Syrische Bogenschützen

fern der Heimat.
Grabstein eines syrischen Bogenschützen

Die militärische Stärke des römischen Reichs beruhte vor allem auf der Schlagkraft seiner Legionen. Ähnlich wie bei den Griechen kämpften hier die freien Bürger als schwere Infanteristen. Spezialisten wurden dagegen bei Bedarf als Söldner angeworben. Zur Zeit der Republik handelte es sich dabei hauptsächlich um leichte Reiter aus Numidien, Schleuderer von den Balearen und Bogenschützen aus Kreta. Während der Bürgerkriege wurde der Bedarf ständig größer und die Verwendung nichtrömischer Truppen stieg rasant. Als danach Augustus schließlich ein stehendes Berufsheer schuf, stellten die Legionen aus römischen Bürgern nur noch etwa die Hälfte davon. Den Rest bildeten die Auxilia, die unter den unterworfenen Völkern geworben oder die von verbündeten Herrschern gestellt wurden.

Zu einem besonders wichtigen Rekrutierungsgebiet wurde dabei Syrien. Die Bevölkerung galt als ausgesprochen kriegerisch. Vor allen Dingen aber verwendete sie den Reflexbogen als Hauptwaffe. Bogenschützen hatten sich im Kampf gegen die ungepanzerten Barbaren an den Nordgrenzen des Imperiums als äußerst effektiv erwiesen. Allerdings ließen sich im Westen kaum gute Bogenschützen anwerben, und das relativ kleine Kreta konnte den gestiegenen Bedarf schon längst nicht mehr decken. So stammten Mitte des zweiten Jahrhunderts etwa die Hälfte der 32 Bogenschützen-Auxilia (Sagittarii) aus Syrien; dagegen nur eine aus Kreta.

Anfangs wurden die regionalen Herrscher und Kleinkönige zur Stellung von Truppen gezwungen. Nachdem Pompeius dann den Nahen Osten unterworfen hatte, wurde Syrien eine römische Provinz und die Römer übernahmen selbst die Rekrutierung. Dabei bevorzugten sie die semitischen Nomaden der Bergregionen vor der hellenisierten Bevölkerung der Städte. Unter den verschiedenen Stämmen fiel den Ituräern, die im nördlichen Libanon lebten, besondere Aufmerksamkeit zu.

Die Ituräer wurden als Banditen von der sesshaften Bevölkerung in der gesamten Region gefürchtet. Das machte sie zu guten Kriegern, und bereits Cäsar und dann Marcus Antonius hatten Ituräer in ihren Heeren. Doch unter römischer Herrschaft galten sie bald als Bedrohung für die innere Sicherheit, was durch verstärkte Rekrutierungen zu lösen versucht wurde. Einige wurden als Freiwillige geworben, andere gezwungen. Oft übten die Römer jedoch Druck auf die lokalen Häuptlinge und Stammesführer aus, so dass diese die geforderten Kontingente stellten.

Ituräer (cohortes Ituraeorum) dienten meistens als Bogenschützen, beritten oder zu Fuß, bald an allen Fronten des Imperiums. Aber die Ituräer waren nur eine Gruppe. Die Nabatäer um Petra stellten ebenfalls vieleTruppen. In Hama, Homs, Palmyra und Petra wurden syrische Kohorten aufgestellt. Der Kleinkönig von Emesa stellte 66 gleich zu Beginn des Jüdischen Krieges 4.000 Mann, davon ein Drittel Reiter und zwei Drittel Bogenschützen zu Fuß. Zwei Jahre später schickte er wieder 3.000 und noch einmal zur Belagerung Jerusalems.

syrische Bogenschützen auf der Trajanssäule

Ab dem ersten Jahrhundert kämpften syrische Bogenschützen in praktisch allen größeren Konflikten Roms. Im Jüdischen Krieg waren sie allein schon durch die geographische Nähe stark vertreten, aber auch an Trajans Unterwerfung der Daker, den Markomannenkriegen, den Vorstößen nach Schottland und den wiederholten Feldzügen gegen die Parther waren sie beteiligt. Vor allen Dingen aber dienten sie in den verstreuten Garnisonen entlang der endlosen Grenzen des Imperiums, die meisten am Limes von Donau und Rhein. Aber die Syrer waren nicht dazu da, im geruhsamen Garnisonsdienst ihre Zeit abzusitzen. Als ausgesprochene Elitetruppen, wurden sie immer wieder an die aktuellen Brennpunkte verlegt.

Eine gewissen Eindruck vermittelt die Geschichte der “Cohors I Ituraeorum sagittariorum” (1. Kohorte der Ituräer Bogenschützen), so weit sich deren Weg durch die äußerst mageren Hinweise verfolgen lässt. Wahrscheinlich wurde die Kohorte bereits unter Augustus aufgestellt (vor 14 AD) und war in Kappadokien eingesetzt. Danach lässt sich ihre Stationierung in Mainz nachweisen, und man kann annehmen, dass sie an den Feldzügen des Germanicus teilgenommen hat.

Zu einem neuen Krieg gegen die Parther (58–63) wurde sie mit der IV. Legion nach Armenien geschickt, wo die Römer schwere Verluste hinnehmen mussten. Anschließend war sie wahrscheinlich einige Zeit in Syrien stationiert und nahm am Jüdischen Krieg (66-70) teil. Von dort wurde sie an die Donau verlegt, um in den Dakerkriegen (101–106) eingesetzt zu werden. Es kann also sein, dass sie den auf der Trajanssäule dargestellten syrischen Bogenschützen als Modell diente.

Doch die großen Kriege und Schlachten waren eher die Ausnahme. Die Auxiliartruppen trugen die Hauptlast der Kämpfe an den Grenzen. Die Legionen waren meistens weit zurück stationiert, um bei einem großen Angriff, den Feind in einer Feldschlacht zu stellen, was die Legionen sicher auch am besten konnten. Der permanente Kleinkrieg aber mit all den Überfällen, Patrouillen, Hinterhalten und Scharmützeln lastete direkt auf den Auxiliartruppen. Sie waren mobiler und sicher auch irgendwie “verzichtbarer”.

Die Verluste waren entsprechend hoch. Von den Ituräern war in ihrer Heimat jedenfalls seit Mitte des 2. Jahrhunderts nichts mehr zu hören. Das bedeutet zwar nicht, dass sie als Ethnie aufgehört hatten zu existieren. Die Banditen und Unruhestifter aber, die zuvor in den Berichten erwähnt worden waren, hatte die römische Militärverwaltung erfolgreich “entsorgt”.

Syrer auf dem Hadrianswall

Die Auxiliareinheiten – Kohorten bei der Infanterie und Alae bei der Kavallerie – waren meistens knapp 500 Mann stark. In ihnen dienten Einwohner des Römischen Reichs ohne Bürgerrechte, Truppen von Verbündeten aber manchmal auch andere Stämme bis hin zu Kriegsgefangenen. Nach einer Dienstzeit von 25 Jahren erhielten sie normalerweise das römische Bürgerrecht.

Nach ihrer Aufstellung wurden die Auxiliareinheiten meistens fern ihrer Heimat verwendet, um Loyalitätsprobleme zu vermeiden. Der notwendige Ersatz wurde dann allerdings fast immer vor Ort rekrutiert. Je öfter eine Eine verlegt wurde, desto bunter wurde ihre ethnische Zusammensetzung, und nach einigen Jahrzehnten verband sie oft nur noch ihr Name mit der Region ihrer Aufstellung.

Die syrischen Bogenschützen waren hier aber eine seltene Ausnahme. In ihrem Fall versuchten die Römer die entstandenen Lücken mit Ersatz aus der Heimat zu füllen. Wahrscheinlich lag dies daran, dass unter der lokalen Bevölkerung nur sehr selten brauchbare Bogenschützen rekrutiert werden konnten, und den Römern der Erhalt dieser Funktion besonders wichtig war. Das war sicher keine leichte Aufgabe, und man muss sich nicht vorstellen, dass eine in Mainz stationierte Kohorte 50 Mann als Ersatz in Palmyra anforderte und diese dann auch bekam. Wahrscheinlich war der Aufstellungsort verpflichtet jedes Jahr ein bestimmtes Kontingent als Ersatz zu schicken. Falls es aber auf dem Weg größere Krisen gab, werden die zuständigen Militärpräfekten diese Kontingente einfach in ihre Truppen eingegliedert haben.

Dass manchmal trotz der riesigen Distanzen eine Verbindung bestand, belegen Forschungen zu dem römischen Fort Intercisa, das an der Donau südlich von Budapest errichtet worden war. Die dort über längere Zeit stationierte Kohorte syrischer Bogenschützen aus Homs hatte nicht nur zum Teil Familienmitglieder aus der Heimat mitgebracht, sondern auch syrische Händler und Handwerker nachgezogen, was anscheinend zu einer recht florierenden orientalischen Gemeinde führte.

Von all den syrischen Einheiten, die im Römischen Reich an den weit entlegenen Grenzen dienten, hatte die “cohors I Hamiorum sagittariorum” (1. Kohorte der Bogenschützen aus Hama) sicher den weitesten Weg hinter sich. Sie hatte es bin weit in den Norden von Britannien verschlagen, wo sie den Hadrians- und dann den Antoniuswall gegen die wilden Pikten und Kaledonier verteidigte.

Die Kohorte mit einer Sollstärke von 480 Mann stammte aus der syrischen Statt Hama am Orontes, die vorwiegend von Aramäern bewohnt war. Die Einheit lässt sich erstmals für das Jahr 122 in Britannien belegen. Über ihre Vorgeschichte und Aufstellung ist nichts bekannt. Man nimmt jedoch an, dass sie unter Trajan in den Dakerkriegen kämpfte. Bald danach muss sie nach Britannien gekommen sein und wurde dann in dem Fort Magna (auch Carvoran) an der Nordgrenze stationiert.

Pikte auf der Basis römischer Berichte

Magna liegt etwa in der Mitte des Hadrianswalls, mit dessen Bau kurz nach Ankunft der Syrer begonnen wurde. Sie haben sicher den Bau überwacht, hauptsächlich werden sie aber als leichte Truppen mit Vorstößen und Patrouillen jenseits des Walls beschäftigt gewesen sein. Die schwerfälligen Legionen waren für den Guerillakrieg der Kaledonier ziemlich ungeeignet.

Als die Römer dann noch weiter nach Norden vorstießen und dort an der Firth of Forth den Antoniuswall errichteten, waren die Syrer wieder an vorderster Front dabei. Sie hatten dort sicher keine ruhige Zeit, denn der Wall musste bereits nach etwa 20 Jahren wieder aufgegeben werden.

Die syrischen Bogenschützen waren aus ihrer Heimat an ein hartes Leben, in dem Gewalt und Entbehrungen keine Seltenheiten waren, gewöhnt, aber sie waren Söhne der Wüste und der hellenisierten Städte des Orients. Der permanente Regen, der Nebel, die Dunkelheit im Winter und vor allem die Kälte in Schottland werden es ihnen also nicht leicht gemacht haben. Dazu kamen die tätowierten Wilden in den finsteren Wäldern (die Schafweiden lagen noch in ferner Zukunft), die sich mit blauer Farbe bemalten und von denen man sagte, dass sie aus den Schädeln ihrer Feinde Blut tränken. Viel fremder werden sich Söldner wohl selten in der Geschichte gefühlt haben.

Nach dem Rückzug vom Antoniuswall versiegen die Nachrichten zu den Bogenschützen aus Hama. Sie sind wahrscheinlich noch einige Jahrzehnte am Hadrianswall geblieben. Bei den äußerst unruhigen Zeiten an Rhein und Donau, kann man aber bezweifeln, dass sie noch Ersatz aus Syrien bekommen haben. Sie werden also wie die anderen Einheiten auch ihre Lücken mit regionalen Rekruten gefüllt haben, und dadurch langsam zu einer britischen Kohorte geworden sein.


Literatur:

Birley, Anthony R.
The cohors I Hamiorum in Britain
in: Acta Classica Vol. 55 (2012), pp. 1-16

Kennedy, D. L.
The Auxilia and Numeri raised in the Roman Province of Syria
Oxford 1980

Țentea, Ovidiu
Cohors I Ituraeorum sagittariorum equitata milliaria
in: Studia Classica Serdicensia V, Sofia 2016

© Frank Westenfelder

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *