und ausländische Freiwillige
Der Krieg in der Ukraine war gerade ein paar Tage alt, als Präsident Selenskyj Ausländer dazu aufforderte sich dem Kampf als Freiwillige anzuschließen. Kurz darauf wurde sein Außenminister konkreter und kündigte die Aufstellung einer “Internationalen Legion” an. Das Echo war enorm. Tausende meldeten sich weltweit , bald trafen die ersten Freiwilligen ein. Das Internet wurde förmlich überschwemmt mit Videoclips, Fotos und anderen Posts zum Thema. Webseiten forderten mit theatralisch-heroischen Texten dazu auf, sich der Legion anzuschließen und gemeinsam die Welt zu retten. Bald verkündeten ukrainische Stellen, dass sich bereits 16.000 Freiwillige gemeldet hätten; später sprach man gar von 20.000.

Das russische Außenministerium konterte kurz darauf und verkündete, dass keiner der “Söldner“, die der Westen in die Ukraine schicke, unter dem Schutz des internationalen Kriegsrechts stünde und deshalb nicht als Kriegsgefangene sondern als Kriminelle behandelt werden würden. Nach dem Raketenangriff auf Lliv am 13.3. berichteten russische Medien dann triumphierend von bis zu 180 getöteten “ausländischen Söldnern”.
Gleichzeitig ist von ukrainischer Seite zu hören, dass Putin plane “Söldner” in Syrien zu rekrutieren – die Russen sprechen hier natürlich von “Freiwilligen”. Zudem wird von tschetschenischen Spezialkommandos berichtet, und Tschetscheniens Präsident und treuer Putin-Freund Ramzán Kadrov hat lauthals verkündet, dass 70.000 weitere “Freiwillige” auf Abruf bereit stünden. Sehr beliebt bei westlichen Medien sind auch Verweise auf “Söldner” von Wagner Group, deren Killerkommandos in Kiew Jagd auf ukrainische Politiker machen.
In den Statements und Pressemitteilungen wird schnell klar, dass mit “Söldner” immer nur die Kämpfer der Gegenseite bezeichnet werden, bei den eigenen spricht man dagegen von “Freiwilligen”. Damit betont man die edlen Motive der eigenen Unterstützer, die aus purem Idealismus für eine gerechte Sache kämpfen.
Bei diesen Bezeichnung geht es aber um viel mehr als reine Propaganda. Söldner gelten nach dem Kriegsvölkerrecht nicht als Kombattanten und müssen deshalb auch nicht als Kriegsgefangene behandelt werden. Im Extremfall kann man sie als Irreguläre oder Terroristen einfach erschießen oder an den nächsten Baum hängen. Es werden deshalb zur Zeit einige Anstrengungen unternommen, um zu belegen, dass es sich bei den Freiwilligen der “Internationalen Legion” durchaus um reguläre Kombattanten handelt.

Niemand will bezweifeln, dass zwischen idealistischen Freiwilligen und für materiellen Gewinn kämpfenden Söldner eigentlich ein gewaltiger Unterschied besteht; zumindest hypothetisch. In der Realität verschwindet diese Grenze allerdings recht schnell hinter einer diffusen Grauzone. Betrachtet man einmal die bekannteren Söldner, deren Aktionen im Kongo, Biafra und Angola erst zur UN-Konvention gegen die Verwendung von Söldnern geführt haben, so erkennt man schnell, dass fast alle auch aus politischer Überzeugung handelten. Als der polnische Söldnerführer Rafał Gan-Ganowicz einmal gefragt wurde, wie es sich anfühle ein Menschenleben zu nehmen, antwortete er: “Ich weiß es nicht, ich habe nur Kommunisten getötet”. Auch Kongo-Müller gab sich in dem berüchtigten Interview ganz als überzeugter Idealist und Verteidiger westlicher Werte.
Dann sollte man auch die Adrenalinjunkies und Kriegstouristen nicht vergessen, die unbedingt einmal zum Schuss kommen wollen. Von ihnen wird immer wieder gerne Hemingway zitiert: “There is no hunting like the hunting of man, and those who have hunted armed men long enough and liked it, never care for anything else thereafter.”
Es ist also nicht nur nutzlos, Kombattanten nach ihren Motiven einzuordnen, sondern auch zynisch. Neuere wissenschaftliche Literatur verzichtet deshalb meistens auf die scheinheilige Unterscheidung zwischen Söldnern, Freiwilligen und anderen möglichen Kategorien und spricht zusammenfassend von “transnational soldiers”, also einfach Kombattanten fremder Nationalität.
Die Geschichte der fahrenden Ritter oder Abenteurer, die an fremden Höfen Ruhm und Glück suchten, reicht mindestens genau so weit zurück wie die der Söldner und läuft dann neben ihr her, überschneidet und vermischt sich damit. Oft war es lediglich eine Frage des Geldes. Die Wohlhabenden konnten es sich leisten der Ehre und der hohen Ideale wegen zu reisen, arme Schweine dagegen mussten der Not gehorchend als Söldner unterschreiben.
Aber auch hier geht das eine fließend ins andere über. Weltverbesserer, denen Geld oder Ideale ausgegangen sind, haben stets gute Söldner abgegeben. So wurde bereits die Französische Fremdenlegion 1831 hauptsächlich deshalb gegründet, um die zahlreichen politischen Flüchtlinge von der Straße zu bekommen, da man sie als Sicherheitsrisiko betrachtete. Der belgische Söldnerführer Christian Tavernier vermittelte 1997 Serben, die nach dem Krieg in Bosnien arbeitslos waren, an Mobutu und offerierte 1998 dem Ex-Präsidenten der Zentralafrikanischen Republik ein Bataillon Rote Khmer. Heute bedienen sich Putin und Erdogan in Syrien und lassen dann die ehemaligen Gotteskrieger als Söldner in Libyen aufeinander los (selbstverständlich werden sie dabei als “Freiwillige” deklariert).

Interessiert man sich nur für die neuere Geschichte ausländischer Freiwilliger, so stößt man umgehend auf die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg. Bei historischen Vergleichen werden sie an allererster Stelle genannt, und moderne Freiwillige berufen sich gerne auf sie, selbst wenn sich ihre politischen Vorstellungen stark von denen der Interbrigadisten unterscheiden. Das liegt zu gutem Teil daran, dass ihr Idealismus außer Frage steht. Sie erhielten den gleichen Sold wie spanische Soldaten, wurden aber als Elitetruppe eingesetzt und hatten entsprechend hohe Verluste. Sie kämpften bereits für Freiheit und gegen Faschismus als man in den meisten ihrer Heimatländer noch dachte, sich aus diesem Konflikt heraushalten zu können.
Die Internationalen Brigaden in Spanien (und nicht die Fremdenlegion) sind deshalb sicher auch das große Vorbild für die “Internationale Legion”, wie das wilde Konglomerat verschiedenster aus Ausländern gebildeter Truppenteile in der Ukraine bezeichnet wird. Allerdings haben sich seit den Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts einige fundamentale Dinge geändert. Zwar werden von Politikern und Ideologen immer noch pathetisch hehre Ideale beschworen, aber eigentlich leben wir in einem materialistischen, “unheroischen” Zeitalter, in dem solche Aurufe relativ wenig Resonanz haben.
Es überrascht deshalb nicht, dass die Zahl der Freiwilligen relativ bescheiden blieb. Natürlich war der Medienrummel am Anfang gewaltig. Überall berichteten die Medien von “ihren” Freiwilligen, die sich auf den Weg gemacht hatten, um in der Ukraine die Ideale der westlichen Welt zu verteidigen. Selbst aus so entfernten Ländern wie Neu Seeland, Japan oder Südkorea waren einige in den Krieg gezogen, und in den Social Media wurden massenhaft Videos von den ersten Ankömmlingen gepostet. Man munkelte von erfahrenen Afghanistanveteranen, die geradezu danach fieberten die Russen das Fürchten zu lehren. Eine besonders doofe und vielleicht gerade deshalb weit verbreitete Geschichte, war die von dem Kanadier Wali, dem “tödlichsten Scharfschützen der Welt”, der pro Tag bis zu 40 Feinde erledigen konnte. Manch einer fragte sich vielleicht, wie die USA und ihre Verbündeten den Krieg in Afghanistan nur verlieren konnten.

Man wird wahrscheinlich nie wissen, wie viele Freiwillige sich auf den ukrainischen Webseiten angemeldet haben, wie viele sich dann auf den Weg gemacht und wer von denen dann tatsächlich an der Front erschienen ist. Ernst zu nehmende Schätzungen gehen zur Zeit (Anfang 2025) lediglich von 1.500-2.000 Kämpfern im Einsatz aus. Von diesen stammt der größte Teil aber aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion: Georgien, Tschetschenien, Armenier, Aserbaidschan, Belarus und Russland selbst. Von den in den westlichen Medien so hochgejubelten Freiwilligen jeweiligen Nation sind nicht viele zu finden.
Auch Wali der kanadische Sniper war bereits nach zwei Monaten wieder nach Hause gefahren. Er hatte keinen einzigen ernsthaften Schuss abgegeben, statt dessen war seine Gruppe von einem russischen Panzer beschossen worden. Einige der Medien, die noch zuvor fleißig an seiner Legende geschmiedet hatten, berichteten nun spöttisch darüber.
Viele von denen, die tatsächlich bei der ukrainischen Armee auftauchten, verschwanden recht schnell wieder. Gründe gab es viele. Da war erstens die Sprachbarriere. Vor allen Dingen aber war die Versorgungslage mit Waffen, Munition, Essen und anderen Dingen zumindest für westliche Freiwillige katastrophal. Selbst diejenigen, die Einätze in Afghanistan hinter sich hatten, waren von dieser Art des Krieges schnell überfordert. In Afghanistan kehrte man nach jder Patrouille ins Basislager zurück, dort gab es Kantinen mit reichlicher Auswahl, kühles Bier, Duschen und bequeme Betten, Fernsehen und Internet. In der Ukraine gab es oft nichts davon, stattdessen Schlamm und Kälte. Vor allen Dingen aber lernten jetzt sogar die Veteranen, was es bedeutete, wenn der Gegner die Luft- und Artilllerieüberlegenheit hatte.
Kurz und gut, der Krieg in der Ukraine ist von einer Härte, die sich selbst Afghanistanveteranen kaum vorstellen konnten. Dies verdeutlicht in aller Brutalität ein Blick auf die Zahlen. In Afghanistan verlor ISAF (die Truppen der westlichen Koalition) 3.449 Mann bei einer Höchststärke von über 130.000, die natürlich mehrmals durchgewechselt wurden. Grob vereinfachend kann man aber sagen, dass ISAF in 20 Jahren etwa 3,7% der Höchststärke verlor. Die Freiwilligen in der Ukraine hatten dagegen in etwas über zwei Jahren ca. 800 Tote. Bei einer Höchststärke von zwei- bis dreitausend Mann kommt man da auf ungefähr 30%!
Dieser hohe Blutzoll aber sicher auch das entbehrungsreiche Leben in den Schützengräben haben viele Idealisten und Adrenalinjunkies die Lust am Abenteuer vertrieben, und so stellte ein ukrainische Offizier nach ein paar Monaten lapidar fest: “die Romantiker sind verschwunden.” Geblieben sind einige Unentwegte, vor allem aber die Angehörigen der ehemaligen Sowjetrepubliken, die sicher eher an solche Härten gewohnt sind und eine stärkere Motivation haben, sich gegen russischen Imperialismus zu wehren.

Es gibt allerdings eine besonders interessante Ausnahme. Das mit Abstand größte Kontingent einer einzelnen Nationalität stellen die Kolumbianer. Wie üblich wird dies in westlichen Medien, die ja vorwiegend die Nabelschau ihrer Leser bedienen, weitgehend ignoriert. Kolumbien hat ein starkes, äußerst professionelles Militär, dessen Soldaten nach ihrer Entlassung momentan nur sehr schwer eine Arbeit finden. Unter diesen Umständen hat sich Kolumbien deshalb seit einigen Jahren zu einem der größten Söldnerexporteure weltweit entwickelt. Kolumbianer stehen im Dienst zahlreicher PMCs; zur Zeit befinden sich aber die meisten im Jemen, in Mexiko und in der Ukraine.
Für einige Kolumbianer ist ein Monatssold von bis zu 4.800 Dollar offensichtlich ein überzeugendes Argument, wie in Interviews immer wieder deutlich wird. Man kann sie also mit gutem Recht als “Söldner” bezeichnen, was allerdings der Wertschätzung, die man ihnen von ukrainischer Seite her entgegenbringt, keinen Abbruch tut. Dort hat man seit kurzem mit großem Bedauern festgestellt, dass auch die Zahl der kolumbianischen Freiwilligen deutlich zurückgeht. Offensichtlich haben die hohen Verlustzahlen auch in Kolumbien einen gewissen Eindruck gemacht.
Die Einheiten der Internationalen Legion wurden an vielen Brennpunkten eingesetzt; das belegen allein schon die extrem hohen Verlustzahlen. Dennoch sind sie in einer Armee von ca. einer Million von keiner großen militärischen Bedeutung. Ihr eigentlicher Wert liegt darin, dass sie die überzeugendsten Beispiele der Solidarität ihrer Nationen mit der Ukraine sind. Das ist sicher auch der wesentliche Grund, weshalb sie von Putin so gnadenlos als “Söldner” verfolgt und diffamiert werden. Obwohl dieser ja selbst günstiges Kanonen rekrutiert, wo immer er es nur finden kann.
© Frank Westenfelder