Die Bananensöldner
United Fruit in Mittelamerika.
Nachdem sich die USA in mehreren Kriegen ungefähr die Hälfte
Mexikos einverleibt hatten und einige Unternehmungen von Yankee-Flibustieren
- wie z.B. William Walker in Nicaragua - gescheitert waren, kam es in der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer gewissen Mäßigung.
Das Ziel wandelte sich von der Eroberung zur indirekten Kontrolle, und
statt der Kolonisten und Soldaten kamen nun Händler und Investoren.
Es wurde die Zeit der Dollar-Diplomatie. Dass aber auch die nicht ganz
friedfertig verlaufen würde, brachte Präsident Theodore Roosevelt
mit dem Ausdruck "Big-Stick-Diplomatie" auf den Punkt. Natürlich sollten
die mittelamerikanischen Staaten selbständig bleiben - es war auch
viel von Freiheit die Rede. Wenn sie sich aber nicht den Interessen des
amerikanischen Kapitals (der Einfachheit halber benutzen wir hier die Bezeichnungen
"amerikanisch" und "Amerikaner" wenn wir eigentlich von den USA sprechen)
beugten, würden sie eben den Big-Stick zu spüren bekommen.
Das Kapital wurde zur Modernisierung dringend benötigt, und so
bauten bald viele amerikanische Unternehmen Eisenbahn- und Telegrafenlinien,
Hafenanlagen und Bergwerke. Im Gegenzug erhielten die Firmen dann oft das
Recht diese Anlagen auf eigene Rechnung und natürlich ohne Abführung
von Steuern zu betreiben. Sehr beliebt war auch die Anlage riesiger Plantagen
zur Produktion so genannter "Cash-Crops", d.h. von Agrarprodukten, die
ausschließlich für den Export angepflanzt wurden. Tabak und
Zuckerrohr hatten bereits eine lange Tradition in der Karibik, jetzt kamen
Kaffee und schließlich Bananen dazu. Die ersten Bananen hatte Kapitän
Lorenzo Baker 1871 als Gelegenheitsfracht mit nach Boston gebracht. Da
sich die dort bislang unbekannten Früchte mit unerwartet hohem Gewinn
verkaufen, fuhr Baker bald nur noch Bananen und gründet die Boston
Fruit Company. Andere Händler folgten dem Beispiel und machten ebenfalls
glänzende Geschäfte. Mit dem Anstieg des Geschäftsvolumens
wurde es notwendig, in den Herkunftsländern Anbau, Transport und Verladung
der Bananen zu organisieren. So bildeten sich neue Firmen, die Plantagen,
Eisenbahnlinien oder Häfen betrieben, manchmal auch von allem etwas.
1899 schlossen sich dann die wichtigsten Firmen in Boston zur United
Fruit Company zusammen, die durch die eingebrachten Anteile nun über
ein schnell wachsendes Imperium in Mittelamerika verfügte. Es war
die Geburt von "El Pulpo" (der Krake), wie sie bald genannt werden sollte.
Vor allem ihr Landhunger war unersättlich. Für ihre Investitionen
ließ sie sich von den lokalen Diktatoren riesige Landstriche überschreiben.
Die ansässigen Indios wurden entweder vertrieben oder gleich dazu
verpflichtet auf den neuen Plantagen United Fruit Company zu arbeiten.
Eine gewisse Konkurrenz bildeten lediglich Händler aus New Orleans,
u.a. die Standard Fruit der Vaccaro Brüder, die zur Führungsriege
der Mafia gehörten und über die Kontrolle der Hafenarbeitergewerkschaft
ins Geschäft gekommen waren. In New Orleans residierte auch Samuel
Zemurray, der sich als Sohn armer jüdischer Immigranten aus Bessarabien
vom Straßenhändler ins Bananengeschäft hochgekämpft
hatte. Zemurrays Firma Cuyamel war zwar kleiner, dennoch sollte er als
der "Banana Man" zur bestimmenden Figur der Szene werden.
Die politische Lage war für Firmen mit dem notwendigen Kapital
geradezu ideal. In allen diesen kleinen Staaten - in diesem Kontext vor
allem Nicaragua, Honduras, Guatemala und El Salvador - herrschten Diktatoren,
die verschiedenen Gruppen und Cliquen angehörten. Immer wieder kam
es zu Verschwörungen und Putschen. Wenn eine Gruppe neu an die Macht
gekommen war, folgte der Streit um Posten und Einfluss, und die Verlierer
arbeiteten im Exil schon wieder an ihrer Rückkehr. Damit nicht genug,
führten die Staaten von Zeit zu Zeit auch Krieg untereinander, oder
unterstützen die Aufständischen im Nachbarland. Alle diese Kabalen,
Rebellionen und Kleinkriege boten ausreichend Gelegenheit
zur Einflussnahme. Jeder General benötigte moderne Waffen und nach
Möglichkeit auch gleich die Spezialisten, die sie bedienten.
Natürlich kämpften diese Diktatoren für ihre eigenen
Interessen, für den Fortschritt und im Namen ihrer Völker, aber
seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Mittelamerika kein Krieg mehr geführt
oder Staatsstreich unternommen, an dem die United Fruit Company, die Standard
Fruit oder Cuyamel nicht beteiligt waren und an denen sie letzten Endes
nicht verdienten. Ohne ihr Geld, ihre Waffen und ihre Söldner ging
gar nichts mehr. Und so kamen zu den Händlern, Kapitänen, Plantagenaufsehern
und Technikern bald Männer wie Lee Chistmas, Tracy Richardson, Victor
Gordon, "Jew Sam" Dreben oder Guy "Machine-Gun" Molony. Diese Söldner
standen zwar im Dienst irgendeines Präsidenten oder putschenden Generals
und nicht in dem einer der US-Bananenfirmen, dennoch sorgten die letzteren
meistens sehr diskret für ihre Vermittlung, Bezahlung und Ausrüstung.
Seit der Unabhängigkeit von Spanien waren fast in jedem lateinamerikanischen
Land Söldner aus Europa oder den USA im Einsatz. Sie dienten als Ausbilder
und zunehmend als Artilleristen. Es waren vor allem die modernen Waffen,
die Krupp- und Hotchkiss-Kanonen oder die ersten Gatling-Maschinengewehre,
die ihre Dienste so wertvoll machten. Mit dem Aufkommen von Repetiergewehren
wurden manchmal auch ganze Gruppen fremder "Scharfschützen" beschäftigt,
die mit ihren neuen Winchester-Gewehren, furchtbare Massaker anrichten
konnten. Dazu kam, dass sie als typische Söldner Gefahr und Abenteuer
liebten, also eine kleine Schießerei geradezu als willkommene Abwechslung
begrüßen konnten.
Bei der großen Masse der normalen Truppen handelte es sich dagegen
um gepresste Indios, die nicht wussten, für wen sie gerade kämpften,
und die mit völlig veralteten Waffen aus den Restbeständen des
Sezessionskrieges ausgerüstet waren. Oft wurden sie regelrecht eingefangen,
wie Sträflinge in die nächste Kaserne transportiert, wo sie ein
Gewehr und eine Decke erhielten, um dann wie Schafe zur Schlachtbank geführt
zu werden. Während eines Krieges in Nicaragua schickte zum Beispiel
ein Rekrutierungsoffizier seinem General einige Indios von einer Kaffeeplantage
mit den Worten: "Ich schicke Ihnen 40 Freiwillige. Bitte senden Sie mir
die Seile zurück."
Die überlegene Bewaffnung und das Zusammentreffen mit unmotivierten
und oft verängstigten Gegnern förderte den in der Zeit ohnehin
üblichen Rassismus. Die Einheimischen, selbst die Weißen, wurden
gerne generell als "Nigger" bezeichnet, denen soldatische Eigenschaften
völlig abgesprochen wurden. So dumm diese Konstruktionen auch waren,
so verhalfen sie den Söldnern doch zu dem entscheidenden Überlegenheitsgefühl,
um ihre Arbeit mit dem notwendigen Schneid zu erledigen. Sie hatten dabei
sicher etwas von der Arroganz von Rittern, die sich in schimmernder Rüstung
einem elenden Bauernaufgebot gegenüber sehen.
Geradezu legendär für seine Tapferkeit und sein Draufgängertum
wurde Lee Christmas aus New Orleans. Er war als Lokführer nach Puerto Cortés
dem wichtigsten Bananenhafen von Honduras gekommen. Bei einem Putschversuch
1897 hatten ihn die Rebellen gezwungen Truppen zu transportieren. Christmas
hatte sich daraufhin mit einer solchen Begeisterung und Umsicht an ihren
Kämpfen beteiligt, dass er auch nach dem Scheitern des Putsches als
echter Kämpfer galt. Doch der Diktator von Honduras hatte sich bei
den US-Firmen zunehmend unbeliebt gemacht. Zuerst hatte er zur Steigerung der Steuereinnahmen
eine Bananensteuer erhoben und dann sogar versucht den Landbesitz von Ausländern
einzuschränken. Das war zuviel. Standard Fruit und Zemurray finanzierten
den erfolgreichen Putsch der Generäle Terencio Sierra und Manuel Bonilla.
Sierra wurde Präsident (1899-1903) und Bonilla Kriegsminister, sollte
aber später als Präsident nachrücken. Christmas war zwar
an diesen Aktionen nicht beteiligt, wurde aber wegen seines Rufs von Sierra,
der anscheinend neues Personal brauchte, als Polizeichef in die Hauptstadt
geholt.
Christmas und Bonilla wurden gute Freunde. Als Sierra dann nicht daran
dachte, seinen Präsidentensessel zu räumen und Bonilla seinerseits
1903 putschte, schlug sich Christmas mit seinen Polizeikräften auf
dessen Seite. Bis zum Sieg Bonillas kam es zu einigen schweren Kämpfen,
in denen Christmas mehrfach sein Talent als Truppenführer und Organisator
unter Beweis stellte. Bonilla revanchierte sich und machte ihn zum General.
Er bedankte sich aber auch mit neuen Landkonzessionen bei der Standard
Fruit der Vaccaro Brüder, da diese sein Unternehmen diskret unterstützt
hatten.
1907 kam es dann wegen Grenzstreitigkeiten zum Krieg mit Nicaragua.
Da die US-Firmen hier keinen besonderen Favoriten hatten, belieferten sie
je nach Gebot beide Parteien, und auch die Söldner dienten hier wie
dort. Nicaragua war dennoch deutlich an Artillerie überlegen und verfügte
als besonderen Trumpf über die erst seit kurzem auf den Markt gekommen
Maxim-Maschinengewehre. Für Nicaragua kämpfte als Oberstleutnant
ein gewisser Leonard Croce, ein amerikanischer Minenbesitzer, der später
noch für Schlagzeilen sorgen sollte. Zur Entscheidung kam es schließlich
in der äußerst blutigen Schlacht bei Namasigüe, in der
die amerikanischen MG-Schützen ein wahres Massaker unter den honduranischen
Truppen veranstalteten. Bonilla musste ins Exil fliehen und Christmas kam
in Gefangenschaft. Er hatte aber wieder durch seine Tapferkeit, für
so großes Aufsehen gesorgt, dass er bald freigelassen wurde. Anschließend
erhielt von Estrada Cabreras, dem Diktator Guatemalas einen hohen Posten
in dessen Geheimpolizei.
Durch den Krieg hatte der Diktator von Nicaragua José Santos
Zelaya weiter an Ansehen und Macht gewonnen. In seinem Land war er ohnehin
recht populär, da er einige Jahre zuvor die Briten zum Rückzug
von der Moskitoküste gezwungen hatte. Zudem galt sein Land als idealer
Standort für einen Kanal zwischen Karibik und Pazifik. Irgendwie war
ihm aber sein Erfolg zu Kopf gestiegen, denn er dachte, es gäbe für
Nicaragua Alternativen zu den Knebelverträgen der US-Firmen. Er erhob
Importzölle und verlangte Steuern von den ausländischen Firmen.
Schließlich, um Nicaraguas Unabhängigkeit zu demonstrieren,
verhandelte er sogar mit deutschen und japanischen Firmen wegen des Kanalprojekts.
Das war eindeutig zuviel. US-Firmen und das State Department arbeiteten
nun eifrig an seinem Sturz. Als Marionette schoben sie Estrada von Guatemala
vor, der mit ihrem Geld die Rebellion in Nicaragua förderte. Man kann
annehmen, dass Christmas an diesen Verschwörungen auch seinen Anteil
hatte. 1909 brach dann der Aufstand aus und die Rebellen machten Bluefields
an der Moskitoküste zu ihrem Hauptquartier. Diese Nachrichten sorgten
für einen ersten Zulauf amerikanischer Abenteurer. Aber Estrada hatte
sogar einen festen Agenten in New Orleans, der warb neue Rekruten und stattete
sie mit Schiffstickets nach Bluefields aus. Manche wie der Amerikaner Tracy
Richardson waren in Bluefields auf der Durchreise hängen geblieben.
Richardson hatte schon in einer ganzen Reihe von Kriegen als MG-Schütze
gekämpft und erhielt deshalb gleich eine führende Stelle.
Zu einer besonders wichtigen Person wurde Victor Gordon, der bereits
als Söldner im Burenkrieg und mehreren Revolutionen gekämpft
hatte. Er hielt sich am Anfang der Rebellion in Panama auf und wurde dort
von der United-Fruit für 500$ nach Bluefields geholt. Dort erhielt
er jede Menge Geld von amerikanischen Geschäftsleuten, um in New Orleans
Söldner zu rekrutieren und Waffen zu kaufen. Dies erledigte er zwar
mit gewissem Erfolg, da das vom ihm gecharterte Schiff jedoch von den US-Behörden
im Hafen zurückgehalten wurde, musste er mit leeren Händen zurückkehren.
Daraufhin schickte ihn Estrada mit neuen Mitteln in die Kanalzone, um dort
MG-Schützen zu rekrutieren. Er selbst schrieb später über
seine Truppe: "Einige waren Halsabschneider, die aus den USA geflohen waren
und nun unter falschem Namen lebten. Andere waren ganz jung und wegen des
Abenteurers gekommen. Lediglich einige waren erfahrene Soldaten." Zu den
Erfahrenen gehörte Guy Molony, der als "Machine-Gun Molony" berühmt
werden sollte. Er stammte aus New Orleans und war bereits mit 16 von zu
Hause weggelaufen um im Burenkrieg zu kämpfen. Nach einer kurzen Episode
bei der Polizei von New Orleans, hatte ihn dann wieder die Abenteuerlust
nach Mittelamerika getrieben. Sein bester Schüler wurde "Jew Sam"
Dreben, der aus einem der härtesten New Yorker Viertel stammte
Wie solche Werbungen manchmal konkret abliefen, berichtet ein Deutscher,
der in den USA ein unruhiges Leben als Tramp, Gelegenheitsarbeiter und
Reporter geführt hatte. Eines Tages traf er in St. Louis einen alten
Bekannten, der Leute für ein abenteuerliches Unternehmen suchte, bei
dem auch "ein bisschen geschossen" werden sollte. Es war zwar gegen das
Gesetz, Männer für eine bewaffnete Expedition in ein anderes
Land anzuwerben, dennoch war er sofort einverstanden. Seine Aufgabe bestand
darin, ungefähr 20 Mann zu rekrutieren. Darauf verstand er sich. Er
suchte zielsicher in der Nähe des Güterbahnhofs, "wo in den Sträßchen
dicht am Schienenstrang in kleinen Wirtschaften billiges Bier verkauft
wurde, da waren die Männer zu finden, die man brauchte". Eventuelle
Bedenken wischte er mit der Bemerkung "es geht gegen Nigger" beiseite.
Bei 25$ die Woche hatte er schnell die ersten Rekruten gefunden, die nun
ihrerseits weitere mitbrachten. Zufrieden registrierte er einige ehemalige
Soldaten, Cowboys und Arbeiter vom Panamakanal, die alle mit Waffen umgehen
konnten.
Ähnlich werden auch Estradas Werber vorgegangen sein, so dass sich
in Bluefields immer mehr Truppen sammelten. Als genug beisammen waren,
wurde im November eine Offensive entlang des San Juan ins Landesinnere
unternommen. Doch Zelaya war nicht so leicht zu schlagen; er saß schon
recht lange im Sattel und hatte eine schlagkräftige Armee, in der
auch immer noch Söldner dienten. Die Rebellen wurden schwer geschlagen
und mussten sich wieder an die Küste zurückziehen. Bei dieser
Gelegenheit gerieten die beiden amerikanischen Söldner Lee Roy Cannon
und Leonard Croce, der vorher noch Zelaya gedient hatte, in Gefangenschaft.
Die Nicaraguaner waren entschlossen ein Exempel zu statuieren und ließen
die beiden als Rebellen hinrichten.
Das Resultat war äußerst modern. Die US-Presse machte aus
der Angelegenheit einen riesigen Skandal, die beiden Söldner galten
plötzlich als echte Freiheitskämpfer und Zelaya wurde als grausamer
Despot dargestellt. Für die USA war es der lang gesuchte Grund nun
auch offiziell etwas in den Krieg einzugreifen, schließlich waren
ja zwei US-Bürger "ermordet" worden. Mehrere Kanonenboote wurden nach
Nicaragua entsandt und Marines landeten in Bluefields. Diese beteiligten
sich zwar nicht an den Kämpfen, waren aber dennoch die Rettung für
die angeschlagenen Rebellen, indem sie deren Basis vor Angriffen schützten.
Auch unter den Söldnern hatten die Hinrichtungen nicht den gewünschten
Effekt. Viele waren nun fest entschlossen es den "Niggern" richtig zu zeigen.
Die Pressekampagne gegen Zelaya tat ein Übriges. Aus Panama und New
Orleans strömten Freiwillige nach Bluefields und schlossen sich Estradas
Revolte an. Die wenigen Hotels und Absteigen waren bald alle überbelegt,
es kam zu Schlägereien und Schießereien. Schließlich waren
die Verhältnisse so chaotisch, dass Estrada sogar einige der fremden
Abenteurer wieder mit Bananendampfern nach New Orleans zurückbringen
ließ.
Mit den neuen Verstärkungen wurde Ende 1909 die Offensive wieder
aufgenommen. Dabei kam es im zentralen Hochland zwischen Rama und Recreo
zu äußerst harten Kämpfen, bei denen die Rebellen auch
Rückschläge hinnehmen mussten. Schließlich gab aber ihre
Überlegenheit an modernem Kriegsgerät den Ausschlag; vor allem
die Söldner mit ihren Maschinengewehre wüteten furchtbar unter
den Regierungstruppen. Die Bananenfirmen stellten Estrada Schiffe für
den Truppentransport ins Landesinnere zu Verfügung. Im Januar 1910
musste Zelaya dann ins Exil gehen. Der Krieg ging unter seinem Nachfolger
dennoch eine Zeit lang weiter, aber die Rebellen gewannen immer mehr Land,
und im August konnte Estrada siegreich in Managua einziehen.
Man fragt sich natürlich, ob sich die "Arbeit" der Söldner
gelohnt hatte. Der Sold lag normalerweise mit 1,20-1,50$ pro Tag kaum über
dem, was ein Arbeiter in den USA verdiente. Aber darum ging es den wenigsten.
Viele wollten einfach einmal ein richtiges Abenteuer erleben, ihre Männlichkeit
beweisen; mit Maschinengewehren schlecht bewaffnete Eingeborene abzuknallen
(man kann es leider nicht anders umschreiben) gehörte da einfach dazu.
Storys über "Soldiers of Fortune" erfreuten sich in Zeitungen und
Pulp-Magazinen großer Beliebtheit, und Heimkehrer aus Nicaragua wurden
in New Orleans manchmal wie Popstars gefeiert. Berühmte Figuren der
Szene wie Christmas oder Gordon erhielten oft "Bewerbungsschreiben" von
Möchtegernsöldnern. So gefährlich konnte es ja nicht sein,
wenn schon der Tod zweier Söldner US-Kanonenboote auf den Plan rief.
Natürlich konnte man an der richtigen Stelle gut Geld durch Vermittlungsgebühren
oder Provisionen bei Waffengeschäften verdienen. Auch spätere
Posten im Dienst eines Diktators konnten sich als ausgesprochen lukrativ
erweisen. Nach wie vor bildete die Beute, die bei der Eroberung von Städten
gemacht werden konnte, einen großen Anreiz. So führte Gordon
als alter Hase seine Truppe bei der Besetzung Managuas direkt zur Nationalbank,
um richtig abzuräumen. Leider war Estrada schneller gewesen, und so
reichte Gordon der Sold gerade, um seine Männer auszuzahlen. Das ganz
große Geschäft machten die US-Firmen, die sich ihre Hilfe mit
neuen Landschenkungen und Steuerprivilegien vergolden ließen.
Durch den Sturz Zelayas rückte Honduras wieder ins Visier, dessen
Diktator General Miguel Dávila ja von Zelaya ins Amt gebracht worden
war. Der vertriebene Ex-Diktator Manuel Bonilla saß in Belize im
Exil und wollte natürlich liebend gerne in den Präsidentenpalast
zurück, hatte aber weder Geld noch Waffen. Da traf es sich gut, dass
der hoch verschuldete Staat sein Geld zu guten Teilen bei britischen Banken
geliehen hatte, was dem US-Außenministerium gar nicht gefiel. Eine
geplante Umschuldung mit Hilfe amerikanischer Banken, hätte aber für
die Bananenfirmen höhere Abgaben und Zölle bedeutet. So erschien
Samuel Zemurray von Cuyamel auf dem Plan. Für entsprechende Zusagen
war er bereit Bonilas Putsch zu finanzieren.
Als Mann fürs Grobe wurde Christmas engagiert. Dieser erschien
dann im Sommer 1910 als Bonillas General mit einer Menge Geld in Puerto
Barrios. Es traf sich gut, dass Krieg in Nicaragua zu Ende ging. So suchten
einige nach neuen Jobs. Als einer der ersten wurde Machine-Gun Molony unter
Vertrag genommen. Waffen und einige kleine Schiffe wurden angeschafft.
Leider häuften sich die Probleme mit den britischen Behörden
in Belize. Auch ein Versuch Puerto Cortez im Handstreich zu nehmen, musste
wegen britischen Schiffen aufgegeben werden. Deshalb verlagerten Bonilla
und Christmas ihre Aktivitäten nach Puerto Barrios, wo sie unter der
Protektion von Estrada Material und Männer sammeln konnten. Von dort
aus eroberten sie zum Jahresende zwei kleine Bay-Inseln und dann die Küstenstadt
Trujillo. Hier begannen sie dann aus Überläufern und Gefangenen
ihre eigene Armee aufzustellen. Nach dem Sturm auf das gut befestigte La
Ceiba ging durch die freiwillige Kapitulation von Puerto Cortés,
der letzte große Hafen der Nordküste in ihren Besitz über.
Dadurch kontrollierten sie die Exportverbindungen und einen Großteil
der Staatseinnahmen. Dávila war isoliert und der Krieg praktisch
gewonnen
Da die USA an keinen weiteren Schießereien und Plünderungen,
sondern am "normalen" Gang der Geschäfte interessiert waren, organisierten
sie die Friedensverhandlungen auf einem ihrer Kriegsschiffe. Dávila
musste ins Exil, und Bonilla konnte, nachdem ein Übergangspräsident
der Form halber ein paar Monate regiert hatte, endlich wieder an die Macht
zurück. Er bedankte sich bei Cuyamel mit Zollprivilegien und immensen
Landschenkungen - Zemurray erhielt 10.000 Hektar bestes Bananenland. Später
kam noch mehr dazu, und Cuyamel entwickelte sich mit Riesenschritten. Christmas
wurde wieder oberster Polizeichef und später wurde er Comandante von
Puerto Cortez, wo es reichlich Gelegenheit gab beim Zoll an Schmiergeldern
zu verdienen.
Nach der Revolution in Honduras waren Söldner nicht mehr so gefragt.
Die Bananenfirmen machten hervorragende Geschäfte und auch die USA
waren mit den Diktatoren, die ihre Macht mit lokalen Sicherheitskräften
ausübten, weitgehend zufrieden. Natürlich gab es auch da Jobs,
doch ohne richtige Action. Das war aber kein großes Problem, denn
1910 brach die mexikanische Revolution aus, in der hunderte Glück
und Abenteuer fanden. Kein Wunder also, dass bald auch viele der Veteranen
dort anzutreffen waren, u.a. Sam Dreben und Tracy Richardson. Beim Kriegseintritt
der USA in den ersten Weltkrieg eilten viele dann begeistert zu den nationalen
Fahnen, wodurch unterstrichen wird, dass Söldnerdienste sehr oft aus
Mangel an nationalen Kriegen ausgeübt werden.
Zu einer der schillerndsten Figuren entwickelte sich Machine-Gun Molony.
Er wurde 1920 Polizeichef von New Orleans, was ihn aber nicht davon abhielt
enge Beziehungen zur Mafia zu unterhalten, die sich wahrscheinlich aus
seinen Kontakten zu den Vaccaro Brüdern und deren Standard Fruit ergeben
hatten. Man unterstellt ihm auch eine Verwicklung in den Mord an Senator
Huey B. Long, der lange von der Mafia geschmiert aber dann zu gierig geworden
war. Molonys Geschäfte gingen gut, er erwarb später große
Plantagen in Honduras und war dort auch mal wieder als General tätig.
Nebenbei soll er groß im Drogenhandel und für die CIA tätig
gewesen sein. Bis in die 1960er Jahre blieb er einer der wichtigsten Männer
der heimlichen US-Außenpolitik in Mittelamerika. Dahinter stand natürlich
weiter Sam, Banana-Man Zemurray. Seine Firma Cuyamel wurde zwar 1933 von
der United Fruit Company übernommen, durch seinen riesigen Aktienanteil
und nicht zuletzt seine Erfahrungen wurde er aber schließlich zum
Direktor des gesamten Unternehmens und somit für Jahrzehnte zu dem
Mann, der in Mittelamerika die Fäden zog.