Der Sieg des Geldes
Der Peloponnesische Krieg und seine Folgen.
Man liegt sicher nicht verkehrt, wenn man die griechischen Bürgersoldaten
als einen der absoluten Gegenpole des Söldnertums bezeichnet. Anders
als die römischen Legionäre die sich sehr schnell zu Berufssoldaten
entwickelten oder zu vielen barbarischen Völkern, bei denen viele
Männer ihr ganzes Leben dem Krieg widmeten, blieben die Griechen lange
"Zivilisten", die nur in Krisensituationen und dann auch zeitlich sehr
begrenzt zur Waffe griffen. Direkte materielle Vorteile hatten diese Milizionäre
im Gegensatz zu Legionären oder barbarischen Kriegern, bei denen die
Aussicht auf Sold und Beute immer gewichtige Argumente waren, nicht zu
erwarten. Bei ihnen waren Bürgerrechte direkt an den Kriegsdienst
gekoppelt; dieser war dadurch Pflicht und Privileg zugleich. Die Reichsten
dienten in der Hoplitenphalanx und hatten damit die Hauptlast der Kämpfe
zu tragen. An eine Bezahlung war unter diesen Umständen nicht zu denken.
Der Hoplit zog nicht nur mit seinen eigenen Waffen, sondern auch mit einem
persönlichen Diener, der einen Teil der Waffen tragen und für
das leibliche Wohl seines Herrn sorgen musste, und eigenen Vorräten
ins Feld.
Da der Hoplitendienst Ausdruck des sozialen Status war und auch politischen
Einfluss brachte, versuchte sich auch kaum jemand dieser sicher manchmal
auch lästigen Pflicht zu entziehen. Im Gegenteil. Neue Untersuchungen
haben belegt, dass sogar versucht wurde, den Kreis möglichst klein
zu halten. So war die teure Rüstung aus Bronze sicher nicht unbedingt
notwendig. Die Makedonen haben später gezeigt, dass Leder- oder Leinenpanzer
durchaus ausreichten. Panzer aus Bronze, die natürlich von den Dienern
immer auf Hochglanz gebracht werden mussten, waren hauptsächlich Statussymbol,
und sollten Kleinverdiener von der illustren Runde ausschließen.
Aus einer modernen Perspektive erscheint es dennoch als geradezu paradiesischer
Zustand: wenn es Krieg gibt, kämpfen die, um deren Interessen es hauptsächlich
geht, in der ersten Reihe. Bei dieses Gedanken kommt man dann zwangsläufig
auf die Idee, dass dieses System auf Dauer nicht funktionieren konnte.
Denn hätte es Schule gemacht, wären Kriege ja wahrscheinlich
schon längst aus der Geschichte verschwunden
Das grundlegende Problem war, dass die Bürgerhopliten keine Soldaten,
sondern Amateure waren. Auch wenn sie sich untereinander und sogar gegen
die Perser äußerst tapfer schlugen, so hatten die meisten doch
von einem richtigen Krieg kaum eine Vorstellung. Normalerweise lagen die
Städte der Kontrahenten sehr nahe beisammen. Kam es nun zu einer kriegerischen
Auseinandersetzung, suchte man oft einen geeigneten Platz - die Phalanx
benötigte ebenes Terrain - ungefähr in der Mitte, brachte dort
die Sache möglichst schnell hinter sich und kehrte wieder zu seinen
Alltagsgeschäften zurück. Taktische Manöver, monatelange
Kriegszüge oder gar Belagerungen waren praktisch unbekannt. Wenn die
Söhne der Reichen das 18. Lebensjahr erreicht hatten, trainierten
sie zwar ein Jahr im Gymnasion und versahen dann ein Jahr Wachdienst in
Garnisonen, doch diese Ausbildung beschränkte sich auf eine Minderheit
und verlor mit den Jahren ihre Wirkung.
Die große Ausnahme waren die Spartaner, die von frühester
Jungend an nicht nur den Umgang mit Waffen lernten, sondern auch zum Ertragen
körperlicher Strapazen erzogen wurden. Im Unterschied zu den meisten
anderen Griechen, blieb ein Spartaner auch nach seiner Ausbildung in erster
Linie Krieger. Das Resultat war, dass es eine spartanische Phalanx nicht
nur mit einem zahlenmäßig wesentlich stärkeren Gegner aufnahm,
sondern auch zu langen Märschen und Manövern während einer
Schlacht in der Lage war. Die Spartaner konnten sich diesen Luxus erlauben,
da bei ihnen ca. 2% der Bevölkerung den Rest beherrschten (im "demokratischen"
Athen regierte immerhin eine Minderheit von ca. 30%). Bei der großen
Masse (mind. 75%) handelte es sich dabei um völlig rechtlose Heloten,
die einen sklavenähnlichen Status hatten. Waffengewandtheit war schon
deshalb eine pure Überlebensnotwendigkeit, da permanent Aufstände
der Heloten zu befürchten waren, und zur Ausbildung junger Spartaner
gehörte es dann auch, entflohene Heloten in den Bergen zu jagen und
mutmaßliche Verschwörer zu Hause zu ermorden. Dennoch lässt
sich der Eindruck nicht vermeiden, dass auch die hoch trainierten Spartaner
mehr eine Art Hochleistungssportler als richtige Soldaten waren.
Trotz einzelner Schwächen funktionierten die unterschiedlichen
Systeme über lange Zeit ganz gut. Die griechischen Staaten konnten
sich bei ihren begrenzten Streitigkeiten so stark auf die Wehrwilligkeit
ihrer führenden Schichten verlassen, dass für Söldner kaum
Verwendung bestand. Es gab zwar auch zu dieser Zeit schon eine Menge davon,
doch die mussten ihre Dienste hauptsächlich im Ausland - vorwiegend
in Persien oder Ägypten - offerieren. Zur großen Bewährungsprobe
wurde dann der Peloponnesische Krieg (431-404), der durch die immensen
Anstrengungen aller Beteiligten, die Unzulänglichkeiten der traditionellen
Kriegsführung offen legte und während seiner außergewöhnlich
langen Dauer schwerwiegende Veränderungen erzwang. Wir wollen hier
natürlich nicht den gesamten Peloponnesischen Krieg abhandeln - dazu
gibt es Bücher, auch Thukydides lässt sich immer noch gut lesen
-, sondern uns darauf konzentrieren, wo die Schwächen der Bürgerhopliten
erkennbar werden und wo Söldner zum Einsatz kommen.
Während die Flotte des von Athen geführten Attischer Seebundes
das Meer beherrschte, war der Peloponnesische Bund - Sparta, Arkadien,
Korinth und Theben - mit seinen Landstreitkräften weit überlegen.
Daraus ergab sich anfangs das folgende Szenario: die Spartaner und ihre
Verbündeten fielen jeden Sommer in Attika ein, brannten alles nieder
und zogen dann wieder nach Hause. Die attische Landbevölkerung zog
sich vor diesen Angriffen hinter die langen Mauern zurück, die Athen
mit dem Hafen Piräus verbanden. Im Gegenzug verwüsteten die Athener
mit ihrer Flotte die Küsten des Peloponnes. Bereits hier werden einige
Defizite des spartanischen Heeres deutlich. Sie versuchten noch nicht einmal
eine Belagerung, wobei die insgesamt über 14 Kilometer langen Mauern
mit den entsprechenden Kriegsmaschinen wahrscheinlich leicht zu durchbrechen
gewesen wären. Aber diese entsprachen nicht den sportlichen Vorstellungen,
die die Spartaner vom Krieg hatten. Noch ungefähr zwei Generationen
später soll ein Spartanerkönig beim Anblick eines Katapults aus
Syrakus entsetzt gerufen haben: "Wozu dann noch Mut?" Die phantasielosen
alljährlichen Einfälle in Attika belegen aber nicht nur das technische
Desinteresse der Spartaner, sondern auch das Fehlen jeglicher Strategie.
So brauchten sie 17 (!) Jahre, bis sie unter dem Einfluss des Atheners
Alkibiades auf die Idee kamen, in der Nähe von Athen mit der Festung
Dekeleia einen permanenten Stützpunkt anzulegen.
Der Großteil der Truppen wurde von beiden Parteien auf ganz traditionelle
Weise unter den Bürgern rekrutiert. Söldner spielten deshalb
zumindest anfangs nur eine sehr untergeordnete Rolle. Dennoch waren vor
allem die neutralen Gebiete des Peloponnes (Achaia und Argos) beliebte
Werbegebiete für Hopliten, mit denen beide Seite ihre Aufgebote bei
Bedarf verstärkten. Betrachtet man aber die Höhe des Soldes,
so erkennt man schnell, dass wohl kaum die typischen Bürgerhopliten
angeworben wurden. Ein Hoplit erhielt normalerweise 4 Obolen täglich,
musste davon aber sich und seinen Diener ernähren; die Ruderer der
Flotte erhielten drei pro Tag. Um sich eine Vorstellung davon zu machen,
muss man wissen, dass 2 Obolen als Existenzminimum galten, nach heutiger
Kaufkraft eine Obole also vielleicht 5, maximal 10,- € entsprach. Da zudem
fast nie Städte erobert wurden, waren auch die Aussichten, Beute zu
machen äußerst bescheiden. Für dieses Geld wird also kaum
ein wohlhabender Bauer oder Handwerker ins Feld gezogen sein. Man kann deshalb
davon ausgehen, dass die Söldner hauptsächlich unter den besitzlosen
Unterschichten geworben wurden, denen dann oft ein Teil der Ausrüstung
gestellt werden musste, was dann wieder mit dem Sold verrechnet wurde.
Eine wesentlich wichtigere Rolle jedoch als geworbene Hopliten spielten
die Leichtbewaffneten und Spezialisten, die unter den eigenen Bürgern
nicht rekrutiert werden konnten. Sehr beliebt waren Speerwerfer der halbbarbarischen
nordwestgriechischen Stämme: der Lokrer, Arkanier und Ätolier.
Dazu kamen Bogenschützen aus Kreta und Schleuderer aus Rhodos. Bei
entsprechendem Bedarf wurden auch Nichtgriechen - Illyrer, Thraker und
Skythen angeworben. So unterhielt Athen als einzigen stehenden Truppenteil
ein Korps von über 1.000 skythischen Bogenschützen, die speziell
zu diesem Zweck als Sklaven gekauft worden waren. Man sollte allerdings
nicht denken, dass es sich bei den Leichtbewaffneten lediglich um einen
billigen Ersatz für Hopliten gehandelt habe. Sie erhielten mit 3 Obolen
pro Kopf und Tag ungefähr so viel wie jene, manchmal sogar mehr. Thukydides
berichtet z.B. von einer größeren Gruppe thrakischer Schwertkämpfer,
die mit einer Drache (= 6 Obolen) täglich sogar deutlich besser bezahlt
wurden.
Die Thraker - insgesamt 1.300 Mann - waren für die sizilianische
Expedition angeworben worden. Da sie aber zur Abfahrt der Flotte zu spät
gekommen waren und die Athener knapp bei Kasse waren, sollte sie der Feldherr
Dieitrephes per Schiff wieder zurückbringen, allerdings nicht ohne
auf dem Weg die Feinde etwas zu schädigen. Wahrscheinlich hatte man
die Thraker auch mit einer Teilzahlung abgespeist und wollte sie nun mit
Plünderungen entschädigen. Dieitrephes setzte die Truppe dann
erstmals bei Tanagra in Böotien an Land, wo sie hastig plünderten.
Am nächsten Abend landeten sie dann gegenüber von Chalkis, und
näherten sich während der Nacht der kleinen Stadt Mykalessos.
Da dort niemand mit einem Überfall rechnete, waren die Mauern, die
sich in äußerst schlechtem Zustand befanden völlig unbewacht.
Die Thraker drangen deshalb völlig überraschend in Mykalessos
ein und hieben dort ohne Unterschied alles nieder: Junge, Alte, Frauen
und Kinder; sogar in einer Schule veranstalteten sie ein großes Gemetzel.
Thukydides schreibt, dass sie wie alle Barbaren gerade dann besonders blutrünstig
gewesen seien, wenn sie nichts zu fürchten gehabt hätten. Doch
das ist das übliche Geschwätz über Söldner. Denn man
sollte ja nicht vergessen, dass diese Taten im Auftrag der Athener verübt
wurden, und dass sich deren "Humanität" oft darauf beschränkte,
die männlichen Gefangenen (!) hinzurichten und als gute Händler
Frauen und Kinder in die Sklaverei zu verkaufen.
Von Feigheit kann dagegen kaum die Rede sein, denn als ein thebanisches
Aufgebot die Thraker auf dem Rückweg überraschte, gelang es diesem
zwar einige Nachzügler zu erschlagen. Am Meer sollen dann viele ertrunken
sein, da sich die athener Schiffe außer Schussweite in Sicherheit
gebracht hatten. Als die Thraker jedoch merkten, dass sie die Schiffe nicht
erreichen konnten, schlossen sie sich fest zusammen und konnten so alle
Angriffe der Thebaner abwehren. Letzten Endes sollen sie etwa 250 Mann
verloren haben. Das ist für eine Truppe, die Beute beladen auf dem
Rückzug überrascht wird, sicher kein schlechter Schnitt. Mit
einer undisziplinierten Räuberbande wäre das wohl kaum zu machen
gewesen.
Die wachsende Bedeutung der Leichtbewaffneten wurde in der ersten Kriegsphase
dadurch unterstrichen, dass sie den Athenern zwei schwere Niederlagen bereiteten
- 429 bei Spartolos und 426 Chalkidike. Beinahe kriegsentscheidend wurde
jedoch 425 das Gefecht auf der Insel Sphakteria. Dort war es den Athenern
gelungen eine spartanische Abteilung von 420 Hopliten einzuschließen.
Nach einer Zeit der Belagerung landeten die Athener Bogenschützen,
Peltasten und unbewaffnete Ruderer, die den Spartanern hauptsächlich
durch Geschrei und Steinwürfe zusetzen. Diese Leichtbewaffneten wichen
jeder direkter Konfrontation aus, setzen den Spartanern mit Pfeilen, Speeren
und Steinen so zu, dass die letzten schließlich völlig erschöpft
kapitulierten. Das Gefecht auf Sphakteria verdeutlicht aber nicht nur die
Stärke der Leichtbewaffneten, sondern auch zwei Schwächen der
Spartaner. Erstens konnten sich die Spartaner kaum den Verlust dieser eigentlich
nicht bedeutenden Truppe leisten, denn sie boten sofort Friedensverhandlungen
an, was von Athen nicht akzeptiert wurde. Zweitens wurden die Spartaner
auf der sehr kleinen Insel von der Landung der athenischen Truppen im Schlaf
überrascht, sonst hätten sie diese wahrscheinlich abwehren können.
Das zeigt, dass es sich bei den Spartanern wahrscheinlich um gute Kämpfer
aber nicht gerade um besonders disziplinierte Soldaten handelte.
Dass es auch anders ging und man dazu noch nicht einmal die hoch gezüchteten
Elitekrieger brauchte, zeigte der spartanische Feldherr Brasidas im kommenden
Jahr. Er entwarf den Plan in Athens Hinterland einzufallen und dadurch
dessen Bundesgenossen, die zunehmend unter Steuern und Abgaben litten,
zum Abfall zu bewegen. In Sparta wollte ihm dafür niemand Truppen
geben, da man hauptsächlich an der Auslösung der Gefangenen von
Sphakteria interessiert war und einen Helotenaufstand fürchtete. Um
die Heloten in den Griff zu bekommen, verfielen die Spartaner auf eine
besonders perfide Idee. Sie versprachen als Zugeständnis den Tapfersten
die Freiheit und gingen dabei von der Annahme aus, dass die die sich melden
würden auch die rebellischsten sein müssten. Nachdem sich etwa
2.000 bei den Tempeln eingefunden hatten und ihre Freiheit feierten, schickten
sie 700 zu Brasidas, um sich in seinen Diensten ihre Freiheit zu erkämpfen.
Die anderen verschwanden in der folgenden Zeit spurlos, d.h. sie wurden
ermordet. Zu diesen Heloten erhielt Brasidas dann noch die Mittel um 1.000
Söldner auf dem Peloponnes anzuwerben.
Mit dieser Truppe aus zwangsverpflichteten Sklaven und Söldnern
zog Brasidas nach Thrakien und demonstrierte eine neue Art der Kriegsführung
als die üblichen Sommerfeldzüge nach Attika. Seine Männer
marschierten bei Sturm, Regen und Schnee, waren entsprechend schnell und
zeichneten sich bald durch überraschend Angriffe und nächtliche
Überfälle aus. Nach einer Reihe kleinerer Erfolge, gelang Brasidas
schließlich die Einnahme von Amphipolis, wodurch der gesamte Besitz
Athens auf Chalkidike und damit der Nachschub an Holz und Getreide in Gefahr
kam. Sparta ließ ihn ohne den erbetenen Nachschub, während Athen
eine Armee schickte. Brasidas besiegte sie trotzdem in der Entscheidungsschlacht
bei Amphipolis, bezahlte den Erfolg aber mit dem Leben. Seine Helotenveteranen
galten inzwischen als ausgesprochene Elitetruppe, die "Brasideioi". Aber
Sparta war kriegsmüde und schloss 421 einen brüchigen Frieden.
Als die Brasideioi anschließend heimkehrten, hatte man tatsächlich
so viel Anstand, ihnen die Freiheit zu geben. Man siedelte sie aber außerhalb
Spartas an der Grenze zu Elis an, mit dem man gerade im Streit war. Man
kann mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit annehmen, dass zumindest einige
dieser Veteranen, denen das Leben auf den kargen Feldern nicht schmeckte,
weiterhin den Söldnermarkt in Griechenland bereicherten.
Die Athener hatten bisher die Oberhand behalten, waren aber nicht bereit,
sich mit dem Erreichten zufrieden zu geben. Deshalb ließen sie sich
unter dem Einfluss der ehrgeizigen Alkibiades dazu bewegen, Sizilien ihrem
Imperium einzuverleiben und rüsteten 415 zu einer Expedition gegen
Syrakus. Der größte Teil dieser beeindruckenden Streitmacht
- allein 5.100 Hopliten - wurde auf die übliche Weise durch Aushebung
der Athener und Bundesgenossen aufgebracht. Lediglich Speerwerfer, Bogenschützen
und Schleuderer mussten in größerer Zahl geworben werden. Die
Kämpfe um Sizilien interessieren uns deshalb hier nicht im Detail.
Es bleibt nur festzuhalten, dass die ganze Expedition in einem furchtbaren
Desaster endete. Nach schweren Verlusten kamen immer noch mindestens 7.000
Mann in Gefangenschaft, von denen die Syrakuser viele in den Steinbrüchen
erbärmlich zu Grunde gehen ließen. Alkibiades, der bereits kurz
nach der Ausfahrt zurückgerufen worden war, um sich vor Gericht zu
verantworten, hatte sich zu den Spartanern abgesetzt und diesen seine Dienste
angeboten. In gewisser Weise verkörpert Alkibiades einen besonders
widerwärtigen Söldnertypus: den des rumsüchtigen, gewissenlosen
Abenteurers. Bevorzugt gebärden sich solche Leute als "Retter der
Vaterlandes", das aber lediglich ihrer eigenen Karriere dienen soll, und
wenn das nicht funktioniert, haben sie keine Probleme, die Fronten zu wechseln.
Nach der furchtbaren Niederlage auf Sizilien war die Chancen in Griechenland
wieder relativ ausgeglichen. Sparta unternahm deshalb wieder einen Einfall
in Attika und errichtete dort auf Alkibiades Anraten hin die Festung Dekeleia
, wodurch die Wirtschaftskraft von Athen sehr schnell empfindlich getroffen
wurde. Allerdings kam es bis zum Kriegsende zu keinem grundsätzlichen
Umschwung in Richtung Söldnerheer. Denn die Masse der Krieger wurde
weiterhin von den Hopliten der Beteiligten gestellt. Die Veränderung
war mehr eine schleichende. Langsam stieg die Bedeutung der Leichtbewaffneten,
die sich meistens aus Söldnern zusammensetzten, zudem wurden zunehmend
Hopliten unter den Neutralen geworben. Vor allen Dingen begann man aber
unter der eigenen Bevölkerung die ärmeren Schichten zum Hoplitendienst
heranzuziehen. Diesen Leuten musste dann nicht nur die Ausrüstung
gestellt werden; man musste sie auch bezahlen. Der Militärhistoriker
Hans Delbrück spricht deshalb von einer "Versöldnerung", allerdings
handelte es sich eher um eine Professionalisierung der einstigen Bürgeraufgebote.
Der große Umbruch, sozusagen der Sieg des Geldes, kam dagegen
im Bereich der Flotte. Normalerweise dienten die, die sich die Hoplitenrüstung
nicht leisten konnten, als Ruderer und wurden dafür auch bezahlt,
da sie kein Vermögen hatten. Der Menschenbedarf der Tieren war enorm.
Allein von den 32.000 Mann der Sizilienexpedition waren mehr als 25.000
Ruderer. Da kamen gigantische Summen zusammen, schnell mehr als bei einem
voll besoldeten Hoplitenheer. Zwar kosteten auch Schiffe eine Menge Geld,
die wirklichen Kosten entstanden aber durch die Besoldung der Besatzung.
Ruderer waren erfahrene Leute. Sie benötigten nicht nur Kraft und
Ausdauer, sondern auch viel Training, um nicht aus dem Takt zu geraten
und die komplizierten Manöver mit größter Schnelligkeit
auszuführen. Athen und seine Verbündeten besaß die besten
Mannschaften, aber auch die reichten schnell nicht mehr aus, und so begann
man zunehmend damit, Ruderer in anderen Regionen anzuwerben. Für viele
arme Bauern und Hirten waren die drei Obolen täglich gutes Geld, und
so wurde der Flottendienst für sie eine Art Saisonarbeit während
der Kriegsmonate. Aber auch hier war Athen gewaltig im Vorteil, denn durch
die im Seebund erhobenen Abgaben, verfügte es regelmäßig
über große Einkünfte.
Mit der Zeit wurde klar, dass Athen nur auf dem Meer zu schlagen sein
würde. Die Frage war nur woher Sparta und seine Verbündeten die
immensen Mittel zum Unterhalt einer entsprechend starken Flotte nehmen
sollten. Auch hier war es wieder einmal Alkibiades, der den entscheidenden
Anstoß machte. Er initiierte Verhandlungen zwischen Sparta und dem
persischen Satrapen von Kleinasien Tissaphernes. Persien hatte nicht nur
Interesse an den Griechenstädten Kleinasiens, sondern verfügte
auch über beinahe unerschöpfliche Reichtümer. Mit persischen
Subsidien konnte der Peloponnesische Bund nun nicht nur zahlreiche Galeeren
bauen, sondern auch seinen Gegnern immer mehr Ruderer abwerben. Tissaphernes
erhöhte ihren Sold gleich auf vier Obolen täglich, teilweise
als Lockangebot sogar auch eine Drache (6 Obolen).
Letzten Endes wurde der Krieg dadurch entschieden. Alkibiades, der zunehmend
Schwierigkeiten in Sparta hatte, nutzte zwar eine innenpolitische Krise,
um im Triumph nach Athen zurückzukehren, und konnte noch einige Erfolge
erzielen. Auch Tissaphernes, der keinen vollständigen spartanischen
Sieg wollte, verzögerte immer wieder seine Zahlungen. Als sich aber
die Spartaner mit Kyros dem Jüngeren einem Sohn des Großkönigs
einigten und auf die Griechenstädten Kleinasiens verzichtete, floss
das persische Gold in Strömen. Obwohl die Athener noch einige Siege
erfochten, konnten die Spartaner die Verluste meistens bis zum nächsten
Jahr ersetzen. Als es ihnen schließlich gelang, die athenische Flotte
vernichtend zu schlagen, musste Athen kapitulieren.
Obwohl der Peloponnesische Krieg selbst wie gesagt noch keinen grundlegenden
Durchbruch zum Söldnertum zeigt, so legte er doch das Fundament dafür.
Wie nach jedem langen Krieg gab es auch jetzt eine große Anzahl erfahrener
Veteranen, die zudem nicht den vermögenden Schichten entstammten und
deshalb den Krieg als Erwerbsmöglichkeit betrachteten. Die ersten
ließen sich gleich von Kyros anwerben, um ihn bei seinem Putsch gegen
seinen Vater zu unterstützen. Es waren jene Zehntausend, von deren
Schicksal Xenophon berichtet. Doch sie bildeten nur den Anfang. Geld und
damit Söldner waren durch den Peloponnesischen Krieg zum wichtigsten
Mittel geworden, Kriege zu entscheiden. Diese bittere Erfahrung musste
bald auch der Spartanerkönig Agesilaos machen. Er hatte die Reste
der Zehntausend in Sold genommen und führte mit ihnen in Kleinasien
erfolgreich Krieg gegen Persien. Die Perser finanzierten daraufhin die
Gegner Spartas. Als Agesilaos deshalb mit seinem Heer nach Griechenland
zurückkehren musste, soll er verbittert gesagt haben: "Es sind 30.000
persische Bogenschützen, die mich aus Kleinasien vertreiben." Er bezog
sich dabei nicht auf Krieger, sondern auf die persischen Goldmünzen,
auf denen ein kniender Bogenschütze abgebildet war.