Die neue Kunst

Krieg in der Lombardei

Nachdem die Einfälle der Araber, Ungarn und Wikinger abgewehrt worden waren, begann der europäische Adel damit seine Macht – i.e. seine Herrschaftsbereiche – zu konsolidieren und auszuweiten. Die Kriegsführung wandelte sich dabei von groß angelegten Raubzügen zur organisierten Eroberung oder Verteidigung von Territorien, wodurch der Besitz von Burgen und befestigten Städten entscheidend wurde.

Die abendländischen Feudalaufgebote waren für den Kampf um feste Plätze relativ schlecht vorbereitet. Durch die zeitliche Begrenzung der Heeresfolge waren langwierige Belagerungen schwierig durchzuführen. Vor allem aber fehlte es am notwendigen Fachwissen. Wenn ein erster Sturmangriff gescheitert war, versuchte man es mit Bestechung und Verrat oder verwüstete das ungeschützte Umland, um so den Gegner zur Kapitulation zu zwingen.

Ganz offensichtlich wurden diese Mängel mit den Kreuzzügen als sich die Kreuzfahrer mit starken gut befestigten Städten konfrontiert sahen, die sie um jeden Preis einnehmen mussten. Vor Nicäa erreichten die Kreuzfahrer mit ihren primitiven Maschinen sehr wenig, bevor die Stadt heimlich von den Byzantinern besetzt wurde. Vor Antiochia lag das Heer über sieben Monate, wobei viele der Kreuzfahrer verhungerten, bis die Stadt endlich durch Verrat erobert werden konnte.

Eroberung von Jerusalem

Aber die Kreuzfahrer scheinen aus ihren Fehlern gelernt zu haben, denn als das Heer nach über zwei Jahren – seit der Belagerung von Nicäa – vor Jerusalem eintraf, wurde umgehend mit der Konstruktion diverser Kriegsmaschinen begonnen. Dabei taten sich besonders genuesische Seeleute hervor, von denen einige sicher gut mit Holz umgehen konnten, und die zudem mehrere ihrer in Jaffa blockierten Schiffe ausschlachteten. Vor allem dank zweier dabei konstruierter Belagerungstürme gelang bereits nach einem Monat der Sturm auf die Stadt.

Damit war die Entwicklung natürlich nicht abgeschlossen, sondern bestenfalls angestoßen. In den folgenden Jahrzehnten wurde Palästina zu einem Experimentierfeld, wo neue Techniken und Methoden in der Belagerung aber auch im Festungsbau ausprobiert und verfeinert wurden. Aus Byzanz kam sicher einiges Fachwissen, aber auch der Orient trug viel bei. Fachleute aus Armenien waren auf beiden Seiten hoch begehrt und natürlich auch entsprechend bezahlt.

Heimkehrende Kreuzfahrer brachten einiges von dem Wissen mit nach Hause, und der Einfluss der Kreuzzüge auf den abendländischen Burgenbau lässt sich heute noch bewundern. Am schnellsten verbreitete sich das Wissen über die Spezialisten der Seestädte Genua, Pisa und Venedig. Sie hatten durch den Schiffsbau eine solide Grundlage und waren außerdem äußerst mobil. Als Söldner trugen sie entscheidend zum Technologietransfer bei.

Man weiß nur sehr wenig über diese Männer. Die Chroniken sind in der Regel mit den großen Fürsten beschäftigt. Nur ab und zu gibt es Namen; oft ist nur von einen “Lombarden” die Rede oder einem Meister aus “Outremer”, wie man die Kreuzfahrerstaaten nannte. Über ihre genaue Herkunft oder ihr weiteres Schicksal ist fast nie etwas zu erfahren. Dennoch waren sie von großer Bedeutung, manchmal sogar kriegsentscheidend, wie man am Beispiel der Kriege der Staufer in Norditalien zeigen kann.

Für den ersten Stauferkaiser Friedrich “Barbarossa” wurde der Kampf gegen die norditalienischen Stadtstaaten zum dominierenden Problem seiner Regierung. In fast dreißig Jahren zog er fünf mal mit großen Heeren über die Alpen und versuchte die rebellischen Städte zu unterwerfen. Diese hatten sich unter der Führung Mailands im so genannten Lombardenbund zusammengeschlossen und leisteten erbitterten Widerstand. Einige Städte wie Pavia standen auf kaiserlicher Seite, da sie sich davon mehr Vorteile versprachen.

eine Stadt unterwirft sich Barbarossa

Da es also im Wesentlichen darum ging rebellische Städte zu unterwerfen, sollte man meinen, dass Belagerungen eine entscheidende Rolle spielten. Doch es wird schnell deutlich, dass die kaiserlichen Feudalaufgebote auf diese Art des Krieges nicht vorbereitet waren. Beim Kampf gegen die Städte beschränkte sich das Heer normalerweise auf die Blockade der Versorgung und die gezielte Verwüstung des Umlandes. Außerdem versuchte man mit demonstrativem Terror die Rebellen zur Unterwerfung zu bringen. So gab es vor den Städten immer wieder Schauhinrichtungen, das Trinkwasser wurde mit Leichen vergiftet oder armen Leuten, die man im Winter beim Holz sammeln erwischt hatte, wurde die Hand abgehackt, bevor man sie als warnendes Beispiel zurückschickte.

Mit diesen Methoden gelang bereits 1155 die Unterwerfung von Tortona, das allerdings entgegen aller Zusagen kurz darauf von Pavia zerstört wurde, und 1158 die von Mailand. Nachdem die Forderungen jedoch immer mehr in die Höhe geschraubt worden waren, rebellierte Mailand erneut. Nun schien es unumgänglich ein Exempel zu statuieren. Da Mailand selbst dafür aber etwas groß erschien, versuchte man sich an der mit ihm verbündeten Stadt Crema. Eine treibende Kraft bei der Auswahl der Stadt war das mit den Kaiserlichen verbündete Cremona, das mit Crema seit langem in einem erbitterten Konkurrenzstreit lag.

Crema war keine mächtige Stadt, verfügte aber über starke Mauern, die durch einen breiten Wassergraben zusätzlich geschützt wurden. Die Einwohner galten als kriegerisch und hatten außerdem Verstärkungen aus Mailand und Brescia erhalten. Außerdem hatten die Cremasken mit Magister Marchesius (auch Marchese) angeblich einen der besten Ingenieure der Zeit engagiert. Er baute für sie zahlreiche Katapulte und andere Maschinen.

Auf kaiserlicher Seite dagegen verstand man mehr vom Terror der schutzlosen Landbevölkerung als von der Belagerung einer festen Stadt. Man wird also sehr erleichtert gewesen sein, als sich bereits zu Beginn der Belagerung – also wahrscheinlich im Juli 1159 – ein Mann präsentierte. Er kam angeblich aus Jerusalem und hatte dort mit seinen Künsten viele Städte der Sarazenen erobert. Dabei hat er sicher übertrieben, da sich die Zahl der eroberten Städte dort sehr in Grenzen hielt. Trotzdem scheint er einiges von seinem Fach verstanden zu haben, und er erbot sich, einen für den Sturm auf die Stadt geeigneten Belagerungsturm zu bauen.

Man weiß nun leider nicht, ob Barbarossa und den deutschen Fürsten der Bau einer so enormen Kriegsmaschine zu teuer war, oder ob sie einfach bekannte Methoden bevorzugten. Jedenfalls übernahm Cremona den Sold des Ingenieurs und die ebenfalls kostspielige Beschaffung der notwendigen Materialien für den Bau des Belagerungsturms. Die Deutschen bauten dagegen kleinere Wurfmaschinen, Schilde, Schutzdächer und einen großen Rammbock unter einem mobilen Schutzdach, eine so genannten “Katze”.

Zuerst musste jedoch der Wassergraben mit einem Damm überwunden werden. Barbarossa ließ dazu 200 mit Erde gefüllte Fässer heranschaffen und zudem zweitausend Wagenladungen mit Holz und Erde. Während dieser Arbeiten wurden die Angreifer konstant von der Stadtmauer aus unter Beschuss genommen. Außerdem unternahmen die Cremasken nächtliche Ausfälle bei denen sie versuchten, die im Bau befindlichen Maschinen zu zerstören.

Als der Damm endlich fertig war, wurden auf ihm die Katze und dahinter der Belagerungsturm langsam gegen die Stadtmauer vorgeschoben. Der Chronist Vinzenz von Prag berichtet, dass der immense Turm mit Hebeln auf Balken bewegt wurde, die mit Seife gleitfähig gemacht worden waren. Er verfügte über eine Sturmbrücke, die auf die Mauer herabgelassen werden konnte, und von seiner obersten Plattform konnten Armbrust- und Bogenschützen die Verteidiger auf der Mauer wirkungsvoll unter Beschuss nehmen.

Nun zeigte sich jedoch, dass die Deutschen mit einem Belagerungsturm nur begrenzt etwas anfangen konnten. Auf dem Damm wurde nämlich zuerst die Katze an die Mauer geschoben, während der Belagerungsturm hinter ihr blieb und lediglich als Schützenplattform genutzt wurde. Die eigentlich Arbeit sollte von dem Rammbock der Katze erledigt werden.

Die Verteidiger versuchten mehrmals ohne Erfolg die Katze durch Ausfälle und Feuer zu zerstören. Den Beschuss ihre Katapulte konzentrierten sie aber auf den Belagerungsturm, da sie durch ihn starke Verluste hatten. Schließlich wurde er so stark beschädigt, dass er zurückgezogen werden musste.

Bei den Kaiserlichen hatte man nun eine besonders kreative Idee, wie man den Turm schützen könnte. Man hatte bereits mehrfach Gefangene vor den Stadtmauern gehängt, um den Rebellen ihr künftiges Schicksal vor Augen zu führen. Jetzt wurden gefangene Cremasken an die Frontseite des Belagerungsturms gebunden. Dort sollten sie ihre Mitbürger vom Beschuss abhalten. Damit sie auch nachts gut erkennbar waren, gab man ihnen Kerzen in die Hand.

Mit dieser Aktion hat sich Barbarossa zwar einen dauerhaften Platz in italienischen Geschichtsbüchern gesichert, sonst wurde aber nichts damit erreicht. Von den menschlichen Schutzschilden wurden einige getötet, andere verstümmelt. Dem Beschuss tat des wenig Abbruch; man provozierte lediglich die Cremasken dazu, nun ihrerseits einige kaiserliche Gefangene auf der Stadtmauer demonstrativ abzuschlachten. Schließlich wurde der Turm wieder zurückgezogen und mit Faschinen, Wollsäcken und Tierhäuten geschützt. Der zusätzliche Schutz erwies sich als ausreichend, und so konnte er wieder hinter der Katze in Position gebracht werden.

Wahrscheinlich Ende Dezember gelang es dann endlich mit dem Rammbock eine Bresche in die Mauer zu brechen. Die Cremasken hatten die Zeit jedoch genutzt und hinter der Bresche bereits ein provisorisches Bollwerk errichtet. Trotzdem war die Stelle natürlich gefährdet, und es kam deshalb zu schweren Kämpfen um die Bresche und die Katze. Letzten Endes hatte jedoch keine Seite Erfolg, so dass die Belagerung im Januar zu einem Stillstand kam.

Die Kaiserlichen begannen nun, den Graben an anderer Stelle aufzufüllen. Doch dies war eine äußerst zeitaufwendige Angelegenheit. Da kam es zu einem entscheidenden Glücksfall, von dem der Chronist Otto Morena berichtet: “Meister Marchesius, der viel geschickter war als alle anderen Baumeister in Crema, und der fast alle Manganen, Pretherien, Schirmdächer, Maschinen und übrigen Verteidigungsgeräte mit seinem wunderbaren Können entworfen hatte, schätzte den Kaiser und seine Seite mehr als die Mailänder und wollte lieber auf Seiten des Kaisers sein und bleiben, als denen, welchen er diente, weiterhin dienen; teils aus Liebe zum Kaiser und den Cremonesen, teils aus Hass gegen die Mailänder und die Cremasken, die ihn gegen seinen Willen zurückhielten, teilweise auch wegen des ihm versprochenen Geldes, traf er eine Übereinkunft mit dem Kaiser und den Cremonesen; eines Nachts verließ er die Festung Crema über die Burgmauer, durchquerte das Wasser, das hoch im Burggraben stand, und floh zum Kaiser.”

Die “Liebe zum Kaiser” darf man getrost bezweifeln. Es wird viel mehr deutlich, dass es anscheinend bereits vorher heimliche Verhandlungen gegeben hatte, wobei man Meister Marchesius gutes Geld versprochen hatte. Dazu kam sicher, dass die Lage in der Stadt zunehmend schwieriger wurde, und er es sicher vorzog auf der Seite der Sieger zu stehen.

Marchesius wurde vom Kaiser dann auch reich reich belohnt und begann umgehend mit der Konstruktion einer neuen Kriegsmaschine. Es scheint sich dabei auch um eine Art Belagerungsturm gehandelt zu haben, von dem aus man über eine Brücke auf die Stadtmauer gelangen konnte. Allerdings muss die Konstruktion einfacher gewesen sein, da der Bau bereits nach gut zwei Wochen abgeschlossen war. Vor allem aber überzeugte Marchesius den Kaiser, auf die Katze zu verzichten und statt dessen die Stadtmauer direkt mit beiden Türmen anzugreifen.

Die Katze wurde also verbrannt und am 21. Januar begann der Großangriff auf die Stadtmauer. Von beiden Türmen aus gelangten Angreifer auf die Stadtmauer, wo sie allerdings wegen des verzweifelten Widerstandes der Cremasken nicht weiter kamen. Als dann die Sturmbrücke des ersten Turms von einem Katapult schwer beschädigt wurde, zogen sich die Angreifer schließlich zurück.

Die Cremasken hatten den Angriff zwar abgeschlagen, aber besonders durch die Schützen des ersten Turms schwere Verluste erlitten. Deshalb boten sie einige Tage später ihre Kapitulation an. Dadurch retteten sie zwar ihr Leben; die Stadt wurde jedoch mehrere Tage geplündert und dann zerstört, wobei sich ihre alten Feinde aus Cremona hervortaten.

Das kleine Crema hatte dem mächtigen kaiserlichen Heer über sechs Monate standgehalten, und hatte dabei die Bedeutung der Belagerungstechnik und der dafür notwendigen Spezialisten deutlich gemacht. Diese gewannen weiter an Bedeutung und bald findet man sie im festen Dienst bedeutender Städte oder im Gefolge mächtiger Fürsten. Da die wirklich guten unter ihnen jedoch ihr Handwerk in der Praxis lernen mussten, gab es immer einen hohen Anteil an Fremden, die als Söldner die neuen Techniken weiter verbreiteten.

Dass solche Männer bei Belagerungen von zentraler Bedeutung sein konnten, hatte bereits das Beispiel von Meister Marchesius gezeigt. Als dann ungefähr 80 Jahre später Barbarossas Enkel Friedrich II. das nicht unweit von Crema gelegene Brescia belagerte – der Krieg gegen die Lombarden war immer noch nicht zu Ende -, sollte sich wieder der Seitenwechsel eines Ingenieurs als entscheidend erweisen.

Zu Unterstützung der Belagerung von Brescia (1238) hatte Friedrich II. von seinem Verbündeten Ezzelino da Romano den spanischen Ingenieur Calamandrino erhalten. Dieser scheint jedoch nicht ganz freiwillig gekommen zu sein, denn er wurde zur Sicherheit angekettet. Trotzdem leistete er hervorragende Arbeit und erwies sich als sehr erfinderisch beim Bau der verschiedensten Kriegsmaschinen. Vor allem scheint er sich auf den Bau von leistungsstarken und treffsicheren Katapulten verstanden zu haben.

Als die Verteidiger bei einem nächtlichen Ausfall einige dieser Maschinen zu zerstören versuchten, fiel ihnen Calamandrino in die Hände; er war ja schließlich angekettet. Anstatt ihn zu töten, schleppten sie ihn in die Stadt und schenkten ihm ein stattliches Haus und eine schöne Frau. So überzeugt stellte der Spanier seine Kunst nun in den Dienst von Brescia. Es sollen dann vor allem seine Katapulte gewesen sein, die zielsicher die kaiserlichen Belagerungsmaschinen zerstörten. Friedrich II. verfiel schließlich auf die Methode seines Großvaters und ließ Gefangene als Schutzschilde an den Türmen befestigen. Er erreichte damit lediglich, dass die Brescianer kaiserliche Gefangene an die Mauern hängten oder hinrichteten. Der Kampf zog sich noch mehrere Wochen hin, schließlich musste die Belagerung jedoch aufgegeben werden.

Literatur:

Berwinkel, Holger.
Verwüsten und Belagern: Friedrich Barbarossas Krieg gegen Mailand, 1158-1162
2007

Purton, Peter
The Medieval Military Engineer. From the Roman Empire to the Sixteenth Century
2018

Rogers, Randall
Latin Siege Warfare in the Twelfth Century
2023

Hiller, Helmut
Friedrich Barbarossa und seine Zeit. Eine Chronik
1977

© Frank Westenfelder

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