach anderen Möglichkeiten und zerstreuten sich in Mittelamerika.
Einige wie der ehemalige Husarenleutnant Bruno von Natzmer schlossen sich
später William Walker an.
Wesentlich gravierender war aber, dass sich die Spannungen zwischen
London und Washington verschärften. Die Briten entschlossen sich daraufhin
das Terrain zu räumen und lediglich ganz inoffiziell die Truppen des
Mosquitokönigs auszubilden. Da Tempsky inzwischen eine enge Beziehung
mit Emelia Bell, der Tochter des schottischen Holzhändlers, hatte
und sich mit Heiratsplänen trug, nahm er den Job an. Also drillte
er nun die Indianer auf preußische Manier. Das war dort sicher alles
andere als angebracht. Aber Tempsky war kein sturer Kommisskopf, sondern
für vieles offen. Deshalb lernte er viel von den Indianern bei den
Streifzügen im Dschungel. Für ihn wurde es eine Art Grundausbildung
im Guerillakrieg, die ihm später noch viel nützen sollte. Inzwischen
interessierte sich jedoch die Wallstreet in Person von Cornelius Vanderbilt
für die Transitroute in Nicaragua. Um leichter zu den Goldfeldern
in Kalifornien zu kommen, gründete Vanderbilt die "Transit Company"
und versuchte die Briten aus Nicaragua ganz zu vertreiben. Durch seinen
politischen Einfluss wurde 1850 das Clayton-Bulwer-Abkommen unterzeichnet,
in dem Briten auf die Mosquitoküste verzichteten. Damit war auch Tempskys
Karriere als Instrukteur vorbei.
Ohne festes Einkommen hatten sich seine Heiratspläne vorerst zerschlagen.
Kein Wunder also, dass er sich vom Goldfieber anstecken ließ. Er
beschloss, nach Kalifornien zu gehen, um reich zurückzukehren. Im
Sommer 1850 kam er in San Francisco an. Es war eine wilde, chaotische Stadt;
im Hafen lagen hunderte verlassener Schiffe, deren Besatzungen zu den Goldfeldern
desertiert war. Allerdings war die Goldsuche nicht so einfach, und so diente
Tempsky bald in der privaten Truppe des Schweizers John Sutter. Auf dessen
ausgedehnten Ländereien war das erste Gold gefunden worden, und nun
versuchte er verzweifelt seinen Besitz gegen die anstürmenden Massen
der Goldsucher zu verteidigen. Es gab Schießereien und wahrscheinlich
wurde auch der eine oder andere "Viehdieb" gehängt. Aber es war ein
hoffnungsloses Unterfangen. Die Goldsucher durchwühlten seinen Grund,
fällten seine Bäume und schossen sein Vieh. Nachdem Sutter bankrott
war, wusch Tempsky wieder Gold. Hier lernte er das "Bowieknife" schätzen,
die Hauptwaffe der Goldsucher bei Streitereien. Es war ein hartes Leben.
Tempsky, inzwischen sicher ein erfahrener Kämpfer, wurde mehrmals
überfallen und ausgeraubt; einmal rettete er nur knapp sein Leben.
Bald schloss er sich wieder einer bezahlten Schutztruppe an, die den mexikanischen
Banditen Joaquim Murietta jagte. Danach suchte er wieder nach Gold. Doch
das wenige, das er fand, rann ihm durch die Finger.
Nach drei Jahren hatte er genug. Emelia wartete immer noch auf ihn,
und so machte er sich über Mexiko auf den Rückweg nach Bluefields.
Auch die Reise war nicht ohne Gefahren. Es gab Überfälle durch
Indianer und Banditen. Dennoch nutzte Tempsky die Gelegenheit Land und
Leute ausgiebig kennen zu lernen. Neun Monate verbrachte er in Mexiko und
sieben in Guatemala. Im Juni 1855 war er dann wieder in Bluefields. Er
war nun zwar reich an Erfahrungen aber immer noch ohne Geld. Dennoch war
die Hochzeit nicht mehr aufzuhalten, die in Anwesenheit des Mosquitokönig
gefeiert wurde. Um etwas zu verdienen, trat Tempsky dann in die Firma seines
Schwiegervaters ein, wo er als Holzfäller für Mahagoni und Brennholz
für die Flussdampfer schlug. Nach einem Jahr wurde sein erster Sohn
- Randal - geboren. Als jedoch der nordamerikanische Einfluss an der Küste
immer stärker wurde, beschloss die Familie nach Schottland zurückzukehren.
Die Anfänge dort waren nicht schlecht. Tempsky besuchte mit seiner
Familie seine Eltern in Preußen und publizierte in London seinen
Reisebericht über Mittelamerika. Doch das brachte alles kein Geld,
und so wurden seine Aussichten zunehmend trostloser. Was sollte ein Ex-Offizier
und Goldsucher in England anfangen. Die Geburt seines zweiten Sohnes, den
er nach seinem Vater Louis nannte, verschärfte die Situation weiter.
Auch seiner Frau gefiel es im grauen Schottland nur wenig.
Deshalb zögerten sie nicht lange, als ein in Australien Cousin
seiner Frau von dortigen Goldfunden schrieb. Für Tempsky war klar,
dass er dort mit seinen Schürferfahrungen schnell sein Glück
machen könnte. Nach langer Seereise trafen sie schließlich in
Melbourne ein. Sie kamen auf dem Höhepunkt des Goldrausches. Aber
auch hier lagen die Goldklumpen nicht auf der Straße. Der Unterschied
zu Kalifornien bestand hauptsächlich darin, dass nun seine das harte
Lagerleben in Hütten und Zelten teilen musste. Durch die Geburt seiner
Tochter Lina wurde die Lage nicht besser. Tempsky fand nur wenig Gold und
musste nebenbei als Erntehelfer arbeiten um die Familie durchzubringen.
Deshalb bemühte er sich auch darum, die Leitung einer geplanten Expedition
zur Durchquerung des Kontinents zu bekommen. Vielleicht zu seinem Glück
wurde nichts daraus, denn die so genannte "Burke und Wills Expedition"
endete 1860 in einem völligem Desaster.
Mit der Zeit wurde die Goldsuche für die kleinen Schürfer,
die nicht viel Kapital investieren konnten, immer schwieriger. Als sie
dann von neuen Goldfunden in Neuseeland erfuhren, fiel ihnen der Entschluss
leicht. Sie packten ihre wenigen Habseligkeiten und gingen wieder auf die
Reise; eine neue Jagd nach dem Glück. 1862 landeten sie in Coromandel
(auf der anderen Seite der Bucht bei Auckland). Auch hier war die Arbeit
hart. Im Unterschied zu Australien regnete es häufig, und so wühlten
die Goldsucher im Schlamm. Tempsky scheint aber zumindest genug zum Leben
gefunden zu haben. Das Problem waren hier die Maoris, auf deren Land die
besten Minen lagen und mit denen es zunehmend Probleme gab. Die Maoris
wollten es verständlicherweise nicht einfach hinnehmen, dass die Goldsucher
ihr Land verwüsteten, ihr Wild schossen und im Suff ihre Frauen belästigten.
Die Spannungen verschärften sich, es gab einzelne Überfälle
und Morde, bis dann 1863 der Krieg ausbrach.
Wie in allen diesen Kolonialkriegen des späteren 19. Jahrhunderts
waren auch die Maoris letzen Endes ohne jede Chance. Die britische Armee
konnte tausende ins Feld schicken, verfügte über Artillerie und
Kriegsschiffe. Zudem kämpften viele Stämme auf britischer Seite.
Wegen alter Streitigkeiten, Geld und Vorrechten schickten sie ihre Krieger.
Dennoch waren die Maoris äußerst gefährliche Gegner, und
sie waren nicht so dumm, sich den Briten, die seit Waterloo wenig an ihrer
Taktik geändert hatten, in offener Feldschlacht zu stellen. Die Maoris
führten deshalb vorwiegend einen Guerillakrieg, in dem sie den starken
Kräften auswichen, kleinere Abteilungen überfielen und die langen
Nachschubwege bedrohten. Die Landschaft Neuseelands mit ausgedehnten Regenwäldern,
zahlreichen Flussläufen und Sümpfe war hierzu hervorragend geeignet.
Bald wurde deutlich, dass man den Maoris allein mit den Mitteln der
konventionellen Kriegsführung nicht so schnell beikommen würde.
Tempsky begriff, dass hier seine Erfahrungen von der Mosquitoküste,
Kalifornien und seinen ausgedehnten Reisen von großem Nutzen sein
würden. Außerdem muss man natürlich sehen, dass er mit
der Goldwäscherei nach wie vor wenig verdiente und hier wieder einmal
eine Möglichkeit sah, regelmäßig Geld zu verdienen und
Karriere zu machen. Als deshalb damit begonnen wurde eine Miliz aufzustellen,
bot er der Regierung an, eine eigene Kompanie aus Goldsuchern aufzustellen,
die für den Krieg in schwierigem Gelände besonders gut geeignet
seien. Da jedoch der angebotene Sold so niedrig war, dass kaum jemand die
Goldfelder verlassen wollte, zerschlug sich das Projekt. Aber Tempsky war
dennoch fest entschlossen am Krieg teilzunehmen und begleitete deshalb
die Armee freiwillig als Journalist und berichtete für verschiedene
neuseeländische Zeitungen.
Auch von offizieller Seite kam man schließlich zu der Einsicht,
dass man ein spezielles Korps für den Buschkrieg und vor allem zur
Aufklärung benötigte. Man begann mit der Werbung von Freiwilligen
für eine Kompanie "Forest-Ranger". Da die Regierung nun wesentlich
besser bezahlte, fanden sich schnell genug Freiwillige, aus denen eine
Kompanie unter der Führung eines Captain Jackson gebildet wurde. Tempsky
war allerdings nicht beleidigt, sondern schloss sich sofort dieser Kompanie
als Kriegsberichterstatter an. Bereits beim ersten Ausmarsch lernte er
gleich das wesentliche kennen: strapaziöse Märsche, endlosen
Regen, Kälte und Hunger. "Nur der Rum hielt uns am Leben. Alles war
so nass, und es war äußerst hart, die Flüsse und Bäche
zu durchqueren und ohne Feuer zu lagern. Wenn wir bei der Verfolgung des
Feindes lagerten, war es oft zu unsicher ein Feuer zum Kochen oder Wärmen
anzuzünden, weil wir nie wussten, ob wir dadurch eine feindliche Salve
auslösen würden. So legten wir uns einfach hin, wie wir waren:
nass und kalt. Und wir wären gestorben ohne den Rum." Berichtete später
einer der Teilnehmer.
Tempsky hatte in seinem Leben genug im Freien campiert und im Schlamm
gewühlt; er fühlte sich in seinem Element. Immer vorne mit dabei
tat er sich besonders bei der Aufklärung hervor und wurde mehrmals
lobend erwähnt. Bald erhielt er eine Stelle als Fähnrich, musste
dazu aber die britische Staatsbürgerschaft annehmen. Seine Nebentätigkeit
als Kriegsberichterstatter hatte außerdem den Vorteil, dass er sozusagen
die PR der Truppe durch Artikel wesentlich fördern konnte, und natürlich
auch die eigene. Über den Buschkrieg schrieb er geradezu lyrisch:
"Es ist fremd im Busch zu kämpfen - geheimnisvoll: blauer Rauch, grüne
Blätter, vielleicht ein schwarzer Kopf. Schreie, herausfordernd, die
Seelen zerreißend. Vielleicht hörst du sie - ja, du kannst sie
hören, wie sie gleich nebenan mit dir sprechen, cool und vertraut,
aber du siehst nichts".
Die Maoris waren im Wald zu Hause und nutzten alle seine Vorteile aus.
Aber Tempsky war ihnen dort durchaus gewachsen. Mit der Zeit verdiente
er sich ihren Respekt und sie nannten ihn "Manu-rau" (Viele Vögel),
da er im Busch nicht zu greifen war. Er verhinderte mehrere Hinterhalte,
wurde zum Captain befördert und mit Aufstellung einer zweiten Kompanie
Ranger beauftragt. Er schrieb über seine Männer: "Ich hatte zwei
Schwarze, die vorher auf Kriegsschiffen gefahren waren, einer davon war
ein ehemaliger Preisboxer. Ich hatte Männer mit einer ausgezeichneten
Bildung und solche, die so unwissend waren, wie die Erde, auf der sie gingen".
Unter ihnen waren alle Nationalitäten vertreten. Tempsky nennt Engländer,
Waliser, Schotten, Iren, Deutsche und Italiener. Er unterrichtete sie im
Nahkampf mit dem langen Bowieknife, das er meisterhaft beherrschte und
zielsicher werfen konnte. Es diente im Nahkampf zum Abblocken von Hieben,
vor allem jedoch im Busch und zum eingraben bei überraschenden Feuergefechten.
Die Ranger waren überzeugt, dass "Von", wie sie in respektvoll nannten,
einen Eingeborenen bis auf eine Meile riechen konnte. Allgemein wird er
als beeindruckende Gestalt beschrieben, mit langem lockigem Haar, und manchmal
trug er - nicht frei von Eitelkeiten - zur Uniform eine rote Seidenschärpe.
Als die Kämpfe südlich von Auckland zu einem Ende kamen, hätte
er seinen Abschied nehmen können. Er war inzwischen Major und so standen
ihm 400 acres Land und ein Grundstück in der Stadt als Abfindung zu.
Er hatte jedoch wenig Lust zur Farmarbeit und außerdem kein Kapital.
Deshalb ging er im April 1865 weiter nach Süden, wo bei New Plymouth
gegen die Hauhau-Maoris gekämpft wurde. Durch seine Artikel war er
inzwischen sehr populär und wurde bei einer Reise nach Wellington
vom Premierminister empfangen und als Held gefeiert. Nachdem Anfang 66
wieder Frieden geschlossen worden war, nahm er seinen Abschied und ließ
sich in Auckland nieder, wo seine Kinder zur Schule gehen konnten. Das
zugewiesene Land konnte er für 600 Pfund verkaufen, wodurch die Familie
erst einmal keine drückenden Geldsorgen mehr hatte. Er schrieb einige
längere Artikel über den Krieg und malte einige Bilder von den
Kämpfen, die heute noch in Neuseeland zu den bekanntesten dieser Art
zählen.
Doch die ruhige Zeit währte nicht lange. Im Land herrschte eine
hohe Arbeitslosigkeit, und nachdem sich Tempsky vergeblich um eine Stelle
im Staatsdienst beworben hatte, sicherte er sich wieder ein Claim. Neue
Goldfunde verschlechterten erneut die Beziehungen zu den Maoris, die wieder
einzelne Siedler ermordeten. Als Reaktion wurden die Ranger wieder aufgestellt.
Diese mal allerdings als berittene Polizeitruppe unter der Bezeichnung
"Armed Constabulary". 1868 übernahm Tempsky die Führung einer
Kompanie, wahrscheinlich froh, nun doch nicht nach Gold schürfen zu
müssen. Es ging wieder gegen die Hauhau-Maoris bei New Plymouth, die
einen neuen charismatischem Häuptling folgten. Dieser war gleichzeitig
Priester und setzt sich für eine Wiederbelebung der alten Kulte, auch
des rituellem Kannibalismus ein. Die Kämpfe nahmen an Härte zu
und konzentrierten sich schließlich auf das Maori Dorf "Te Ngutu-o-te-Manu".
Im September gerieten dort zwei Kompanien Armed Constabulary und eine Kompanie
verbündeter Maoris in einen schweren Hinterhalt. Nach den ersten Verlusten
flohen viele der neuen Rekruten. Tempsky wollte noch den Widerstand organisieren
und erhielt dabei einen Kopfschuss. Einige seiner Männer versuchten
seine Leiche zu bergen, mussten sich aber nach weiteren Verlusten ebenfalls
zurückziehen.
Zwanzig tote Weiße waren zurückgeblieben und die Maoris feierten
ihren großen Sieg. Augenzeuge wurde der amerikanische Deserteur Kimble
Bent, der sich den Maoris angeschlossen hatte. Ihr größter Triumph
war der Tod von "Manu-rau". Sie legten seinen Leichnam auf einen großen
Scheiterhaufen und platzierten die anderen Toten um ihn herum. Lediglich
einen behielten sie für ihr rituelles Mahl. Die Krieger tanzten mit
geschwärzten Gesichtern und als der Scheiterhaufen brannte, schickte
der Häuptling die Gefallenen mit einer Rede in den ewigen Schlaf.
Ein neuseeländischer Historiker schreibt über die Szene: "Wie
der Rauch eines brennenden Wikingerschiffes, eines Bestattungsschiffes,
so erhob sich der schwarze Rauch in der Mitte des grünen Waldes. Und
so, in wildem Hauch, auf unverfälschte heroische Art, verabschiedet
von heidnischen Skalden und tätowierten Recken gingen die gefallenen
weißen Männer von Te Ngutu-o-te-manu". Obwohl diese Sätze
sicher etwas schwülstig klingen, kann man annehmen, dass sie dem Krieger
Tempsky als Nachruf gefallen hätten.