Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Venedig schlägt zurück

Pest und Tod auf der Morea.

die Türken vor Wien Venedig hatte den Verlust von Kreta nicht verschmerzt und nachdem die Türken vor 1683 Wien vernichtend geschlagen worden waren, und Habsburg mit seiner Gegenoffensive in Ungarn begann, beschloss die Republik die Eroberung der Morea (des Peloponnes). Die dazu notwendigen Truppen sollten hauptsächlich im Reich geworben werden. Doch hier hatte sich das Söldnergeschäft ziemlich verändert. Hatte bisher ein Oberst sozusagen als freier Unternehmer auf eigene Kosten ein Regiment geworben und ausgerüstet und es dann angeboten, übernahmen jetzt die Landesfürsten das lukrative Gewerbe. Die Regimenter wurden nun nicht mehr für einen begrenzten Feldzug angeworben, sondern wurden möglichst lange unterhalten, blieben Eigentum des Fürsten und wurden an fremde Regierungen gegen Subsidien ausgeliehen. Es hatte die Zeit des Soldatenhandels begonnen. Die kleineren Staaten finanzierten mit den Subsidien den Luxus am Hof, andere wie Hessen oder Preußen schufen sich ein stehendes Heer.

In diesen stehenden Regimentern wurde das anarchische Landsknechtstum endgültig von Drill und Disziplin verdrängt; der Söldner wurde domestiziert und zum Soldaten gemacht. Theoretisch wurde das mehr als ausgeglichen durch geregelte Bezahlung, Dienstzeit, Unterkunft, Verpflegung und Kleidung. Doch die Realität sah anders aus, denn weiterhin wollte jeder seinen Profit machen. Da der Hauptgewinn in die Taschen der Fürsten floss bereicherten sich die Obristen und Hauptleute an der Versorgung und am Sold, so dass sich die materielle Situation der Söldner gewaltig verschlechterte. Hatte ein Landsknecht einst noch relativ gut verdient, so sank der Sold nun auf ein Viertel des Verdienstes eines Handwerkers.

Trotzdem gab es zuerst noch keinen Mangel an Freiwilligen. Der Dreißigjährige Krieg hatte genug Söldner und entwurzelte Menschen hinterlassen; das Land war verwüstet; Handel und Handwerk lagen danieder. Und wenn durch die Werbungen nicht genug Rekruten zusammen kamen, begann man damit Arbeitslose, Vagabunden und Kriminelle mit Zwang einer gewinnbringenden Verwendung zuzuführen. Als nun Venedig zum Gegenschlag ausholte, standen die Regimenter der deutschen Fürsten bereit, um ihren Besitzern die guten venezianischen Zechinen zu verdienen. Gleich zum ersten Angriff auf die Morea schickte der Kurfürst von Sachsen drei Regimenter, die er schon vorher an die Niederlande vermietet hatte. Der Herzog von Hannover folgte seinem Beispiel mit ebenfalls drei Regimentern. Während die Sachsen nach zwei Jahren schwer dezimiert abzogen, schickten die Hannoveraner Ersatz und ein neues Regiment. Dazu kamen drei Regimenter aus Württemberg und einzelne aus Bayreuth, Darmstadt, Bayern, Hohenlohe und Waldeck. Auf der Morea kämpften sie zusammen mit Söldnern aus anderen Ländern und den einheimischen Mainoten unter dem Befehl des venezianischen Generalkapitäns Franz Morosini und des ehemaligen schwedischen Feldmarschalls Otto Wilhelm von Königsmarck.

Da die Türken ihre besten Truppen gegen die Habsburger in Ungarn konzentrierten, machte die Eroberung der Morea schnelle Fortschritte. Dank ihrer überlegenen Feuerkraft schlugen die deutschen Musketiere die Türken in einer Reihe von Schlachten, und eine Festung nach der anderen konnte genommen werden. Trotzdem gab es schwerste Verluste: Von den 3.000 Sachsen wurden nach der Heimkehr noch ganze 761 gemustert; von einem Regiment aus Hessen-Kassel kamen 184 und von den Waldeckern 218 zurück. Nur zum Teil entstanden diese Verluste in den Schlachten und bei den Belagerungen. Klima und Gelände machten den Söldnern schwer zu schaffen; Fieber, Ruhr, Typhus und Pest waren ihre schlimmsten Feinde, und trotz aller Kreuzzugspredigten liefen viele zu den Türken über. Diese Tatsache wird gerne von Historikern verschwiegen, die Treue und Opferbereitschaft deutscher Soldaten in den Vordergrund stellen möchten. Doch die Söldner, egal ob sie sich freiwillig gemeldet hatten oder von Werbern getäuscht oder gepresst worden waren, sahen sich auf der Morea schnell mit den harten Realitäten konfrontiert. Der Sold wurde nur unregelmäßig bezahlt, Beute gab es nur wenig, da die Städte gleich von den Venezianern übernommen wurden. Die Verpflegung war schlecht und für Marketenderwaren wurden Wucherpreise verlangt. Statt dessen lagerten sie bei Nässe und Kälte in Zelten oder Baracken, plagten sich mit Krankheiten und Ungeziefer und wurden von den arroganten Venezianern schikaniert, betrogen und verheizt. Sie dienten für Geld oder aus Abenteuerlust aber nicht um die Signoria von Venedig und ihre Fürsten noch reicher zu machen.

Belagerung von Korone Der Weg des hannoveranischen Regiments Podewils läßt mit Hilfe des Tagebuchs des Fähnrichs Joachim Dietrich Zehe relativ gut nachvollziehen. Zehe war ein Berufssoldat in mittleren Jahren und hatte in Hannover Frau und Kinder zu versorgen. Schon aus diesen Gründen kamen für ihn Kritik und Fahnenflucht nicht in Betracht. Außerdem hatte er das außergewöhnliche Glück den dreijährigen Feldzug ohne Verwundung und Krankheit zu überstehen. Er war in dem ersten Kontingent, das im Januar 1685 von Hannover aufgebrochen war und im April auf dem Lido mit 2.500 Mann gemustert wurde. Zusammen mit päpstlichen, florentiner, maltesischen und dalmatischen Truppen - Zehe bezeichnete die Söldner vom Balkan als "Sclavonier" - landeten sie dann bei der Stadt Korone im Süden der Morea.

Bislang war die Stimmung allgemein gut. Auf dem langen Fußmarsch durch Deutschland und Tirol hatte es nur wenige Deserteure gegeben, und auch die kaiserlichen Agenten in Innsbruck hatten mit ihren Abwerbeversuchen nur geringen Erfolg gehabt. Vor Korone begannen die Truppen dann gleich routiniert mit der Belagerung. Faschinen wurden geflochten, Batteriestellungen und Schanzen aufgeworfen und Annäherungsgräben, so genannte Sappen oder Approchen, vorgetrieben. Mörser schossen Granaten in die Stadt und Kanonen bearbeiteten die Wälle. Aber auch die Kanonen der Verteidiger forderten täglich ihre Opfer und als die Approchen kurz vor den Mauern waren, wurden von dort Handgranaten, Steine und Behälter mit brennendem Öl geworfen.

Währenddessen näherte sich eine türkisches Entsatzheer und einige Söldner wurden auf der Suche nach Brennholz und Trauben gefangen genommen. Bei diesen Scharmützeln bewährte sich vor allem die leichte Reiterei der Sclavonier. Sie brachten erbeutete Türkenköpfe mit, die vor der Stadt auf Pfähle gesteckt, dann aber wegen des Gestanks bald wieder entfernt wurden. Auch die Stärke der Türken beruhte auf der leichten Reiterei. Viele waren noch mit Pfeil und Bogen, Lanzen und Wurfspeeren bewaffnet und hatten in einer richtigen Schlacht gegen die Feldgeschütze und das Salvenfeuer der Musketiere kaum eine Chance. Zehe sah sogar Beutegeschütze, die den Türken bei der Eroberung von Rhodos in die Hände gefallen waren. Eines stammte sogar aus dem Jahr 1482. So konnte das türkische Entsatzheer unter geringen Verlusten zurückgeschlagen werden.

Grenadiere und Janitscharen im Kampf Danach verstärkte man die Anstrengungen vor Korone. Während sich die Mineure unter die Mauern wühlten, wurde die Stadt mit Bomben in Brand geschossen. Obwohl die Mine kaum Schaden angerichtet und auch die Geschütze nur kleine Breschen geschaffen hatten, wurde der Sturm befohlen. In Zehes Bericht wird deutlich, wie schrecklich solch ein Angriff sein konnte. Nur durch die lange Dressur und die Angst vor den Offizieren waren die Söldner vorwärts zu bringen. Die Kanonen der Verteidiger feuerten aus kürzester Distanz mit Kettenkugeln, Eisen- und Bleistücken in die Massen der Stürmenden; Frauen und Kinder warfen Steine und gossen kochendes Wasser und Öl herab, "daß es ein Grauen war anzusehen". Mit Schlägen trieben die Offiziere die Söldner mehrmals in die Breschen; aber es nützte nichts und der Sturm mußte unter schweren Verlusten aufgegeben werden. Erst am nächsten Tag, als schon Kapitulationsverhandlungen im Gange waren, gelang überraschend die Einnahme der Stadt. Jetzt rächte sich die entfesselte Soldateska furchtbar für die erlittenen Verluste. "Unterdeß wurd alles, was man in der Stadt angetroffen, niedergemachet, auch die Weiber und Kinder nicht verschonet, was überblieb, gefangen genommen und vor gering Geld verkaufet," schreibt Zehe und es ist nicht zu erkennen, dass der Familienvater irgendwelche Skrupel dabei gehabt hätte.

Die Venezianer begannen mit der Instandsetzung der Festungsanlagen; die meisten der verbündeten Truppen zogen ab, und im Lager der Hannoveraner wütete die Ruhr, der vor allem die Verwundeten zum Opfer fielen. Aber es kam noch schlimmer. Zum Überwintern wurden die Truppen auf die Insel Zante gebracht und dort in nassen und kalten Quartieren breiteten sich die Seuchen erst richtig aus. In diesem Winter starben 500 Hannoveraner, ungefähr genauso viele wie vor den Mauern Korones. Zehe schreibt: "Unsere Kranken starben täglich, auch so häufig, daß die Gesunden genug zu thun hatten, die Toten zu begraben". Während seine Söldner in elenden Baracken dahinvegetierten, weilte Herzog Ernst August mit seinem Hofstaat in Italien. Das Geld für die Feiern und Lustbarkeiten war vor Korone verdient worden. In Venedig wurde er mit viel Pomp empfangen und bei rauschenden Bällen dazu überredet, nicht nur Ersatz sondern auch Verstärkungen zu schicken. Außerdem verschlangen Höflinge, Kurtisanen und Spielbanken trotz aller Gastfreundschaft ganz besonders in Venedig beträchtliche Summen.

Und so trafen im Januar 1686 1.700 frische Hannoveraner in Venedig ein. Die Frühjahrsoffensive begann im Mai und richtete sich gegen die Städte Navarino und Modon im Südwesten der Morea, wo sich im wesentlichen die Ereignisse des Vorjahres wiederholten. Es wurde geschanzt, die Städte mit schwerem Artilleriefeuer belegt und türkische Entsatzarmeen zurückgeschlagen. Aber die Verteidiger hatten aus dem Massaker von Korone gelernt; sie kapituliertem rechtzeitig gegen freien Transport mit Gepäck in die Türkei. Dadurch blieben den Söldnern zwar die blutigen Sturmangriffe erspart, aber sie kamen auch um die Beute. Von den türkischen Sklaven erhielt jeder Bataillonskommandeur einen Mohren und die anderen wurden von den Venezianern verkauft. Aber die Zeiten des ungehemmten Plünderns waren vorbei. Das uralte Recht der Krieger auf Beute war wie der Solddienst monopolisiert worden. Niemand hätte nach einem Sieg ein Ritterheer vom Plündern abhalten können; die Landsknechte hätten jeden erschlagen, der sich zwischen sie und ihre Beute gedrängt hätte. Der Soldat musste dagegen zusehen, wie sich die großen Herren den Raub teilten, und konnte froh sein, wenn einige Brosamen für ihn dabei abfielen.

Einzug in eine eroberte Stadt

Es ist ihnen schwer gefallen. Mehrmals geriet Zehe regelrecht ins schwärmen angesichts der Beute, die in erstürmten türkischen Lagern vorgefunden wurde: "silberne Handbecken, nebst allerhand kostbarem Silbergeschirr an Becher, Schüßel, Teller und dergleichen, schönsten Röcken Pelzen [...] Es war ein Überfluß von Getreide, Mehl, Brot, Coffé, auch allerhand Confituren. Tobak war in großer Menge gefunden. Die Kriegs-Cassa wurde von den Sclavoniern funden, aufgeschlagen und die Zechini mit Hüten getheilet. Summa alles was man nur erdenken mochte, wurd zu genüge funden. Es hätte zwar ein jeder alhier eine gute Beute vor sich machen können". Aber auch bei solchen Gelegenheiten war für die Söldner nichts zu holen. Da die Generäle einen türkischen Gegenangriff befürchteten, mussten die Musketiere neue Stellungen beziehen, und in der Zwischenzeit räumten irreguläre Einheiten und die Trossangehörigen das Lager aus. Lediglich einiges in den Ruinen gesammeltes Kupfergeschirr wurde vom Regiment in Wein umgesetzt, der dann an die Truppen verteilt wurde.

Das drückte auf die Moral. Die Söldner waren verbittert, da sie sich um ihre wohl verdiente Beute betrogen fühlten. Selbst bei dem braven Zehe ist der Neid auf Tross und Reiterei zu spüren, die ungehindert im Umland plündern konnten. Der Feldzug bot ein immer desolateres Bild. Die Gebäude der eroberten Städte lagen in Trümmern oder waren niedergebrannt. Tote Menschen, Pferde und, Esel lagen auf den Straßen und verbreiten in der Sommerhitze einen furchtbaren Gestank. Für besonderes Entsetzen sorgte die Kriegführung der griechischen Mainoten, die sich gegen die Türken erhoben hatten. Von den Venezianern bewaffnet führten sie einen erbarmungslosen Partisanenkrieg. Auf den Schlachtfeldern verstümmelten sie und die Sclavonier die Toten und Verwundeten. Anders als der vom langen Krieg völlig verrohte Cramer, berichtet Zehe voll Grauen von abgehackten Händen und Köpfen, abgeschnittenen Geschlechtsteilen und herausgerissenen Därmen. Vielen hatte man die Haut abgezogen, die dann gegerbt in Stücken als Trophäe verkauft wurde. Nackt und geschändet "wie das stinkende Aas" bedeckten die Körper das Feld. Zehe war zwar Berufssoldat aber nicht mehr wie die jugendlichen Schlächter Saar, Holstein oder Cramer während des Dreißigjährigen Krieges aufgewachsen. Angesichts der im Türkenkrieg auf beiden Seiten üblichen Greueltaten empfand er hauptsächlich Abscheu.

Auch die schweren Verluste durch Krankheiten untergruben die Moral zusehends. Ein deutliches Indiz für die miserable Stimmung war die steigende Zahl der Deserteure. Es war ja nicht gerade sinnvoll zur Partei der Verlierer überzulaufen, aber es gab anscheinend immer wieder Söldner, die sich dort weniger Willkür, besseres Essen und mehr Beute versprachen, oder die einfach ihrem Hass auf diese Weise Luft machen mussten. Die ersten waren bereits im Jahr zuvor übergelaufen, aber jetzt häufte es sich. Mehrere wurden erwischt und gehängt; dennoch konnten die Türken aus den Überläufern zwei Kompanien bilden. Mehrere von ihnen wurden leisteten als Mönche verkleidet den Türken Spionagedienste; ein Hannoveraner wurde dabei gefasst. Vor allem Dragoner scheinen gerne desertiert zu sein, was darauf hindeutet, dass sie als Reiter einfach mehr Chancen dazu hatten als die Infanteristen. Aber der Strom der Deserteure floss in beide Richtungen. Ein polnischer Überläufer, der in Ungarn gefangen worden und in die türkische Armee eingereiht worden war, erzählte, dass bei den Türken 300 Deutsche und Polen nur auf eine gute Gelegenheit zum Überlaufen warteten. Auch hohe Offiziere gingen zu den Türken über und wurden manchmal reich belohnt. Der Venezianer Furlan, der den Türken aus Zorn eine Galeone übergeben hatte, war dafür Gouverneur der Morea und Admiral geworden. Ein holländischer Oberst, der zur selben Zeit bei Suda übergelaufen war, wurde zum Pascha von Jerusalem ernannt. Ein deutscher Oberstleutnant, der 1691 wegen Unterschlagung angeklagt werden sollte, entzog sich seiner Bestrafung indem er zu den Türken ging.

Nachdem auch Nauplia im Nordosten der Morea nach schweren Verlusten eingenommen worden war, wurde der Feldzug des Jahres 1686 beendet und die Hannoveraner hofften, wie die Reste der sächsischen Regimenter in die Heimat entlassen zu werden. Es war ein erbärmlicher Haufen: Über 1.000 Mann hatten sie im Sommer in den Laufgräben und durch Lagerkrankheiten verloren; vom Rest war gerade noch jeder vierte einsatzfähig. Aber der Herzog brauchte Geld. Er verlängerte den Vertrag um ein weiteres Jahr und versprach weiteren Ersatz zu schicken. Ein Teil der Hannoveraner überwinterte in den pestverseuchten Ruinen Nauplias, die anderen wurden wieder nach Zante transportiert, wo besonders schwere Regenfälle die Baracken überfluteten. Das große Sterben hielt an und unter den Truppen machte sich Verzweiflung breit. Sie fühlten sich vom Herzog verraten, von den Venezianern betrogen und von den Generälen als Kanonenfutter missbraucht.

Nachrichten von den Missständen waren auch in die Heimat gedrungen und es wurde immer schwieriger ausreichenden Ersatz zu finden. Von den 1.300 Mann, die schließlich aufgebracht wurden, desertierten trotz guter Bewachung allein 200 auf dem Marsch nach Venedig. Die Zahlen wurden wie üblich geschönt, denn die Offiziere nutzten jede Gelegenheit durch Betrug und Unterschlagungen ihren Sold aufzubessern. Zehe berichtet ironisch von einer Musterung 1687: "Es wurd befohlen, keinen Paße-Volanten mehr zu haben oder einigen Unterschleif zu dulden, weswegen denn viele Leute sterben musten, die schon längst begraben worden".

Beschuss der Akropolis Gemeinsam mit dem Ersatz und frischen Regimentern aus Württemberg und Hessen-Kassel begann im Frühjahr der neue Feldzug mit der vollständigen Eroberung der Morea. Nach schweren Kämpfen am Isthmus von Korinth wurde auf Athen vorgestoßen. Trotz der Erfolge versuchten immer mehr ihrem Verhängnis zu entkommen. "Von unseren Dragonern giengen viele zu den Türken über", schreibt Zehe. In Athen hatten die Türken die Akropolis zu einer uneinnehmbaren Festung ausgebaut und erst als eine Bombe das Pulvermagazin im Parthenon zur Explosion brachte, kapitulierte die Besatzung. Hessische und Braunschweigische Historiker haben sich eine gewisse Mühe gemacht, "ihre" Truppen von der Zerstörung des Parthenons freizusprechen; dennoch scheint es relativ sicher, daß ein "lüneburgischer Leutnant", also ein Hannoveraner den verhängnisvollen Schuß abgefeuert hat. Mehr Wohlwollen fanden später dagegen die antiken Statuen, die einzelne Söldner von den Tempeln abbrachen und als Andenken mit in die Heimat nahmen. Noch im 19. Jahrhundert bedauerte ein Museumsdirektor, "daß die hessischen Soldaten nicht mehr derartige Köpfe aus den Trümmern des Parthenons in ihren Tornistern mit nach Kassel gebracht hätten".

Einige dieser geraubten Kunstschätze in deutschen Museen und die Trümmer des Parthenons sollten dann auch das Einzige bleiben, was von Verkauf und Tod all dieser Söldner blieb. Die ersten drei Hannoveraner Regimenter wurden im Winter verabschiedet. Von ihnen kamen 1.300 und damit weniger als ein Drittel zurück. Das andere Regiment blieb ein weiteres Jahr und beteiligte sich an der verhängnisvollen Belagerung von Negroponte, während der die Pest so furchtbar in den Reihen der Söldner hauste, dass sie schließlich aufgegeben werden musste. Von diesem Regiment kamen ganze erbärmliche 196 Mann zurück. Insgesamt sollen die deutschen Fürsten 18.500 Mann geliefert haben, wovon nur ein knappes Viertel wieder zurückgekommen ist.

Negroponte war die Wende des Krieges. Kurz darauf musste Athen wieder geräumt und einzelne Angriffe auf Kreta und Chios abgebrochen werden. Venedig konnte mit Mühe die verwüstete Morea behaupten. Es waren jetzt mehr kleinere Anbieter wie die Grafen von Hohenlohe, von Waldeck und von Salburg deren Söldner dabei umkamen. Auch die Degenfelds waren wieder im Einsatz. Hannibal von Degenfeld kam 1690 mit zwei Regimentern nach Venedig; nach seinem Tod übernahm sie sein Bruder Maximilian, und nach dessen Tod ging das Kommando an Maximilians Neffen Christoph Ferdinand. Die Pest fraß die Generäle und Obristen wie die einfachen Söldner.

Nach einer kurzen Phase des Friedens begann 1716 der türkische Gegenschlag. Die schlecht ausgebauten venezianischen Stellungen wurden überrannt, und eine Stadt nach der anderen kapitulierte. Von ihrem schnellen Erfolg ermuntert landeten die Türken ein starkes Heer auf Korfu. Die Verteidigung der Festung leitete Graf Johann Matthias von der Schulenburg, der als einer der fähigsten Generäle seiner Zeit galt. Auch Schulenburg hatte wieder zahlreiche deutsche Truppen unter seinem Kommando. Trotz der starken Befestigungsanlagen und tapferen Verteidigung, zog sich der Belagerungsring immer enger, und nur ein unverhoffter Rückzug der Belagerer rettete die Insel für Venedig. Die Türken waren bei Peterwardein in Ungarn vernichtend geschlagen worden und stellten ihre Offensive ein. Endlich waren beide Parteien kriegsmüde, und im Frieden von Passarowitz 1718 blieb fast alles beim alten: Venedig behielt Korfu und die Türkei Griechenland. Dennoch hatte der Verkauf der deutschen Regimenter einen gewissen, wenn auch zynischen Nutzen: er hatte die Städte und Straßen von unruhigem Volk befreit und gutes Geld in die Kassen ihrer Fürsten gebracht.

© Frank Westenfelder  


 
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