Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Griechische Hopliten

die schwere Infanterie des Altertums.

Hoplit Etwa um 1000 (alle folgenden Jahreszahlen sind selbstverständlich v.Chr.) wurde Ägypten zur Beute der angrenzenden Völker, die oft schon als Söldner den Reichtum und die Schwächen des Landes kennengelernt hatten. Zuerst putschten sich libysche Söldner an die Macht und gründeten die 22. Dynastie. Ihnen folgten die Äthiopier und schließlich kamen die Assyrer. Für die Fellachen änderte sich dadurch wahrscheinlich nicht viel. Sie mußten weiter für den Wohlstand der Herrscher, des Adels, der Priester und der fremden Krieger sorgen. Es ist deshalb nicht erstaunlich, daß sich Pharao Psammetich I. (663-609), als er gegen die Assyrer rebellierte, wieder auf Söldner stützten musste. Der Legende nach hatte ein Sturm einige ionische und karische Seeräuber nach Ägypten verschlagen. Da ein Orakel dem Pharao vorausgesagt hatte, daß ihm "eherne Männer" vom Meer zur Hilfe kommen würden, nahm er sie sofort in seine Dienste und schlug mit ihrer Hilfe die Assyrer, die zu dieser Zeit hauptsächlich in anderen Teilen ihres Imperiums beschäftigt waren.

Trotzdem war das natürlich nicht mit ein paar hundert Seeräubern zu bewerkstelligen. Aber vielleicht haben sie tatsächlich den Anfang gemacht und dann durch die Kunde von der Freigebigkeit des Pharaos für regen Nachschub aus Griechenland gesorgt. Da sich Ägypten aber zum Kampf gegen die Assyrer mit Lydien verbündet hatte, wo schon länger griechische und karische Söldner beschäftigt wurden, ist es auch gut möglich, daß der erste Kontrakt durch lydische Vermittlung zustande gekommen war. Militärisch waren sie auf jeden Fall derart erfolgreich, dass kein Pharao fortan auf sie verzichten wollte. Wie einst die Libyer wurden jetzt zehntausende Karer und Griechen in eigenen Militärkolonien im Nildelta angesiedelt. Bei innerägyptischen Machtkämpfen wurden sie zu einem der wichtigsten Faktoren, und selbst wenn sie dabei einmal unterlagen, stellten sie bald wieder die Leibgarde des Siegers und beschützten ihn zuverlässig vor seinen Untertanen.

Mit den Griechen war ein völlig neuer Söldnertypus auf dem Markt erschienen. Anders als die meisten ihrer "Kollegen" waren sie keine "wilden" Nomaden, sondern kamen aus relativ hoch entwickelten Staaten. Sie kämpften als schwer gepanzerte Infanteristen. Ihre Ausrüstung bestand aus einer etwa zwei Meter langen Lanze, Helm, Brustpanzer und Beinschienen aus Bronze, da diese härter als das damals verwendete Eisen war. Dazu kam der mit Eisen beschlagene Rundschild - der "Hoplon", von dem sich die Bezeichnung der Krieger ableitete. Die Krieger kämpften in einer etwa acht - manchmal bis zu 25 - Glieder tiefen Phalanx. Natürlich hatte sich auch schon das Fußvolk anderer Völker lange vor den Griechen in ähnlichen Formationen aufgestellt: dicht gedrängt hinter ihren Schilden, die Lanzen vorgestreckt versuchten sie sich vor den feindlichen Wurfgeschossen zu schützen und die Angriffe der Streitwagen oder Reiter abzuwehren. Doch es waren fast immer defensive Versuche relativ hilfloser Infanterieaufgebote. Das griechische Wort Phalanx dagegen bedeutet eigentlich "Walze" und genau so kämpften die Griechen: sie rückten unaufhaltsam vor. Dabei stimmten sie ihren "Paian" - ihren Schlachtgesang - an und steigerten langsam ihre Geschwindigkeit bis zu einem Sturmlauf über die letzen hundert Meter. Dem Aufprall und dem Massendruck dieser gepanzerten und lanzenstarrenden Walze konnte niemand widerstehen. Oft war es sogar so, dass Heere, die das erste mal eine Phalanx auf sich zukommen sahen, vor dem Zusammenprall das Weite suchten.

Angriff einer Phalanx
Bis zum Auftreten der Griechen wurde zumeist indirekt mit Wurgeschossen gekämpft, oder der Adel suchte den ritterlichen Zweikampf als Streitwagenfahrer oder Reiter. Sogar in den Epen von Homer kämpfen die Griechen noch selbst auf diese Weise. Es ist viel gerätselt worden, wie die Griechen ausgerechnet zu dieser Kampfform kamen. Natürlich ist es einfach den Gegner mit einem schnellen, furchteinflößenden Angriff in die Flucht zu schlagen. Doch diese Taktik hatten sie ja nicht im Kampf gegen Fremde, sondern in internen Kriegen also im Zusammenprall von Phalanx mit Phalanx gelernt. In der Schlacht gab es wahrscheinlich nichts schrecklicheres als den Angriff auf eine feindliche Phalanx. Schon der Sturmlauf widerstrebte allen natürlichen Instinkten und erforderte eine enorme psychische Überwindung der Beteiligten. DerZusammenprall war furchtbar. Viele in den ersten Reihen wurden erdrückt und niedergetreten. Dann begann das hektische Stoßen mit den Lanzen, wobei jeder nach den Schwachstellen zwischen den gegnerischen Schilden und Panzern suchte: Achselhöhlen, Hals und vor allem Unterleib. Ein Ausweichen war kaum möglich, denn von hinten wurde man mit enormer Gewalt weiter nach vorne gedrückt.

Irgendwie scheint die Entstehung der Phalanx mit der sozialen Struktur der griechischen Stadtstaaten zusammenzuhängen. Gut gerüstete und disziplinierte Infanteristen findet man weder in archaischen noch in rein feudalistischen Gesellschaften, sondern dort wo Bauern- und Bürgermilizen im Kampf ausgebildet und mit guten Waffen ausgerüstet werden. Deshalb erinnert die Kampfweise der Hopliten sicher nicht ohne Grund an die Gewalthaufen der italienischen und flämischen Städter, schweizer Reisläufer oder der deutschen Landsknechte. In Griechenland konnten nur Wohlhabende die relative teure Hoplitenausrüstung bezahlen, deren Anschaffung die Voraussetzung für die Bürgerrechte war. Die überwiegende Mehrheit waren Bauern, andere gut verdienende Handwerker oder Händler. Alle gehörten jedoch zur besitzenden Schicht, die für ihre eigenen Interessen kämpfte. Nach John Keegan waren es vor allem praktische Menschen, die die unvermeidlichen kriegerischen Konflikte auf ein Minimum an Zeit und Aufwand begrenzen wollten. Oft wurden die Kriege regelrecht verabredet, Kriegslisten und umständliche taktische Manöver waren dabei eher die Ausnahme. Man suchte sich ein passendes Gelände zur Schlacht und regelte dort die Angelegenheit. Wenn eine Phalanx durchbrochen wurde, warfen die Verlierer meistens Panzer und Waffen weg und flohen sehr schnell, verfolgt wurden sie selten. Niemand wollte den Gegener vernichten und völlig unterwerfen, wie es später die Römer praktizierten. Man hat die Verluste der Verlierer auf ca. 15% geschätzt. Nach der Schlacht erhielten die Besiegten die Möglichkeit ihre Gefallenen zu bestatten und akzeptierten in den folgenden Friedensverhandlungen meistens die Forderungen ihrer Gegner. Die traditionelle griechische Schlacht war zwar eine äußerst brutale aber dennoch ritualisierte und schnelle Lösung politischer Konflikte.

Schlacht zwischen Hopliten Um den Schrecken dieser furchtbaren Schlachten durchzustehen brauchten die Griechen vor allem die entsprechende psychische Konstitution. Die Erziehung zu kriegerischem Selbstvertrauen und dem damit verbundenen Ehrenkodex waren die Basis; das Standesbewußtsein der Bürger, die in einer geschlossenen Reihe mit ihresgleichen kämpften, tat das übrige. Dennoch war diese Art zu kämpfen etwas für Zivilisten, für Gelegenheitskrieger. Ein Hoplit braucht viel weniger Übung im Waffenhandwerk als ein Bogenschütze oder Reiter. Letzten Endes benötigt er auch nicht so viel Mut und Entschlossenheit wie ein Einzelkämpfer, denn die Phalanx gibt ihm Halt und nimmt ihm alle Entscheidungen ab. Da vor dem Peloponnesischen Krieg längere Feldzüge praktisch unbekannt waren, entfielen auch weitgehend die Strapazen monatelanger Märsche und des Lagerlebens. Unter den Zeitgenossen der Griechen gab es sicher bessere und auch härtere Krieger, ihr Vorteil lag jedoch darin, dass sie eine relativ große Anzahl an gut ausgerüsteten Kämpfern mobilisieren konnten und diese dann diszipliniert offensiv zum Einsatz brachten.

Die ersten Abnehmer griechischer Söldner waren bezeichnenderweise die Lydier, die das Geld ja erfunden haben sollen und deren König Krösus wegen seines Reichtums zu einer legendären Gestalt wurde, und dann die noch reicheren Pharaonen. Nach ihren Anfängen unter Psammetich I. standen meistens einige zehntausend in ägyptischen Diensten. Sie dienten in den Grenzbefestigungen gegen Libyer, Araber und Äthiopier und nahmen an verschiedenen Feldzügen teil. So zogen sie mit einer Armee während der Regierungszeit Psammetich II. (593-588) in das ferne Land Kush am oberen Nil. Sie müssen etwas verlorenes gehabt haben, mit ihren bronzenen Panzern und geschmückten Helmen dort in der nubischen Wüste an der Grenze zu Schwarzafrika. Vom Ausgang der Expedition ist nichts bekannt; sieben von ihnen kratzten ihre Namen jedoch in eines der Beine der Kolosse von Abu Simbel.

Abu Simbel Als der Pharao Apries 570 ein Heer gegen die griechische Kolonie Kyrene in Libyen schickte, ließ er aus Mißtrauen seine griechischen Söldner lieber zu Hause. Das Heer wurde geschlagen und meuterte dann unter dem Heerführer Amasis. Apries suchte nun Schutz bei seinen griechischen Söldnern. Obwohl er von denen 30.000 gehabt haben soll, unterlag er seinem Rivalen, der nach einer kurzen Doppelherrschaft als neuer Pharao die Machr übernahm. Doch auch Amasis wollte auf die Griechen nicht verzichten. Er holte sie aus ihren Siedlungen im Delta in die Metropole Memphis , wo er unter ihnen seine persönliche Leibgarde rekrutierte, "um sich gegen seine Ägypter zu schützen", wie Herodot zu berichten weiß. Durch Bündnisse mit Samos und Kyrene sicherte er sich zudem weiteren Nachschub.

Doch den Griechen und ihren traditionellen Arbeitgebern war inzwischen im Osten ein neuer übermächtiger Feind entstanden. Dort waren aus den Kämpfen um die Erbmasse des assyrischen Imperiums die Perser als die großen Sieger hervorgegangen. Mit unglaublicher Vitalität dehnten sie ihre Grenzen immer weiter aus. Im Osten erreichten sie den Indus, im Norden die zentralasiatischen Steppen zwischen Oxus und Jaxartes und im Westen stießen sie gegen Ägypten, Lydien und die griechischen Städte der ionischen Küste. Bei den folgenden Kämpfen, die erst mit den Zügen Alexanders des Großen mehr als 200 Jahre später ihren Abschluss fanden, haben sich die Griechen am Anfang allerdings nicht gerade mit Ruhm bekleckert.

Zuerst fiel Lydien. König Krösus hatte einen Griechen mit reichlich Geld versehen, um damit Söldner auf der Peloponnes anzuwerben. Doch der setzte sich mit dem Geld ab und verriet dann Krösus’ Pläne an den Perserkönig. Als auch die Spartaner, die eine Art Subsidienvetrag mit Krösus abgeschlossen hatten, mit den versprochenen Truppen zu Hause blieben, soll Krösus in seiner Not zu einer List gegriffen haben. Er steckte seine kräftigsten Männer in griechische Rüstungen und soll mit ihnen einen Waffenstillstand erfochten haben. Ob sich bei seiner endgültig Niederlage 546 griechische Söldner in seinem Heer befanden, lässt sich nicht mit Sicherheit bestätigen. Danach unterwarf der persische Großkönig Kyros II. anscheinend ohne größere Probleme die griechischen Städte Kleinasiens. Mit der Eroberung Ägyptens konnte allerdings erst sein Sohn Kambyses (529-522) beginnen.

Als Kambyses 525 zur Eroberung Ägyptens aufbrach, befanden sich neben den Kontingenten der ionischen Städte auch griechische Söldner in seinem Heer. So hatte ihm Polykrates der Tyrann von Samos ein größeres Kontingent aufrührerischer Bürger geschickt "mit der Weisung an Kambyses, sie nicht nach Samos zurückkehren zu lassen." (Diese Methode unbequeme Untertanen zu entsorgen, sollte in der Geschichte noch viele Nachahmer finden). Vor allem stützten sich jedoch die Ägypter auf die inzwischen altbewährten griechischen Hopliten. Unter diesen machte nun ein gewisser Phanes von Halikarnass von sich reden. Er galt als tapferer Offizier hatte sich aber aus irgendwelchen Gründen mit dem Pharao überworfen und war dann aus Rachsucht zum persischen Großkönig geflohen, um diesem seine Dienste anzubieten. Seiner Ortskenntnis war es zu verdanken, dass das persische Heer dann die notwendigen Wasserstellen fand, um die ägyptischen Grenzbefestigungen zu umgehen. Die Griechen in ägyptischen Diensten waren über diese Tat so erbittert, dass sie vor dem Kampf die zurückgebliebenen Söhne des Phanes schlachteten, ihr Blut mit Wasser und Wein mischten und alle Söldner davon trinken ließen. Doch auch diese Barbarei nützte nichts, sie wurden geschlagen und Ägypten wurde persische Provinz.

Siedlungsgebiete der Griechen So war den Griechen nicht nur ihr letzter Großkunde abhanden gekommen, sie waren nun als "Frontstaat" selbst ins Visier der persischen Expansionsgelüste gerückt. Nachdem die Perser einen Aufstand der ionischen Städte (499-93) niedergeschlagen hatten, beschlossen sie, das Problem an der Wurzel zu packen und Griechenland selbst zu erobern. Es begann die lange Phase der Perserkriege mit den großen griechischen Siegen bei Marathon, Salamis und Plataiai. Sie endeten erst 448, nachdem Athen einen Großteil der kleinasiatischen Griechenstädte "befreit" d.h. dem eigenen schnell wachsenden Machtbereich eingegliedert hatte. Außer von einigen Überläufern auf persischer Seite ist in dieser Zeit von griechischen Söldnern praktisch nichts zu hören. Als sich danach aber Ägypten wieder einmal gegen die persische Herrschaft erhob (460-454) standen wieder tausende im Dienst des Pharaonen Inaros, zudem schickte Athen ein ganzes Hilfskorps. Nachdem die griechischen Truppen von den Persern jedoch völlig aufgerieben worden waren, wurde auch dieser Aufstand unterdrückt.

Nach den bald schon legendären Schlachten der Perserkriege, zu denen im Westen noch Siege der sizilianischen Griechen über Karthager und Etrusker kamen, hatten die Griechen einen ausgezeichneten Ruf und hätten für ihre Dienste im gesamten Mittelmeerraum gutes Geld verlangen können. Viel von diesem Potential wurde jedoch von der athenischen Großmachtpolitik absorbiert, die dann recht schnell zu immer stärkeren Spannungen mit Sparta führten. 431 kam es dann zum peloponnesischen Krieg, in dem sich die griechischen Staaten fast 30 Jahre lang gegenseitig zerfleischten. Am Ende siegte Sparta mit der massiven Hilfe persischer Subsidien - also Persien, das die kleinasiatischen Griechenstädte zurückgewann. Während des harten und langen peloponnesischen Krieges wandelten sich die Griechen von "Amateuren" zu professionellen Söldnern, wie ein Historiker treffend feststellte. Vor allem aber hinterließ der Krieg ein zerrissenes, zu keiner Großmachtpolitik mehr fähiges Konglomerat von Kleinstaaten mit einer Unzahl arbeitsloser Söldner. Erst jetzt konnte das große Geschäft beginnen. Fortan belieferte Griechenland von Karthago bis zum Großkönig jeden mit den begehrten Hopliten, so dass die "Körper der Hellenen demjenigen gehörten, der sie bezahlen konnte."

© Frank Westenfelder  


 
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