Außenposten in Surinam
Nachts sah ich Bacchanalien.
Trotz der großen Zahl an Revolutionen und Freiheitskriegen fand
der überwiegende Teil der Söldner im 19. Jahrhundert im Kolonialdienst
Verwendung. Dass dabei fast jeder automatisch an die französische
Fremdenlegion denkt, hat mehr mit deren späterer Legendenbildung als
mit den historischen Fakten zu tun. So enthielten die britischen Kolonialregimenter
noch lange einen veritablen Ausländeranteil. Vor allem aber die Niederländer,
die über kein besonderes Rekrutierungsreservoir verfügten, schickten
nach wie vor so viele fremde Söldner nach Übersee, dass man oft
von einer "holländischen Fremdenlegion" sprach.
Natürlich kam es auch im 19. Jahrhundert zu schweren Kämpfen
in den Kolonien. Es war die hohe Zeit des Imperialismus, in der die Kolonialmächte
riesige Gebiete, die sie vorher nur nominell oder gar nicht beherrscht
hatten, ihrer Gewalt unterwarfen. Dennoch täuschen die heroisierenden
Memoiren einzelner Offiziere und Fremdenlegionäre darüber hinweg,
dass der durchschnittliche Söldner nur sehr selten kämpfte. Die
allermeisten verbrachten ihre Dienstzeit in langweiligen Garnisonen und
winzigen Außenposten. Und wenn sie ihre Musketen überhaupt einmal
abfeuerten, so war es bei der Jagd. Der schlimmste Feind, dem sie sich
dabei gegenüber sahen war die allgegenwärtige Langweile, den
sie bevorzugt mit dem ältesten Freund aller Soldaten, dem Alkohol
bekämpften. Dazu kamen oft Tropen- und Geschlechtskrankheiten, gegen
die Alkohol ebenfalls als eine Art Allheilmittel galt. Nach Möglichkeit
wurde er sogar an Stelle des "ungesunden" Wassers getrunken. In der Kombination
mit Krankheiten und schlechter Ernährung forderte der Alkohol sicher
ein Vielfaches der Opfer wie militärische Aktionen. Ganz nebenbei
war er auch die Hauptursache für disziplinarische Probleme und die
oft große Verschuldung der Soldaten, die dann manchmal wiederum zu
Diebstahl, Unruhen, Raub und Mord führte.
Interessiert man sich also nicht nur für Heldentaten, sondern für
den banalen Alltag der Söldner zwischen Suff und Langeweile, so muss
man sich mit dem Leben in den kleinen, abgelegenen, von Gott und der Welt
vergessenen Vorposten beschäftigen. Sehr detaillierte Beschreibungen
liefert hier August Kappler, der seine sechsjährige Dienstzeit als
Gemeiner und schließlich als Unteroffizier abseits der großen
Eroberungen in Surinam verbrachte. Die Zeit der schmutzigen Sklavenjagden
in den Mangrovesümpfen, von denen Stedman so eindringlich berichtet
hat, war längst vorbei. Die kriegerischen Maroons hatten sich mit
der Kolonialverwaltung arrangiert und lebten wie die Indianerstämme
relativ autonom im Landesinneren. Dennoch beruhte die Wirtschaft der Kolonie
immer noch auf den großen Zuckerplantagen, die von etwa 45.000 Sklaven
bewirtschaftet wurden. Zu Sicherung der Ordnung dienten etwa 500 europäische
Söldner und einige Kompanien schwarzer Soldaten. Das größte
Problem dabei war jedoch kein neuer Sklavenaufstand, wie er von den Plantagenbesitzern
immer wieder an die Wand gemalt wurde, sondern dass die Sklaven in die
benachbarten französischen oder britischen Kolonien flohen, wo die
Sklaverei abgeschafft war. Aus diesem Grund wurden die meisten Söldner
in winzigen Militärposten zur Überwachung der Grenzen eingesetzt.
Dabei fingen sie zwar kaum einmal einen entlaufenen Sklaven, sondern dienten
wohl mehr der Abschreckung. Kappler musste jedenfalls weder Sklaven jagen
noch gegen sie kämpfen, sondern lediglich den üblichen Routinedienst
ableisten, aber er war ein guter Beobachter und nutzte die Muße zu
eingehenden Studien seiner Umgebung.
Er wurde 1815 in Mannheim geboren und begann mit 14 Jahren eine Lehre
als "Specereihändler". Doch hinter der Ladentheke beim "Zimmt stossen
und Pfeffer mahlen" ergriffen ihn bald Langeweile und Fernweh. Wie viele
unruhige Geister dieser Zeit zog es ihn zuerst nach Griechenland, um sich
dort am Freiheitskampf zu beteiligen. Doch ohne Pass, Geld und Beziehungen
kam er nicht weit und musste "desswegen mit hängendem Kopfe wieder
in die Heimath zurückkehren". Jetzt fiel sein Blick auf Ostindien;
er wollte das Pfefferland suchen, dessen exotische Gewürze er so oft
in seinen Händen gehalten hatte. Mit einem Pass und etwas Kleingeld
machte er sich 1835 auf den Weg nach Holland, wo er sich in Amsterdam anwerben
ließ. Im Rekrutendepot von Harderwyk traf er auf eine bunte Gesellschaft
aus belgischen und deutschen Deserteuren, holländischen Zuchthäuslern
und Strafversetzten aus anderen Regimentern. Unter den zahlreichen Deutschen
traf er angebliche Grafen und Barone, bankrotte Kaufleute, verkrachte Offiziere,
arbeitslose Schauspieler und sogar einen katholischen Priester. Die Rekruten
mussten tagsüber exerzieren, erhielten aber gutes Essen und brachten
abends Handgeld und Sold in den Geneverkrügen oder mit den Freudenmädchen
durch; von beiden gab es in der Garnisonsstadt mehr als genug.
Nach drei Monaten Ausbildung wurde wieder ein Transport nach Surinam
zusammengestellt. Bereits auf dem Marsch nach Amsterdam kam es zu Prügeleien,
da viele betrunken waren. Als sich die Abfahrt wegen einer Reparatur des
Schiffes um zwei Wochen verzögerte, nutzten die meisten Rekruten die
Zeit zu weiteren Gelagen. Da der Sold inzwischen aufgebraucht war, verkauften
viele ihre Kleider. Einer führte abends Schattenspiele auf, deren
derbe und vulgäre Szenen von den versammelten Soldaten, Matrosen und
Dirnen begeistert aufgenommen und dann noch überboten wurden. Dazwischen
verging kein Tag ohne schwerste Schlägereien. Erst die Einschiffung
beendete dieses Lotterleben. An der Seereise hatte sich in den vergangenen
300 Jahren nur wenig geändert. Die Nahrung bestand immer noch aus
Erbsen, Speck, Salzfleisch und Grütze, die jeweils zehn Mann gemeinsam
in einem hölzernen Kübel empfingen. Von Kappler erfährt
man jetzt aber auch etwas über die kleinen Details, über die
Enge und den Gestank unter Deck, die heftigen Streitigkeiten bei der Verteilung
des Specks oder darüber, ob die Erbsen nun mit Essig gewürzt
werden sollten oder nicht, oder über den Jüngsten, der das Essen
holen musste, und schon mal Prügel erhielt, wenn er bei Sturm zuviel
davon verschüttete.
Bei der Ankunft in Surinam schwärmte Kappler vom indigoblauen Wasser,
den Wohlgerüchen der Blüten, von Schmetterlingen und Flamingos.
Der Großteil seiner Kameraden stürzte sich dagegen sofort in
das wilde Leben der kleinen Garnison Neu-Amsterdam. Alte schwarze Prostituierte
verkauften sich für ein Stück Käse, und die gelangweilten
Söldner des Forts feierten mit den Neuankömmlingen deren glückliche
Überfahrt. In der einzigen Schenke floss der Rum bis zum Zapfenstreich
in Strömen. "Die Besoffenen lagen unter Tischen und Bänken. An
Ruhe und Stille war nicht zu denken; denn die ganze Nacht durch dauerten
die Zänkereien um die schönen Damen, welche aus allzugroßer
Zärtlichkeit Jedem angehören wollten". Kappler ließ sich
dadurch nicht weiter stören, sondern beobachtete fasziniert die nächtlichen
Feuerfliegen, und kostete am Morgen die erste Mango seines Lebens.
In allen Kolonialarmeen war der Alkoholismus das größte Problem.
In Algerien war es der Absinth, in Indochina der Tschum-Tschum, in Indonesien
der Arrak und in Surinam der als Dram bekannte Rum. Kappler hielt gut die
Hälfte seiner Kameraden für schwere Trinker. Wie der Tschum-Tschum
in Indochina durch eine Congai ergänzt wurde, so lebte der Großteil
der Söldner in Surinam mit schwarzen Konkubinen zusammen. Die Offiziere
konnten sich dabei die Hübscheren leisten, während sich die Mannschaften
an diejenigen halten mussten, die am untersten Rand der Gesellschaft lebten.
Kappler schreibt: "eine surinamische Missin muss schon ziemlich abgenützt
seyn, wenn sie sich von den Abfällen des dürftigen Soldatentisches
nähren muss". Um die zahlreichen Kinder aus diesen Verbindungen kümmerte
sich kaum jemand; sie wuchsen auf wie "die Lilien auf dem Felde". Dennoch
wird sich auch daran nicht viel geändert haben. Falls einige dieser
Kinder tatsächlich halbwegs lesen und schreiben lernten, fanden sie
in der Verwaltung oder in einem der Kontore Anstellung. Wenn nicht, konnten
sie immer noch in die Fußstapfen ihrer Väter treten und Soldat
werden.
Aber das lockere Leben währte nicht lange. Die Söldner wurden
auf die entlegenen Außenposten versetzt, die in einer losen Kette
entlang der Grenze die Sklaven an der Flucht hindern sollten. Für
Monate waren dort in der Wildnis ein bis zwei Dutzend Söldner völlig
auf sich gestellt. Da sie sich meistens bei ihren Fourieren verschuldet
hatten, mussten sie sich dort mit etwas Kleintierhaltung, Ackerbau und
von der Jagd ernähren, bis sie wieder Kredit hatten. Da jedoch einige
der kommandierenden Sergeanten oder in der Nähe lebende Eingeborene
weiterhin den begehrten Dram lieferten, blieb manchen noch nicht einmal
das Hemd auf dem Leib. Nach Kappler waren die Besatzungen nur dann nicht
betrunken, wenn absolut nichts zu bekommen war. Alkohol scheint der einzige
tröstende Helfer gegen Langeweile und Einsamkeit in diesen gottverlassenen
Stützpunkten gewesen zu sein.
Im Gegensatz zu den meisten lebte Kappler in der Wildnis erst richtig
auf. Er beobachtete seltene Vögel, Affen, Schlangen, Krokodile, fing
Schmetterlinge oder begleitete die Eingeborenen bei der Jagd. Als er allein
mit einem Schwarzen monatelang eine winzige Station im Dschungel besetzen
musste, konnte er ganz ungestört seinem Forscherdrang frönen.
Schuhe wurden dort in der Wildnis praktisch nie getragen; erstens waren
sie unpraktisch uns zweitens teuer. Auch das Hemd zog sich Kappler nur
über, wenn er Besuch bekam oder einen anderen Posten aufsuchen musste.
Mit seinem schwarzen Kameraden konnte er sich zwar fast nur pantomimisch
verständigen, aber er achtete ihn als hervorragenden Jäger. Sie
ernährten sich weitgehend aus der Natur und wurden von keinerlei Dienstpflicht
behelligt. Später schreibt Kappler: "Obwohl Soldat, war ich doch im
Besitz einer uneingeschränkten Freiheit, nie jagte mich die Ladenglocke,
die ich so oft verwünscht, von meinem frugalen Mahle auf. Der Insektenfang
und die Fischerei beschäftigten mich den ganzen Tag. Die freie Luft
und das kalte Wasser des Kreek erhielten mich gesund und munter, und jetzt
noch, nach 15 Jahren, denke ich sehr gerne an jenes freie, sorgenlose Leben
zurück".
In manchen Posten waren Sträflinge inhaftiert, die unter Aufsicht
Wege und Kasernen in Ordnung halten mussten, allerdings scheinen sie relativ
gut behandelt worden zu sein. Mit einem von ihnen freundete sich Kappler
an, da er seine Gesellschaft wesentlich interessanter fand als die seiner
Kameraden. Bei ihm handelte es sich um einen gewissen Alexander Bariteaud,
der als Kapitän noch unter Napoleon gekämpft hatte. Danach hatte
er im Dienst von Argentinien ein Kaperschiff kommandiert geführt und
damit vor Afrika einen brasilianischen Sklavenhändler gekapert. In
der Karibik war er dann von den Niederländern gefangen genommen worden,
die ihn und seine Offiziere wegen Piraterie zu 20 Jahren Festungshaft verurteilten.
Inzwischen hatte er sieben Jahre hinter sich, wurde allgemein gut behandelt,
und verdiente sich in seiner freien Zeit etwas Geld mit Nähen und
Strohflechten. Auch ein Söldnerschicksal.
niederländischer Militärstposten in den Tropen
Kappler wechselte durch eine ganze Reihe kleinster und etwas größerer
Außenposten. Aber überall war etwas anderes zu entdecken. Ob
im Urwald, den Savannen oder am Meer immer gab es neue Tiere und Pflanzen.
Anfang 1840 erhielt er dann als Vicecorporal das Kommando über fünf
Mann, die an der Mündung des Grenzflusses zu Französisch Guyana
stationiert waren. Sein Vorgesetzter, ein Leutnant, befand sich auf einem
nur geringfügig größeren Posten eine gute Tagereise weiter
landeinwärts. Auch hier lief alles gemächlich und wenn kein Dram
in der Nähe war, konnte Kappler seine Untergebenen sogar zu Ausbesserungsarbeiten
an den verfallenen Hütten bewegen. Mitten in dieser Ruhe strandete
vor der Küste ein holländisches Frachtschiff. Da das Schiff gut
versichert war, überließ es der Kapitän Kappler, von der
Ladung zu bergen, was er für nötig hielt. Allerdings bestand
die Fracht neben Manufakturwaren und Lebensmitteln aus 1.200 Kisten Genever.
Kappler nahm nun seinen Mannen das Versprechen ab, sich während der
Bergung nicht zu betrinken, und alle versicherten hoch und heilig, "dass
sie sich lieber die Zunge abbeissen, als einen Schnaps trinken wollten,
um sich diese Vortheile doch ja nicht entschlüpfen zu lassen". Natürlich
kam es dann, wie es kommen musste. Nachdem eine Bootsladung an Land geschafft
worden war, begann das Saufen und Prassen. Mit dem Genever spülten
die Söldner Konservenfleisch und Konfekt hinunter. Einer tanzte nackt
zur allgemeinen Belustigung und um zu zeigen, dass ihm die Moskitos gleichgültig
waren. Kappler, der einiges gewohnt war berichtete: "und Nachts sah ich
Bacchanalien, worüber ich erstaunte, obgleich ich doch schon manche
Partie mit angesehen hatte".
Da mit dieser Truppe in absehbarer Zeit nichts mehr anzufangen war,
bewegte Kappler einen in der Nähe lebenden Indianerstamm dazu, die
Ladung an Land zu schaffen. Diese tranken zwar auch fleißig, waren
aber sonst mit Lebensmitteln, Stiefeln und federgeschmückten Damenhüten
zufrieden. Doch damit begannen die Probleme erst richtig. Bald rückten
seine Männer an und forderten lautstark Rheinwein und Madeira. Erst
als sich Kappler mit zwei Gewehren zur Verteidigung entschlossen zeigte,
waren sie bereit, sich weiterhin mit Genever zu begnügen. Nach einigen
Tagen erschien dann sein Vorgesetzter, um sich möglichst viel von
den Schätzen zu sichern. Doch zu seinem Leidwesen hatte Kappler bereits
eine genaue Aufstellung an den Gouverneur geschickt. Die Beute lockte auch
wieder Indianer samt ihren Frauen an, und die Söldner spendierten
ihnen großzügig Genever. "Es war gerade nicht nöthig, dass
die Nacht ihren Schleier über diese Scene warf; denn die Indianer
waren so betrunken, wie ihre Weiber, dass sie die Fehltritte derselben
nicht bemerken konnten", skizziert Kappler die Ereignisse.
Erst nachdem die Reste der Ladung abgeholt worden waren, kehrte wieder
Ruhe ein. Für acht Gulden erwarb Kappler das ausgeräumte Wrack
und begann es nach und nach in seine Einzelteile zu zerlegen. Da er noch
über gewisse Schnapsreserven verfügte, erwiesen sich seine inzwischen
ausgenüchterten Mannen als eifrige Helfer. Für Holz, Metallteile
und die Ballaststeine erhielt er von der Äbtissin eines nahe gelegenen
Klosters in Französisch Guyana einen guten Preis. Über diesen
Arbeiten verging fast seine gesamte restliche Dienstzeit, und als er nach
Paramaribo kommandiert wurde, war er fest entschlossen, an seinen geliebten
Fluss zurückzukehren, um sich niederzulassen und "in reizender Abgeschiedenheit
ganz unabhängig in der freien Natur leben zu können". Als er
bald darauf entlassen werden sollte, dachte er lange darüber nach,
seine Dienstzeit zu verlängern, nahm dann aber doch seinen Abschied
und kehrte nach Deutschland zurück. Dort blieb er allerdings nicht
lange. Es zog ihn wieder nach Surinam, wo er als Schmetterlingsjäger
und Naturaliensammler lebte und sich einen Namen als Forscher machte. Teile
seiner Sammlungen befinden sich noch heute in Museen in Stuttgart und Tübingen.
Kappler war sicher ein außergewöhnlicher Söldner, aber
man sollte ihn dennoch nicht für einen Einzelfall halten. Neugier
und Fernweh hatten bereits seit einigen hundert Jahren junge Männer
in holländische Dienste geführt, und auch im modernen 19. Jahrhundert
war der Solddienst immer noch eine beliebte Methode diesen Zielen nachzugehen.
Die meisten wurden schnell enttäuscht, starben am Fieber oder verkamen
im Suff. Doch einige betrachteten ihre fremde Umgebung weiterhin mit Interesse
und erlagen manchmal völlig ihrer Faszination. Man weiß nur
von den Wenigen, die später Bücher schrieben und berühmt
wurden. Aber auch manch bedeutender Forscher begann seine Karriere als
Söldner. Der Österreicher Theobert Maler war als Freiwilliger
mit dem österreichischen Freikorps nach Mexiko gekommen. Nach Maximilians
Tod bereiste er Yucatán und studiert die Mayakultur. Der preußische
Militärarzt Franz Wilhelm Junghuhn wurde 1832 wegen eines Duells zu
zwanzig Jahren Haft verurteilt. Aus der Festung Ehrenbreitstein floh er
nach Frankreich, landete in der Fremdenlegion während der ersten Kämpfe
in Algerien. Obwohl er in Preußen inzwischen begnadigt worden war,
trat er anschließend als Sanitätsoffizier in den Dienst der
holländischen Kolonialtruppen. In Indonesien wurde er zu einem bedeutenden
Naturforscher und lebte bis zu seinem Tod in Batavia. Am berühmtesten
wurde der Bremer Arztsohn Gerhard Rohlfs. Er brannte bereits als Gymnasiast
nach Amsterdam durch, um als Schiffsjunge etwas von der Welt zu sehen.
Er wurde gerade noch rechtzeitig zurückgeholt und schloss sich später
den schleswig-holsteinischen Freikorps an. Das anschließend begonnene
Medizinstudium brach er ab und trat in die österreichische Armee ein.
Als es ihm dort zu langweilig wurde, desertierte er und trat 1855 in die
Fremdenlegion ein. Bei den Kämpfen gegen die Kabylen wurde er mehrmals
ausgezeichnet und nach fünf Jahren als Sergeant entlassen. Wie viele
Legionäre träumte auch er von Marokko und versuchte dort eine
Stelle als Offizier zu bekommen. Der Sultan machte ihn zum obersten Arzt
seiner Armee. Aber auch dort hielt es ihn nicht lange. Äußerlich
völlig zum Araber geworden unternahm er ausgedehnte Reisen in Nordafrika
und schließlich gelang ihm als erstem Europäer die Durchquerung
der Sahara.
Aber die Großen und Berühmten sollen hier nur kurz die Faszination
belegen, die immer noch manche in die letzten europäischen Söldnertruppen
lockte. Kapplers Buch ist vor allem deshalb interessant, weil er ausführlich
vom unheroischen Alltag in den Kolonien berichtet. Durch die Beschreibung
von Fieber, Monotonie und Alkohol ist es viel charakteristischer als die
schwülstigen und heroisierend Berichte der Fremdenlegionäre,
in denen nur ganz vage von Zügellosigkeit, Lastern und Unsittlichkeiten
die Rede ist. Man sollte aber auch nicht die Härten des Dienstes in
Surinam unterschätzen, nur weil Kappler daran Freude hatte. So starb
zum Beispiel auf einem seiner Posten innerhalb eines Jahres fast die halbe
Besatzung am Fieber, wozu natürlich der Alkohol gewaltig beigetragen
hatte. Auch die Bergung der Schiffsladung ist weit mehr als eine gute Anekdote.
Hier zeigt sich überdeutlich die Unfähigkeit der Söldner
durch organisiertes Handeln, Besitz zu erwerben und zu behalten. Jeder
hätte dabei leicht mehr verdienen können, als in seiner gesamten
Dienstzeit. Aber Porzellan, Butterfässer, Kisten mit Leinwand, kurzum
alles, was nicht trinkbar war, wurde mutwillig zerschlagen, und danach
versanken alle für Wochen in glücklichen Delirien. Kapplers scharfe
Beobachtungsgabe wurde weder von falschem Heldentum noch von Selbstmitleid
oder Rassismus getrübt, und deshalb überlieferte er sicher eines
der echtesten Bilder von Söldnern im Kolonialdienst während des
19. Jahrhunderts. Vieles daran kann sogar als Ergänzung zu den alten
Reiseberichten über den Dienst bei der VOC dienen. Ein wesentlicher
Unterschied verdient allerdings noch erwähnt zu werden: die Gewaltbereitschaft
und bedenkenlose Grausamkeit der Söldner war viel geringer geworden.
Kappler schreibt, dass er sich bei Auspeitschungen von Sklaven kaum "der
Thränen enthalten" konnte. Auch seine verkommenen Kameraden scheinen
eher friedliche Zeitgenossen gewesen zu sein. Denn er berichtet zwar häufig
von Schlägereien, aber nie von Mord, Totschlag oder Messerstechereien,
die früher keiner noch so kleinen Garnison erspart worden waren.