Die Leichtbewaffneten
unterschätzte Spezialisten.
Die Griechen kämpften als schwer gepanzerte Hopliten in der festen
Formation der Phalanx. Sie kannten zwar Leichtbewaffnete - mit Schild und
Wurfspeeren bewaffnete Peltasten, Schleuderer und Bogenschützen -
doch diese galten als Krieger zweiter Klasse. Sie durften manchmal als
Plänkler die Schlacht eröffnen, hatten dann aber schnellstens
das Feld zu räumen, wenn die "echten" Krieger zur Sache kamen. Ganz
davon abgesehen, dass die Leichtbewaffneten keine Vollbürger waren,
da sie sich die teure Hoplitenausrüstung nicht leisten konnten, galt
ihre Kampfesweise als wenig ehrenhaft, da sie aus der Distanz kämpften
und sich vor dem Zusammenprall "feige" zurückzogen. Schon Homer verachtete
die Bogenschützen der Lokrer, "deren Herz nicht duldet, im stehenden
Kampfe zu fechten." Und Euripides bezeichnete den Bogen als "die feigste
Waffe, stets zur Flucht bereit. Denn Pfeil und Bogen zeigen nicht des Mannes
Mut."
Man findet dieses äußerst dumme Vorurteil bis in unsere Tage
immer dann wenn gut ausgerüstete und gedrillte Truppen auf leichte,
irreguläre Verbände stoßen. Zahllose europäische Drillmeister
und Offiziere haben sich in den vergangenen paar Jahrhunderten darum bemüht
Indern, Afrikanern, Chinesen, Indios und vielen anderen abendländisches
Standvermögen einzubläuen. Dabei wurde dann die natürliche
Kampfesweise vieler Völker sehr oft mit Feigheit verwechselt.
Leichtbewaffnete - keine schlecht ausgerüsteten Milizen - sind
alles andere als feige. Ganz im Gegenteil wird von ihnen wesentlich mehr
Können, Einsatzbereitschaft und Tapferkeit verlangt, als von dem Infanteristen,
der in Formation kämpft. Der Hoplit stand Schulter an Schulter mit
seinen Kameraden, die ihm nicht nur körperlichen, sondern vor allem
auch moralischen Halt gaben. Eine Phalanx konnte einen ganz guten Prozentsatz
an Feiglingen und schlecht ausgebildeten Kämpfern ertragen. Sie wurden
sozusagen mitgenommen. Die Phalanx ist deshalb die typische Kampfform mäßig
ausgebildeter Volksaufgebote. Der Leichtbewaffnete dagegen kämpfte
alleine. Meistens ganz ohne Schutzwaffen sah er sich einem zahlenmäßig
weit überlegenen, waffenstarrenden Feind gegenüber. Diesen gepanzerten
schwerfälligen Block musste er immer wieder attackieren und dabei
versuchen, ihm mit seinen Nadelstichen Verluste zuzufügen.
Dabei verwendete er natürlich bevorzugt Distanzwaffen: Wurfspeere,
Pfeil und Bogen oder die Schleuder. Auch hier werden die Unterschiede schnell
deutlich. Die griechischen Hopliten machten zwar manchmal Sport zur körperlichen
Ertüchtigung, der Umgang mit den Waffen wurde aber - abgesehen von
den Spartanern - kaum oder sehr selten geübt. Als wichtigste Übung
galt, wenn ein Hoplit in voller Rüstung ein paar hundert Meter laufen
konnte. Da war der Umgang mit den Distanzwaffen schon wesentlich schwieriger
zu erlernen; vor allem Pfeil und Bogen und die Schleuder erforderten jahrelange
intensive Übung. Dazu kam die notwendige Kaltblütigkeit, die
man benötigte, um gegen eine Phalanx vorzugehen. Es versteht sich
von selbst, dass diese Fähigkeiten unter den griechischen Bürgern
kaum zu finden waren. Die hatten in der Regel besseres zu tun.
Eine der ältesten und primitivsten Waffen ist sicher die Schleuder.
Sie ist ideal für Hirten, die damit ihre Herden dirigieren und gegen
Raubtiere verteidigen. Außerdem verfügen Hirten über mehr
als genug Zeit um sich in ihrem Gebrauch zu üben, und Munition gibt
es im Überfluss. Trotzdem wird jemand, der über Pfeil und Bogen
verfügt oder sich gar Waffen aus Metall leisten kann, nur selten mit
einer Schleuder in den Kampf ziehen. Geübte Schleuderer fand man deshalb
besonders in den rückständigsten und ärmsten Regionen: in
Ätolien, Akarnanien, Thessalien und natürlich auf Rhodos. Im
Westen rekrutierten die Karthager und später die Römer ihre Schleuderer
auf den kargen Balearen, deren Namen sich vom griechischen "Baliarides"
für Steinschleuderer ableitet.
Besonders die armen Inseln, die ständig unter Überbevölkerung
litten und kaum Produkte für den Export produzierten, waren ideale
Rekrutierungsgebiete. Wahrscheinlich gab es dort Familien, deren überzählige
Söhne seit vielen Generationen in der Fremde dienten, so dass der
Nachwuchs irgendwann gezielt für den Kriegsdienst ausgebildet wurde.
So berichtet Diodor über die hohe Treffsicherheit der Balearer: "Dies
bringt aber die ununterbrochene Übung von Kind auf zu Wege. Denn sie
werden schon als Knaben von ihren Müttern immerfort zum Schleudern
gezwungen. Es wird nämlich als Ziel ein Stück Brot an einer Stange
befestigt, und der sich Übende bekommt nicht eher zu essen, als bis
er das Brot getroffen hat."
In der Schlacht eröffneten die Schleuderer den Kampf oder bildeten
beim Marsch die Nachhut. Große Bedeutung hatten sie auch bei Belagerungen,
wo sie die Verteidiger von den Mauern vertrieben. Die Geschosse ließen
die Feldherren meistens in großen Stückzahlen aus gebrannten
oder getrocknetem Ton herstellen, um ein einheitliches Gewicht zu garantieren.
Gegen Ende des 5. Jahrhunderts kamen dann Geschosse aus Blei auf, die nicht
nur eine verheerende Wirkung hatten, sondern auch weiter flogen als Pfeile.
Spezialisten halten bei Bleigeschossen eine Weite von 350-400 Meter für
möglich. Oft trugen die Geschosse den Namen des Feldherrn, der sie
in Auftrag gegeben hatte. Man hat aber auch einige Stücke gefunden,
die vom Humor ihrer einstigen Besitzer zeugen. Auf ihnen steht dann: "Leckerbissen
des Mars", "achäischer Schlag", "Nimm dies" oder einfach "Aua". Man
kann hier an Geschützgießer der Frühen Neuzeit oder moderne
Bomberpiloten denken, die ihre Produkte manchmal mit ähnlichen Grüßen
versahen.
Ähnlich wie Schleuderer benötigen auch Bogenschützen
sehr viel Übung und sind deshalb unter Städtern oder Bauern kaum
zu finden. In Griechenland kamen die meisten aus Kreta, wo sich die Tradition
im Umgang mit dieser Waffe wahrscheinlich noch aus vordorischer Zeit gehalten
hatte. Zudem ist Kreta äußerst bergig und seine Bewohner widmeten
sich seit Urzeiten dem Seeraub; wodurch man für Hopliten nur sehr
begrenzt Verwendung hatte. Sehr beliebt waren aber auch Skythen, da diese
den Umgang mit Pfeil und Bogen schon als Kinder lernten. Athen unterhielt
lange eine Polizeitruppe aus 300 skythischen Bogenschützen, die als
Staatssklaven am Schwarzen Meer gekauft worden waren. Sie dienten in ihrer
heimische Tracht und hatten einen hervorragenden Ruf. Während des
Peloponnesischen Krieges wurden sie auf über tausend Mann verstärkt
und kamen hauptsächlich auf den Schiffen der Flotte zum Einsatz.
Bei der Masse der Leichbewaffneten handelte es sich jedoch um einfache
Speerwerfer, so genannte Akontisten. Sie kamen normalerweise aus den Provinzen
nördlich des Peloponnes - Akarnanien, Ätolien, Lokris, Olynth
und Thessalien -, wo das unwegsame Bergland eine beweglichere Kampfweise
als die der schwerfälligen Phalanx erforderte, und wo sich kaum jemand
die teure Hoplitenausrüstung leisten konnte. Die besten Krieger dieser
Art, die es zur Not auch im Nahkampf mit einzelnen Hopliten aufnahmen,
rekrutierte man jedoch unter den barbarischen Thrakern. Von den Thrakern
übernahm man auch den kleineren Flechtschild, genannt "Pelte",
dem dann die Waffengattung ihre Bezeichnung verdankte. Für die Griechen
waren Peltasten meist mit Thrakern identisch, weshalb sie gerne mit der
für diese typischen phrygischen Mütze abgebildet wurden.
So lange die Griechen ihre Kriege wie große Turniere austrugen,
spielten die Leichtbewaffneten kaum eine Rolle. Die Wende kam langsam mit
dem Peloponnesischen Krieg, als mehrmals Hoplitenaufgebote von Leichtbewaffneten
aufgerieben wurden. Dennoch fiel es den Griechen schwer, die notwendigen
Konsequenzen daraus zu ziehen. In Athen blieben die Leichten lange ein
wildes Gemisch, aus armen Städtern, Ruderern und geworbenen Söldnern.
Eine Ausbildung gab es nicht, und alle kämpften mit ihren heimischen
Waffen, einige warfen sogar mit Steinen. Das stärkste Hindernis war
das Hoplitenethos, das Bürgerrechte und Kriegsdienst seit Jahrhunderten
als Einheit betrachtete. Gute Peltasten konnte man fast nur als Söldner
anwerben, wozu die Poleis nur im Ausnahmefall bereit waren. Bezeichnenderweise
wurden die größten Fortschritte an der Peripherie - auf Sizilien
und in Makedonien - gemacht, wo sich autokratische Herrscher wenig um Traditionen
scherten und in viel größerem Umfang Söldner verwendeten.
Als jedoch im 4. Jahrhundert die Kriege immer mehr zu langwierigen Feldzügen
wurden und die gute alte Hoplitenschlacht in den Hintergrund rückte,
stieg auch in den griechischen Poleis der Bedarf an Leichtbewaffneten enorm.
Aufklärung, Flankenschutz, nächtliche Überfälle oder
das Plündern im Feindesland war ohne ihre Hilfe praktisch nicht zu
leisten. Xenophon musste unter den Hopliten, die nach Persien
gezogen waren, ehemalige Schleuderer und Bogenschützen suchen lassen,
da sonst alle von den Persern aufgerieben worden wären. Sein äußerst
genauer Bericht verdeutlicht auch, dass von den Leichtbewaffneten auf Dauer
oft mehr verlangt wurde als von den Hopliten. Denn ihre Verluste beliefen
sich am Ende des Feldzuges auf circa 50%, während die Hopliten nur
25% verloren hatten.
Grundlegend für die weitere Entwicklung wurden dann die Reformen
des Iphikrates. Er war der Sohn eines Schusters aus Athen, und man nimmt
an, dass er sein Handwerk bereits in jungen Jahren unter Konon in persischen
Diensten lernte - also um 395. Wahrscheinlich erhielt er von diesem das
Kommando über eine bunt gemischte Söldnertruppe, die mit persischen
Geld angeworben worden war. Er ging zuerst daran deren Ausrüstung
zu vereinheitlichen. Alle erhielten den leichten thrakischen Schild, zu
den Wurfspeeren noch eine etwas längere Stoßlanze, ein längeres
Schwert und einen leichten Leinenpanzer. Dadurch waren die Söldner
ganz gut gegen Geschosse geschützt, waren weiterhin sehr beweglich
und konnten sogar auch im Nahkampf eingesetzt werden.
Vor allen Dingen aber legte er großen Wert auf die Ausbildung. Seine
Truppen mussten nicht nur hervorragend mit ihren Waffen umgehen können,
sondern auch auf dem Marsch und im Feldlager Disziplin halten und in der
Lage sein schnelle Manöver in geschlossener Form auszuführen.
Ein Chronist schreibt: "Er führte das Heer mit so trefflicher Manneszucht,
dass es niemals in Griechenland Truppen gegeben hat, die geübter gewesen
wären oder auf des Führers Befehl pünktlicher gehorcht hätten;
auch gewöhnte er sie daran, wenn vom Feldherrn das Zeichen zur Schlacht
gegeben war, ohne des Anführers Zutun so geordnet anzutreten, dass
sie einzeln vom geschicktesten Feldherrn aufgestellt schienen."
Mit dieser Truppe überfiel er dann 390 bei Korinth eine spartanische
Mora von 600 Mann auf dem Marsch. Seine Peltasten attackierten die Spartaner
immer wieder mit Wurfspeeren. Auch als der spartanische Feldherr dann seine
jüngsten Krieger zur Verfolgung ausschickte, gelang es diesen nicht
die Flüchtenden einzuholen. Sie wurden sogar oft ein Opfer der Wurfspeere,
wenn sie erschöpft zu ihren Linien zurückkehrten. Schließlich
gaben die Spartaner ihre Formation auf und versuchten zu flüchten,
was jedoch nur wenigen gelang.
Dieser Sieg erregte zwar überall in Griechenland großes Aufsehen,
aber Iphikrates fand nur wenige Nachahmer. Er war seiner Zeit voraus und
hatte in der ständisch organisierten Polis kaum Aufstiegsmöglichkeiten.
Er suchte sein Glück deshalb als Söldnerführer in der Fremde.
Sein Ruf war hervorragend und so übertrug ihm der Großkönig
den Oberbefehl über die griechischen Söldner bei dem gescheiterten
Angriff auf Ägypten 373. Zu seinem wichtigsten Auftraggeber wurde
aber der König von Thrakien, von dem er eine Tochter zur Frau und
großen Grundbesitz erhielt. Als thrakischer Adliger hatte er das
beste Rekrutierungsgebiet für Peltasten vor der Haustür, mit
denen er auch in Zukunft immer mal wieder für Athen kämpfte.
Trotzdem hatten seine Reformen weder in Athen noch in Sparta große
Auswirkungen. Man mietete zwar dort zunehmend Söldner, darunter
viele Peltasten, den Kern der Heere stellte aber nach wie vor das Aufgebot
der schwer gerüsteten Hopliten. Dass er dennoch den richtigen Weg
gewiesen hatte, zeigte sich als unter König Philipp Makedonien zur
Großmacht wurde. Philipp musste wie gesagt keine Rücksichten
auf die Empfindlichkeiten der Bürgerhopliten nehmen. Die Makedonen
hatten wahrscheinlich ohnehin meistens als Leichtbewaffnete gekämpft.
Als er nun daran ging aus ihnen eine Phalanx zu bilden, erhielten sie ganz
nach dem Vorbild der iphikratischen Peltasten einen leichteren Schild und
Panzer aus Leder oder Leinen. Philipp verfügte nach der Eroberung
der Goldminen im Pangaiongebirge über viel mehr Geld als die griechischen
Städte. Das heißt, bei der leichteren Rüstung ging es nicht
um Sparsamkeit sondern um Mobilität.
Philipps Neuerung bestand im wesentlichen darin, die Peltasten nun auch
in der Phalanx zu verwenden. Durch die Einführung einer längeren
Stoßlanze konnte die makedonische Phalanx viel tiefer gegliedert
werden. Der Massendruck glich dann die mangelnde Panzerung mehr als aus.
Gewonnen wurde aber die Beweglichkeit der Peltasten. Wie hoch diese von
Philipp geschätzt wurde, zeigt sich daran, dass seine Elitetruppe
die Hypaspisten sogar noch leichter bewaffnet waren und neben einer kürzeren
Stoßlanze auch Wurfspeere trugen.
Unter Alexander wurden die Hypaspisten dann zur Allzwecktruppe schlechthin
sie begleitete ihn auf den meisten seiner Eilmärsche, wurde für
schnelle Flankenangriffe aber auch als tief gestaffelte Stoßkolonne
eingesetzt. Eine ähnliche Funktion hatte ein reines Peltastenkorps
aus etwa 1.000 Agrianern - ein thrakischer Stamm. Manche Historiker halten
die Agrianer für die härteste Truppe von Alexanders ganzer Armee,
da sie von dem Chronisten Arrian am meisten erwähnt werden und vier
Kommandeure in der Schlacht verloren. Zusammen mit den Hypaspisten wurden
sie immer wieder für schnelle Sonderkommandos verwendet. Dass
sie aber auch durchaus eine Position halten konnten, zeigten sie bei Gaugamela
als sie den Angriff der gefürchteten Sichelwagen stoppten.
Trotz dieser Erfolge wurden die Leichtbewaffneten von Alexanders Nachfolgern
bald wieder vernachlässigt. Auch die makedonischen Phalangisten trugen
nun bessere und schwerere Panzer. Einige griechische Stämme wie die
Ätoler kämpften zwar weiterhin mit Wurfspeeren, und Bogenschützen
von Kreta und Schleuderer von Rhodos wurden sogar noch von den Römern
geschätzt, typische Peltasten sucht man in den Armeen der Großmächte
jedoch meistens vergebens. Lediglich die Karthager hatten vor allem unter
Hamilkar Barkas und seinem Sohn Hannibal immer starke Kontingente an Leichtbewaffneten,
die sie auch mit großem Erfolg einsetzten. Aber die kommandierten
auch typische Söldnerheere.