Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Der dunkle Anfang

Das zweitälteste Gewerbe der Welt.

Huren und Söldner könnten darüber streiten, wer nun der echte Vertreter des ältesten Gewerbes der Welt ist. Fest steht, dass beide bereits vor der Einführung des Geldes tätig waren. Die ersten Münzprägungen werden allgemein den Lydern zugeschrieben, und man nimmt an, dass die Bezahlung fremder Söldner dazu den Anlass geliefert hat. Herodot, der nicht nur als "Vater der Geschichtsschreibung" bekannt geworden ist, sondern auch als Klatschtante, weiß dagegen zu berichten, dass die Lyder wegen ihrer zahlreichen Tempelhuren das Geld erfinden mussten.

Auf ähnliche Weise werden zwischen Legenden, Vermutungen und dürftigen Hinweisen die ersten Spuren von Söldnern erkennbar. Bereits die Akkader sollen Söldner unter den semitischen Stämmen ihrer Nachbarschaft geworben haben und man nimmt an, dass wahrscheinlich mancher Söldnerführer die Macht im Zweistromland an sich riss. Um 1760 eroberte zum Beispiel ein kossaeischer Häuptling, der seine Karriere vielleicht als Söldnerführer begonnen hatte, den Thron von Babylon. Auch die Hethiter verstärkten ihre Bauernaufgebote gerne mit Fremden. So warb Mursilis I. (1610-1580) für seine Kriege mit den Churritern marodierende Banden aus Syrien an, so genannte "Chapiru". Vor allem aber stellt das kriegerische Nachbarvolk der "Gaschgasch" immer wieder Söldner und Hilfstruppen. Die kriegerischen Assyrer stützten sich zwar hauptsächlich auf das eigene Volk, machten es jedoch zur Praxis Kriegsgefangene und unterworfene Völker in die Armee zu pressen. Meistens dienten diese Fremden mit ihren typischen Waffen in eigenen Einheiten, wodurch man sie manchmal auf Reliefs identifizieren kann. Besonders geschätzt waren anscheinend gefangene Streitwagenfahrer, die sogar in die königliche Garde integriert wurden.

Auch die Ägypter warben Söldner unter allen Völkern, mit denen sie sich an ihren Grenzen herumschlagen mussten: semitische Stämme aus Palästina und von der arabischen Halbinsel, immer wieder Lybier, und natürlich die berühmten nubischen Bogenschützen aus dem Süden. So zeigt die vielleicht älteste Darstellung von Söldnern eine Gruppe nubischer Bogenschützen, die um 2.000 v. Chr. in ägyptischen Diensten standen. Vor allem die Libyer fielen immer wieder in das reiche Nildelta ein. Ob es also bei den Libyern in ägyptischen Diensten ursprünglich um Geworbene oder Kriegsgefangene handelte, ist unbekannt. Wahrscheinlich mischten sich beide Formen, dazu kam sicher der eine oder andere Häuptlingssohn, der sich mit seinem Gefolge aus seiner Heimat absetzen musste. Die Söldner libyscher Abkunft bildeten  unter dem Namen "Machimoi" einen erblichen Stand und wurden in geschlossenen Kriegerkolonien im Delta angesiedelt. Um 950 eroberte dann einer von ihnen, ein gewisser  Scheschonk, auch hier den Thron.

Die Eingliederung von Kriegsgefangenen wird besonders deutlich bei den Kriegen gegen die Libyer und die mit ihnen verbündeten Seevölker um 1200. Nach den ersten Erfolgen gegen die Seevölker wurden von diesen die so genannten "Schirdana", auf Reliefs deutlich erkennbar an ihren Schwertern runden Schilden und Hörnerhelmen, ins ägyptische Heer eingereiht. Dort kämpften sie dann unter Ramses III. als eine Art schwerer Infanterie gegen die Libyer.

Sowohl in Ägypten wie auch im Zweistromland fällt auf, dass die Fremden gerne als Leibgarden der Herrscher und als Polizeitruppen verwendet wurden. Bereits unter der 6. Dynastie dienten "Medjai" aus dem Sudan so zahlreich als Ordnungskräfte, dass der Volksname zum Begriff für Polizei wurde. Libyer und die Schirdana bildeten die Leibwachen vieler Pharaonen. Und auch bei den assyrischen Königen Sargon II. und Asarhaddon dienten Kriegsgefangene als Elitetruppen und Garden, eine Tradition, die sich über die germanischen Leibwachen der julisch-claudischen Cäsaren über die Warägergarde der byzantinischen Kaiser bis zur Schweizergarde der französischen Könige mit zahlreichen Beispielen fortsetzen lässt.

Ein gutes Beispiel für die Werbung von Söldnertruppen und ihrer Verwendung als Leibgarden ist die Geschichte Davids aus dem Alten Testament. Nachdem er bei König Saul in Ungnade gefallen war, musste David flüchten. "Als das seine Brüder hörten und das ganze Haus seines Vaters, kamen sie zu ihm dahin. Und es sammelten sich bei ihm allerlei Männer, die in Not und Schulden und verbitterten Herzens waren, und er wurde ihr Oberster; und es waren bei ihm etwa vierhundert Mann." Man hat hier also zuerst den geflüchteten Höfling mit seinem familiären Anhang, dem sich dann recht fragwürdige aber sicher kampferprobte Gestalten anschließen. Mit diesem Gefolge führte er ein recht erfolgreiches Räuberleben, bis ihn eine Militärexpedition des Königs ins Exil zwang. Er flüchtete zu König Achisch von Gath, einem Philister und Feind Israels. In dessen Diensten räuberte er nun so erfolgreich weiter, dass sich ihm auch viele Philister anschlossen. "Von den Gatitern gingen über zu David nach der Bergfeste in der Wüste starke Helden und Kriegsleute, die Schild und Spieß führten, und ihr Angesicht war wie das der Löwen, und sie waren schnell wie Rehe auf den Bergen." Schließlich übernahm Achisch die ganze Gruppe unter Davids Führung als Leibwache.

Als es dann wieder einmal zum Krieg mit Israel kam, zog David mit seiner Truppe an der Seite des Königs aus. Allerdings bestanden die anderen Fürsten der Philister darauf, dass sie zurückgeschickt wurden, da sie von den Fremden Verrat in der Schlacht befürchteten. Saul wurde trotzdem geschlagen und fiel mit all seinen Söhnen in der Schlacht. Danach konnte David zurückkehren und wurde nach einigen Kämpfen von allen Stämmen als König von Israel akzeptiert. Obwohl er nun über ausreichend Truppen verfügte, scheint er die Gatiter nicht nur in seinen Diensten behalten sondern durch neue Werbungen noch aufgestockt zu haben. Sie bildeten zusammen mit den oft zitierten "Kretern und Pletern" (Philistern) seine Leibwache. Als David dann während des Aufstandes des Absalom, der von allen Stämmen Israels unterstützt wurde, aus Jerusalem fliehen musste, blieben seine fremden Söldner bei ihm. "Aber alle Kreter und Pleter , auch alle Gatiter, sechshundert Mann, die von Gath ihm nachgefolgt waren, zogen an dem König vorüber. Und der König sprach zu Ittai, dem Gatiter: Warum gehst auch du mit uns? Kehre um und bleibe bei dem neuen König, denn du bist ein Ausländer und von deiner Heimat hierher gezogen." Erst nachdem Ittai noch einmal seine Treue beschworen hatte, ließ ihn David mit seinen Männern und ihren Frauen und Kindern mitziehen.

Ähnliches hat sich bestimmt auch in Ägypten und dem Zweistromland abgespielt. Häuptlingssöhne auf der Flucht offerierten mit ihrem Gefolge aus Familienangehörigen und anderen Verbannten ihre Dienste. Die Herrscher, die sie aufnahmen, gewannen mit ihnen nicht nur erfahrene Krieger, sondern auch Leute, die extrem auf ihre Gunst angewiesen waren und die nicht in die Intrigen des Adels verwickelt waren. Es waren Fremde die oft kaum die Sprache der Bevölkerung verstanden und keine familiären Bindungen zu dieser hatten. Mit Beute, einigen Privilegien und Geschenken konnte sich ein geschickter Herrscher sicher leicht ihre Loyalität gewinnen. Die Probleme entstanden erst wenn eine sehr große Anzahl des gleichen Volkes über Generationen in Dienst genommen wurde, wie in Ägypten die Libyer. Dann entwickelten diese Söldner eigene Ambitionen, ihre Anführer stiegen in hohe Positionen am Hof und beim Militär auf und bekamen Einsicht in die Schwächen des Systems. Es war deshalb immer von Vorteil möglichst viele verschiedene Völker zu rekrutieren, damit sich diese gegenseitig kontrollierten.

Das notwenige Reservoir fanden die frühen Hochkulturen an ihren Grenzen. Als besonders geeignet erwiesen sich dabei anscheinend räuberische Bergstämme aus dem späteren Kurdengebiet und Wüstenbewohner wie die kriegerischen Ammoniter. Die Nomaden verkauften ihr Vieh in den Städten, und wenn sie sich stark genug fühlten, versuchten sie es auch mit Raub. Das Verhältnis zwischen ihnen und der bäuerlichen Landbevölkerung war deshalb von einem uralten Hass aber auch von Abhängigkeiten geprägt. So schreibt der Journalist und Afrikareisende Ryszard Kapuscinski über den Gegensatz zwischen sesshaften Bantustämmen und nomadischen Tuareg: "Der Haß zwischen ihnen und den Tuaregs ist unversöhnlich, weil diese nicht nur ihre Dörfer niederbrennen und das Vieh rauben, sondern auch noch die Bauern selbst zu ihren Sklaven machen. Die Tuaregs sind hellhäutige Berber und betrachten die schwarzen Afrikaner als niedrige und verächtliche Rasse erbärmlicher Untermenschen. Diese sehen wiederum in den Tuaregs Raubgesindel, Parasiten und Terroristen, die - möglichst für ewige Zeiten - die Sahara verschlingen möge." Das Bild, das man sich in der Antike von Nomaden machte, war von ähnlichen Vorstellungen geprägt. Man hielt sie generell für aggressiv und unterstellte ihnen den Wunsch, alle Sesshaften berauben zu wollen.

Man fragt sich also vielleicht, warum sich die Sesshaften freiwillig diese Räuber ins Haus holten. Die Antwort ist kurz gesagt: Der zivilisierte Mensch - der Bauer, Handwerker oder Kaufmann - hat einfach etwas anderes zu tun, als sein Leben dem Kampf zu widmen. Natürlich kämpfen auch Städter und Bauern zur Verteidigung ihres Besitzes oder ziehen notgedrungen in einen Krieg, aber sie sind das Waffenhandwerk nicht gewöhnt. Unter gewissen Umständen kann man sie als Infanterieaufgebote einsetzen. Dort stehen sie dann dicht zusammengedrängt in der Phalanx, zum Angriff oder gar als leichte Infanterie sind sie kaum zu gebrauchen. Die Ausbildung eines guten Kriegers ganz besonders eines Bogenschützen benötigt Jahre. Fast noch wichtiger als das handwerkliche Können ist das Selbstvertrauen. Ein Kämpfer muss nicht nur fest an sich und seine Fähigkeiten glauben, er muss sich für überlegen halten. Bei nomadischen Kriegern zielt die ganze Erziehung darauf ab nicht nur Waffenfertigkeiten sondern auch die dazu notwendige Arroganz zu erlernen.

In einer arbeitsteiligen Gesellschaft übernimmt werden die Aufgaben des Kriegers vom Adel übernommen. Der Adlige lernt in erster Linie den Umgang mit Waffen, er übt sich bei der Jagd und kleineren Fehden mit seinesgleichen. Aber man lehrt ihn auch die Arroganz des Kriegers mit Hilfe eines komplexen Ehrenkodex zu verinnerlichen. Notgedrungen blieb die Zahl der Adligen klein und man musste sie im Krieg mit Volksaufgeboten verstärken. Doch was von diesen zumindest manchmal zu halten war beschrieb ein deutscher Feldherr um 1500 folgendermaßen: "daß ein Herr sich nit soll bereden lassen, daß er sein Landvolk gebrauche, um Krieg zu führen; ... denn er fährt nit wohl damit, und solches Volk, das also ausgeführt wird, das tuts nit gern, gedenkt wider hinter sich zu kommen, zu seinem Weib, Kindern, Gütern und Hantirungen, die es verseumpt ... und wan man vor den Feind kompt und etwas ernstliches zugehen will; das seindt sie nit gewohnt, lauffen darvon."

Zudem hatten die herrschenden Schichten oft kein Interesse daran, dass das einfache Volk mit Waffen umgehen konnte. So führte unter den Ptolemäern in Ägypten der Versuch, die unteren Volksschichten in griechischer Kampfweise auszubilden, zu einer Reihe von gefährlichen Aufständen. Auch im deutschen Bauernkrieg spielten entlassene Landsknechte eine entscheidende Rolle. Also verließen sich die Herrschenden bei der Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und in den Leibgarden lieber auf Fremde, da auf sie bei Unruhen und Revolten fast immer Verlass war, zumindest so lange der Sold floss. Im Falle eines Krieges hatten sie zudem den Vorteil, dass man sie nach getaner Arbeit wieder loswerden konnte.

Nomaden müssen immer wieder um Weideplätze und Wasserstellen kämpfen, ihr Vieh vor Feinden und Raubtieren beschützen. In ihrem Leben spielen kriegerische Wertvorstellungen wie Ehre, Blutrache und Gefolgschaftstreue eine fundamentale Rolle. Zudem sind sie meistens an Härten und Strapazen gewöhnt, von denen sich Sesshafte keine Vorstellungen machen. So gibt es viele Berichte von nomadischen Stämmen, dass in Notzeiten Alte und Kranke ausgesetzt, manchmal aus Barmherzigkeit getötet wurden. In Zeiten, in denen manchmal über 90% der Armeen an Krankheiten und Entbehrungen starben, war dies ein unschätzbarer Vorteil. Natürlich waren auch Nomaden nicht gegen Seuchen und den Hungertod gefeit, aber sie konnten sich mit wenigem begnügen, weite Strecken zurücklegen, Hitze und Kälte ertragen.

Allerdings gewann mit der Zeit ein neuer Kriegertypus an Bedeutung, der nicht unter Nomaden angeworben werden konnte: die schwere Infanterie. Sie ist wie gesagt die Kampfform von Bauern- oder Bürgermilizen. Die besseren Einheiten verfügen zudem über teure Schutzwaffen wie Schilde, Helme oder sogar Panzerhemden, die sich Nomaden nicht leisten können. Kämpfer dieser Art mussten deshalb überwiegend unter der eigenen Bevölkerung rekrutiert werden. Das Problem dabei war allerdings, dass diese Bevölkerungsschichten waffengewohnt sein mussten, was in vielen Hochkulturen sicher nicht der Fall war. Wahrscheinlich versuchte man es manchmal wie in Ägypten zu lösen, indem man Fremde in eigenen Militärkolonien ansiedelte, sie mit Land, Arbeitern und der notwenigen Ausrüstung versorgte. Der Militärdienst war bei diesen Kolonisten dann erblich und fest an Land und Privilegien gebunden.

Ein gewisses Reservoir bildeten allerdings auch kleine Stadtstaaten, die in ständigem Krieg mit ihren Nachbarn lagen. Hier musste nicht nur ein Großteil der Einwohner zum Kriegsdienst bereit sein, sondern hatte sicher auch alle paar Jahre die Gelegenheit praktische Erfahrungen dabei zu sammeln. Diese Funktion erfüllte im Alten Orient vor allem Palästina, wo sich nicht nur die jüdischen Stämme, sondern auch die Kleinstaaten der semitischen Ammoniter, Moabiter und Edomiter mit denen der Philister bekämpften. Gerade die Philister werden meistens als Schwerbewaffnete beschrieben, die gepanzert mit Schwert und Speer kämpften. Zudem lag Palästina zwischen den Interessensgebieten von Ägypten, Babylon, Assyrien und dem Reich der Hethiter, was einerseits für weitere Unruhe sorgte, andererseits aber sicher auch immer die Werber der Großmächte angezogen hat.

Man weiß wie gesagt wenig über die ersten Söldner der frühen Hochkulturen, oft werden sie von Spezialisten nur durch ihr Aussehen auf Abbildungen identifiziert, oder die Namen einer neuen Dynastie verraten Sprachforschern, dass sich hier Fremde zu Königen aufgeschwungen haben müssen. Jedoch die Methoden, sich räuberische Nachbarn, Kriegsgefangene oder Exilanten dienstbar zu machen, sollten Schule machen, so dass uns ausführlichere Berichte aus späteren Epochen vielleicht eine genauere Vorstellung davon vermitteln können, wie diese Geschäfte bereits ganz am Anfang der Geschichtsschreibung abgewickelt wurden.

© Frank Westenfelder  


 
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