Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

König David

Karriere eines Söldnerführers.

König David Die Geschichte von König David stellte alle (ihm wohlgesinnten) Erzähler vor ein grundlegendes Problem: David war aus recht bescheidenen Verhältnissen über die Leichen des rechtmäßigen Königs Saul und dessen Söhnen an die Macht gekommen. Auch wenn dies nicht den realen Verhältnissen entsprach, so war doch zumindest theoretisch die Person des Königs unantastbar, seine Macht von Gott gegeben. Alles Privilegien, die David als König für sich selbst in Anspruch nahm. Die Geschichte seines Aufstiegs ist deshalb voll von notwendigen Ereignissen, bei denen Gott oder andere die schmutzige Arbeit übernahmen, damit Davids Unschuld beteuert werden konnte.

Schaut man jedoch etwas hinter diese politisch notwendigen oder damals "korrekten" Apologien so sieht den Weg eines Karrieristen, der sich mit dem Schwert einen Thron eroberte und dort zu halten vermochte. Söldnerdienste spielten bei diesem Weg eine entscheidende Rolle.

Obwohl nur der jüngste Sohn einer großen Familie, hatte David Hof Sauls eine hohe Stellung und sogar eine Tochter des Königs zur Frau erhalten. Ob er dies durch den mythischen Sieg über Goliath, meisterliches Harfenspiel oder durch die Bezahlung mit feindlichen Vorhäuten oder Köpfen erreicht hat, bleibt unklar, da sich die verschiedenen Autoren hier widersprechen. Auf jeden Fall soll er mächtig und vor allem äußerst beliebt gewesen sein. Schließlich wuchs seine Popularität derartig, dass Saul seinen Thron und seine junge Dynastie durch seinen ehemaligen Günstling bedroht sah und beschloss diesen beseitigen zu lassen.

Rechtzeitig vor dem Anschlag gewarnt, floh David, allerdings nicht ganz alleine. "Jeder, der sich in Schwierigkeiten befand, jeder, der Schulden hatte, und alle Unzufriedenen schlossen sich David an, und er wurde ihr Befehlshaber." Trotz der knappen Beschreibung der Bibel, kann man sich die 400 Mann starke Truppe recht gut vorstellen. Es wird außerdem deutlich, dass David nicht einfach dem ungerechtfertigten Zorn des Königs entfliehen wollte, sondern eine ihm treu ergebene Streitmacht aus Gegnern des herrschenden Regimes aufstellte.

Mit seinen Männern zog sich David in die Wildnis im Grenzgebiet zurück, wo sie sich vom Raub ernährten. Sie scheinen zu einem ernsten Problem geworden zu sein, denn König Saul verfolgte sie längere Zeit mit seinem Heer. Seine Bemühungen blieben jedoch erfolglos, da sich Davids Leichtbewaffnete immer wieder erfolgreich dem Zugriff entziehen konnten.

Dennoch scheint die Situation im mit der Zeit etwas brenzlig geworden zu sein, denn David zog schließlich mit seinen Männern nach Gath und trat in den Dienst von Achish dem König der Philister, dem Erzfeind Israels. Achish war hoch erfreut über die Unterstützung der inzwischen im Kleinkrieg erprobten Truppe und verlegte sie ins Grenzgebiet, wo sie von dem Ort Ziklag aus jüdisches Gebiet verwüsten sollten.

Beute und Tribut in Ziklag In Ziklag schlossen sich David anscheinend nun auch Philister an - sicher von ähnlichem Charakter wie seine jüdischen Gefolgsleute -, denn später finden sich "Gathiter" unter seinen treuesten Kämpfern. Angeblich verschonte David bei seinen Raubzügen Juden und beraubte nur andere Stämme. Man kann dies aber als pure Propaganda abtun. Denn einmal schickte er Männer zu dem reichen Juden Nabal, um von ihm Lebensmittel zu verlangen. Nabal wollte sich aber von ein paar Räubern nicht erpressen lassen und jagte Davids Männer unter Beschimpfungen weg. Daraufhin machte sich David mit dem Großteil seiner Truppe auf den Weg, um Nabal zu töten. Inzwischen hatte jedoch Nabals Frau Abigail von dem Vorfall erfahren und schickte heimlich einen großzügigen Tribut. David verzichtete daraufhin auf die Bestrafung des Übeltäters. Als Nabal jedoch später von dem Vorgang erfuhr, wurde er vor Wut vom Schlag getroffen und starb. Die gute Abigail wurde dann von David großzügig geheiratet.

Befreit man diese Anekdote etwas von den ideologischen Beschönigungen, hatte sich die Sache ungefähr so abgespielt: David verlangte von einem reichen (jüdischen) Großgrundbesitzer Schutzgeld, als dieser nicht bezahlen wollte, griff David zur Gewalt. Als Resultat war der Großgrundbesitzer dann tot und seine Frau in Davids Harem.

Achish hielt jedenfalls große Stücke auf David, was wohl kaum der Falls gewesen wäre, wenn David jeden Konflikt mit Israel vermieden hätte. Als es dann wieder zum einem großen Krieg zwischen den Philistern und Israel kam, bestellte Achish David mit seinen Söldnern zum Sammelplatz des Heeres. Er hielt sie für eine ausgesprochene Eliteeinheit und wollte sie zu seiner Leibgarde machen. Lediglich das Misstrauen der anderen Anführer der Philister, führte letztlich dazu, dass David wieder unverrichteter Dinge abziehen musste.

Die Philister waren aber auch ohne Davids Hilfe siegreich. In einer großen Schlacht wurden Saul und drei seiner Söhne getötet. Mit Hilfe seiner schlagfertigen Truppe konnte David das folgende Chaos zu seinem Vorteil nutzen, und die Herrschaft im südlichen Judah an sich reißen. Lediglich im nördlichen Israel konnte sich ein Sohn Sauls noch eine gewisse Zeit auf dem Thron halten. Nach einem kurzen Bürgerkrieg wurde er aber von einigen seiner Offiziere ermordet und beide Königreiche konnten nun unter Davids Herrschaft wieder vereinigt werden.

Davids Getreue Obwohl in den Schriften immer wieder betont wird, dass David der von Gott auserwählte und vom Volk geliebte König gewesen sein, scheint er wenig darauf vertraut zu haben. Als erfahrener Condottiere vertraute er hauptsächlich seinen alten Veteranen und den "Gatitern", das heißt Philistern, die er aus seinem Exil in Gath mitgebracht hatte. Dazu werden mehrmals als Elitetruppe die "Krethi und Plethi" erwähnt, die wahrscheinlich sogar des Königs Leibgarde stellten. Die Forschung ist sich weitgehend einig, dass damit Kreter und Philister gemeint sind, die als Söldner dienten.

Es muss aber noch zahlreiche andere gegeben haben. So wird der Hethiter Urija lediglich erwähnt, da David hinter seiner Frau, der schönen Batseba her war. Während der tapfere Urija als einer von Davids Elitesöldnern an der Front kämpfte, verführte oder vergewaltigte David Batseba. Als sich die daraus resultierende Schwangerschaft nicht verschleiern ließ, sorgte David dafür, dass Urija den Heldentod im Kampf fand. Batseba bereicherte dann ebenfalls den ständig wachsenden königlichen Harem und gebar den späteren König Salomon.

Während die Söldner an solchen Eskapaden keinen Anstoß nahmen, scheint David im Volk seine ehemalige Popularität nach und nach verloren zu haben. Dies wurde offensichtlich als es zwischen ihm und seinem Sohn Absalom zum Konflikt kam. David befand sich bald in einer ähnlichen Situation wie einst Saul. Während die Unzufriedenheit an seiner Regierung wuchs, wurde Absalom immer beliebter und "stahl das Herz der Israeliten". Als Absalom schließlich den offenen Aufstand wagte, hatte er die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, der Soldaten und der Ältesten hinter sich. David blieb nur die überhastete Flucht.

Vom eigenen Volk im Stich gelassen, konnte David – wie so viele andere Herrscher in der Geschichte – auf die Treue seiner Söldner zählen. Mit ihm flohen die Veteranen aus seiner Räuber- und Söldnerzeit, die Gatiter und die Kreter und Philister seiner Garde.

Beim Abzug aus Jerusalem entdeckte David den Söldnerführer Ittai aus Gath und sagte zu ihm: "Warum willst auch du mit uns gehen? Kehr um und bleib beim König (i.e. Absalom)! Denn du bist ein Ausländer und aus deiner Heimat verbannt. Erst gestern bist du gekommen - und schon heute sollte ich dich aufjagen, um mit uns zu gehen? Ich gehe, wohin ich eben gehe. Du aber kehr um und bring deine Brüder in Liebe und Treue zurück!" Doch Ittai erwiderte dem König: "So wahr der HERR lebt und so wahr mein Herr, der König, lebt: Nur an dem Ort, wo mein Herr, der König, ist, dort wird auch dein Diener sein, sei es um zu leben oder um zu sterben."

Semiten in der Schlacht Doch Davids Söldner waren nicht nur treu, sie waren auch erfahrene Profis, gegen die Absaloms Milizen trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit keine Chance hatten. In einer großen Schlacht wurde Absaloms Heer vernichtend geschlagen und er selbst fand auf der Flucht den Tod. Die Nachricht davon wurde David dann von einem "Kushiten" überbracht, was den Schluss zulässt, dass sich unter seinen Getreuen auch schwarze Söldner aus dem fernen Kush befanden.

Fragt man heute nach dem realen historischen Hintergrund dieser Geschichten um König David, so sollte man zuerst beachten, dass sich nur wenige ernsthafte Historiker sicher sind, dass König David jemals existiert hat. Es gibt einige wenige Hinweise, die großen Raum zur Spekulation lassen, aber keinen einzigen zuverlässigen Beleg für seine historische Existenz. Viele betrachten die Geschichten deshalb als Legenden und vergleichen sie manchmal mit denen um König Artus. In beiden Fällen wurden die Geschichten erstmals viele Jahrhunderte nach den genannten Ereignissen aufgeschrieben.

Natürlich kann man annehmen, dass einige dieser Legenden auf reale Ereignisse zurückgehen, dass sie einen historischen Kern haben. Trotzdem beschreiben sie vor allem das historische Umfeld ihrer Verfasser. So ging es Geoffrey von Monmouth, als er über König Artus schrieb, in allererster Linie darum, die Unterwerfung der Angelsachsen zu rechtfertigen, indem er den neu angekommen normannischen Eroberern eine illustre Ahnenreihe über König Artus bis hin zu dem Trojaner Aeneas zu erstellte. So hat die von ihm beschriebene hochmittelalterliche Feudalgesellschaft mit der eines möglicherweise realen König Artus in der Völkerwanderungszeit kaum etwas zu tun.

Mit den Geschichten um König David verhält es sich ähnlich. So sie auf eine reale Person zurückgehen, muss diese um 1000 v. Chr. gelebt haben. Um mächtige Könige kann es sich aber weder bei ihm noch seinem Sohn Salomon gehandelt haben, da Jerusalem zu dieser Zeit bestenfalls ein besseres Bergdorf war. Man muss in einem historischen David also eher einen Häuptling oder kleinen Stammesfürsten sehen.

Aber auch wenn die Legenden kaum dazu beitragen, etwas über einen historischen König David zu erfahren, so sagen sie doch eine Menge über die Zeit aus, in der sie verfasst wurden. Man geht davon aus, dass die meisten davon um 600 v.Chr erstmals niedergeschrieben wurden, als König Josiah den Zerfall des Neuassyrischen Reiches dazu benutzte, sein eigenes Königreich zu stärken und auszudehnen. Möglicherweise sollten mit den Legenden um König David die ganz realen Kämpfe von Josiah ideologisch untermauert werden. Allerdings beschreiben sie nicht das Leben von Josiah. In dem entstandenen Machtvakuum in Kanaan kämpften zahlreiche Stadtstaaten, Kleinkönigreiche und Stämme um Einfluss und Vorherrschaft. Die Legenden um König David beschreiben, wie ein talentierter Kämpfer und Truppenführer in diesen chaotischen Zeiten an die Macht kommt und sich dort hält.

kriegerische Semiten Die wichtigsten Hilfstruppen der Kleinkönige in Kanaan waren zu dieser Zeit die so genannten "Habiru", was soviel wie "die Staubigen" oder "die Schmutzigen" bedeutete. Die Habiru waren kein Stamm oder gar ein Volk; sie hatten sich in kargen, verlassenen Regionen selbst formiert. Gesetzlose aus den Städen, Flüchtlinge, entlaufene Sklaven und Ausgestoßene aller Art hatten sich mit Nomaden zusammengeschlossen und räuberische Gruppen gebildet. Oft führten sie sicher ein recht elendes Leben, verübten Überfälle und unternahmen Raubzüge, wenn sie stark genug waren. Die Autoritäten bekämpften die Habiru so gut es ging, oder versuchten das Problem zumindest jenseits ihrer Grenzen zu halten. Im Krieg nahmen sie jedoch gerne einzelne Gruppen selbst in Dienst.

Die Verwendung der Habiru bot einige beachtenswerte Vorteile: Sie waren erfahrene und abgehärtete Krieger und standen schnell in größeren Zahlen zur Verfügung. Vor allen Dingen aber finanzierten sie sich weitgehend selbst – zumindest im Fall eines halbwegs erfolgreichen Krieges.

Wie solche Gruppen operierten und wie was sie erreichen konnten, zeigen einige der Legenden um König David. Selbst wenn es ihn so, wie im Alten Testament beschrieben nie gegeben hat, so ist sich die Forschung doch weitgehend einig, dass es sich bei der Person, die den Chronisten als reales Vorbild diente, um den Anführer einer Gruppe von Habiru handelte. Schließlich an der Macht konnte er weder der eigenen Bevölkerung noch allen Familienmitgliedern vertrauen und stützte sich deshalb auf seine alten Waffengefährten und fremde Söldner.




Literatur:

Finkelstein, Israel und Neil A. Silberman:
Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel
2002

Gabriel, Richard A.
The Military History of Ancient Israel
2003

Seters, John Van
The Biblical Saga of King David
2009

Yalichev, Serge
Mercenaries of the Ancient World.
London: Constable and Company, 1997

© Frank Westenfelder  


 
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