Kriegsreisende

 die Sozialgeschichte der Söldner

Ein Kampf um Rom

Das Söldnerheer Justinians.

Schwer erschüttert von den Angriffen barbarischer Stämme an seinen Nordgrenzen aber nicht zuletzt auch der persischen Sassaniden war das römische Reich um 400 geteilt worden. Das bot vor allem die Vorteile, dass die immer schwerfälligere Verwaltung wesentlich kürzere Wege hatte und sich das Militär auf die zwei Hauptfronten konzentrieren konnte. Der Kaiser in Rom sollte die Germanen im Norden abwehren und der in Ostrom (Byzanz) die Grenze gegen die Sassaniden halten. Die Teilung war in dieser äußerst kritischen Situation nur ein logischer Schritt, um die knappen Ressourcen an Geld und Soldaten schneller an die Brennpunkte zu werfen. Die weitere Entwicklung ist bekannt. Während das weströmische Reich in den nächsten 80 Jahren zu einem Teil von germanischen Stämmen überrannt wurde, zum anderen aber von seinen eigenen germanischen Söldnern einfach übernommen wurde, konnte das byzantinische Reich die Krise überwinden und sich noch ungefähr 1.000 Jahre lang halten.

Man sollte aber nicht denken, dass Byzanz deshalb überlebte, weil es den leichteren Teil zu tragen hatte. Im Gegenteil. Byzanz musste sich auch mit Goten und Hunnen schlagen, die Sassaniden waren weit stärker als jeder germanische Stamm, später kamen Bulgaren, Petschenegen, Slawen, Araber und Türken hinzu. Mehrmals standen die Feinde vor den Toren von Byzanz und immer wieder raffte sich das angeschlagene Reich auf. Wir wollen hier aber nicht die tausendjährige Geschichte des Oströmischen Reichs erzählen, sondern uns lediglich mit den Kriegen gegen Vandalen und Goten (534-553) in der Zeit Justinians beschäftigen, als sich Byzanz daran machte Roms Erbe anzutreten. Dabei kam nicht nur die gleiche Art von Söldnern zum Einsatz, die vorher zu dessen Untergang geführt hatten, sondern mit Prokop, dem Sekretär des byzantinischen Feldherrn Belisar, steht auch eine hervorragende Quelle über das Söldnertum der Völkerwanderungszeit zur Verfügung.

Das byzantinische Reich im 6.Jahrhundert

Die alten römischen Infanterielegionen waren zu dieser Zeit längst verschwunden. Nachdem die gotischen Lanzenreiter 378 bei Adrianopel die Legionäre der oströmischen Armee vernichtend geschlagen hatten, war die Kavallerie zur entscheidenden Waffe auf den Schlachtfeldern geworden. Allerdings verstärkte und bestätigte Adrianopel nur eine Entwicklung, die bereits seit längerem im Gange war. Im weströmischen Bereich hatte man bereits vorher immer stärker auf Kavallerieeinheiten gesetzt, um schneller auf die immer häufiger ins Imperium einbrechenden Plündererbanden reagieren zu können, und in Byzanz verlangte der permanente Krieg mit der persischen Reiterei ebenfalls nach Kavallerie. Von den Germanen kämpften vor allem die Völker zu Pferde, die lange in Osteuropa gelebt hatten und im engen Kontakt mit den dortigen Reitervölkern diese Kampfesweise übernommen hatten. Westgermanische Völker wie Franken und Alemannen kämpften dagegen noch lange größtenteils zu Fuß. Besonders wichtig waren berittene Bogenschützen, die allerdings nur unter einigen Reitervölkern wie Mauren, Massageten und natürlich den Hunnen rekrutiert werden konnten. So kämpften die Reiter der Goten ausschließlich mit Schwert und Lanze, ihre Bogenschützen dagegen zu Fuß.

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass diese Heere auffallend klein waren. Meist bestanden sie nur aus einigen tausend maximal 20.000 Mann. Dabei sollte man daran denken, dass die Römer einst in ihrer schwersten Niederlage bei Cannae (216 v. Chr.)von 86.000 Mann, 50.000 verloren haben, und auch Cäsar hatte während des gallischen Krieges an die 100.000 Mann im Einsatz. Prokop übertreibt zwar in guter alter Tradition maßlos bei den Zahlenangaben seiner Gegner; man kann aber davon ausgehen, dass auch die Heere der Vandalen und Goten in ihren besten Zeiten bestenfalls doppelt so stark waren. Da wurden keine Legionen mehr ausgehoben. Wenn ein befreundeter Fürst für gutes Geld einige tausend Krieger schickte, so war das schon ein Heer; wenn ein Offizier auf eigene Kosten eine nach hunderten zählende Truppe zusammenstellte oder ein Häuptlingssohn mit seiner persönlichen Gefolgschaft kam, waren das veritable Verstärkungen.

byzantinische Söldner Prokop berichtet z. B. über die Zusammenstellung eines großen Heeres: "Johannes schloss sich ihm ebenfalls an mit seinen eigenen Truppen und denen, die sein Schwiegervater Germanus hinterlassen hatte. Ferner ließ sich der Langobardenkönig Auduin durch reiche Geschenke des Kaisers Justinian und den abgeschlossenen Bundesvertrag bestimmen, von seiner Gefolgschaft 2.500 tapfere Krieger auszusuchen und zur Unterstützung abzusenden, denen er über 3.000 Mann als Knappen mitgab. Dann gingen mit Narses über 3.000 Mann vom Volk der Heruler, die unter anderen Philemuth befehligte, zahlreiche Hunnen, Dagisthäus mit seinem Gefolge, der deshalb aus dem Gefängnis entlassen wurde, viele persische Überläufer unter Kabades, dem Sohn des Zames und Enkel des Perserkönigs Kabades; ferner Aspad, ein junger Gepide von hervorragender Tapferkeit, mit 300 seiner Landsleute, die ebenfalls tapfere Krieger waren; der Heruler Aruth, der von Jugend auf römisch erzogen war und selbst ein kühner Degen und zahlreiche Heruler von gleicher Tapferkeit um sich hatte; endlich Johannes, mit dem Beinamen der Fresser mit einer Schar kriegstüchtiger Römer."

Neben der bunten Mischung fällt an dieser Beschreibung - die sich in einigen Variationen wiederholen ließe - auf: dass die Truppen oft einem Anführer regelrecht "gehörten". Belisar und seine Unterführer waren weniger Offiziere, sondern echte Condottieri, die auf eigene Kosten Truppen anwarben und dann auch deren Ausrüstung und Versorgung übernahmen. Später bezahlte der Kaiser dann mehr oder weniger regelmäßig den Sold. Der Condottiere dagegen konnte mit reichen Geschenken rechnen, großen Latifundien, einer hohen Position am Hof, und bereicherte sich natürlich nicht zuletzt am Krieg selbst. Unter diesen Umständen war es mit der Disziplin natürlich nicht weit her. Belisar hatte ständig Probleme mit seinen Unterführern; viele machten, was sie wollen, verweigerten Befehle, übergaben Städte an den Feind oder unternahmen Raubzüge auf eigene Rechnung. Mit den Truppen war es nicht viel besser. So berichtet Prokop von den Herulern, die wegen ihrer barbarischen Wildheit besonders geschätzt wurden: "Eine Anzahl von ihnen ist auch unter die römischen Soldaten gegangen, und zwar zu den so genannten Föderaten. Jedes mal nun, wenn die Gesandten der Heruler nach Byzanz kommen, nehmen sie für dieselben Leute, welche die römischen Untertanen brandschatzen, ohne weiteres Subsidien in Empfang und gehen damit nach Hause."

Auch hier wird ein Charakteristikum der byzantinischen Armeen deutlich. In den alten Kernprovinzen des römischen Reiches konnten kaum brauchbare Söldner rekrutiert werden, während der Jahrhunderte langen Pax Romana hatte die Bevölkerung anscheinend völlig ihre Kriegstüchtigkeit verloren. Deshalb wurden nun Germanen, je unzivilisierter desto besser, Hunnen, Mauren und Araber von jenseits der Grenzen geworben. Im Imperium selbst kamen sie bezeichnenderweise aus den Randgebieten, wie die Thraker und die wilden Isaurier aus den Bergen Kleinasiens. Gute barbarische Truppen scheinen dabei fast eine Mangelware gewesen zu sein, da die byzantinischen Feldherren bevorzugt die besiegten Vandalen und Goten in ihre persönlichen Leibgarden aufnahmen.

germanische Eroberer im Luxus Die Vorteile dieser Truppen wurden bei Belisars Angriff auf das Reich der Vandalen in Nordafrika (535) besonders deutlich. Die Vandalen waren noch zwei Generationen zuvor der Schrecken des westlichen Mittelmeers gewesen und hatten sogar Rom geplündert. Doch dann gaben sich unter ihrem König Gelimer ganz dem Wohlleben und der Dekadenz in Karthago hin. Prokop hielt sie für das "verweichlichste aller Völker", von dem er je gehört habe. "Sie wohnten in prachtvollen, wasserreichen Gärten, in denen die schönsten Bäume standen. Den Freuden der Trinkgelage waren sie nicht weniger ergeben, als denen des Liebesgenusses." Von Belisars frisch rekrutierten Barbaren wurden sie schnell geschlagen. Da sie der Bevölkerung nicht trauten, gaben sie Karthago kampflos auf und setzten sich mit ihren angehäuften Schätzen und Familien ab. Als Belisars Krieger dann das vandalische Lager eroberten, flohen die Vandalen schnell. Doch auch in Belisars Truppen war mit der Eroberung jede Ordnung dahin: "Denn die römischen Soldaten, die bettelarme Leute waren und sich nun plötzlich im Besitz ungeheurer Schätze und wunderschöner Weiber sahen, blieben ihrer Sinne nicht mehr mächtig und schienen im Stillen ihrer Lüste unersätllich: des ungeahnten Glücks voll, taumelten sie wie trunken daher, als ob jeder nur daran dächte, seine Schätze auf dem nächsten Wege nach Karthago in Sicherheit zu bringen. Jede militärische Ordnung war gelöst." Wenn sich die Vandalen in dieser Nacht zu einem Gegenangriff aufgerafft hätten, wäre das römische Heer vernichtet worden, aber die dazu notwenige Disziplin und Routine war ihnen längst verloren gegangen.

Gelimer und sein Hofstaat flüchteten zu den Mauren in die Berge. Ganz anders als die Vandalen waren die Mauren "außerordentlich abgehärtet gegen Wind und Wetter, Hunger und Durst; Bequemlichkeit kannten sie nicht. Lange Zeit lebten Gelimer und die Seinigen gerade wie die Mauren nur von rohem Getreide," berichtet Prokop. Die Byzantiner konnten zwar nicht in die Berge vorstoßen, aber die Vandalen mussten auf ihre erlesenen Speisen verzichten. Statt der täglichen erfrischenden Bäder, gab es am Tag Hitze und Dreck und nachts bittere Kälte. So dauerte es nicht lange bis sie sich der Gnade des Kaisers auslieferten. Gelimer erhielt daraufhin ein ansehnliches Gut in Galatien und aus den Vandalen wurden fünf Kavallerieregimenter gebildet, die an die persische Front geschickt wurden.

Somit schien in Afrika alles geregelt. Zum Problem wurden jedoch die vandalischen Frauen, die Belisar seinen Kriegern als Beute überlassen hatte. Sie scheinen ihren gefallenen oder geflohenen Ehemännern nicht lange nachgeweint zu haben. Statt dessen wiegelten sie ihre neuen Männer - d.h. die Hunnen, Heruler und Gepiden, die Belisar als Besatzung zurückgelassen hatte - auf. Sie erzählten ihnen von den riesigen Ländereien, die sie besessen hatten und die nun dem Kaiser gehörten, aber eigentlich ja Familienbesitz seien. Die Söldner rebellierten, zudem schlossen sie ihnen noch einige Vandalen an, die sich noch versteckt gehalten hatten. Belisar musste darauf schnellstens nach Afrika zurückkehren und den Aufstand niederwerfen.

schwere persische Reiter Der anschließende Krieg gegen die Ostgoten in Italien (535-553) wurde dagegen wesentlich härter. Man liegt sicher nicht falsch mit der Annahme, dass dies unter anderem daran lag, dass sie sich wesentlich kürzer in Italien befanden als die Vandalen in Afrika. Sie waren es also noch gewohnt, Krieg zu führen. Dennoch eilte Belisar auch hier von Sieg zu Sieg, was aber vor allem daran lag, dass ihm die einheimische Bevölkerung oft die Tore der Städte öffnete und eine ganze Reihe wichtiger Goten die Seiten wechselten. Durch das unsägliche Buch Felix Dahns ist der Eindruck entstanden, die Goten wären ein Volk germanischer Bauern gewesen. Jedoch schon Theodor Mommsen bezeichnete Theoderich als den "eines von den Römern in Sold genommenen germanischen Haufens." Auf ihren Wanderungen hatten sie jede Menge anderer Krieger in ihren Reihen aufgenommen, zudem warben sie selbst Söldner unter anderen Stämmen. Prokop berichtet unter anderem von einem Gepiden und einem Rugier in wichtigen Positionen. Zudem gab es immer Überläufer in beide Richtungen. Jeder kämpfte dort, wo er seinen größten Vorteil sah. Ganz deutlich wird diese ausgesprochen "internationale" Einstellung, als die Goten Belisar die Krone Italiens anboten, nachdem ihr König Witichis geschlagen war. Sie dachten offensichtlich, dass es sich unter so einem großen Heerführer gut leben ließ.

Als treuer Diener seines Herrn schlug Belisar das Angebot zwar aus, aber es reichte immerhin dazu, das Misstrauen des Kaisers zu wecken. Belisar wurde abgezogen und die letzten Goten mussten sich nur noch mit seinen zerstrittenen Unterführern herumschlagen. Da sich Belisar nicht mehr um die Truppen kümmerte, verschwand der Sold, soweit er überhaupt geschickt wurde, meistens in den Taschen korrupter Offiziere und Beamter, und die Bevölkerung lernte die Härte der byzantinischen Steuereintreiber kennen. Als nun die Goten unter ihrem König Totilas mit einer Gegenoffensive begannen, liefen viele Angehörige der byzantinischen Armee zu ihnen über, darunter natürlich auch zahlreiche Goten, die vorher die Fronten gewechselt hatten. Auch Rom mussten sie nicht lange belagern, denn da die Garnison lange keinen Sold erhalten hatte, öffneten ihnen einige Isaurier heimlich nach Absprache ein Tor. Die Geschlagenen stellte Totilas dann vor die Auswahl heimzukehren oder in sein Heer einzutreten. Prokop schreibt, da die meisten nicht ohne Besitz heimkommen wollten, seien sie übergetreten.

Nachdem die Goten schließlich wieder fast ganz Italien in ihrer Hand hatten, raffte sich der Kaiser in Byzanz endlich auf und schickte den Eunuchen Narses mit einem neuen Heer, dessen Zusammensetzung oben beschrieben wurde. Vor allen Dingen erhielt Narses aber so viel Geld, dass er den Überläufern ihren alten Sold bezahlen konnte, so dass viele wieder ins kaiserliche Heer zurückkehrten. Dennoch wird die Stärke seines Heeres 552 bei Taginae auf etwa 15.000 Mann geschätzt. Narses positionierte die Langobarden, Heruler und die anderen Barbaren als Infanterie in der Mitte, damit sie sich nicht so schnell aus dem Staub machen konnte, dann stellte er jeweils 4.000 Bogenschützen an die Flanken und behielt den Rest als Kavallerie in Reserve. Damit erinnert Taginae an die berühmte Schlacht bei Crécy (1346), in der die Engländer das französische Ritterheer auf ähnliche Art schlugen. Mit der gleichen Arroganz wie später die französischen Ritter, stürzten sich auch die gotischen Lanzenreiter auf das Zentrum und wurden erbarmungslos von den Bogenschützen dezimiert, diejenigen, die durchkamen wurden dann von der Infanterie abgewehrt.

Alboin und Rosamunde Die Goten lieferten noch eine Zeit lang Rückzugsgefechte, und die letzten verteidigten sich dann am Vesuv so hartnäckig, dass ihnen Narses den Abzug aus Italien mit ihrer gesamten Beute gestattete. Viele scheinen jedoch als Untertanen des Kaisers in Italien geblieben zu sein und weiterhin die Besatzungen wichtiger Kastelle gebildet zu haben. Einige dieser Garnisonen hatten ohnehin rechtzeitig die Seiten gewechselt, so dass für sie alles beim alten blieb. Byzanz wurde jedoch mit seiner Eroberung nicht glücklich. Denn die Langobarden, die einen großen Teil von Narses Heer gestellt hatten und zu dieser Zeit noch in relativ armen Provinzen lebten, hatten genug vom Reichtum des Landes gesehen. Gerade 15 Jahre später vernichteten sie unter ihrem König Alboin das Reich der benachbarten Gepiden, absorbieren deren Reste und fielen verstärkt durch Sachsen und Thüringer in Italien ein. Alboin wurde übrigens dadurch berüchtigt, dass er sich aus dem Schädel des erschlagenen Gepidenkönigs eine Trinkschale machen ließ und dessen Tochter Rosamunde, die er nach dem Sieg zur Frau genommen hatte, dazu zwang, daraus zu trinken. Ob wahr oder Legende, so unterstreicht diese Geschichte doch, welche Art von Kriegern da rekrutiert wurde, und wie groß der Unterschied zwischen den verwöhnten Vandalen und den immer noch barbarischen Langobarden innerhalb weniger Generationen geworden war.

© Frank Westenfelder  


 
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