
Cormac McCarthys Die Abendröte im Westen (1985) ist ein intensives und brutales Epos über Gewalt, Gesetzlosigkeit und den Mythos des Wilden Westens. Der Roman folgt “Kid”, einem namenlosen Jungen, der sich einer Gruppe Skalpjäger anschließt, die im Auftrag der mexikanischen Regierung einen brutalen Ausrottungskrieg gegen die Indigenen im Grenzgebiet führen. Dabei zeichnet McCarthy ein düsteres und schonungsloses Bild des amerikanischen Westens im 19. Jahrhundert.
Stilistisch ist das Werk geprägt von McCarthys lakonischer, bildgewaltiger Sprache, die mit mythologischen und biblischen Motiven spielt. Wohl kaum jemand schafft es eine Gruppe von Kriegern derart eindringlich zu beschreiben: “eine schaurige Horde auf unbeschlagenen Indianermustangs halb trunken die Straßen entlangreiten, bärtig, barbarisch, in mit Sehnen vernähte Felle gehüllt, reich bewaffnet mit überschweren Revolvern, schwertgroßen Bowiemessern, kurzen doppelläufigen Büchsen von daumesdickem Kaliber, der Sattelschmuck aus Menschenhäuten gefertigt, das Zaumzeug aus Menschenhaaren gewoben und mit Menschenzähnen verziert, die Reiter trugen Schulterbinden oder Halsschmuck aus verdorrten, schwärzlich verfärbten Menschenohren, die ungezähmten Pferde rollten mit den Augen und bleckten die Zähne wie bissige Hunde, mit dabei waren noch ein paar halbnackte, im Sattel wankende Wilde, bedrohlich, schmutzig, martialisch, das Ganze wie eine Heimsuchung aus einem unzivilisierten Land, wo sich die Reiter und ihresgleichen von Menschenfleisch nährten.”
Die Abendröte im Westen ist sicher kein leicht konsumierbares Buch, doch es hinterlässt unvergessliche Bilder, und geht weit über die Grenzen des Genres hinaus.
Außerdem hat Cormac McCarthy hervorragende Quellenstudien betrieben und sich bei seinem Roman von der realen Glanton Gang inspirieren lassen.
Unsere Bewertung: 9 von 10
Ein unvergesslicher Roman, der genial Realität und Mythen verwebt.