Bürger und Söldner

Das Ende der Milizen
Schlacht von Legnano

Die modernen Vorurteile gegenüber Söldnern gehen hauptsächlich auf Machiavelli zurück, obwohl bereits Aristoteles und später dann amerikanische und französische Denker ähnliche Behauptungen publizierten. Alle hielten Söldner für treulos, feige, undiszipliniert und gierig, kurz für “nutzlos und gefährlich”. Für Machiavelli begann das Problem, das schließlich ganz Italien ruinierte, mit dem Auftreten der Condottieri im frühen 14. Jahrhundert. Nun hatten aber gerade die Bürger der norditalienischen Stadtrepubliken ihre Freiheiten gegen die deutschen Kaiser tapfer und letzten Endes erfolgreich verteidigt, 1176 sogar bei Legnano in offener Feldschlacht Barbarossas Ritterheer geschlagen.

Man kommt also recht schnell zu der Frage, was diese freiheitsbewussten Bürger nur bewogen haben konnte ihr Militärwesen feigen, verräterischen und auch noch teuren Söldnern zu überlassen. Da sie ungefähr zur gleichen Zeit das moderne Bankwesen erfanden und die erste Universität gründeten, kann man ihnen wohl kaum Naivität oder die Unfähigkeit zu rechnen unterstellen.

Der Übergang zum Söldnerwesen erfolgte natürlich nicht schlagartig; es handelte sich dabei um eine langsame Entwicklung. So hatten die Stadtstaaten bereits recht früh damit begonnen, in Krisenzeiten ihre Milizaufgebote mit kurzfristig geworbenen Söldnern zu verstärken. Dazu schickte man Werber in andere – meist ärmere – Gegenden, wo sie dann versuchten, kleinere Gruppen zu rekrutieren. Mit der Zeit erwies es sich jedoch als praktischer, Verträge mit Landadligen zu schließen, die dann bei Bedarf eine selbst geworbene Truppe zur Verfügung stellten, die anständig ausgerüstet und an Zusammenarbeit gewohnt war. Aus der Bezeichnung dieser Soldverträge (condotta) ergab sich dann die Bezeichnung “Condottiere”.

Die Bedeutung der Condottiere und ihrer Truppen stieg in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts aus mehreren Gründen. Mit dem Ende der Staufer war für die norditalienischen Städte der Bedrohung von außen entfallen und sie begannen praktisch umgehend mit Kriegen untereinander. Fast jeder Stadtstaat lag im Streit mit seinen Nachbarn, da jeder versuchte sein Territorium und seinen Machtbereich auszudehnen. Für diese zahlreichen Auseinandersetzungen, die Überfälle und Garnisonsdienste hatten viele Bürger weder Zeit noch Lust; vor allem aber hatten sie besseres zu tun. Sie bezahlten also lieber die dafür vorgesehenen Abgaben und ließen den beschwerlichen Dienst von anderen erledigen.

Gleichzeitig war das Kriegshandwerk generell professioneller geworden, wodurch die Anforderungen stiegen. Bei der Infanterie benötigte man zunehmend gut ausgebildete und ausgerüstete Armbrustschützen. Vor allen Dingen aber wurden die schweren Reiter immer wichtiger, bei deren Einsatz sich taktische Manöver in geschlossener Formation als entscheidend erwiesen.

Die Schlagkraft dieser Rittersöldner zeigte sich bereits in der Schlacht bei Montaperti (1260). Das mächtige Florenz hatte ca. 1.400 Ritter unter seinen eigenen Bürgern mobilisiert und mit 200 Söldnern verstärkt. Das zahlreiche Fußvolk stammte fast vollständig aus Florenz. Auf der Gegenseite stand Siena, das nur 600 Ritter hatte mobilisieren können von König Manfred aus Sizilien aber 800 deutsche Ritttersöldner erhalten hatte. Die Stoßkraft dieser Ritter war es dann letzten Endes auch, die dem an Anzahl weit unterlegenen Heer von Siena zum Sieg verhalf. Sie waren angeblich hoch motiviert, da man ihnen bei einem Sieg den doppelten Sold versprochen hatte.

Diese äußerst verlustreiche Niederlage verstärkte in Florenz die Bereitschaft zu Anwerbung von Söldnern. Nachdem Karl von Anjou dann 1266 das Königreich Sizilien erobert hatte, traten einige seiner nun arbeitslosen Söldner in den Dienst von Florenz und anderer ghibellinischer Städte. Als es dann 1289 bei Campaldino wieder zu einer großen Schlacht zwischen norditalienischen Guelfen und Ghibellinen kam, stellte der Stadtadel von Florenz nur noch 600 Ritter. Dazu kamen aber 400 erfahrene französische Rittersöldner aus Neapel unter Amauri von Narbonne, die als Elite des Heeres galten. Auch Dank dieser schlagkräftigen Hilfe gelang den Ghibellinen ein großer Sieg.

Der lange Krieg zwischen Neapel und Aragon um Sizilien brachte neue Gruppen französischer und katalanischer Söldner nach Italien. Nach dem Frieden von Caltabellotta (1302) führte Roger die Flor zwar viele der Katalanen nach Byzanz, andere suchten aber nach neuen Auftraggebern in Italien. So findet man ab 1305 den Katalanen Diego della Ratta mit 300 Rittern zahlreichen Almogavaren im Dienst von Florenz. Manche Historiker halten ihn und den Katalanen Wilhelm della Torre für die ersten echten Condottiere Italiens.

Obwohl Söldner gegen Ende des 13. Jahrhunderts zum einem festen Bestandteil des Militärs der norditalienischen Stadtstaaten geworden waren, stellten die Bürger immer noch den Löwenanteil der Aufgebote. Söldner ergänzen und verstärken Aufgebote als Spezialisten und in Krisenzeiten, ersetzen sie aber keineswegs. Der große Umschwung kam erst als mit dem Romzug des deutschen Königs Heinrich VII. eine große Zahl professioneller Truppen nach Italien kam.

Heinrich VII. zieht über die Alpen

Anders als die Staufer war Heinrich kein mächtiger Territorialfürst; er stammte aus einer eher bescheidenen Grafenfamilie. In dem Heer, das er 1310 in Lausanne sammelte fanden sich also nicht die großen Familien des Reiches mit ihrem Gefolge, sondern Abenteurer, die ihren Besitz veräußert hatten, um in Italien ihr Glück zu machen. Viele dienten von Anfang an gegen Sold. Der Historiker Gregorovius nennt sie “meist Söldner und geringes Volk”.

Wenn auch oft von geringerer Herkunft so schlugen sie sich in Italien dennoch hervorragend. Nach langen Kämpfen konnte das Heer Heinrichs Kaiserkrönung in Rom durchsetzen, und als sie gegen Florenz zogen, brachte sich das mehr als doppelt so starke Aufgebot der Stadt und ihrer Verbündeten nach einigen Scharmützeln hinter den Mauern in Sicherheit.

Als aber Heinrich kurz darauf im August 1313 starb, standen die meisten dieser Veteranen vor dem Nichts. Gleichzeitig fürchtete man im ghibellinischen Pisa nach dem Tod des Kaisers die Rache der alten Konkurrentin Florenz. Unter diesen Umständen ergab es sich fast von selbst, dass Pisa eine größere Anzahl (man schätzt 600 bis 1.000) deutscher Reiter anwerben konnte. Sie wurden dem italienischen Condottiere Uguccione della Faggiola unterstellt, der bereits Heinrich VII. gedient hatte.

Mit diesen Truppen wandte sich Uguccione zuerst gegen das mit Florenz verbündete Lucca, dessen Aufgebot gegen seine Söldner keine Chance hatte. Ein Zeitzeuge notierte bewundernd, dass sie fähig waren in geschlossener Formation zu bleiben, und auf Signale zu schwenken “wie ein Mann”. Angeblich drohten drakonische Strafen beim Verlassen der Formation. Luca musste schließlich kapitulieren und wurde dauerhaft von Pisa besetzt.

Währenddessen bildete sich unter der Führung von Florenz eine mächtige Guelfen-Allianz, der sich der Papst, Neapel Bologna, Siena und einige andere Städte anschlossen. Pisa erhielt dagegen von den Ghibellinen Norditaliens Unterstützung. Als die gegnerischen Heere dann 1315 bei dem Städtchen Montecatini aufeinandertrafen, verfügte Pisa über circa 4.000 Reiter – darunter etwa 1.000 deutsche Söldner – und 20.000 Mann Infanterie. Florenz war bei den Reitern nur leicht überlegen, war bei der Infanterie aber ungefähr doppelt so stark. Interessant ist, dass der florentinische Adel nur noch 300 Reiter stellte. Die anderen kamen von den Verbündeten oder waren ebenfalls Söldner. Der König von Neapel hatte viele geschickt, deren Sold aber von Florenz bezahlt wurde.

Die Schlacht wurde durch die Erfahrung Uguccione entschieden, der eisern auf die Disziplin seiner Truppen achtete. Das Heer der Florentiner führten dagegen zwei neapolitanische Prinzen, denen Ugucciones Erfahrung fehlte, und die wahrscheinlich auch keine Chance hatten in dem riesigen Aufgebot eine überlegte Marschordnung durchzusetzen. Die Rittersöldner beider Seiten schlugen sich gut. Uguccione konnte das Blatt nur wenden, da seine deutschen Söldner in Formation blieben und den erfolgreichen Angriff der Neapolitaner stoppten, so dass er diese von den Flanken her mit Armbrustschützen angreifen konnte. Nachdem sie dann geschlagen waren, gab es für die Masse des Florentiner Aufgebots kein Halten mehr.

Ritterschlacht 14. Jahrundert

Die Niederlage war vollkommen. Über 10.000 Florentiner sollen den Tod gefunden haben, darunter 26 Angehörige der herrschenden Familien. Die Beute an Waffen, Schmuck, Pferden und schließlich Lösegeldern war enorm. Die deutschen Söldner konnten es sich deshalb erlauben, für ihre gefallenen Kameraden eine Kirche in Pisa zu stiften. Sie trägt den Namen San Giorgio ai Tedeschi nach dem deutschen Schutzpatron der Ritter und Kriegsleute.

Allgemein gilt Schlacht bei Montecatini 1315 als ein Wendepunkt der italienischen Militärgeschichte, da sie endgültig die Unzulänglichkeit schlecht disziplinierter Bürgermilizen demonstriert hatte. Als entscheidende Waffe hatten sich gut ausgebildete Reiterformationen erwiesen, die von professionellen Armbrustschützen unterstützt wurden.

Natürlich brauchte dieser Übergang Zeit. Söldner kosteten viel Geld und so konnte es sich niemand erlauben über längere ein stehendes Heer zu unterhalten. Nach der vernichtenden Niederlage von Montecatini schlossen Guelfen und Ghibellinen erst einmal Frieden, und Pisa schickte viele seiner deutschen Söldner nach Sardinien, wo viele in einen katastrophalen Krieg gegen Aragon ihr Ende fanden.

Als es nach 1320 jedoch wieder zum offenen Krieg in der Toskana kam, stellten Söldner auf beiden Seiten das größte Kontingent. Die ghibellinische Seite führte Castruccio Castracani, ein erfahrener Condottiere, der als Protegé von Uguccione Karriere gemacht und erfolgreich bei Montecatini gekämpft hatte. Nachdem er zum Herrn von Lucca geworden war, stieß er bei seiner Expansionspolitik wieder mit Florenz zusammen.

Castruccio Castracani stützte sich dabei vorwiegend auf die deutschen Söldner von Lucca und Pisa, von denen einige sicher schon bei Montecatini gekämpft hatten. Außerdem erhielt er Verstärkungen von den Wittelsbachern, da er enge Beziehungen mit Ludwig dem Bayern unterhielt. Das Heer, das seine Gegner 1325 in Florenz musterten, war wesentlich gemischter. Die Florentiner Patrizier stellten zwar immer noch gur 500 Ritter, den Oberbefehl hatte aber der katalanische Condottiere Ramon de Cardona, der etwa 250 Landsleute mitgebracht hatte. Dazu kamen 100 Burgunder, 450 Gascogner, Provenzalen und Flamen, 600 Franzosen und 200 Deutsche. Lediglich die 15.000 Infanteristen waren in Florenz oder dem direkten Umland rekrutiert worden.

Söldner waren zwar effektiv aber dafür auch sehr teuer. Der Chronist Giovanni Villani gibt die täglichen Kosten des Florentiner Heeres mit 3.000 Fl an. Damit konnte Castruccio Castracani natürlich nicht mithalten. Er verfügte nur über etwa die Hälfte der Reiter und zog sich erst einmal zurück. Während die Florentiner im August die Festung Altopascio belagerten und schließlich eroberten aber gleichzeitig viele Leute durch das ungesunde Sommerklima verloren, verhandelte er mit anderen Condottieri und Bankern.

Schließlich konnte er den Mailänder Condottiere Azzo Visconti überreden ihm mit 800 deutschen Reitern zuzuziehen; angeblich hatte er ihm dafür neben viel Geld auch die schönsten Frauen von Lucca versprochen. Als es dann Ende September bei Altopascio zur Schlacht kam waren beide Heere bei den Reitern etwa gleich stark, und allein diese waren entscheidend. Nachdem die Ritter der ersten beiden Florentiner Treffen durchbrochen waren, versuchte Ramon de Cardona zwar noch den Rückzug zu decken und geriet dabei in Gefangenschaft. Castruccio Castracani hatte außerdem den Fluchtweg blockieren lassen, so dass die Verluste wieder verheerend waren.

Adlige der Miliz von Genua um 1280

In Florenz war die Lage so verzweifelt, dass Karl von Kalabrien, dem Sohn des Königs von Neapel, die Herrschaft über die Stadt angeboten wurde mit einem Jahressold von 200.000 Fl, für das Versprechen eine Söldnerarmee von 1.000 Rittern in der Toskana zu unterhalten. Später wurden immer mehr deutsche Reiter geworben, sie waren in der Anfang des 14. Jahrhunderts am einfachsten auf dem Markt zu haben. Ihnen folgten Ungarn, Engländer, Gascogner, Bretonen und immer mehr Italiener selbst, die dann am Ende des Jahrhunderts die überwiegende Mehrheit der Söldner stellten.

Die Schlacht von Altopascio war das letzte Mal, dass Florentiner in größerer Anzahl eingesetzt wurden. Bei dem (ebenfalls unglücklichen) Krieg gegen Pisa 1341 findet man unter den 2.000 Reitern nur noch 40 Florentiner. Das Zeitalter der Freien Kompanien (compagnie di ventura) und der Condottiere hatte begonnen. Als professionelle Krieger brachten sie zwar jede Menge Probleme mit sich; die alten Bürgeraufgebote hatten aber dennoch nicht die geringste Chance gegen sie.

Der große Propagandist Machiavelli, der nie an einem ernsthaften Gefecht teilgenommen hat, konnte 1506 die Regierung von Florenz wieder zur Aufstellung einer Miliz bewegen. Als sich diese dann aber ein paar Jahre später in dem Städtchen Prato spanischen Söldnern stellten musste, wurden sie ohne viel Gegenwehr in die Flucht geschlagen. Die Rechnung bezahlten dann die Einwohner des Ortes.

© Frank Westenfelder

One comment

  1. Ist eigentlich alles logisch. Heute würde ja auch niemand behaupten, dass Fußballspieler eines Regionalvereins besser als Profis spielen, nur weil sie ihrem Verein treu ergeben sind. Milizionäre sind einfach Freizeitsoldaten und mit allzuviel Patriotismus macht man nur Kanonenfutter draus.

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